Protocol of the Session on April 10, 2003

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass eine der Oppositionsparteien die heutige Aktuelle Debatte beantragen würde, überrascht mich nicht. Allerdings hätte ich diesen Antrag im Hinblick auf die politische Auseinandersetzung in den letzten Wochen eher von der PDS-Fraktion als von der SPDFraktion erwartet.

Selbstverständlich hätten auch wir uns gewünscht, dass die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes lautloser und vor allem reibungsloser vonstatten geht. Die heute angesprochenen Probleme resultieren jedoch aus meiner Sicht im Wesentlichen daraus, dass sich die Kommunen mit der Umsetzung schwerer tun, als das vorhersehbar war.

Erschwerend kommt hinzu, dass jetzt auf der kommunalen Ebene der politische Streit hinsichtlich der Novellierung des Kinderbetreuungsgesetzes fortgeführt wird, der eigentlich mit der Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes durch den Landtag abgeschlossen sein sollte.

(Herr Gürth, CDU: Genau so ist es!)

Was auf dem parlamentarischen Weg nicht erreicht worden ist, soll nun auf anderen Wegen durchgesetzt werden. Es erregt uns schon, dass dies auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden soll.

Die Selbstverständlichkeit eines Rechtsanspruches und damit eines finanziell gestützten Mindestangebotes von staatlicher Kinderbetreuung für alle Kinder im Land kann man nicht oft genug positiv bewerten; denn es ist in diesem Rahmen nicht selbstverständlich in Deutschland, auch nicht in den neuen Bundesländern.

Die jetzige Gestaltungsmöglichkeit, auch über den festgeschriebenen Rechtsanspruch der Kinderbetreuung hinaus, wird entweder nicht erkannt oder verschwiegen. Hatten wir bereits in der Vergangenheit unterschiedliche zeitliche Betreuungsangebote von sechs, acht und zehn Stunden Betreuung, so sind mit dem jetzigen Gesetz auch ohne Ausführungsbestimmungen Mischvarianten möglich. Das neue Gesetz orientiert sich heute nur an dem Mindestanspruch für alle Kinder und an dem Maximumanspruch für diejenigen, die den tatsächlichen Bedarf auch haben. Kinder freuen sich, wenn sie in die Kita gehen dürfen; Kinder freuen sich aber auch, wenn sie nach Hause gehen dürfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen, meine Herren! Nur noch einmal zur Erinnerung: Wir haben die Finanzen des Landes nicht ruiniert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das war die Höppner-Püchel-Regierung, die seinerzeit von der PDS regiert wurde, toleriert wurde.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

- Da ist vielleicht was dran!

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ja, da mag etwas dran sein.

Wir haben den Wählern versprochen, das Land im Rahmen unserer Möglichkeiten zu sanieren und dabei bessere Rahmenbedingungen für mehr Ausbildung und Arbeit zu schaffen. Dazu gehören nicht nur harte, sondern auch weiche Standortfaktoren wie zum Beispiel das qualitativ beste Kinderbetreuungsgesetz Deutschlands, das Gesetz, das wir im Landtag von Sachsen-Anhalt beschlossen haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Im Rahmen der Umsetzung wird nun, zum Teil gezielt, mit Fehlinformationen gearbeitet. Eltern und Kinder werden verunsichert, um sie damit zu motivieren, gegen das Gesetz Sturm zu laufen. Statt dass sich alle Beteiligten vor Ort zusammentun und darüber diskutieren, wie mit den vorhandenen Mitteln die bestmögliche Betreuung vor Ort gewährleistet werden kann, wird ein Szenario aufgebaut, das lediglich dem Ziel dient, die Umsetzung des Gesetzes zu behindern, ja es zu verhindern.

Ich habe zwischenzeitlich ebenso wie die anderen Abgeordneten, die es mitgetragen haben, an vielen Veranstaltungen mit den verschiedensten Akteuren im Bereich der Kinderbetreuung in den Städten und Landkreisen teilgenommen und über das Gesetz informiert und aufgeklärt.

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Paschke zu beantworten?

Am Ende gern.

Am Ende, Frau Dr. Paschke.

Dabei ist deutlich geworden, dass es eine große Diskrepanz zwischen der öffentlichen Darstellung und dem Ablauf und Inhalt dieser Informationsveranstaltungen gibt. Das vermeintlich große Chaos, das vermittelt wird, gibt es vor Ort nicht. Die Veranstaltungen machen deutlich, dass die Akzeptanz des Gesetzes und die Anerkennung der Familienverantwortung unter den Eltern viel größer ist, als immer behauptet wird. Es gibt bereits Kommunen und freie Träger, die das neue Gesetz unkonventionell und kreativ umsetzen und dabei auch den zugesagten finanziellen Erschwerniszuschlag einplanen und mit der Verordnung dazu dann auch abrufen werden.

Diese sicherlich notwendige Aufklärungsarbeit wird aber immer wieder dadurch erschwert, dass seitens der Vertreter der Oppositionsparteien vor Ort jede Chance aufgegriffen wird, um Stimmung gegen das Kifög zu machen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Herr Dr. Polte, SPD: Macht die CDU Stimmung gegen sich selbst?)

Dies geschieht in den verschiedensten Formen, die ich nicht alle wiedergeben möchte. Die beteiligten Damen und Herren Abgeordneten, die ich meine, wissen sicherlich, wie ich es meine. Als Beispiel nenne ich nur, dass seitens der PDS-Fraktion ständig die Forderung nach mehr Informationen erhoben wird, sei es in Form von Anfragen, sei es mit der Forderung nach Ausführungsbestimmungen, in der Forderung nach Informationsveranstaltungen.

Auch Ihr so genannter Informationsflyer, Herr Abgeordneter Gallert, spielt mit den zum Teil verdrehten und unkorrekten Formulierungen keine rühmliche Rolle. Die ständige Wiederholung der Forderung nach Ausführungsbestimmungen ist für mich nicht nachvollziehbar. Auch dass Sie heute wiederum versuchen, die behinderten Kinder ins Spiel zu bringen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass das nicht in erster Linie mit dem Kifög zu tun hat, sondern mit einem Grundsatzurteil, und dass die Betreuung im Grunde genommen über das BSHG finanziert wird, macht deutlich, dass Sie nichts auslassen, um polemisch Dinge ins Spiel zu bringen und das Kifög schlecht zu reden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es war der erklärte Wille der kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der Anhörung im Ausschuss, dass im Gesetz nur noch Mindeststandards geregelt werden und die konkrete Umsetzung den Kommunen vor Ort überlassen werden sollte.

Herr Abgeordneter, es gibt drei weitere Fragen an Sie. Sind Sie bereit, diese am Ende zu beantworten?

Na ja, sicher.

Gut, danke.

Genau dies ermöglicht nun das Kifög: Mindeststandards, und der Rest wird vor Ort geregelt. Diese Philosophie ist auch von der SPD-Fraktion unterstützt worden; denn es sollte dadurch auch die kommunale Selbstverwaltung gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund kann der Minister, selbst wenn er es wollte, keine Ausführungsbestimmungen erlassen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, in die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen.

(Lachen bei der PDS)

Es können bestenfalls Auslegungshinweise und Empfehlungen gegeben werden, die aber keinerlei Rechtsqualität haben, von den Kommunen also nicht beachtet werden müssten. Solche Hinweise hat das Ministerium allerdings auf seiner Homepage im Internet mit dem Fragen- und Antwortenkatalog, auf Informationsveranstaltungen und auf der Info-Tour zu geben versucht. Auch zukünftig wird es diese begleitenden Maßnahmen seitens des Ministeriums und der Abgeordneten dort geben, wo dies gewünscht ist.

Kommt der Minister bzw. das Ministerium schließlich diesen Forderungen nach, so ist anschließend von denselben Personen zu vernehmen, dass sich der Minister statt um die Durchführung einer Info-Tour doch lieber um die Umsetzung des Gesetzes im Ministerium kümmern sollte. Also, wenn sich das nicht widerspricht, weiß ich auch nicht.

(Frau Bull, PDS: Das muss er doch nicht allein machen!)

Es stimmt schon bedenklich - dazu kommen wir gleich -, wenn seitens der Oppositionsparteien keine Möglichkeit ausgelassen wird, durch derartige Maßnahmen die Arbeit des Ministeriums bei der Umsetzung des Gesetzes zu behindern.

(Lachen bei der SPD und bei der PDS)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen aus Ihrer Zeit die Situation und die Strukturen im Sozialministerium. Im Bereich des für Kindertagesstätten zuständigen Referates hat sich an der Personalstruktur seit dem Regierungswechsel nichts geändert. Meines Wissens ist es auch zu keinerlei Personalaufwuchs gekommen. Sie kennen den Arbeitsanfall, der entstanden ist, als im Jahr 1999 das von Ihnen novellierte Kinderbetreuungsgesetz umgesetzt werden musste.

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

- Herr Heyer, jetzt rede ich!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Damals war die Situation und insbesondere die Belastung der zuständigen Kolleginnen und Kollegen im Sozialministerium ähnlich wie heute. Damals aber haben sich die Ministerin, die hochverehrte Frau Dr. Kuppe, und die SPD vor ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt und erklärt, dass diese nicht mehr als pausenlos arbeiten könnten. Heute kritisieren dieselben Personen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, obwohl diese genauso arbeiten wie zu ihrer Amtszeit. Wir brauchen schließlich auch Zeit, um dieses Vorhaben umzusetzen.

(Zurufe von der SPD)

Solange weiterhin von außen ein Druckszenario in Form von parlamentarischen Anfragen aus der Politik oder von gesteuerten Anfragen über Bürger aufgebaut wird, welches das Abarbeiten der sich aus dem Gesetz ergebenden Aufgaben durch das Ministerium verhindert, wird das Ministerium nicht in der Lage sein, das Gesetz so umzusetzen, wie es erforderlich ist.

Die heutige Aktuelle Debatte ist ein Beleg dafür, dass die SPD offensichtlich einen Weg sucht, wie sie sich im Nachhinein von dem von ihr erarbeiteten Kompromiss zur Kinderbetreuung wieder verabschieden kann und den Weg zurück in den Schoß der Volksinitiative finden kann.

(Widerspruch bei der SPD)

Der Versuch, diesen Weg zu gehen und damit gleichzeitig auch den schwelenden Konflikt innerhalb der SPD zu diesem Thema zu lösen, ist zweifellos legitim und nachvollziehbar. Dies allerdings auf dem Rücken der Kinder und Eltern auszutragen und zu behaupten, dass das Ministerium für Gesundheit und Soziales unprofessionell geführt werde, entspricht nicht der Realität.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die in der Antragsbegründung weiter aufgeführten Punkte über den vermeintlich schlechten Umgang mit den Beauftragten des Landes sowie mit der Zukunft der Schulsozialarbeit sind vor diesem Hintergrund lediglich Nebenkriegsschauplätze, die von der Absicht der Antragstellerin ablenken sollen.