(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Herr Dr. Püchel, SPD: Schulbuchfreiheit! - Zuruf von der CDU)
Wir bleiben dabei: Die Situation ist so. Ich bin Herrn Lukowitz dankbar dafür, dass er von Aussichten und von Zukunftsperspektiven gesprochen hat.
Die Situation ist so, dass wir in diesem Jahr mit dem eigenen Steueraufkommen einen Anteil von 42,6 % der Ausgaben, die wir noch beschließen werden, selbst finanzieren können. Der Rest muss über Einnahmen von außen, vom Bund, von der EU und mit Mitteln aus anderen Förderprogrammen finanziert werden. Wir lagen schon einmal bei 45 %. Auch das will ich ganz deutlich sagen. Die wirtschaftlich am schlechtesten gestellten Flächenländer im Westen liegen bei etwa 75 %. Wir werden noch lange Zeit auf Hilfe von außen angewiesen sein, wenn es uns nicht gelingt, die eigene Wirtschaftskraft langsam, aber zielstrebig zu stärken.
Wir wissen in etwa, in welchem Umfang Mittel von außen kommen. Die Solidarpaktverhandlungen beschreiben die Finanzzuwendungen über diesen Weg bis zum Jahr 2019. Wir wissen also schon heute, in welcher Höhe wir Mittel in den Jahren 2007, 2008 usw. bekommen werden.
In welcher Höhe wir EU-Fördermittel bekommen werden, wissen wir noch nicht. Aber es steht zu befürchten, dass wir nach dem Jahr 2006 nicht mehr Förderregion 1 sein werden. Zurzeit wird viel darüber diskutiert, welche Übergangslösungen für die neuen Bundesländer gefunden werden können, weil wir aufgrund statistischer Effekte aus dieser Förderung herausfallen. Das weiß noch niemand. Mehr wird es aber sicherlich nicht werden, wenn wirtschaftlich wesentlich schwächere Länder in die EU aufgenommen werden.
Das heißt, die Situation wird absehbar nur dann für uns zumindest nicht schlechter, wenn wir die Mittel, die von außen nicht mehr kommen werden, durch die eigene Wirtschaftskraft erwirtschaften können. Vor dieser Aufgabe stehen wir jetzt. Wer diese Aufgabe nicht sieht und nicht sehen will, wer nur die Wünsche und Begehrlichkeiten der Gegenwart sieht und nicht weiterdenkt, der schadet unserem Land, auch wenn er vorgibt, ihm nutzen zu wollen.
Deswegen ist es unsere Aufgabe, uns zu überlegen, was wir tun müssen, damit Sachsen-Anhalt auch zukünftig wenigstens in dem Finanzrahmen, den wir jetzt haben, gestaltungsfähig bleibt - völlig egal, welche Partei dann regieren wird. Ich weiß, das können auch Sie von der Opposition sein. Aber auch Sie wollen dann noch etwas zu entscheiden und zu gestalten haben. Deswegen ist es vernünftig, darüber nachzudenken, wie wir diese Probleme lösen.
Ich will jetzt nicht auf den Redebeitrag von Frau Sitte eingehen. Dieser war allerdings der Anlass, mich zu melden. Frau Sitte, Sie haben alles das angeführt, was wünschenswert und eigentlich notwendig wäre. Ich gebe Ihnen Recht; wenn wir uns das leisten könnten, wünschte ich mir das ebenso. Aber ich sage Ihnen eines: Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als wir uns im Bereich der Sozialpolitik ohne Rücksicht auf die eigene Wirtschaftskraft Wünsche erfüllt haben. Das werden wir nicht machen.
(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Minister Herr Dr. Daehre: So ist es!)
Deswegen müssen wir andere Schwerpunkte setzen. Sie, verehrter Herr Kollege Püchel, hatten es bis zum Jahr 1998 leicht. Ich kann mich noch daran erinnern, über was hier diskutiert wurde. Es gab kein Problem, an dem nicht die Bundesregierung schuld war.
Wenn wir heute sagen, dass Sachsen-Anhalt kein abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet ist, sondern vielmehr ein Teil des Wirtschaftsraumes der Bundesrepublik Deutschland und dass viel davon abhängig ist, welche Wirtschaftspolitik die Bundesrepublik betreibt, dann versuchen Sie das mit höhnischen, flapsigen Formulierungen wegzudrücken. Als Sie mit Ihrer Flucht in rhetorische Floskeln anfingen, wusste ich, Sie würden uns substanziell nicht viel zu sagen haben. Und so kam es dann auch.
(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Minister Herr Dr. Daehre lacht)
Sie haben viel erzählt - ich höre immer gut zu -, aber Sie haben überhaupt nicht davon gesprochen, dass wir inzwischen die höchste Verschuldung aller neuen Bundesländer haben, dass diese in der zweiten Hälfte der 90erJahre Schritt für Schritt aufgebaut worden ist und dass wir damit leben müssen.
Sie haben nicht erwähnt, dass wir in den letzten Jahren von Jahr zu Jahr immer geringere Steuereinnahmen hatten; bei der Steuerschätzung im November waren sie geringer als bei der Steuerschätzung im Mai und tatsächlich waren sie meist noch geringer. Dies hängt mit der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland zusammen. Das hätten Sie ja einmal sagen können. Aber weil Sie genau wissen, wer im Bund regiert, haben Sie sich dies schlicht verkniffen. Aber das ist doch unsere Situation.
Die Tatsache, dass wir nach der Einbringung des Haushaltsplanentwurfes erfahren haben, dass wir im nächsten Jahr Steuermindereinnahmen in Höhe 307 Millionen € zu verzeichnen haben,
ist doch keine Folge der Landespolitik, auch nicht Ihrer; das ist vielmehr die Folge der Wirtschaftspolitik im Bund. Inzwischen gibt es Leute - Sie haben zu Recht Herrn Clement zitiert -, die das längst wissen und die auch wissen, wie man es anders machen müsste. Diese haben allerdings in den eigenen Reihen keine Mehrheit. Das ist zurzeit das Problem in der Bundesrepublik Deutschland.
Sie haben auch nicht davon gesprochen, dass wir aufgrund Ihrer Lehrertarifverträge 300 Millionen € Schulden bei den Lehren haben. Die wissen dies. Wenn man über Nachfolgetarifverträge spricht, sitzen diese am längeren Hebel. Ich weiß inzwischen, dass Sie dies mit Ihren Tarifverträgen nicht gewollt haben, dass Sie von der Entwicklung selbst überrascht worden sind; aber das sind Verträge, die Sie abgeschlossen haben, und wir müssen das jetzt ausbaden. Das müssen wir uns natürlich vorwerfen lassen. Aber bitte nehmen Sie es wenigstens zur Kenntnis, dass das die Probleme sind, mit denen wir fertig werden müssen.
Dann machen Sie einen Vorschlag, den ich richtig interessant finde. Ich teile Ihre kritische Meinung zur Situation bei den Kommunalfinanzen. Diese ist so schlecht wie noch nie zuvor in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist so. Ich kann Ihnen sämtliche Zahlen nennen.
Diese Entwicklung geht jedoch zu einem großen Teil auf die Bundesgesetzgebung zurück. Die Tatsache, dass vom Gewerbesteueraufkommen nicht mehr ein Anteil von 20 %, sondern ein Anteil von 28 % an den Bund abgeführt werden muss, ist nicht der Politik des Landes Sachsen-Anhalt geschuldet. Die Tatsache, dass die Gewerbesteuereinnahmen aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt zurückgegangen sind, hängt nicht mit der Politik Sachsen-Anhalts zusammen. Das
Aber wer denkt, dass wir die Möglichkeit hätten, das auszugleichen, was durch eine verfehlte Bundespolitik den Kommunen an Finanzmisere aufgebrummt worden ist, der überschätzt die Möglichkeiten aller Bundesländer, auch die Sachsen-Anhalts.
Nun machen Sie einen Vorschlag, dessen Sie sich rühmen. Sie sagen: Wir haben sechs Punkte; wir wollen die Beteiligung an den Steuereinnahmen im Rahmen des Finanzausgleiches - etwas differenziert - wieder zugunsten der Kommunen erhöhen. Das ist gut gemeint, aber Sie sagen nicht, was wir mit der Finanzierung machen und woher wir das Geld nehmen, das wir dafür brauchen. Das müssen wir in anderen Bereichen wegnehmen.
- Das weiß ich. Das kommt noch. - Wenn wir das wegnehmen, haben wir keine ausreichenden Mittel mehr zur Kofinanzierung der Mittel von außen. Die Mittel, die wir über die GA-Finanzierung oder über EU-Programme in das Land holen, müssen wir kofinanzieren. Wenn wir sagen, dass wir dies nicht mehr wollen, weil wir die Finanzmasse den Kommunen zur Verfügung stellen, können wir kein Geld mehr von außen holen. Deswegen sagen wir: Wir benutzen das Geld lieber, um Drittelmittel von der EU und GA-MIttel vom Bund zu binden und in das Land zu holen. Das müssen wir dann natürlich an die Kommunen verteilen; das wissen sie auch.
Wozu brauchen wir denn das Geld, von dem jetzt gesagt wird, das Land saniert sich angeblich zulasten der Kommunen? - Doch nicht für die Landesverwaltung allein, sondern für Programme, über die wir den Kommunen Mittel zur Verfügung stellen wollen.
Wir könnten darüber nachdenken, ob wir etwa das Hilfsprogramm zur Abwasserschuldensanierung, das wir sogar selbst gefordert haben, zurückführen und sagen: Das liegt in der Entscheidung der Kommunen; wir geben das Geld in den kommunalen Finanzausgleich; kümmert euch! - Das wäre denkbar, aber unvernünftig. Deswegen gehen wir diesen Weg nicht.
Wir haben dies alles auch mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert. Sie sehen dies ein, beklagen aber trotzdem, dass sie weniger Geld bekommen. Ich kann sie verstehen. Aber das ist eine Situation, die wir über den Landeshaushalt allein nicht werden lösen können.
Alle Ihre Geschichten vom Personalabbau - - Bemerkungen dazu schenke ich mir. Ich will nur eines sagen für die, die es schon vergessen haben: Wir haben in der ersten Legislaturperiode nach den DDR-Strukturen mit mehr als 120 000 Landesbediensteten angefangen und haben die Stellen bis auf - ich weiß es nicht mehr ganz genau - etwa 86 000 oder 87 000 abgebaut. Ich bitte Sie, einmal nachzulesen, was uns damals - ich war damals Finanzminister - die Opposition um die Ohren gehauen hat, wie unsozial das ist.
Jetzt sagen Sie, wir hätten zu wenig gemacht, wir hätten noch viel mehr machen sollen. Ich halte das gern aus,
aber ein kleines bisschen müssen Sie sich gelegentlich auch an Ihren eigenen Aussagen messen lassen oder sich zumindest daran erinnern lassen,
Ich weiß, wie schwierig der Personalabbau ist. Das wissen auch einige Kollegen Ihrer Partei; deshalb gibt es auch bei Ihnen Leute, die über die Veränderung des Arbeitsrechts in Deutschland sehr vernünftig nachdenken. Sie haben aber kaum den Mut, das laut zu sagen. Ich kenne einige davon und könnte sie Ihnen nennen.
Sie alle wissen, dass Bewegung in das Arbeitsrecht hineinkommen muss, wenn wir in Deutschland weiterkommen wollen. Anderenfalls machen wir uns selbst unbeweglich und unreformierbar und schaden uns mehr, als wir uns nützen.
Das sind Probleme, die nicht nur wir haben. Diese Probleme sind nur auf der Bundesebene und durch Reformen der Bundesgesetzgebung lösbar. Das, was wir tun können, werden wir tun. Ein Teil davon ist bereits genannt worden. Das wird nicht immer einfach sein.
Ich will auch eines noch sagen zu einem Punkt, den ich gelegentlich höre: Wenn ein Personalabbau auf der kommunalen Ebene tatsächlich nur durch die von Ihnen favorisierte Gebietsreform möglich wäre, dann - das sage ich Ihnen - würde ich ernsthaft darüber nachdenken. Aber da wir inzwischen aus entsprechenden Untersuchungen wissen, dass der Personalüberhang in den kommunalen Einheiten mit einer Einwohnerzahl zwischen 20 000 und 30 000 zu verzeichnen ist, also in den Städten, die von Ihrer Kommunalreform überhaupt nicht berührt würden, wissen wir, dass wir mit Gebietsreformen den Personalabbau im kommunalen Bereich nicht werden begünstigen können.
Wir beobachten dies genau. Wir werden in diesem Jahr eine Verwaltungsreform durchführen, die - das sage ich ganz deutlich, auch wenn das nicht alle gern hören - sinnlos wäre, wenn sie nicht mit einem Personalabbau und einer Verschlankung der Verwaltung verbunden wäre. Deswegen müssen wir dies erreichen.