Sie haben unseren Vorschlag als „nicht finanzierbar“ dargestellt. Ich habe das noch ganz gut im Ohr. Im Gegensatz zu dem, was Ihr Bundesfinanzminister jetzt präsentiert, liegt die Gegenfinanzierung unseres Vorschlages aber im Detail vor.
Nun plötzlich entdeckt die SPD also auch, dass Steuersenkungen der Wirtschaft Impulse geben können. Der Kanzler des „Steuerzahlersongs“ präsentiert sich auf einmal als Steuersenker. Selbst Herr Müntefering will unser Geld nicht mehr zuerst für den Staat, sondern möchte
Wenn das Vorziehen der Steuernovelle von 2005 auf 2004 wirklich von der Einsicht in die wirtschaftliche Notwendigkeit geprägt ist, ist dies aus der Sicht der FDPFraktion nur zu begrüßen. Wir sind gespannt, ob „runter“ auch die Richtung bei den darüber hinaus noch drückenden Lohnnebenkosten sein wird. Frau Kuppe, die jetzt nicht da ist, hat vorhin darauf hingewiesen, dass dazu weitere Entscheidungen anstehen.
Gleichzeitig fordern wir aber eine seriöse Gegenfinanzierung. Bei den doch sehr pauschalen Aussagen des Bundes darf es nicht bleiben. Der Versuch von Herrn Eichel, den Ball nun in Richtung der Länder zu spielen, nach dem Motto, nun macht mal Vorschläge, ist aus der Sicht Sachsen-Anhalts absolut indiskutabel. Der Schwerpunkt muss aus unserer Sicht auf der Veräußerung von Bundesbeteiligungen liegen und meiner Auffassung nach beim Abbau von Subventionen. Eine weitere Verschuldung kann sich die Bundesrepublik ebenso wenig wie die Länder leisten, zumal die Signale aus Brüssel - Sie alle werden das verfolgt haben - deutlich waren.
Schon die Neuverschuldung von über 30 Milliarden €, die Herr Eichel gestern verkündet hat, wäre nicht unproblematisch. Aber wenn eine reale Neuverschuldung in Höhe von 40 bis 45 Milliarden € eintreten würde, von der Herr Austermann gestern gesprochen hat, wäre das mehr als fatal. Nicht einmal Steuersenkungen sollten zulasten kommender Generationen finanziert werden.
Sachsen-Anhalt kann seinen Anteil zur Gegenfinanzierung von Steuersenkungen durch eine weitere Neuverschuldung nicht leisten. Wir alle im Saal kennen den Haushalt des Landes. Wir wissen, dass eine Summe von 200 Millionen € für unser Bundesland nicht zu verkraften ist.
Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung dem Angebot des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen widerstehen kann, der gestern im Fernsehen mehr oder weniger unverblümt angeboten hat, dass man durch ein kollektives Ausrufen einer wirtschaftlichen Schieflage weiter in die Schuldenfalle laufen solle. Das halte ich für absolut unverantwortlich.
Neben der Frage, ob der Bundeshaushalt verfassungsgemäß ist, wird in den nächsten Wochen vor allem zu diskutieren sein, welche Subventionen um welchen Betrag gekürzt werden sollen. Wir haben das heute schon begonnen.
Es gibt sicher Subventionen, die mehr, und andere, die weniger gerechtfertigt sind. Jeder von uns weiß aber, dass die Bedeutung einer Subvention immer eine Frage des Standpunktes oder der persönlichen Betroffenheit ist. Jeder, der Subventionen erhält, hält diese natürlich für absolut unverzichtbar. Wir würden allein hier im Plenum, wenn wir eine Umfrage machen würden, für jede
Subvention bestimmt einen Fürsprecher finden und für jede Subvention jemanden, der sagt, die kann weg.
Bürger wie Firmen sollen so viel Geld wie möglich behalten, das sie nach eigener Entscheidung verwenden können. Dann kann auch auf Teile zweckgebundener Subventionen verzichtet werden.
Ich sage einmal ganz persönlich: Ich glaube, wenn wir die Diskussion über pauschale Kürzungen anfangen, kommen wir eher zu einem Ergebnis, als wenn wir das versuchen, was wir die ganzen Jahre über außerordentlich unfruchtbar versucht haben, nämlich einzelne Subventionen zu kürzen. Darüber hinaus wäre dies meiner Meinung nach auch glaubwürdiger und besser zu transportieren, weil es alle Begünstigten träfe, und wir würden uns die Verteilungsdebatten, die wir alle ausreichend aus der Vergangenheit kennen, sparen.
Natürlich macht das alles nur Sinn, wenn Subventionen wirklich begrenzt werden sollen. Dabei kommen mir, ehrlich gesagt, aber Zweifel. Das hat auch etwas damit zu tun, dass jeder seine Subventionen behalten möchte. Wenn ich in der Zeitung lese, dass der Bund jetzt Nordrhein-Westfalen noch einmal 420 Millionen € für die Steinkohleförderung zugesagt hat, da frage ich mich, wie ernst nimmt der Eichel es mit der Reduzierung von Subventionen.
Dabei geht es wohl auch um den Punkt, dass das nicht so ganz ernst gemeint ist. Steinbrück hat ganz klar gesagt, wenn alle Länder mitmachen würden und der Bund auch noch, dann wäre für ihn eine weitere Verschuldung aller Länder auch über die verfassungsmäßige Grenze hinaus durchaus akzeptabel.
Dann wären die Kürzungen bei der Eigenheimzulage und bei der Entfernungspauschale, die derzeit diskutiert werden, nur zwei weitere Borstentiere, die durch die Metropole getrieben werden.
Für die FDP gilt: Steuern runter, Subventionen und Staatsausgaben reduzieren, Trennung des Bundes von Staatsbeteiligungen, das Steuersystem insgesamt einfacher und übersichtlicher gestalten - ich fände es als Steuerzahler schon schön, wenn ich meine Steuererklärung endlich einmal richtig verstehen könnte -, keine Steuerreformen zulasten kommender Generationen und keine Lösungen überwiegend zulasten von Ländern und Kommunen. - Ich danke Ihnen.
Herr Gallert, ich bitte Sie aber, sich auf die Frage zu beschränken. Die Fragestellungen mutieren immer mehr zu einer Chimäre aus Intervention und Fragestellung. Wir sollten uns an die Geschäftsordnung halten. - Herzlichen Dank.
Die Möglichkeit einer Intervention ist ausdrücklich eingeräumt worden. - Frau Dr. Hüskens, ich habe nur eine Frage. Herr Paqué hat deutlich gemacht, alles, was jetzt vorgezogen wird, muss der Bund tragen. Sie sagen, es darf auf keinen Fall über eine Nettoneuverschuldung passieren; der Bund müsste es über andere Aktionen machen.
Sie haben schon als Beispiel die Beteiligungsverkäufe angeführt. Sie müssen mir doch aber zumindest darin zustimmen, dass der Bund, wenn er die dritte Stufe der Steuerreform nicht vorziehen würde, all diese Schritte, die Sie genannt haben, trotzdem machen könnte, ohne dass er dadurch die Neuverschuldung auf Null bringen würde.
Das bedeutet doch, dass die Steuerausfälle infolge des Vorziehens der Steuerreform selbst dann, wenn Ihre Vorschläge umgesetzt würden, letztlich zu einer Erhöhung der Nettoneuverschuldung führen würden.
Herr Gallert, meine Ausführungen bezogen sich darauf, dass das Land nicht mehr in der Lage ist, das über die Nettoneuverschuldung zu machen, weil es sich sonst in den Bereich der verfassungsmäßigen Grenze bewegen würde. Das Gleiche gilt für den Bund, und zwar sowohl bei dem Ansatz, den Herr Eichel gestern verkündet hat, als auch in katastrophaler Art und Weise dann, wenn das zum Tragen kommen sollte, was vonseiten der Finanzexperten der Opposition im Bund befürchtet wird, nämlich dass es tatsächlich nicht 30 Milliarden €, sondern eher 40 Milliarden bis 45 Milliarden € sind.
Wenn ich das verfolge, was in der Diskussion von den Ministerpräsidenten anderer Länder in den vergangenen Tagen gesagt worden ist, dann scheint für fast alle Bundesländer zu gelten, dass das kaum noch ohne einen Verstoß gegen die Verfassungsgemäßheit der Haushalte gehen wird.
Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden gemäß der Geschäftsordnung des Landtages in der Aktuellen Debatte nicht gefasst. Die Beratung über das zweite Thema der Aktuellen Debatte ist somit beendet.
Ich sehe mit etwas Sorge auf die Uhr. Wir sind bereits 40 Minuten in Verzug. Wir hatten uns darauf verständigt, dass wir die Aktuelle Debatte in einem Block durchführen wollen. Wir arbeiten also auch das dritte Thema ab, bevor wir in die Mittagspause eintreten. - Ich sehe allseits Zustimmung.
Hohe Kostenbelastungen in der chemischen Industrie - Gefährdung einer erfolgreichen Wachstumsbranche
Die Debatte wird in der Reihenfolge CDU, SPD, FDP und PDS durchgeführt. Zunächst hat der Antragsteller, die CDU, das Wort. Ich rufe den Abgeordneten Herrn Dr. Sobetzko auf. Bitte sehr, Herr Dr. Sobetzko.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Strukturwandel in der chemischen Industrie in Mitteldeutschland und damit in Sachsen-Anhalt vollzog sich seit 1991 sehr erfolgreich und führte in unserem Land zu einem modern ausgebauten Industriezweig. Es zeugt von der Weitsicht des Ex-Bundeskanzlers Kohl und ist ein Beleg für die Wahrnehmung seiner Verantwortung, als er zum zehnjährigen Jubiläum des KanzlerVersprechens in Leuna erklärte - ich zitiere -:
„Für mich war klar, dass der Erhalt des Chemiedreiecks eine große wirtschaftliche Bedeutung nicht nur für die Region, sondern für das ganze wiedervereinigte Deutschland haben wird...“
Das war zu Recht so gesprochen. Immerhin sind Gesamtinvestitionen von mehr als 14 Milliarden €, ein Umsatz von 8 Milliarden € und etwa 33 500 Beschäftigte in der chemischen Industrie der neuen Bundesländer ein beredtes Zeugnis dafür. Bei etwa 12 500 Beschäftigten hat Sachsen-Anhalt, gemessen an einer vergleichbaren Betriebs- und Produktionsdichte, den höchsten Umsatz je Beschäftigten, nämlich 312 000 €.
Erwähnenswert ist die konsequente Senkung der produktionsbedingten Emissionen durch die Inbetriebnahme modernster Chemieanlagen. All das spricht für die Bedeutung und die Entwicklungsqualität unseres Chemiestandortes.
Aber, meine Damen und Herren, diesen Wachstumsmotor der sachsen-anhaltinischen Volkswirtschaft wollen und müssen wir auch warm und lauffähig halten, damit uns nicht das passiert, was Mercedes beim letzten Formel-1-Rennen geschehen ist: auf halber Strecke fiel der Motor aus.
Leider werden jedoch durch bevorstehende Entscheidungen auf Bundes- und EU-Ebene zusätzliche Kostenbelastungen entstehen, die in weiten Bereichen der chemischen Industrie nicht oder schwer verkraftet werden können. Dies erfordert politische Einflussnahme und öffentliche Sensibilisierung. Dazu ist eine Aktuelle Debatte bestens geeignet; denn die vorgesehenen bzw. die in Vorbereitung befindlichen Entscheidungen wie die Novellierung des Gesetzes über erneuerbare Energien, die nationale Einführung und Ausgestaltung des Emissionsrechtehandels sowie die Verordnung zur Umsetzung der Strategie einer künftigen Chemikalienpolitik stehen in Kürze an.
Parallel dazu laufen Entwicklungen, die eine zusätzliche Belastung darstellen. Ich nenne nur die weitere Ausgestaltung der europäischen Strukturfonds und den Beihilferahmen sowie die Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus Sachsen-Anhalt.
Meine Damen und Herren! Gerade unsere Chemieunternehmen benötigen wettbewerbsfähige Energiekosten, sind es doch zum großen Teil stromintensive Verarbeitungsverfahren. Neben den Belastungen durch Braunkohleförderung und hohe Netzdurchleitungskosten haben wir eine Erhöhung der Energiekosten durch die mehrstufige Ökosteuer und die Subventionierung der erneuerbaren Energien durch konventionelle Energie zu verzeichnen. Diese Mehrbelastungen führen zu enormen Wettbewerbsnachteilen insbesondere für die mittelständischen Unternehmen und gefährden deren Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt.