Protocol of the Session on June 12, 2003

Ich habe bereits in meiner Rede zur Einbringung des Gesetzentwurfes deutlich gemacht, dass die vorgenommenen Änderungen einen Kompromiss darstellen, auf den sich die CDU und die FDP in den Koalitionsverhandlungen verständigt haben. Beide Fraktionen mussten auf Teile ihrer Überzeugungen, ihrer Wünsche, ihrer Visionen und ihrer Träume verzichten.

Ich sage Ihnen, weil Sie mich danach gefragt haben: Ich kann mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz sehr gut leben, weil ich meine, dass wir all das, was auch auf Wunsch der FDP darin verankert wurde, noch vertreten können. Ich könnte mir für den Fall, dass die FDP allein regieren würde, andere Regelungen vorstellen. Aber wir haben eine gemeinsame Grundlage. Jeder musste auf ein Stück verzichten, auch wir. Ich denke, beide Fraktionen können mit diesem Gesetz sehr gut leben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Nun spricht für die PDSFraktion Herr Gärtner.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines vorweggestellt: Herr Kosmehl, mich würde interessieren, welche Regelungen die CDUFraktion noch in den Gesetzentwurf hineinschreiben wollte.

(Herr Gürth, CDU: Das glaube ich!)

Es ist schon ziemlich viel. Aber was sollte noch alles hinein?

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir beraten heute in der zweiten Lesung über die Änderung des Gesetzes über die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Land Sachsen-Anhalt. Letztlich ist der Gesetzentwurf in den Ausschussberatungen so gut wie nicht verändert worden. Das ist bereits erwähnt worden. Insofern bleibt es mir heute überlassen, an dieser Stelle die grundsätzlichen Kritikpunkte meiner Fraktion zu nennen.

Zunächst möchte ich jedoch in Richtung der FDP-Fraktion sagen: Dies ist heute leider keine Sternstunde des Liberalismus. Eher das Gegenteil ist der Fall. Das ist schade.

(Beifall bei der PDS)

Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, wären gut beraten gewesen, den Empfehlungen ihrer Jugendorganisation zu folgen und diese gesetzlichen Verschärfungen, die einen massiven Bürgerrechtsabbau bedeuten, hier und heute abzulehnen.

(Herr Gürth, CDU: So ein Quatsch!)

Ich befürchte allerdings nach dem Redebeitrag von Herrn Kosmehl, dass dies nicht geschehen wird.

Es ist schon eine groteske Situation, die sich heute darstellt. Auf der einen Seite wollen Sie mit diesem Gesetz angeblich die öffentliche Sicherheit stärken. Aber auf der anderen Seite - darüber beraten wir später - soll das Personal, das dafür zuständig ist, nämlich die Polizistinnen und Polizisten in unserem Land, massiv abgebaut werden.

(Herr Scharf, CDU: Was wollen Sie denn eigent- lich?)

- Darüber reden wir nachher.

Meine Damen und Herren! Ich möchte es noch einmal betonen: Die PDS-Fraktion im Landtag lehnt die von der CDU-FDP-Koalition geplante Verschärfung des Polizeigesetzes sowohl aus verfassungsrechtlichen als auch aus polizeitaktischen Gründen strikt ab.

(Beifall bei der PDS)

Vielmehr fordern wir, statt einer Ausweitung der Videoüberwachung die Präsenz der Polizei auf den Straßen zu erhalten und auszubauen; denn eine Kamera kann den Menschen, die von einer Gefahr bedroht sind, nicht helfen. Dies kann nur ein Polizist tun.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Kosmehl, FDP: Das schließt sich nicht aus!)

Mit dem Gesetz ist vorgesehen, die Videoüberwachung so zu gestalten, dass künftig Bildaufnahmen und - ich will darauf aufmerksam machen, weil es in der Diskussion immer vergessen wird - Tonaufnahmen nicht nur angefertigt, sondern auch aufgezeichnet werden kön

nen. Dies darf nun ohne Kenntnis der Bürgerinnen und Bürger stattfinden.

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, in Ihrem Änderungsantrag schlagen Sie vor, eine Regelung einzufügen, nach der auf den Einsatz von Bildaufnahme- und Aufzeichnungsgeräten hinzuweisen ist - dann kommt das große Aber -, wenn dies tatsächlich möglich ist und soweit dadurch nicht der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Einer der beiden Gründe wird sich immer finden, sodass man nicht darauf hinweisen wird. Insofern ist das meines Erachtens kein tatsächlicher Schutz.

(Beifall bei der PDS)

Mit dieser Maßnahme geraten Tausende von Bürgerinnen und Bürgern unschuldig in das Visier der Polizei.

(Oh! bei der CDU)

Auch die bisherige Praxis der offenen Überwachung hat gezeigt, dass damit die Kriminalität nicht bekämpft, sondern verdrängt wird. Dies ist insbesondere in den Beratungen des Ausschusses deutlich geworden, als über die bisherigen Ergebnisse der Videoüberwachung in Sachsen-Anhalt berichtet worden ist. Die Kriminalität ist letztlich nicht zurückgegangen, sondern hat sich, wie im Fall des Marktplatzes in Halle, an andere Orte verlagert. In Halle konzentriert sie sich nun auf die Nebenstraßen des Marktplatzes, auf die Straßenbahnen bzw. auf andere Stadtteile.

(Herr Gürth, CDU: Sie kennen sich aber gut aus!)

Gleichzeitig soll mit dem Gesetz der Richtervorbehalt bei der Rasterfahndung entfallen. Künftig soll die Anordnung einer Rasterfahndung dem LKA in Abstimmung mit dem Innenminister überlassen werden. Sie haben dabei noch einmal betont, dass es eine vorherige Zustimmung geben soll. Sie sagen dies im Parlament. Warum schreiben Sie es dann nicht in das Gesetz hinein? Das ist die große Frage.

(Zustimmung bei der PDS)

Aus unserer Sicht wird eine rechtsstaatliche Hürde ohne Not abgebaut. Die bisherige Regelung hat sich, insbesondere auch nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA, in Sachsen-Anhalt sehr wohl bewährt. Angesichts der Tatsache, dass Tausende von persönlichen Daten von den Sicherheitsbehörden gesammelt werden, ist die Hürde zur Anwendung der Rasterfahndung bisher ein wichtiges rechtsstaatliches Mittel gewesen. Nunmehr entscheiden die Leute, die die Rasterfahndung anwenden möchten, selbst darüber, ob die Kriterien für eine Rasterfahndung erfüllt sind. Das halten wir für falsch.

Darüber hinaus soll in dem Gesetz das Aufenthaltsverbot auf bis zu zwölf Monate erweitert werden. Auch dies ist ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Es ist unverhältnismäßig und polizeipraktisch so gut wie nicht handhabbar; denn wer soll die Einhaltung des Aufenthaltsverbotes prüfen?

Ich komme nun zu einem Punkt, über den in unserer Fraktion in der Tat kontrovers diskutiert worden ist und zu dem es innerhalb der Fraktion auch ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten geben wird. Das Polizeigesetz beinhaltet künftig das insbesondere von Frauenorganisationen seit langem geforderte so genannte Wegweisungsrecht.

Zu begrüßen ist aus der Sicht der Mehrheit der Mitglieder der PDS-Fraktion zunächst einmal, dass das Wegweisungsrecht überhaupt mit einer Dauer von 14 Tagen in das Gesetz aufgenommen worden ist. Aber ist das alles? Die in § 36 Abs. 3 vorgesehene Änderung, dass die Sicherheitsbehörden und die Polizei für die Wegweisung und für das Betretungsverbot zuständig sind, führt zu Unklarheiten. Unklar ist, wer im Einzelfall zum Einschreiten ermächtigt ist. Unstrittig ist, dass die Polizei bei der Wahrnehmung der Verfolgung von häuslicher Gewalt eine Schlüsselposition einnimmt.

Aus der Sicht der Mehrheit der PDS-Fraktion ist bei der Regelung, dass die Wegweisung bis zu einer gerichtlichen Entscheidung maximal 14 Tage dauern darf, unzureichend berücksichtigt worden, dass das Opfer in Ruhe die Entscheidung überdenken muss. Entscheidend ist, dass das Ziel der Intervention nicht ins Leere läuft und dass zwischen der polizeilichen Wegweisung und den zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten keine Lücke besteht.

Im Hinblick auf einen effektiven Schutz der Opfer häuslicher Gewalt und zur Gewährleistung einer möglichst zeitnahen zivilgerichtlichen Entscheidung bedarf der vorliegende Gesetzentwurf aus unserer Sicht noch ergänzender Bestimmungen. Dazu gehören Regelungen zur Absicherung des Betretungsverbotes und des Rückkehrverbotes sowie die Möglichkeit der Schlüsselabnahme. Ungeklärt ist, auf welchen räumlichen Bereich sich der Platzverweis und das Rückkehrverbot beziehen.

Die Weitergabe von Daten an die Interventionsstellen wurde aus datenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt. Aus diesen Gründen wird sich die PDS-Fraktion bei dieser Regelung mehrheitlich der Stimme enthalten. Eine Minderheit in der PDS-Fraktion lehnt diese Regelung nicht deshalb ab, weil sie die häusliche Gewalt nicht bekämpfen möchte. Vielmehr ist sie der Meinung, dass die jetzt schon bestehende Regelung ausreichend ist und die nunmehr vorgesehene Änderung eine unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkung bedeutet.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend bleibt allerdings festzuhalten, dass die PDS-Fraktion dieses Gesetz in Gänze aus den oben genannten Gründen ablehnen wird. Zugleich wird die PDS-Fraktion die Möglichkeit prüfen, ob nach einer Verabschiedung des Gesetzes das Landesverfassungsgericht eingeschaltet werden kann, um die verfassungsrechtlichen Bedenken gerichtlich überprüfen zu lassen.

In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes des Freistaates Sachsen abzuwarten, welches noch in diesem Jahr eine Entscheidung zu einer Klage der PDS zu ähnlichen Bestimmungen im Freistaat bekannt geben wird. Dabei geht es unter anderem um das Aufenthaltsverbot für einzelne Personen, das sich auf ganze Gemeinden oder auf Gemeindeteile erstreckt, aber auch um die Videografierung. Insofern wird diese Entscheidung abzuwarten sein.

Schon vorweg: Die PDS lädt die SPD ein, bei diesem Punkt Oppositionsfraktionen übergreifend zusammenzuarbeiten, da nur dann - das ist Ihnen bekannt - das laut Landesverfassung für eine Organklage erforderliche Quorum erreicht wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluss und bitte darum, dass über den Punkt 20 c gesondert abgestimmt wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Bevor ich Herrn Reichert für die CDU-Fraktion das Wort erteile, habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler des Lepsius-Gymnasiums Naumburg begrüßen zu können

(Beifall im ganzen Hause)

und zugleich eine gemischte Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus Sachsen-Anhalt und finnischen Gastschülern. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte, Herr Reichert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses ist ein wesentlicher Beitrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit in Sachsen-Anhalt. Die vorgesehenen Regelungen setzen wesentliche Punkte der Koalitionsvereinbarung um und schaffen die Voraussetzungen dafür, dass die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Land zuständigen Behörden ihren Aufgaben auch in der Zukunft gerecht werden können.

Der Gesetzentwurf ist ein Beleg dafür, dass sich die Landesregierung nachdrücklich für ein Mehr an Sicherheit der Bevölkerung einsetzt und dass sie im Gegensatz zur Vorgängerregierung keine Halbherzigkeiten anbietet, sondern Lösungen, die es den zuständigen Behörden ermöglichen, ihre Aufgaben künftig effektiver wahrzunehmen.

Es hat sich in der Vergangenheit bzw. in den letzten Jahren gezeigt, dass viele Regelungen des SOG in der Praxis zu kurz greifen und dass deshalb ein dringender Änderungsbedarf besteht. Der Gesetzentwurf, auf dessen Kernpunkte ich im Folgenden kurz eingehen werde, nimmt sich dieser Defizite an.