Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hoffnungen der Schulträger und die Erwartungen vieler Bürgerinnen und Bürger, nach der Aussetzung der Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung bessere Bedingungen für die Ausgestaltung eines ausgewogenen und möglichst wohnortnahen Schulangebots in allen Schulformen zu haben, sind schnell zerstoben. Was die Landesregierung mit dem Entwurf einer Verordnung zur Schulentwicklungsplanung und dem jüngsten Erlass vorgelegt hat, ist eher geeignet, die Situation zu verschärfen und langfristig ein regionales Austrocknen der Schullandschaft zu bewirken.
Erstens. Die bisherige Verordnung ging von einem Planungszeitraum bis zum Schuljahr 2005/2006 aus. Das in dieser Zeit entstehende Schulnetz hätte, eine vernünftige Anschlussregelung vorausgesetzt, ein mittel- oder gar längerfristig stabiles Schulnetz mit vernünftigen Schulgrößen ergeben können.
Voraussetzung dafür wäre gewesen zuzulassen, dass die derzeit festgelegten durchschnittlichen Jahrgangsbreiten in den Jahren des weiteren Schülerrückgangs bis 2008 bzw. 2010 untertunnelt werden können. Mit dem daran anschließenden leichten Schüleranstieg wären immer noch verlässliche zweizügige Sekundarschulen bzw. zwei- und dreizügige Gymnasien auch in den strukturschwachen Gebieten zu garantieren gewesen. Ausnahmen hätte es nur in wenigen Fällen geben müssen.
Nun aber soll die Schulentwicklungsplanung mit diesen Zieldaten bis zum Schuljahr 2008/2009, dem Jahr des wahrscheinlich niedrigsten Schülerstandes überhaupt, geführt werden. Damit geht der Rückgang der Schülerzahlen voll in die Planung ein und es müssen deutlich mehr Schulen geschlossen werden als bei dem anderen, von uns vorgeschlagenen Verfahren.
Zweitens. Durch den Übergang zum Gymnasium bereits nach der Klasse 4 werden die Klassenstufen 5 und 6 mit in die Planung einbezogen. Diese Klassenstufen waren
bei der Berechnung der Schulgrößen bisher unberücksichtigt geblieben. Obgleich die Landesregierung für das kommende Schuljahr eine Ausnahmeregelung vorgesehen hat, bedeutet dieses Verfahren dennoch, dass Sekundarschulen, die längerfristig keine Bestandsfähigkeit haben, bereits ein Jahr früher zu schließen sind. Der Prozess setzt also früher ein und er dauert länger.
Ein stabiles Schulnetz ist im Verlauf dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erreichen, was für alle anderen notwendigen inhaltlichen Reformen denkbar schlechte Voraussetzungen schafft.
Drittens kommt erschwerend hinzu, dass mit dem jüngsten Erlass die Jahrgangsbreiten für die 5. Klassen in der Sekundarschule und im Gymnasium, also für beide Schulformen, für das Schuljahr 2004/2005 und darüber hinaus bis zum Schuljahr 2008 als Mindestjahrgangsbreiten festgelegt werden. Damit wird die durchschnittliche Jahrgangsbreite, die bisher gefordert war und einen Ausgleich zwischen den starken oberen und den schwachen unteren Jahrgängen möglich gemacht hat, ausgehebelt. Die Jahrgangsbreiten 40 an Sekundarschulen bzw. 50 und 75 an Gymnasien sind nun Sollzahlen, die die Voraussetzungen für den Bestand der Schulen darstellen.
Zu allem Überfluss beginnen diese Festlegungen genau in dem Jahr zu greifen, in dem die geburtenschwächsten Jahrgänge in die Sekundarstufe I gelangen werden. Welche Auswirkungen das auf die Schulnetzplanung haben wird, werden die Kreise sehr schnell ermessen können.
Im Übrigen - diese Nachricht erreichte uns heute Vormittag - muss es ein schlechter Witz sein - ich hoffe, der Kultusminister kann das widerlegen und vor allem korrigieren -, dass die staatlichen Schulämter nun schon bis zum 16. April 2003 ihre Entscheidung über die Zuordnung der Schülerinnen und Schüler getroffen haben müssen, die nicht mehr an den Sekundarschulen eingeschult werden können, an denen sie sich angemeldet haben, weil die Mindestbreite 20 nicht erreicht wird. Dadurch werden demokratische Entscheidungen regelrecht ausgehebelt; denn die Kreistage haben gar nicht mehr die Chance, sich damit zu befassen und eventuell andere Schuleinzugsbereiche zu bilden, was Schulschließungen verhindern bzw. den Erhalt von Schulen sichern würde.
Hierdurch entsteht Willkür - da die Maßnahmen nicht demokratisch gedeckt sind -, die die dauerhafte Bestandsfähigkeit der Schulen gefährdet. Ich hoffe, Herr Minister, Sie können das aufklären und vor allen Dingen verändern.
Bei dieser Planungsgrundlage, wie sie uns heute vorliegt, ist nicht nur ein Kahlschlag in der Schullandschaft zu befürchten, sondern zudem auch künftig Schul- und Klassengrößen im Sekundarbereich, die den schlechten Bedingungen der Westländer verteufelt nahe kommen. Schon bevor die Schülerzahlen wieder steigen, sind Konzentrationsprozesse zu erwarten, die neben großen Schulen auch deutlich größere Klassen nach sich ziehen werden.
Und wenn dann bei einem Anstieg der Geburtenzahlen, von dem wir immer noch ausgehen und den auch die Demografen immer noch voraussagen, auch die Schülerzahlen wieder wachsen, wird zusätzlicher Unterrichtsraum in den Schulen fehlen, überfüllte Schulen und überfüllte Klassen werden das Arbeiten erschweren, in
Das wird sich übrigens am stärksten auf die Sekundarschulen niederschlagen. Denn wenn, wie die Landesregierung mehrfach versichert hat, die auf den Hauptschulabschluss gerichteten Gruppen oder Klassen kleiner sein sollen als die anderen, sind logischerweise die Realschulklassen oder -gruppen größer. Wenn dann die Schülerzahlen steigen, wird sich das vor allem auf die Realschulklassen oder -gruppen auswirken und nicht auf die anderen. Wie unter diesen Umständen Klassen geteilt werden sollen, müssen Sie mir einmal vormachen. Darauf bin ich sehr gespannt.
Ein Schüleranstieg würde sich also vor allem auf jene Schulform am problematischsten auswirken, die eigentlich den Schwerpunkt Ihrer - übrigens auch unserer - bildungspolitischen Orientierung bilden sollte.
Weil das noch nicht genug ist, kommen infolge der Einführung des achten Änderungsgesetzes zum Schulgesetz noch einige sicherlich zeitlich begrenzte Verwerfungen hinzu, die ebenfalls völlig unberechenbare dauerhafte Folgen haben können. Wenigstens für eine Übergangszeit wird es Änderungen bei der Anwahl der Gymnasien geben.
So schwanken derzeit nach unserer Kenntnis die Anwahlzahlen für das Gymnasium nach der 4. Klasse zwischen 12 % und über 90 %. In einigen Regionen sind flächendeckend Anwahlzahlen von weit über 50 % zu verzeichnen. Wenn sich die Landesregierung hierbei auf den viel harmloser klingenden Durchschnitt von 42 % beruft, was immer noch mehr ist als in den vergangenen Jahren,
so ist das wie die Beteuerung, dass der Dorfteich im Durchschnitt nur einen halben Meter tief sei, die Kuh aber trotzdem ersoffen ist.
Nicht nur, dass niemand von den Planungsträgern weiß, ob sich die Entscheidungen dauerhaft so einpendeln sollen und werden - womit wir, wenn sie dauerhaft hoch blieben, übrigens gut leben könnten; damit hätten wir kein Problem; aber wir wissen es nicht -, es ist auch nicht abzusehen, in welchem Umfang aufgrund der rigiden Regelungen im Schulgesetz zum Beispiel Rücküberweisungen an die Sekundarschulen nach der 6. Klasse erfolgen werden. Somit ist es völlig unplanbar, wie groß am Ende die gymnasialen Standorte und die Sekundarschulstandorte in den Regionen sein werden und welche Auswirkungen das haben wird. Eine verlässliche Planung ist auf dieser Grundlage kaum möglich.
Ich glaube, dass das kurzzeitige Prozesse sind. Dennoch denke ich, dass wir sie bei der jetzigen Planung, in der jetzigen Situation unbedingt berücksichtigen müssen, wollen wir nicht nachher plötzlich vor Tatsachen stehen, die keiner so gewollt hat: Unsicherheiten in der Schullandschaft, bei Eltern und Schulträgern, Unzuver
lässigkeit der Aussagen, wohin die Investitionsmittel fließen usw. Ich muss das nicht im Einzelnen aufführen.
Zum einen sollen die kurzfristigen Ausreißer im Anwahlverhalten nicht zur Planungsgrundlage gemacht werden. Dazu fordert die PDS-Fraktion erstens, die 5. und 6. Klassen während eines Übergangszeitraums von mindestens zwei Jahren nicht in die Berechnung der Schulgrößen einzubeziehen. Das deckt sich im Wesentlichen mit dem ersten Absatz des Alternativantrages der SPDFraktion. Zweitens wollen wir, dass die derzeitigen Planungen von den bisher üblichen Übergangszahlen ausgehen. Dies wäre zumindest eine halbwegs verlässliche Größe.
Zum anderen will die PDS, dass für ein längerfristig stabiles, leistungsfähiges und regional ausgewogenes Schulnetz andere Planungsvoraussetzungen geschaffen werden. So soll es in strukturschwachen und bevölkerungsschwachen Regionen möglich sein, bei Einhaltung der im Schulgesetz geforderten Zügigkeit dauerhaft von den durchschnittlichen Mindestjahrgangsbreiten abzuweichen. Grundlage dafür könnten die regionale Entwicklungsplanung und die daraus erwachsenden Erfordernisse für Schulstandorte sein.
Ausschlaggebend ist für uns die Frage, ob in allen Regionen ein gut erreichbares Schulnetz gesichert werden kann; dies fordern Sie in dem Entwurf der Verordnung zur Schulentwicklungsplanung übrigens auch. Empfehlungen in Bezug auf die Zumutbarkeit von Schulwegen können dafür im konkreten Fall unter Umständen sehr untaugliche Regelungsinstrumente sein. Vielmehr muss verstanden werden, dass ein verlässliches Angebot von Bildungseinrichtungen mindestens bis zur 10. Klasse gerade in strukturschwachen Regionen ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor ist. Schulen machen eine Region für Eltern und Schülerinnen und damit auch für Ansiedlungen attraktiv.
Hierbei, denke ich, muss das Land die Courage besitzen, antizyklisch zu arbeiten, sollen nicht ganze Regionen entwicklungspolitisch abgekoppelt werden. Eine Orientierung an den Möglichkeiten des geltenden Schulgesetzes, nämlich an der Kooperation von Schulen unterschiedlicher Schulformen und Stufen, die übrigens auf unsere Initiative hin vor Jahren im Schulgesetz festgeschrieben wurde und die auch die Landesregierung bereits als Möglichkeit entdeckt hat, ist selbstverständlich sinnvoll, allerdings nur dann, wenn man die Regelung nicht durch eine Verordnung sozusagen wieder aufhebt, was die Möglichkeit der Unterschreitung der Mindestzügigkeiten betrifft, und die Ausnahmen plötzlich nicht mehr möglich sein sollen. Dann braucht man sie nämlich nicht.
Eine attraktive und leistungsfähige Schullandschaft kann ein Aushängeschild für das Land werden. Was Sie derzeit betreiben, führt jedoch zum blanken Gegenteil. Deshalb fordern wir Sie nachdrücklich auf, auch die längerfristigen Folgen Ihres Handelns zu bedenken, wenn Sie die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung nach der Anhörung überarbeiten. Des Weiteren fordern wir, dass wir vor der Veröffentlichung noch einmal im Ausschuss darüber reden. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Die Debatte beginnt mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht Frau Mittendorf. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorzeitige Überarbeitung der gültigen mittelfristigen Schulentwicklungspläne ist zurzeit ein bestimmendes Thema im Land. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Lage aufgrund der von CDU und FDP beschlossenen Änderungen des Schulgesetzes erheblich zugespitzt hat und dadurch eine sofortige Anpassung der Schulentwicklungspläne erst notwendig wurde.
Ab dem kommenden Schuljahr werden sich die Schülerströme in Klasse 5 in veränderter Art und Weise auf die weiterführenden Schulformen verteilen. Der Kultusminister selbst verwies in einem Brief an die Landkreise und die kreisfreien Städte im Oktober 2002 auf diesen Zusammenhang.
Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, dass die Schulentwicklungsplanung zum eigenen Wirkungskreis der Landkreise und der kreisfreien Städte zählt. Jedoch wird sich wohl jede Fraktion im Landtag in den letzten Wochen mit den konkreten Auswirkungen beschäftigt haben. Die SPD wird das grundsätzliche Verfahren der mittelfristigen Schulentwicklungsplanung nicht infrage stellen. Selbstverständlich sind aus schulfachlichen Gründen Richtwerte zur Mindestschülerzahl und zur Regelzügigkeit notwendig.
Die dauerhafte Einrichtung sehr kleiner Sekundarschulen oder sehr kleiner Gymnasien würde jedoch zulasten der Qualität der schulischen Arbeit gehen.
Die diesbezüglichen Werte im Verordnungsentwurf orientieren sich an den Richtwerten anderer ostdeutscher Bundesländer und entsprechen in den Grundzügen den Richtwerten der Verordnung von 1999, für die der damalige Kultusminister Herr Dr. Harms sehr stark kritisiert worden ist, vor allem aus den Reihen CDU.
Es ist schon erstaunlich, meine Damen und Herren, wie schnell man alte Ansichten über Bord werfen kann.
Wir wollen dies nicht tun; wir wollen uns vielmehr ausschließlich auf die geänderten Geschäftsbedingungen und die damit zusammenhängenden Probleme einlassen und reagieren.
Meine Damen und Herren! Der Verordnungsentwurf hat gegenüber der alten Verordnung eine entscheidende Veränderung erfahren: Der Zügigkeitsrichtwert soll nun auch für die Klassenstufen 5 und 6 an Sekundarschulen gelten.