Die präventivpolizeiliche Rasterfahndung stellt einen weiteren wesentlichen Punkt der Novelle dar. Sie muss den aktuellen und zukünftigen Erfordernissen einer effektiven Verbrechensbekämpfung angepasst werden. Die Arbeit in den Ausschüssen hat zu der Ihnen in der Beschlussempfehlung vorliegenden Fassung von § 31 SOG geführt, die sich stark an den Regierungsentwurf anlehnt. Das Landeskriminalamt kann demnach gemäß den in § 31 Abs. 1 normierten Voraussetzungen die Übermittlung personenbezogener Daten zum Zwecke der präventivpolizeilichen Rasterfahndung verlangen.
Der bislang in § 31 Abs. 4 enthaltene Richtervorbehalt entfällt. Verfassungsrechtlich ist ein Richtervorbehalt auch nicht geboten. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist unverzüglich über entsprechende Maßnahmen zu unterrichten. Die Fassung in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres trägt dem verfassungsrechtlichen Vorgang Rechnung und stellt einen tragfähigen Kompromiss dar.
Hinweisen möchte ich noch auf zwei maßgebliche Änderungen in § 36 SOG: Die Befugnis für eine erweiterte Platzverweisung hat sich zwar in der Praxis als grundsätzlich geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr erwiesen. Die Praxis hat aber auch gezeigt, dass die bislang gemäß 36 Abs. 2 SOG vorhandene Beschränkung dieser Befugnis auf bestimmte Katalogstraftaten sowie die Befristung auf vier bzw. 14 Tage nicht den Erfordernissen einer wirksamen Gefahrenabwehr gerecht wird.
Künftig kann gegenüber den Personen ein Platzverweis ausgesprochen werden, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in einem bestimmten örtlichen Bereich Straftaten begehen werden, und zwar auch für einen Zeitraum, der über die bisherige, eher willkürlich gewählte kurze Frist von vier bzw. 14 Tagen hinausgeht und bis zu zwölf Monate andauern kann. Voraussetzung ist dabei selbstverständlich, dass die Gefahr der Begehung von Straftaten auch in diesem Zeitraum und in diesem örtlichen Bereich vorliegt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ausdrückliches Wegweisungsrecht in Fällen von häuslicher Gewalt sieht der neue § 36 Abs. 3 SOG vor. Bis zu einer Entscheidung über zivilrechtliche Möglichkeiten kann nach dieser Regelung eine Person ihrer Wohnung und des unmittelbar angrenzenden Bereiches verwiesen werden, wenn dies erforderlich ist, um eine von dieser Person ausgehende gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnern derselben Wohnung abzuwehren. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ein Betretungsverbot angeordnet werden.
Die Einführung des ausdrücklichen Wegweisungsrechts in Fällen häuslicher Gewalt bringt Rechtsklarheit und Sicherheit. Es ist ein hilfreiches Mittel, um den Schutz der von häuslicher Gewalt betroffenen Menschen zu erhöhen und Gewaltbeziehungen zu durchbrechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses sowie der Änderungsantrag der Fraktionen von FDP und CDU bieten den für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden praxisgerechte Befugnisse, die sie für die Gewährleistung der inneren Sicherheit benötigen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie deshalb diesem Gesetzentwurf und der Be
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ihnen heute vorliegende Beschlussempfehlung des Innenausschusses sowie der Änderungsantrag der Fraktionen von FDP und CDU enthalten Änderungen im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt, die eine ausgewogene Balance zwischen den notwendigen und wirkungsvollen Befugnissen der Polizei auf der einen Seite und den Interessen der Bürgerinnen und Bürger an dem Schutz ihrer Freiheitsrechte auf der anderen Seite schafft.
Der Minister des Innern hat bereits darauf hingewiesen, dass über die Gesetzesnovelle sowohl in den Ausschüssen des Landtages als auch in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Die geführten Diskussionen beweisen, dass die Thematik der inneren Sicherheit bei sehr vielen Bürgern von Interesse ist. Daher war es auch notwendig, sich die Zeit zu nehmen, um die verschiedenen Intentionen zu beleuchten und intensiv darüber zu diskutieren. Dazu hat der Innenausschuss im Januar eine Anhörung mit verschiedenen Experten durchgeführt. Auf die Ergebnisse im Einzelnen werde ich noch zu sprechen kommen.
Lassen Sie mich noch einmal aus der Sicht der FDPFraktion zu den wesentlichen Änderungen im ursprünglichen Gesetzentwurf, aber auch zu den weiteren im parlamentarischen Verfahren erfolgten Änderungen Stellung nehmen. Dabei möchte ich mich auf folgende Punkte beschränken: lagebildabhängige Kontrollen, Rasterfahndung, Videoüberwachung, Platzverweis und Wegweisung bei häuslicher Gewalt.
Die vorgeschlagene Konkretisierung der Regelung zu lagebildabhängigen Kontrollen in § 14 Abs. 3 SOG wurde im Verfahren nicht strittig diskutiert. Die FDP-Fraktion bleibt bei ihrer Überzeugung, dass eine Gleichstellung von Autohöfen und Autobahnraststätten sinnvoll und notwendig ist, wie ich es bereits in meiner Rede in der Sitzung des Landtages am 12. Dezember 2002 ausgeführt habe.
Sehr geehrte Damen und Herren! Über das Thema Rasterfahndung wurde in diesem Hohen Haus bereits zweimal debattiert. Man könnte daher meinen, es seien alle Argumente ausgetauscht. Dass ich im Folgenden dennoch wesentliche Argumente für die vorgeschlagene Neuregelung des § 31 SOG vortrage, ist zwei Tatsachen geschuldet: Zum einen wird die Notwendigkeit der Novellierung weiterhin infrage gestellt, zum anderen wird die Abkehr vom Richtervorbehalt heftig kritisiert. Auf beide Kritikpunkte möchte ich deshalb noch einmal eingehen.
Führen wir uns noch einmal die Situation der Sicherheitslage nach dem 11. September 2001 vor Augen. Von einer Bedrohung durch den internationalen Terrorismus müssen wir - das zeigt leider auf tragische Weise der Anschlag auf die deutschen Soldaten in Kabul am vergangenen Samstag - jederzeit ausgehen. Die derzeit
noch gültige Regelung im SOG hat auf diese Bedrohung keine wirkungsvolle Antwort. Das Merkmal „gegenwärtige Gefahr“ liegt nur im letzten, der Tat unmittelbar vorausgehenden Zeitraum vor. Gerade in Fällen des Terrorismus ist dieser Zeitpunkt zur Abwehr der Gefahr in der Regel aber zu spät.
Daher war es notwendig, eine Regelung zu schaffen, die den Erfordernissen der heuten Sicherheitslage Rechnung trägt. Die Neufassung des § 31 SOG erfüllt diese Voraussetzung. Auch wird durch den Katalog der Nummern 1 und 2 die Intention der Regierungsfraktionen deutlich, das polizeiliche Mittel der Rasterfahndung insbesondere zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus heranzuziehen.
Die zweite in der Diskussion häufig angesprochene Änderung ist die Abkehr vom Richtervorbehalt. Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Natürlich kann die Debatte zur Abkehr vom Richtervorbehalt auch emotional geführt werden. Dass dies allerdings zu einer sachgerechten Lösung führt, wage ich zu bezweifeln.
Fakt ist: Der Richtervorbehalt ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Fakt ist: Der Richter hat keine anderen oder besseren Unterlagen zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Rasterfahndung als eine andere Entscheidungsstelle. Das wurde auch in der Anhörung deutlich. Fakt ist auch: Nach der Abkehr vom Richtervorbehalt bleibt dem Betroffenen der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsweg erhalten.
Nimmt man nun diese Fakten zusammen, bleibt festzustellen, dass der Richtervorbehalt eine Möglichkeit ist, die Maßnahme Rasterfahndung zu begleiten. Die Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag aber darauf verständigt, eine andere Möglichkeit an die Stelle des Richtervorbehalts zu setzen. Das wurde auch in der Anhörung bestätigt.
In der Anhörung im Innenausschuss und insbesondere in den Beratungen im Ausschuss für Recht und Verfassung und im Innenausschuss wurde nun die jetzige Lösung gefunden, die die Anordnung seitens des Behördenleiters des Landeskriminalamtes mit vorheriger Zustimmung des Ministers des Innern vorsieht. Das präzisiert die Vorgabe des Koalitionsvertrages noch einmal.
Ich habe bewusst noch einmal von „vorheriger Zustimmung“ gesprochen. Auch wenn Sie das im Gesetzestext nicht wiederfinden werden, gehen beide Fraktionen davon aus, dass es eindeutig ist, dass die Zustimmung, weil Zustimmung und Anordnung gemeinsam vorliegen müssen, vor Durchführung der Maßnahme stattfinden muss.
Meine Damen und Herren! Auch wenn ein Eins-zu-einsVergleich zwischen dem Richtervorbehalt und der Anordnung durch das Landeskriminalamt mit Zustimmung des Ministers nicht möglich ist, möchte ich an dieser Stelle auf eine vergleichbare Situation hinweisen. Wie bereits oben erwähnt, bleiben die Grundlagen für die Entscheidung dieselben. Anders als etwa die Entscheidung eines unabhängigen Richters wird die rechtswidrige bzw. rechtsfehlerhafte Anordnung des Landeskriminalamtes mit Zustimmung des Ministers aber unter Umständen politische Konsequenzen haben, sodass man durchaus davon ausgehen kann, dass eine gründliche Prüfung der Anordnung erfolgen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die aus meiner Sicht beunruhigenden Ergebnisse zweier Gutachten zur Telefonüberwachung ernst nimmt, müsste
Eine weitere sinnvolle Neuerung ist die Einführung einer Berichtspflicht bezüglich der durchgeführten Maßnahmen der Rasterfahndung. Auf diese Weise wird eine Transparenz gegenüber dem Landtag und den Bürgern hergestellt.
Zur Videoüberwachung bzw. zur Einführung der Möglichkeit der Aufzeichnung hat der Innenminister weitreichende Ausführungen gemacht. Ich möchte deshalb nur kurz auf den Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der CDU eingehen.
Aufgrund der Änderungen in § 16 ist zunächst der Eindruck entstanden, Bildaufnahmen und Aufzeichnungen würden zukünftig nur noch verdeckt erfolgen. Das war und ist nicht die Intention von FDP und CDU. Für Aufzeichnungen sah der Absatz 3 bisher schon eine ausdrückliche Hinweispflicht vor. Diese gilt nunmehr auch für Bildaufnahmen. Damit wird sichergestellt, dass die Videoüberwachung auch zukünftig grundsätzlich offen durchgeführt wird und nur in dem beschriebenen Ausnahmefall ein Verzicht auf die Hinweispflicht möglich ist.
Darüber hinaus war es der FDP-Fraktion und der CDUFraktion besonders wichtig, auch bezüglich der durchgeführten Videoüberwachung und -aufzeichnung eine Berichtspflicht gegenüber dem Landtag einzuführen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weitere kritisierte Änderungen sind die Neufassung des § 36 SOG - Platzverweis - und die damit verbundene Erweiterung der Verweisungsfrist auf zwölf Monate. Hierzu hat die Anhörung ergeben - das war auch für mich durchaus erstaunlich -, dass es noch nicht einmal zwingend geboten ist, überhaupt eine Frist festzulegen, da sowieso eine Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegt. Trotzdem haben wir uns - ich denke, das ist richtig - für eine Frist entschieden. Es wird trotz der Frist von zwölf Monaten jede Maßnahme nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überprüft werden, sodass diese Regelung, denke ich, durchaus sinnvoll ist.
Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf die Regelung zur häuslichen Gewalt eingehen. Die heutige Beschlussfassung ist gegenüber dem Gesetzentwurf unverändert. Somit wird eine ausdrückliche Regelung zur Wegweisung in das SOG aufgenommen und der Polizei wird somit eine klare Grundlage an die Hand gegeben.
Nicht aufgenommen haben die Koalitionsfraktionen die von der SPD geforderte Informations- und Hinweispflicht der Polizei gegenüber den Opfern. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zweifelsohne wichtige Beratung der Opfer kann nicht von der Polizei und nicht am Ort des Geschehens erfolgen. Das ist zum einen keine Aufgabe der Gefahrenabwehr, zum anderen bezweifle ich, dass unsere Polizisten bei allem Bemühen für diese sensible Beratung in dem notwendigen Maße ausgebildet sind. Auch die Situation, in der die Polizei eingreift, erscheint mir für eine solche Beratung aus der Sicht des Opfers nicht geeignet zu sein. Das Opfer will in dieser Situation nur von der Gefahr befreit werden.
dass die Beschlussempfehlung und der Änderungsantrag geeignet sind, die öffentliche Sicherheit und Ord
nung im Land Sachsen-Anhalt weiter zu verbessern, auf die neuen Gefahrensituationen aufgrund des Terrorismus wirkungsvoll zu reagieren und dabei die Freiheits- und Bürgerrechte der Menschen in Sachsen-Anhalt zu gewährleisten.
Herr Kosmehl, möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Reck beantworten? - Bitte schön, Herr Reck.
Kollege Kosmehl, ich habe Sie in dem einen Jahr als einen aufrechten, nach vorn blickenden, sachkundigen jungen Mann kennen gelernt,
der einer freiheitlichen Partei angehört, in der die Grundrechte einen sehr hohen Stellenwert besitzen. Jetzt werden Sie wahrscheinlich durch die CDU-Fraktion gezwungen,
dem neuen Gesetz zuzustimmen, mit dem die Grundrechte zum Teil erheblich eingeschränkt werden, wie Sie es selbst sagten. Meine Frage ist nun: Herr Kosmehl, wie fühlen Sie sich?
Herr Kollege Reck, zunächst einmal vielen Dank für Ihre Einschätzung. Ich hoffe, ich kann ihr in den nächsten drei Jahren gerecht werden.
Ich habe bereits in meiner Rede zur Einbringung des Gesetzentwurfes deutlich gemacht, dass die vorgenommenen Änderungen einen Kompromiss darstellen, auf den sich die CDU und die FDP in den Koalitionsverhandlungen verständigt haben. Beide Fraktionen mussten auf Teile ihrer Überzeugungen, ihrer Wünsche, ihrer Visionen und ihrer Träume verzichten.