Protocol of the Session on July 4, 2003

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Altschulden beim ökonomisch-politischen Systemwechsel aus wirtschaftlicher Sicht, zum Beispiel wegen der neuen Preisrelation und des EU-Quotensystems, viel zu hoch bewertet wurden. In der Fachliteratur wird von einem tatsächlichen Wertverlust zwischen 1 : 4 und 1 : 10 ausgegangen.

Während sich die Treuhandanstalt bei der Entschuldung der einst volkseigenen Betriebe in Höhe von 77 Milliarden DM davon leiten ließ, dass ohne wirksame Entschuldung viele Unternehmen weder privatisierbar noch sanierungsfähig wären, wurden bei vergleichbaren Zusammenhängen die landwirtschaftlichen Altschulden völlig anders behandelt. Der Landwirtschaft ist nur eine Minimalentschuldung von 1,4 Milliarden DM zugestanden worden.

Selbst wenn wir berücksichtigen, dass ein gewisser Anteil der Altkredite noch produktionswirksam bzw. nicht entschuldungsfähig war, hätten nach einer entsprechenden Wertberichtigung mindestens 40 % der Altkredite von vornherein gestrichen werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist die gesamte Altschuldenfrage also von Anfang an falsch bewertet und ungerecht gegenüber den betroffenen Agrarunternehmen gehandhabt worden.

Trotz massiver Proteste sowie beharrlicher Interventionen der Landwirte und ihrer Interessenvertretungen, aber auch trotz einer Vielzahl parlamentarischer Initiativen der PDS auf Landes- und Bundesebene ist es

nicht gelungen, reale Schritte für eine objektkonkrete Wertberichtigung der Altkredite zur Entlastung der Agrarunternehmen von Altschulden herbeizuführen.

Unter diesen Bedingungen waren Rangrücktrittsvereinbarungen und finanzielle Entlastungen nicht mehr und nicht weniger als eine von der Politik zugestandene Krücke, mit der sich die Betriebe aus den von der Politik verursachten Schwierigkeiten selbst herausarbeiten sollten. Auch wenn sie zur partiellen und momentanen Entlastung führte, war diese Regelung weder für die betroffenen Agrarunternehmen noch für die Steuerzahler eine wirkliche Lösung.

Unter diesem Gesichtspunkt fällt es uns schwer, den Standpunkt zu teilen, dass die Rangrücktrittsvereinbarungen der Mehrzahl der Altschuldenbetriebe eine stabile Entwicklung ermöglicht hätten. Wir meinen, dass das Bundesministerium der Finanzen von einer völlig falschen Grundvoraussetzung ausgeht, wenn es in der Begründung des genannten Gesetzentwurfes unterstellt, die Nachteile in diesem Zusammenhang seien mit den Rangrücktrittsvereinbarungen überkompensiert.

Natürlich wäre die baldige Lösung der Altschuldenproblematik für alle Betroffenen eine erlösende Maßnahme. Es ist schon längst nicht mehr zu akzeptieren, dass seit nunmehr 13 Jahren über diese aus DDR-Zeiten stammenden Altkredite ausschließlich debattiert wird. Auf die Entschuldung im volkseigenen Bereich habe ich schon hingewiesen. Auch für die Wohnungswirtschaft wurden nach langem zähem Ringen Regelungen getroffen.

Außerdem ist es kein Ruhmesblatt für den Rechtsstaat, dass die geltenden Regelungen zu den LPG-Altschulden auf keinem Gesetz, sondern noch immer auf einer unveröffentlichten Arbeitsanweisung des Bundesfinanzministers in der geänderten Fassung vom 15. Juni 1993 beruhen. Schon lange haben die Landwirte eine gesetzliche Ablöseregelung gefordert.

Insbesondere ist bei den mit Altschulden belasteten Betrieben nach der Ankündigung einer gesetzlichen Regelung durch den Bundeskanzler vor einem guten Jahr in Haldensleben die Erwartung enorm gestiegen; doch der mit dem jetzt vorliegenden und im Kabinett abgesegneten Gesetzentwurf eröffnete Weg ist eher der Absicht geschuldet, so schnell wie möglich und ohne Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Mittel an das Geld der Agrarunternehmen zu kommen, um den Bundeshaushalt damit zu sanieren. Allein mit der Anhebung des Abführungssatzes von 20 auf 65 % des erwirtschafteten Überschusses und mit der Verschärfung der Bemessungsgrundlagen werden die Betriebe an die Grenzen ihrer Existenzfähigkeit gebracht.

(Zustimmung bei der PDS)

Es ist mit einer bis zu fünffachen Erhöhung der jährlichen Abführungsverpflichtungen zu rechnen, um eine Teilentschuldung erfahren zu können. Welcher Betrieb verkraftet es, unter Umständen seinen gesamten Jahresüberschuss abführen zu müssen? Die negativen ökonomischen Folgen für Eigenkapitalbildung, Investitionen sowie für den Kapitaldienst für Neukredite dürften auf der Hand liegen.

Zugleich halten wir es aus rechtsstaatlicher Sicht für sehr bedenklich, wenn per Gesetz in die Rangrücktrittsvereinbarungen als privatrechtliche Verträge eingegriffen und zudem ganz offensichtlich gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen wird.

Hinzu kommt, dass die gesamte Vorgehensweise gegen die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. April 1997 verstößt. Aus ihr ließ sich schon seinerzeit nicht ableiten, dass im Ergebnis des auferlegten Überprüfungsauftrages dem Gesetzgeber eine Erhöhung der Belastung aus der Rangrücktrittsvereinbarung eingeräumt wurde. Eher ging das Bundesverfassungsgericht von einer Nachbesserung zugunsten der betroffenen Agrarunternehmen aus.

Mit § 5 des Gesetzentwurfs wird der Gläubigerbank die Möglichkeit eingeräumt, die Sanierungsabsicht des Kreditnehmers zu überprüfen und zu bewerten. Dieser Paragraf könnte leicht das Einfallstor zur Aufkündigung der Rangrücktrittvereinbarungen zum Nachteil des Schuldnerbetriebes sein.

Grundsätzlich sollte eine zukunftsträchtige Lösung auch der Tatsache Rechnung tragen, dass nicht nur die leistungsstärksten Agrarunternehmen eine reale Chance zur Ablösung ihrer Altschulden erhalten.

Noch eine Bemerkung: Wenn der Finanzminister in seinem Gesetzentwurf schon davon ausgeht, dass die meisten Schulden nicht einzutreiben sind, wäre es doch logisch, zuallererst auf den Schuldenanteil zu verzichten, der bereits offiziell als entschuldungsfähig anerkannt wurde. Die Unterlagen darüber dürften nach meinen Informationen betriebs- und objektkonkret vorliegen. Es handelt also nicht um eine unbillige Forderung.

Sehr verehrte Damen und Herren! Das sollten einige Überlegungen sein, die uns veranlasst haben, den vorliegenden Gesetzentwurf in seiner jetzigen Fassung abzulehnen. Im Großen und Ganzen stimmen wir mit der bisherigen Einschätzung der Agrarressorts der Länder und so auch mit der unseres Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt überein. Wir wären dafür, es nicht bei einer Stellungnahme zu belassen, sondern wir sollten uns im Sinne unseres Antrages gerade unter dem Gesichtspunkt der bevorstehenden Sommerpause offensiv für die Veränderung des Gesetzentwurfs einsetzen. In diesem Sinne bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vor der Beschlussfassung noch eine kurze Bemerkung zu dem Alternativ- und dem Änderungsantrag. Mit dem Antrag, der von der CDU-Fraktion als Alternativantrag eingebracht wird, wird deutlich, dass die Regierungskoalition eine Meinung vertritt, die da lautet, dass der vermeintliche Subventionstatbestand und die Wettbewerbsvorteile bei diesen Betrieben abgebaut werden müssen und entsprechend auch die Altschulden eingetrieben werden sollten.

Dazu möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, aber zur Kenntnis geben - das ist nachweislich auch in den Protokollen aller anderen Legislaturperioden nachzuvollziehen -, dass die CDU-Fraktion damit ganz klar und öffentlich eine andere Position eingenommen hat als die CDU-Fraktionen der ersten drei Legislaturperioden. Seinerzeit hat die damalige agrarpolitische Sprecherin und jetzige Ministerin eine ganz andere Position eingenommen. Das muss ich deutlich zum Ausdruck bringen. Ich hatte die Hoffnung, dass der Antrag in der Formulierung vielleicht auch eine Mehrheit im Landtag findet, um über die Sommerpause die Landesregierung in ihrem Bemühen im Bunde mit den anderen neuen Bundesländern zu unterstützen.

Zu dem Änderungsantrag der SPD, welcher aus meiner Sicht auch als Alternativantrag zu betrachten ist, möchte

auch nur feststellen, dass wir uns nicht von der Schönfärberei der Pressestelle der Bundesregierung blenden lassen. Dieser Gesetzentwurf ist alles andere als ein Wohlfahrtsakt. Er zielt letztlich darauf ab, die Rückzahlungsfristen zu kürzen, die Rückzahlungssätze zu erhöhen, effektiv Geld für Herrn Eichel einzutreiben. Nur den Agrarbetrieben, die das tun, also mit Druck endlich an den Finanzminister abzuführen, wird eine Teilentschuldung ermöglicht, wobei die Teilentschuldung unter anderem auch den Teil betrifft, den wir mit dem Punkt drei grundsätzlich gefordert haben; denn dieser Punkt wurde von der Bundesregierung bereits als entschuldungsfähig anerkannt.

Ich bitte nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Krause. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Zunächst hat allerdings die Landesregierung um das Wort gebeten. Ich erteile der Ministerin Frau Wernicke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach langem Drängen der neuen Bundesländer hat die Bundesregierung im April dieses Jahres endlich einen Referentenentwurf zur Änderung der Regelungen über Altschulden landwirtschaftlicher Unternehmen vorgelegt. Am 2. Juli hat das Bundeskabinett einen neuen Gesetzentwurf beschlossen. Dazu sind Anhörungen der Länder und der Verbände durchgeführt worden. Auch wir haben unser Votum zu diesem Entwurf eingebracht.

Grundsätzlich stimmt die Landesregierung der Intention des Gesetzentwurfes zu, die Altschuldenregelung zum Abschluss zu bringen.

Bevor ich zu den Defiziten komme, die ich in rein sachlicher Art vortragen möchte, Folgendes: Herr Krause, Sie machen es einem schwer, mit Ihnen gemeinsam Position zu beziehen; denn diese Altschuldenregelung, die jetzt zu Ende gebracht werden soll, hat den Unternehmen letztlich die Existenz bis heute gesichert. Das muss man einfach so sagen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie über Ungerechtigkeiten im Prozess der Umstrukturierung, im Prozess der Wiedereinrichtung, im Prozess der Neueinrichtung und im Prozess der Vermögensauseinandersetzung philosophieren, dann ließe sich trefflich darüber streiten, wer wann an welcher Stelle ungerecht behandelt worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber ich will alte Schlachten nicht mehr schlagen. Ich habe mir vorgenommen, nach vorn zu schauen. Aus diesem Grund unterstütze ich, vielleicht mit anderen Nuancen als Sie, diesen Gesetzentwurf.

Fragen Sie einmal in den Reihen des Landesbauernverbandes nach. Dort werden Sie sehr differenzierte Betrachtungen hören; denn diejenigen, die die Altschulden abgebaut haben, zum Beispiel durch Verkäufe von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, die sagen: Ach, sieh an, wir haben geleistet, die anderen kriegen es vom Staat. Die keine Altschulden hatten, haben schon von

Anfang an so diskutiert. Ich weiß wohl, dass die Situation in den LPG unterschiedlich war. Ich will das auch nicht mehr ausdehnen. Aber über die von Ihnen so zitierten Ungerechtigkeiten könnten man, wenn man wollte - ich will das nicht mehr tun - trefflich streiten.

Hinsichtlich der Defizite, die ich sehe, werde ich auch Überarbeitungsbedarf anmelden. Der Entwurf ist insgesamt zu kompliziert, was die Ermittlung der Bemessungsgrundlage betrifft, und unkonkret bei entscheidenden Fragen hinsichtlich der Tilgungsraten, der Zins- und Tilgungsdauer, wenn es um die Möglichkeit der vorzeitigen Ablösung geht.

Herr Krause, es ist im Rahmen einer Studie der Bundesforschungsanstalt Braunschweig und der Humboldt-Universität Berlin festgestellt worden, dass die bisherige Altschuldenregelung ein erheblicher Subventionstatbestand ist. Das ist von Wissenschaftlern so belegt worden, das ist nicht die Meinung der Landesregierung. Zumindest ist der Aspekt der Subventionierung höchstens durch diese Studie in die Meinungsbildung eingeflossen.

Diese Subventionswerte, die im Einzelfall dadurch gesichert oder zur Verfügung gestellt worden sind, die wären schon bei der Überprüfung der Wirtschaftskraft zu berücksichtigen. Es bleibt auch die Frage ungeklärt, ob der Gesetzentwurf einen unverhältnismäßigen Eingriff in die zivilrechtlichen Verträge, sprich die Rangrücktrittsvereinbarungen darstellt.

Insgesamt wäre einzuschätzen - das haben auch Berechnungen unserer Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau ergeben - dass der Gesetzentwurf für die Mehrzahl der Betriebe nach wie vor nicht zu einer Tilgung der Altschulden führt, trotz einer verbreiterten Bemessungsgrundlage und einem erhöhten Abführungssatz.

Mit dem letztendlich beschlossenen Gesetzentwurf wurde hinsichtlich der Bedenken, die wir geäußert haben, nur geringfügig korrigiert, und lediglich einzelne Fristen wurden konkretisiert. Es wird nicht mehr die BVVG als die Stelle genannt, die mit der Gläubigerbank gemeinsam über Anträge entscheiden sollte. Es wird nur noch von einer beauftragten Stelle gesprochen. Das ist sehr ärgerlich. Ich finde es unmöglich von der Bundesregierung, die Ländern darüber im Unklaren zu lassen, ob und wer gegebenenfalls in ein Abwicklungsverfahren einbezogen wird.

Leider ist auch die in der ursprünglichen Fassung vorgesehene Regelung zur Vermögensauseinandersetzung unverändert geblieben; denn beim Punkt Ungerechtigkeit muss man es einfach ansprechen: Auch die ehemaligen Mitglieder der Genossenschaften haben ein Recht darauf, gegebenenfalls über eine Korrektur des ausgereichten Inventars nachzudenken.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn sich die Bundesregierung dazu bekennt, diese Vermögensauseinandersetzung auszunehmen, dann muss die Bundesregierung auch die finanzielle Verantwortung für die Interessen der Inventareinbringer übernehmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich stelle, so wie es mit dem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP auch getan wird, diese Altschuldenrege

lung in einen aktuellen Zusammenhang. Das Gesetz bekommt dadurch eine besondere Bedeutung, dass die Bundesregierung Kürzungen im Agrarhaushalt vornehmen will, dass sie bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung Kürzungen vornehmen will, die Gasölbesteuerung für landwirtschaftliche Unternehmen erhöhen will und auch - so wird diskutiert - die Zahlungen aus der Gemeinschaftsaufgabe reduzieren will. Das heißt, den Landwirten wird auf der einen Seite Geld erlassen, auf der anderen Seite Geld entzogen. Ich denke, darüber muss man auch im Zusammenhang diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin durchaus damit einverstanden, im Ausschuss darüber zu berichten, um uns ein Meinungsbild machen zu können, das ausgewogener sein könnte als Ihres, Herr Krause. Wir stehen gern für eine Berichterstattung bereit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Hauser das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich betone, dass ich diese Zeit nicht persönlich miterlebt habe. Ich betone, dass ich mich eingelesen habe. Ich nehme an, wir sind uns bei der Gesamtbeurteilung dahin gehend einig, dass es höchste Zeit ist: Diese Altschulden müssen vom Tisch. Und nach dem Drängen der neuen Bundesländer einschließlich Mecklenburg-Vorpommerns hat die Bundesregierung diese Initiative ergriffen.

Es geht vor allem um das Wie und in welchem Zeitraum. Ich meine, es geht auch um Gerechtigkeit gegenüber dem Steuerzahler und den Betrieben - die gibt es -, die ihre Altschulden bezahlt haben. Das muss man auch bedenken.

Hinsichtlich der Summe - das ist natürlich dramatisch - diskutiert man jetzt nicht mehr über 1,4 Milliarden DM, sondern über etwa 2,2 Milliarden €. Das Bundesfinanzministerium legt diesen Betrag als zusätzliche Subvention für die Landwirtschaft zugrunde, stellt ihn in Rechnung, und im Gegenzug, wie es die Ministerin schon gesagt hat, wird der Agrarhaushalt gekürzt, im Bereich der Gasölbeihilfe und im Bereich der Sozialversicherung.