Protocol of the Session on April 11, 2003

Zweiter Punkt. In der Pressemitteilung wurde die Zahl von 746 Millionen € genannt, die das Land bekommen hat. Ich kann doch heute nicht ausschließen - auch meine Kollegin Wernicke nicht -, dass am Ende - auch auf den Deichbau und vieles andere bezogen - vielleicht 752 Millionen € benötigt werden. Dann werden wir uns natürlich wegen dieser 6 Millionen € an den Bund wenden müssen. Die Spanne zu den 746 Millionen € ist aber noch sehr groß, sodass wir im Moment keine Verunsicherung bei den Betroffenen und in der Bevölkerung aufkommen lassen müssen.

Ich kann mich aber nicht hinstellen oder in einer Pressemitteilung erklären, dass alles erfüllt wird. Das ist in Sachsen übrigens auch so. Das muss natürlich noch offen bleiben, auch vor dem Hintergrund, dass schon andere Länder darauf warten, Geld zu bekommen, das wir nicht ausgeben. Es ist also kein Schlupfloch, sondern es muss als Anmerkung mit gesagt werden, dass wir, wenn diese 746 Millionen € nicht ausreichen, den Bund schon noch einmal daran erinnern müssen.

Ich habe vorhin schon gesagt, egal ob wir den Bund oder den Bundeskanzler daran erinnern, wir sitzen wieder alle in einem Boot, zu sagen, es hat nicht ausgereicht. Bis diese 746 Millionen € ausgeschöpft sind, ist es aber noch ein weiter Weg, an dessen Ende wir Bilanz ziehen werden. Auf diesen Antrag bezogen muss ich dann schon sagen, dass im Ausschuss alles Weitere besprochen werden kann.

Wenn es doch Probleme geben sollte, weil es bei einer Anzahl von 10 000 bis 20 000 Anträgen nicht ausgeschlossen werden kann, dass vor Ort das eine oder andere Problem auftritt, dann bitte ich darum, nicht zur Presse, sondern direkt zu den Betroffenen zu gehen. Ich appelliere auch noch einmal an die Kommunalpolitiker vor Ort. Die melden sich sonst wegen jeder Sache im Ministerium. Das geht ganz schnell. Aber wenn es um Millionen geht, wie das hier der Fall ist - ich meine auch den Landkreis Wittenberg -, dann klingelt kein Telefon.

Wir sind auf einem guten Wege. Für alle Geschädigten gilt das Prinzip, dass sie auf der Grundlage der Richtlinien einen Anspruch darauf haben, das Geld zu bekommen, wenn der Anspruch geprüft und bestätigt worden ist.

Meine Damen und Herren! Abschließend will ich noch eines sagen - ich habe vorhin lange überlegt, ob ich das

noch zum Ausdruck bringen sollte -: Wenn man Schreiben bekommt, in denen man sich darüber beschwert, dass 180 000 € zu wenig sind für den Wiederaufbau des Hauses, wir aber ermitteln, dass der Neubau des Hauses nur 150 000 € gekostet hat, dann muss man anfangen stutzig zu werden.

Das Spannungsfeld zwischen diesen wenigen schwarzen Schafen und den vielen, die versuchen, 5 000, 10 000 oder 20 000 € zu bekommen, müssen wir aushalten. Es wird Probleme geben. Es ist schon eine Enttäuschung, wenn jemand 150 000 € für ein Haus kassiert, sich dann aber darüber beschwert, dass dies zu wenig sei und 180 000 € oder mehr fordert. Auch diese Fälle gibt es nachweislich. Deshalb müssen wir versuchen, es ordentlich zu prüfen und im Prinzip auch an die Stellen appellieren, dass sie mit den etwas kleineren Beträgen anfangen. Dann kommen natürlich wieder diejenigen, die fragen, warum das denn?

Weitere Unterstützung aus den Landkreisen wäre hilfreich, um die Anträge schneller bearbeiten zu können. In den Landkreisen ist mit Sicherheit noch Personal vorhanden, das zur Bearbeitung der Anträge abgestellt werden kann. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Daehre. - Wünscht noch jemand das Wort? - Bitte, Frau Dr. Klein.

Herr Minister Daehre, unser Antrag ist vom 2. April 2003, Ihre Presseerklärung vom 9. April 2003. Wir haben überlegt - weil wir diese Briefe hatten -, Sie zu unterstützen.

Die Ausschusssitzungen sind nichtöffentlich. Ich kann also nicht auf die letzte Ausschusssitzung eingehen. Ich habe in dieser Sitzung sehr genau zugehört und ich habe auch sehr genau nachgefragt. Ich habe den Begriff, der dort gefallen ist, nicht umsonst gebracht, das „Windhundrennen“. Wenn Vertreter des Ministeriums solche Äußerungen tun, nachdem auf bestimmte Probleme schon hingewiesen wurde - das Antwortschreiben des Landrats von Wittenberg stammt vom 10. März 2003 -, dann muss man nachfragen.

Okay, wenn Sie diese Pressemitteilung herausgegeben haben - Sie haben dieselbe Sorge wie wir; es könnte Panik vor Ort und auch bei den Verantwortlichen entstehen -, dann machen wir das so, dass wir diesen Kurs mit vertreten, dass wir als Landtag hinter Ihnen stehen und auch alles Mögliche tun, um in diesem Sinne hilfreich zu sein. So hatte ich eigentlich auch meine Einbringungsrede angelegt. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der PDS-Fraktion in der Drs. 4/658 mit der Überschrift „Bereitstellung von ausreichenden Mitteln für Hochwassergeschädigte“. Wer stimmt zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt 14 beendet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung

Entschieden gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt vorgehen

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/659

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/685

Einbringer des Antrages der PDS-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Gärtner. Herr Gärtner, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass zu diesem in dem Antrag angesprochenen Thema dringend eine Diskussion in diesem Hohen Hause notwendig ist, hat sich nach der Veröffentlichung einer Regionalanalyse Altmark der Hochschule Magdeburg-Stendal gezeigt, in der der Rechtsextremismus in dieser Region näher beleuchtet wird.

Kaum war dazu ein Interview mit dem Sozialwissenschaftler Roland Roth in der „Volksstimme“ erschienen, standen einzelne Verantwortliche wie der Bürgermeister der Stadt Gardelegen auf - aber nicht um endlich etwas gegen den seit Jahren in ihrem Ort vorhandenen Neonazi-Spuk zu tun, sondern um demjenigen Rufmord und falsche Darstellung zu unterstellen, der auf das Problem aufmerksam gemacht hat. - Eine Reaktion, die mir in den 90er-Jahren immer wieder begegnet ist. Es musste erst immer Tote oder Schwerverletzte geben, bis in irgendeiner Weise Rechtsextremismus vor Ort als Problem erkannt worden ist.

Der Mord an Alberto Adriano in Dessau im Jahr 2000 führte endlich zu einer breiten bundesweiten Diskussion. Seitdem und seit den daraufhin eingeleiteten zahlreichen Initiativen ist es mittlerweile um die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auffallend ruhig geworden. Das gilt insbesondere auch für das Land Sachsen-Anhalt.

Im Zuge der Beratungen des Haushalts für das Jahr 2003 wurde durch die Koalition letztlich das Aus der durch den Verein „Miteinander“ im Land mühsam aufgebauten Netzwerkstruktur gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit eingeleitet. Damit wird der im Jahr 2000 unter allen demokratischen Parteien im Landtag gefundene Konsens über den Kampf gegen Rechtsextremismus infrage gestellt.

Einmal mehr zeigt sich, dass das Thema Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit und in der Politik als reines Konjunkturthema angesehen wird. Vielmehr ist aber eine kontinuierliche Bearbeitung dieses Themas notwendig. Für ein Nachlassen im Wirken gegen rechts gibt es für uns gerade auch in unserem Land keinerlei Anlass.

Obwohl die Statistik einen Rückgang von rechtsextremistischen Straftaten im Vergleich der Jahre 2001 und 2002 ausweist, zeigen zahlreiche Ereignisse, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt unverändert präsent sind. Das zeigen die brutalen,

gewalttätigen Übergriffe von Neonazis in den letzten Wochen auf Ausländerinnen und Ausländer und Andersdenkende in Magdeburg, Schönebeck und anderen Orten des Landes oder auch die massive Präsenz von Neonazis auf den Friedensdemonstrationen der letzten Wochen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs.

Die Stärke und Schwäche des Rechtsextremismus lässt sich auch nicht an Wahlen feststellen. So gut und positiv es ist, dass in Sachsen-Anhalt keine rechtsextremistische Partei mehr im Landtag vertreten ist, so kann dies doch kein Beweis dafür sein, dass es das Problem nicht mehr gibt. Im Rahmen einer Umfrage haben 34 % der ostdeutschen Schülerinnen und Schüler vor kurzem angegeben, dass sie fremdenfeindlich eingestellt seien. Damit wird das Problem deutlich.

Meine Damen und Herren! Insbesondere die NPD hat im letzten Jahr durch zahlreiche Aktivitäten versucht, ihre Struktur im Land zu stabilisieren. Das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens ist in diesem Zusammenhang als Katastrophe zu bezeichnen, die wesentlich von den Innenministern von Bund und Ländern zu verantworten ist. Immer wieder haben auch wir in diesem Hause bezüglich dieses Vorgehens Transparenz eingefordert. Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen.

Meine Damen und Herren! Das kann aber auch eine Chance sein. Wir können und müssen uns bei der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit wieder dem eigentlichen Punkt widmen. Das heißt, dass die Diskussion um gesellschaftliche Normen, Werte und über Demokratie in diesem Zusammenhang im Vordergrund stehen muss.

Immer wichtiger für die Organisation der Szene werden die so genannten Kameradschaften. Die Aktivitäten dieser Kameradschaften werden mit dem Ziel geführt, Jugendlichen eine lebensweltliche Identität zu geben. Diese Kameradschaften existieren mittlerweile flächendeckend im Land. Besonders wichtig sind zu nennen: in der Altmark „Selbstschutz Sachsen-Anhalt“, „Ostara-Skinheads Sangerhausen“, „Sachsen-AnhaltFront“, „Weiße Brüderschaft Merseburg“ und die Kameradschaft Köthen.

Untersetzt werden diese Aktivitäten durch den Vertrieb von so genannten Fanzines wie zum Beispiel „Reaktion 88“ (Altmark), „Ostara“ (Sangerhausen), „Der Fahnenträger“ (Dessau), „Der Harz-Sturm“ (Wernigerode). Auch wenn eine Gesamtauflage aller Fanzines von 2 500 Stück gering klingt, ist ihre Wirkung groß. Untersuchungen in der Altmark haben beispielsweise ergeben, dass ein Heft von 25 Leuten gelesen wird. - Jede Tageszeitung würde sich darüber freuen, wenn sie eine solche Verbreitung hätte. - Dazu gehört ferner ein breites Vertriebssystem von Rechts-Rockmusik. Rechte Musik und Outfit bedeuten Lifestyle, besonders in der jugendlichen Szene.

Meine Damen und Herren! Was ist aus der Sicht der PDS-Fraktion zu tun? - Ich betone nochmals: Wir brauchen eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt. Dabei muss die Diskussion - das wiederhole ich - um gesellschaftliche Normen, Werte und über Demokratie im Vordergrund stehen.

Deshalb fordert die PDS mit dem heutigen Antrag, dass die im Jahr 1999 eingeleitete fruchtbare Diskussion, welche im Rahmen des von der damaligen Regierung vorgelegten und vom Parlament unterstützten Programms für ein weltoffenes und tolerantes Sachsen

Anhalt geführt wurde, erneut und konsequent aufgenommen wird. Die Landesregierung ist gefordert, dieses Programm zu qualifizieren und fortzuschreiben. Der aus unserer Sicht vorhandene Kurs der Verharmlosung von Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt ist zu stoppen

(Herr Kolze, CDU: Wer verharmlost denn hier et- was, Herr Gärtner?)

und das Aus des Vereins „Miteinander“ e. V. und das damit in Verbindung stehende Auseinanderbrechen des Netzwerkes zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Ein zweiter Punkt: Unser Land benötigt eine Kultur des Mahnens und Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Sinne ist das Gedenkstättenkonzept des Landes zu überarbeiten. So muss beispielsweise die Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin authentischer Bestandteil des Schlosses sein, da dieses von den Nazis als eines der ersten Konzentrationslager in Deutschland genutzt wurde.

Das ist deshalb so notwendig, meine Damen und Herren, weil in kürzester Zeit authentische Zeitzeugen des Faschismus nicht mehr vorhanden sein werden. Einzige Zeitzeugen werden dann Mahn- und Gedenkstätten sein. Eine Kultur des Vergessens muss in Deutschland und in Sachsen-Anhalt verhindert werden. Das sind wir den Millionen Opfern des Nationalsozialismus einfach schuldig.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr, Herr Gärtner. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihefolge FDP, SPD, CDU und PDS ein. Zunächst hat jedoch Herr Minister Klaus Jeziorsky für die Landesregierung um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, konsequent gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen. - Genau das tun wir bereits, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Politischer Extremismus von rechts und links stellt eine besondere Herausforderung für unser demokratisches Gemeinwesen dar. Die Landesregierung hat deshalb die Bekämpfung des Extremismus jeglicher Couleur fest in der politischen Bildungsarbeit des Landes verankert und führt dabei auch das Landesprogramm für ein weltoffenes Sachsen-Anhalt fort. Mit der Verlagerung der Koordinierungsstelle für dieses Programm in die Landeszentrale für politische Bildung haben wir dieses wesentlich effizienter gestaltet.

(Zustimmung bei der CDU)

Neben der damit erreichten Kontinuität der Arbeit konnte so das Angebot der Koordinierungsstelle für Vereine, Verbände, Schulen und Jugendeinrichtungen deutlich erhöht und durch zahlreiche Maßnahmen der politischen Bildung ergänzt werden. Wir haben damit bereits die notwendigen und möglichen Synergieeffekte erschlos

sen und die Bildungsarbeit des Landes in diesem Bereich deutlich verbessert.