Sehr geehrte Frau Bull, ich bin ja beeindruckt von den Formulierungen in Ihrem Antrag. Es war sehr schwierig herauszubekommen, was Sie denn nun eigentlich meinten. Durch die drei- und vierfache Verneinung in einem Satz wussten Sie vielleicht auch selber nicht mehr so richtig, was Sie damit eigentlich sagen wollten.
Umso dankbarer bin ich für Ihren künstlerisch hochwertigen Vortrag an dieser Stelle, der uns, glaube ich, sehr schonend klargemacht hat, dass es Ihnen sehr wohl um die Sache geht und nicht darum, zu fragen, warum man denn eine Entscheidung aus der früheren Zeit infrage stellt, aber diese vielleicht doch nicht umzusetzen gedenkt. Wie auch immer.
Es ist also so, dass mit dem gegenwärtigen Gesetzentwurf keine Entscheidung getroffen wird, wie letztlich die Zusammenführung der Aufgaben des überörtlichen und örtlichen Trägers der Sozialhilfe, insbesondere im Bereich der Eingliederungshilfe erfolgen soll. Man muss vielleicht immer wieder sagen, dass wir nicht irgendwo die Hilfe zum Lebensunterhalt verändern wollen, aber diese Zusammenführung, wie sie erfolgt, ist in diesem Gesetzentwurf nicht abschließend geklärt.
In dem Gesetzentwurf geht es einzig und allein darum, den Übergang des Landesamtes sowie der Ämter für Versorgung und Soziales zu sichern. An dieser Stelle ist - im Gegensatz zu früheren Gesetzen dieses Landtages - einfach eine Auffanglösung vorgesehen. Das heißt, wenn die anderen Strukturen bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegriffen haben, ist erst einmal ein reibungsloser Übergang möglich.
Ich erinnere noch an die Regionalisierung der Landesplanung. Dort gab es vorsichtshalber keine Übergangslösung, mit dem Erfolg, dass eineinhalb Jahre lang keine
Landesplanung mehr stattfand und die Investoren nicht wussten, wo es lang geht. Es ist mir einfach zu gefährlich, auch nur einen einzigen Tag nicht eine klare Zuständigkeit für die Bearbeitung der Sozialhilfe zu haben.
Wir beabsichtigen - dazu stehen wir nach wie vor - vorerst eine Zentralisierung der zusammengeführten Aufgaben, um im gesamten Land eine klare Versorgungsstruktur zu errichten; denn das ist das Hauptproblem. Auch die von Ihnen angesprochenen Lösungen haben nicht zu einem Zusammenführen von Kostenverantwortung und Entscheidungsverantwortung geführt. Selbst wenn man Thüringen herannimmt mit der gegenwärtig stringentesten Form der Kommunalisierung, so gibt es dort vom Landkreistag Thüringen selbst Kritik an dieser Lösung, die uns gegenwärtig davor zurückschrecken lässt.
Unser Haus hat aber jetzt die Aufgabe, sich hierfür eine Struktur zu überlegen, mit der diese Aufgabenwahrnehmung für das Land erfolgen kann. Die Prüfung einer solchen Struktur ist noch nicht abgeschlossen. Dabei geht es noch um die Form einer Anstalt, eines Zwecksverbands oder einer GmbH.
Wir sind uns darin sicher, dass wir Ihnen bis zum Jahresende rechtzeitig eine Struktur vorschlagen können. Wir müssen das Ausführungsgesetz zum BSHG sicherlich noch einmal ändern, sodass der Landtag im Rahmen der Diskussion auf jeden Fall beteiligt wird.
Sie sehen, die Neuordnung der Sozialhilfe ist nicht allein eine kurzfristige administrative Entscheidung; sie bedarf vielmehr der Gesetzesänderung und damit sicherlich noch einiger Zeit.
Wir sehen uns hierbei in einer Verantwortung, die es uns nicht erlaubt, den Hilfeempfängern mit kurzfristigen Lösungen gegenüberzutreten. Das, wofür Ihnen vier Jahre nicht ausreichten, können wir nicht in wenigen Monaten bewältigen. Also geben Sie uns etwas Zeit.
- Aber, Frau Dr. Kuppe, Sie wollen doch nicht sagen, dass das, was im Hause vorlag, real dazu geeignet war, diese Problematik wirklich zu lösen.
(Frau Dr. Kuppe, SPD: Ja! - Frau Budde, SPD: Ihre Gebietsreform macht es doch unmöglich! - Zurufe von der PDS)
Es gab einen Landtagsbeschluss: Kommunalisieren und Schluss. An dieser Stelle gab es keine Untersetzung, nichts.
Deswegen war es dringend geboten, hierfür eine entsprechende Vorarbeit zu leisten. Ich sage Ihnen, wir werden diese Aufgabe annehmen und wir werden sie ordnungsgemäß erfüllen. Wir werden den Landtag selbstverständlich an den Gesetzesänderungen beteiligen.
Herr Minister, dass dieses Thema problemschwanger ist, hat sich durch die gesamte vergangene Legislaturperiode gezogen. Dennoch haben sich die FDP und die CDU im Koalitionsvertrag entschlossen, dieses Projekt sofort in Angriff zu nehmen und die Übertragung auf die Kreise innerhalb eines Quartals vorzunehmen.
Warum hat man sich damals sofort für die Übertragung entschieden und merkt erst jetzt, dass im Hause nicht alles vorlag? Hat man sich im Koalitionsvertrag nicht auf das Vorliegende berufen? Hat man bei der Entscheidung sozusagen die Beratung, die wie alle auch die CDU verfolgt hat, ausgeklinkt?
Wir haben an dieser Stelle die Verantwortung, eine ordnungsgemäße Lösung herbeizuführen. Nach der Prüfung des Gesamtproblems - das haben wir schon im vorigen Jahr geäußert - sind wir der Meinung, dass es vorübergehend der Schaffung einer zentralen, einer einheitlichen Versorgungsstruktur im Lande bedarf, bevor man zu einer Kommunalisierung schreiten kann. Wir haben auch bei der Erhebung in den einzelnen Kreisen festgestellt, dass die Aufgaben unterschiedlich wahrgenommen werden. Das können wir den Hilfebedürftigen nicht zumuten. An dieser Stelle haben wir eine gewisse Verantwortung.
Herr Gallert möchte ebenfalls eine Frage stellen. - Der Herr Minister ist nicht bereit, diese Frage zu beantworten.
Meine Damen und Herren! Wir treten in die verbundene Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion ein. Als erstem Redner erteile ich für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Rothe das Wort. Bitte sehr, Herr Rothe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Kley, ich bin in einer kleinen Stadt am Rhein geboren, die vorübergehend zur Bundeshauptstadt gemacht wurde. Das hat dann eine Weile angehalten.
Die SPD-Fraktion begrüßt die Bildung eines Landesverwaltungsamtes anstelle der drei Regierungspräsidien.
Weil dies der neuen Landesregierung bewusst ist, tut sie alles, um dem Ganzen ihren Stempel aufzudrücken. Bedauerlicherweise gelingt ihr dies angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause.
Als erster Unterschied fällt ins Auge, dass das Landesverwaltungsamt statt zum 1. Januar 2005 bereits zum Anfang des Jahres 2004 entstehen soll. Dieses Datum ist von uns so gewählt worden, weil wir eine substanzielle Funktionalreform auch in Bezug auf die zeitliche Abfolge mit der Kreisgebietsreform sinnvoll verknüpfen wollten.
Das Vorziehen der Bildung des Amtes ist keine Verbesserung unseres Konzepts, mit der sich der Herr Innenminister - er hat es vorhin angesprochen - schmücken könnte. Vielmehr ist es Ausdruck des Scheiterns der Landesregierung bei der Funktionalreform.