Da die Kommunen angesichts der schon heute unterfinanzierten Verwaltungshaushalte kaum noch ihre Pflichtaufgaben bezahlen können, werden sie bei den freiwilligen Aufgaben kürzen müssen. Bei den freiwilligen Aufgaben sind der Kinder- und Jugendsport, die Kultur und die Sozialaufgaben angesiedelt. Auf dieser Ebene wird der Kinder- und Jugendbereich durch eine zweite Kürzungswelle erfasst.
Natürlich tragen die Kindertagesstätten mit rund 44 Millionen € den Löwenanteil der Einsparungen. Ich will nicht im Einzelnen auf die qualitativen Verschlechterungen des Gesetzes eingehen. Sie haben aber zugleich vor, die Aufgaben zu erweitern, ohne die dafür entstehenden Kosten zu ersetzen. Darauf bleiben wiederum die Träger und vor allem die Eltern sitzen.
Die FDP-Fraktion hatte vor den Wahlen noch von einer kostenfreien Vorschule gesprochen. „Eine kostenfreie Vorschule“ war der Lieblingssatz von Frau Pieper.
Und jetzt? - Kostenfrei ist die Vorschule geworden, aber für das Land und nicht für die Eltern, weil sich die Elternbeiträge erhöhen werden.
(Lebhafter Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Wir haben einen dreistelligen Millionenbetrag im Haushalt garantiert! Das ist doch Populismus!)
Auch der Einsatz von Tagesmüttern wird nicht qualitativ sauber beschrieben. Der Einsatz von lohngünstigeren Sozialassistentinnen wird reguläre Beschäftigungsverhältnisse von Erzieherinnen und Erziehern zusätzlich infrage stellen. Das Gesetz und die geplante Finanzierung stellen unter Umständen die Arbeit von ca. 2 500 bis 3 000 Erzieherinnen und Erziehern im Land infrage. Die Einschränkung des Rechtsanspruchs auf Betreuung beschneidet aber vor allem - das muss betont werden - die Kinderrechte. Das ist auch ein Signal.
(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Als erstes Land leisten wir uns diesen hohen Anteil! - Weite- re Zurufe von der CDU)
Selbst die Mittel, die Sie letztlich in Investitionen für Kindertagesstätten zurückführen wollen, werden weitestgehend ungenutzt bleiben, weil die Kommunen ihren Finanzierungsanteil nicht mehr aufbringen können. Das Gleiche - wir haben es bereits erfahren - gilt in dramatischer Weise für die Jugendpauschale.
Die Unterfinanzierung von Bildung zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Haushalt. Er umfasst die Schulbildung, die Schulsanierung bis hin zur Finanzierung der Schulbücher. Er macht auch nicht vor den Hochschulen Halt. Noch nie hat es einen Haushaltsentwurf in der zweiten Lesung gegeben, bei dem die Universitätshaushalte noch nicht beschlossen waren.
Sie haben versucht, die Hochschulen zur Unterzeichnung von Vereinbarungen zu drängen, an deren Ende die Einsparung von 10 % der Mittel steht. Wir werden darüber in der morgigen Aktuellen Debatte noch sprechen. Die Hochschulen sollen Vereinbarungen unterzeichnen, obwohl sie wissen, dass sie am Ende sowieso 10 % weniger bekommen. Hochschulen sind doch keine Lemminge. Sie können doch nicht erwarten, dass die Vereinbarungen von den Hochschulen unterzeichnet werden.
Seit gestern wissen wir, dass die Hochschulen auch in den Jahren 2004 und 2005 nur 90 % des Etats garantiert bekommen sollen.
Zur Bildung gehören aber auch die Demokratiezentren. Wie Sie deren Wirken finanziell ausgetrocknet und damit bewusst - anders kann ich Ihre Entscheidung nicht bewerten - unmöglich gemacht haben, wirft wiederum ein bezeichnendes Licht auf Ihr Demokratieverständnis. Dass sich an dieser Stelle nicht einmal die Position des Ministerpräsidenten in Ihrer Fraktion durchsetzen konnte, bedarf keiner weiteren Wertung.
Der Gipfel der Infamie war für mich aber, dass Sie die Aufstockung der Mittel für die Aidshilfen im Land aus dieser Kürzung begründeten.
Diese findet ihre Fortsetzung in der Kürzung des Blinden- und Gehörlosengeldes um nunmehr 80 € auf 350 € pro Mensch. Das Land gehört damit zur untersten Gruppe der Bundesländer. Der errechnete behinderungsbedingte Mehrbedarf pro Monat liegt bei 732 €.
Betroffen sind im Land 5 400 blinde Menschen. Sie verstoßen damit aber auch gegen das Landesbehindertengleichstellungsgesetz. Es ist bezeichnend. Im Januar 2002 noch hat die CDU zwölf Thesen zu einem liebenswerten, sozial gerechten und modernen Sachsen-Anhalt herausgegeben. Im Mittelpunkt sollte der Mensch stehen. Als sozial gerecht wurde bezeichnet - ich zitiere wörtlich -, „was dem Menschen ermöglicht, auf eigenen Füßen zu stehen.“
Am 21. Februar dieses Jahres soll in Magdeburg die Eröffnung des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen für Deutschland stattfinden. Wie wollen Sie eigentlich den Betroffenen und Beteiligten diesen Widerspruch in Schrift, Wort und Handeln erklären?
Herr Ministerpräsident, es hat für mich schon etwas Diffamierendes, Proteste in die Nähe von „Jammern“ zu rücken. Die Umsetzung von Rechten einzufordern ist absolut legitim.
Die Gesellschaft, so wie sie derzeit verfasst ist, bringt eine zunehmende Zahl von Menschen, Familien und Beziehungen hervor, die nicht in den Zeitgeist der so genannten Modernisierung passen. Sie geraten auf die Schiene von Verliererinnen und Verlierern.
Damit wird klar: Ein riesiges Handlungsfeld tut sich auf. Professionelle Hilfe ist nötig. Nicht umsonst sind gerade die sozialen Dienstleistungsberufe in den letzen Jahren enorm expandiert. Selbsthilfegruppen haben dabei natürlich auch ein enormes Potenzial. Eines aber können sie nicht: Sie können die professionelle Hilfe nicht ersetzen. Vor allem können wir ihnen nicht die Verantwortung für die Sozial- und Gesundheitspolitik des Staates übertragen. Die öffentliche Sozial- und Gesundheitspolitik kann man nicht samt und sonders in Selbsthilfegruppen ummodeln.
Die sozialen Beratungsstellen wurden in der Vergangenheit mit mehr als 9 Millionen € gefördert. Mit ca. 2 Millionen € wurden sie in diesem Haushalt zur Ader gelassen. Das Schlimme daran ist nicht die Konsequenz für die Träger, Einsparungen zu verkraften. Das Schlimme ist in diesem Jahr, dass dabei die Grenze überschritten wird und ganze Strukturen wegbrechen.
Die Summe der Kürzungen bei der finanziellen Ausstattung der Frauenkommunikationszentren liegt bei etwa 12 %. Die Folge davon ist, dass dadurch bereits die Förderung ganzer Einrichtungen eingestellt wird, wie etwa die für eines der Frauenkommunikationszentren in Halle.
Nach der Kürzung der Mittel für die Familienverbände auf jeweils 40 000 € werden möglicherweise große Verbände überleben. Das ist wohl wahr. Aber Pro Familia als Institution wird dagegen existenziell bedroht sein. Das Netz der konfessionslosen Schwangerschaftsberatungsstellen wird ebenfalls gefährdet.
Die PDS-Fraktion hat bereits im November des vergangenen Jahres den Vorschlag gemacht, den sozialen Beratungsstellen künftig insgesamt 9 Millionen € zur Verfügung zu stellen. Das ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren rund 1 Million € weniger. So viel im Übrigen zum Thema Einsparungen. Dafür soll dieser Betrag aber in einem Gesamtbudget zusammengefasst werden und als Pauschale, selbstverständlich mit einer Zweckbindung, mit Regelungen in Bezug auf bestimmte Standards, den Kommunen direkt zur Verfügung gestellt werden. Das wäre nach meiner Ansicht auch ein konstruktiver Beitrag zum Subsidiaritätsprinzip und ein Stück Entbürokratisierung.
Es geht nicht darum, dass nirgends Kürzungen vorgenommen werden sollen. Es geht zum einen um eine Schwerpunktsetzung. Zum anderen geht es aber auch um Modelle, um eine Problemlösung vor Ort auf Jahre hinaus möglich und sicher zu machen.
Meine Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Jahren so manche Haushaltsturbulenz, so manchen
Buchungstrick kennen gelernt. Aber ich finde schon, dass Sie diesem Kapitel noch Erhebliches beigefügt haben. Auf ein besonders unverfrorenes Beispiel möchte ich ebenfalls hinweisen:
Herr Paqué, nach meinem Empfinden haben Sie heute ein regelrechtes trojanisches Pferd auf den Domplatz gekarrt, als Sie behaupteten, die Investitionsquote sei auf 21,5 % gestiegen. Schaut man dem Gaul nämlich ins Maul, stellt man fest: Er ist wirklich geschenkt. Darin findet sich nämlich ein Geschenk der Bundesregierung, und zwar in Höhe von 440 Millionen €. Diese Mittel waren allerdings für den Ausgleich von Hochwasserschäden gedacht. Sie reichen also in diesem Landeshaushalt nur Gelder des Bundes nach unten durch.
Das heißt, Sie haben Ihr Schlachtross aus fremden Quellen saufen lassen. Das ist ziemlich dreist, finde ich.
Ziemlich dreist finde ich es, sich damit zu brüsten. Es ist nämlich überhaupt keine Eigenleistung. Na ja - auch Hochwasser sind schmutzig.
Nun sind aber auch diese Investitionen wichtig und hilfreich für die heimische Wirtschaft. Das wollen wir schon einmal festhalten. Diese Feststellung erhält auch ein besonderes Gewicht vor dem Hintergrund, dass der Einzelplan 08 - Wirtschaft und Arbeit - eine der größten Kürzungen erfahren hat. Aktuell hat er ein Volumen von rund 907 Millionen €. Das sind auf den ersten Blick nur 8,5 Millionen € weniger als im Jahr 2002.
Aber nach dem Regierungswechsel wurde der Bereich „Arbeit“ mit einem Volumen von rund 200 Millionen € in dieses Ressort überführt. Das heißt, Wirtschaft pur muss also mit lediglich 707 Millionen € auskommen. Das ist der niedrigste Betrag seit 1998.
Wichtige zukunftsträchtige Bereiche wie die Mittelstandsförderung und die Forschungs- und Technologieförderung werden um 4 bzw. 8 Millionen € reduziert. Was bleibt eigentlich von den schönen Versprechungen für den Mittelstand in Sachsen-Anhalt übrig?
Das Innovationstempo wird dadurch auch nicht beschleunigt werden können. Wenn man dann noch einmal an die Situation von Wissenschaft und Forschung an den Hochschulen erinnert, schließt sich der Kreis.
Das wiederum - das wundert mich schon - scheint den Arbeitgeberverband, glaubt man Herrn Fänger, offensichtlich überhaupt nicht zu stören. Von dort jedenfalls ist keine Kritik zu hören gewesen. Jetzt stelle ich mir das gleiche Szenario unter einer rot-roten Landesregierung vor. Ich sage Ihnen: Dann hätte die Luft gebrannt.
(Zustimmung bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Bei dem, was Sie sich in den letzten acht Jahren ge- leistet haben, ist das kein Wunder!)