Es war ein Tiefstand der politischen Kultur, den wir dem Bundeskanzler und dem Bundesfinanzminister zu verdanken haben.
Wie dem auch sei - wir, die Mitglieder der Landesregierung, waren auf Steuerausfälle gefasst. Ich habe das auch mehrfach in der Öffentlichkeit geäußert. Dass es allerdings so knüppeldick kommen würde, ahnten wir nicht.
Der Arbeitskreis „Steuerschätzung“ prognostizierte für das Jahr 2003 fast 307 Millionen € weniger Einnahmen für das Land. - Lieber Herr Bullerjahn, das war im Mai des vergangenen Jahres überhaupt noch nicht vorauszusehen.
(Herr Bullerjahn, SPD: Zu dieser Zeit hatten wir selbst schon Einnahmeausfälle von 200 Millio- nen € prognostiziert!)
Jedenfalls haben die Steuerschätzer die enorme Größenordnung der Steuerausfälle im Mai noch nicht vorausgesehen. Es kann durchaus sein, Herr Bullerjahn, dass Sie bessere Informationen haben als die kompetenten Steuerschätzer in diesem Arbeitskreis; wir hatten sie jedenfalls nicht.
(Herr Bullerjahn, SPD: Vielleicht hätten Sie sich einmal damit beschäftigen müssen! - Zuruf von Frau Budde, SPD)
Steuerausfälle in dieser Größenordnung haben wir in diesem Land noch nicht erlebt. Es muss an dieser Stelle noch einmal gesagt werden: Die Bundespolitik, die Politik der SPD im Verbund mit den Grünen hat diese Steuerausfälle in wesentlichen Punkten zu verantworten;
denn in den letzten Jahren wurden von dieser Bundesregierung keinerlei Weichen gestellt für mehr Wachstum. Wir wissen alle: Steuereinnahmen sprudeln nur dort, wo es volkswirtschaftliches Wachstum gibt. Das wurde durch die Politik der Bundesregierung systematisch geknebelt. Wir haben in diesem Land darunter zu leiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Püchel, Sie haben mir freundlicherweise während der letzten Haushaltsdebatte eine CD geschenkt mit dem schönen Titel „Die SPD ist an allem schuld“.
Nein, ich sage ganz klar: Die SPD ist nicht an allem Elend dieser Welt schuld. Aber sie trägt einen Großteil der Verantwortung für die wirtschaftliche Misere und für den schlechten politischen Stil, mit dem vonseiten des Bundes bisher damit umgegangen wurde.
Wir, die Regierung von Sachsen-Anhalt, fordern die rot-grüne Bundesregierung auf, endlich zu einem verantwortungsvollen Handeln zurückzukehren und in einem kooperativen Geist auf den Bundesrat zuzugehen, damit endlich die nötigen Reformen in vernünftiger Weise in Gang gesetzt werden können, meine Damen und Herren.
Zurück zur Steuerschätzung. Die enormen Einnahmeausfälle durch stärkere Einsparungen in vollem Umgang auszugleichen war und ist nicht möglich. Dennoch waren wir zu weiteren Einsparungen bereit. Wir haben sie vorgenommen, wie der Berichterstattung von Frau Dr. Weiher zu entnehmen war. Aber wir konnten damit nicht alle Ausfälle auffangen und haben deshalb die Möglichkeit geschaffen, unseren Altlastenfonds zu beleihen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich auf die Frage der Beleihung etwas näher eingehen. Die Regelungen zur Altlastensanierung gehen auf eine Verwaltungsvereinbarung zwischen den neuen Ländern und dem Bund aus dem Jahre 1992 zurück. Darin wurde geregelt, dass sich der Bund mit 75 % an den Kosten für Großprojekte und mit 60 % an den Kosten für die übrigen Projekte beteiligte. Die Abwicklungsgesellschaft für den Bund war zunächst die Treuhandanstalt, später deren Nachfolgerin, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, die so genannte BvS.
Im Zuge der beabsichtigten Auflösung der BvS hat der Bund bisher mit den Ländern Thüringen und SachsenAnhalt einen so genannten Generalvertrag abgeschlossen. Dieser Generalvertrag sieht vor, dass die BvS dem Land Sachsen-Anhalt insgesamt einen Betrag zur Verfügung stellt, der kapitalisiert und abgezinst diejenigen Kosten abdecken würde, die der Bund nach der Vereinbarung zu tragen hatte. Dabei weist der Vertrag letztlich einen gewissen Vergleichscharakter auf.
Nach dem Generalvertrag sind die Zahlungen des Bundes in einem Sondervermögen des Landes zu marktgerechten Zinsen anzulegen. Das Sondervermögen darf nur für Zwecke der Altlastensanierung verwendet werden.
Seit dem Jahr 2001 erhält das Land Sachsen-Anhalt jährlich 204,5 Millionen € vom Bund zur Finanzierung der Altlastensanierung. Dieser Betrag ist dem Sondervermögen zuzuführen und mit Landesmitteln aufzustocken. Zwar werden aus diesem Sondervermögen bereits laufende Sanierungsmaßnahmen finanziert. Der überwiegende Teil der Mittel wird jedoch angelegt und für künftige Finanzierungsaufgaben bereitgehalten. Die Höhe dieses Sondervermögens belief sich zum 31. Januar 2003 auf 593 Millionen €.
Der Landesrechnungshof hatte mehrfach angeregt, aus Gründen der Haushaltsklarheit dieses Sondervermögen aufzulösen und die Mittel in den Landeshaushalt einzustellen, um damit den Haushalt teilweise auszugleichen. Die später anfallenden Sanierungskosten sollten insgesamt aus dem Landeshaushalt bezahlt werden. - Aus rechtlichen Gründen ist dieser Weg unmöglich. Wir können ihm nicht folgen.
Dennoch haben wir in Anbetracht der Haushaltsnotlage, in die uns die Steuerausfälle gebracht haben, dieses Sondervermögen für den Haushalt nutzbar gemacht. Eine einfache Entnahme von Mitteln aus dem Fonds kam dabei aus rechtlichen Gründen nicht infrage. Wir konnten auch in diesem Punkt einer Empfehlung des Landesrechnungshofes nicht folgen.
Es blieb die Möglichkeit einer Beleihung. Die haben wir gewählt, und zwar in Form einer nachrangigen Beleihung, die dann in Anspruch genommen werden kann, wenn alle Möglichkeiten der Finanzierung des Haushalts im Rahmen der veranschlagten Einnahmen einschließlich der geplanten Nettokreditaufnahme am freien Kapitalmarkt in Höhe von 750 Millionen € ausgeschöpft sind.
Meine Damen und Herren! Ich weise noch einmal darauf hin: Eine Entnahme wäre rechtlich nicht möglich gewesen. Sie wäre im Übrigen auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll gewesen, weil wir aufgrund der Konstellation von Soll- und Habenzinsen bei diesem Fonds tatsächlich die seltene Ausnahmesituation haben, dass der Fonds einen höheren Zinssatz erwirtschaftet, als wir ihn bei der nachrangigen Beleihung zahlen müssten.
Es geht dabei um eine Größenordnung von mehr als 6 % versus 4,5 bzw. 4,7 %. Insofern ist die Beleihung auch aus ökonomischer Sicht die sinnvolle Vorgehensweise. Bei diesem Punkt muss ich - bei allem Respekt - dem Landesrechnungshof widersprechen, der sich anders geäußert hatte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Finanztechnisch handelt es sich um eine so genannte EffektenLombard-Vereinbarung. Ich betone, dass der Bundesfinanzminister dieser Beleihung des Sondervermögens ausdrücklich zugestimmt hat. Die vom BMF in seinem
letzten Schreiben aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit einer Bilanzierung des Sondervermögens nach dem HGB und sonstige Fragen der Begebung von Anleihen berühren das von Sachsen-Anhalt gewählte Verfahren nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist wichtig zu wissen, dass es sich bei dieser Form der Beleihung um ein Geschäft der Zwischenfinanzierung handelt, das zwischen Banken absolut üblich ist. Es ist haushaltstechnisch bestens abgesichert und es ist völlig transparent. Diese Zwischenfinanzierung stellt im Sinne des Maastricht-Kriteriums keine Kreditaufnahme dar. Dies ist auch leicht nachzuvollziehen:
Vermögen, das wir derzeit besitzen, aber aus rechtlichen Gründen nicht verwenden können, stellen wir zu einer Beleihung zur Verfügung. Dies geschieht nur in dem absolut notwendigen Umfang, nachrangig und erst dann, wenn die Kreditaufnahme ausgeschöpft ist. Um es etwas pointiert zu formulieren: Ich lehne es ab, dass sich unser Land Sachsen-Anhalt in dieser kritischen Haushaltssituation weiter am freien Kapitalmarkt verschuldet, während wir auf der anderen Seite eine ungenutzte Vermögensmasse haben, die wir auf diese Weise völlig seriös und völlig korrekt nutzen können.
Mit unserem Vorgehen stellen wir sicher, dass wir unsere eigenen Vermögenswerte optimal nutzen und nicht brachliegen lassen in einer Haushaltslage - ich wiederhole es -, die nicht wir, sondern in wesentlichen Punkten die Bundesregierung durch ihre miserable Politik zu verantworten hat.
Außerdem ist es uns so möglich, uns zu günstigeren Konditionen als im normalen Kreditmanagement zu refinanzieren. Es ist ganz selbstverständlich, dass die Mittel für die Altlastensanierung dadurch in gar keiner Weise geschmälert oder gemindert werden. Die Finanzierung laufender Projekte wie auch die Sanierung insgesamt werden zu keinem Zeitpunkt gefährdet sein; sie sind durch Landesmittel und durch den Vermögensbestand insgesamt gewährleistet.
Lieber Herr Bullerjahn, lieber Herr Gallert, wir haben über diese Dinge im Finanzausschuss des Landtags in der Sitzung zum Einzelplan 13 - -
Lieber Herr Bullerjahn, lieber Herr Gallert - in strikt alphabetischer Reihenfolge -, wir haben über diese Dinge im Finanzausschuss des Landtages in der Sitzung zum Einzelplan 13 intensiv diskutiert. Ich habe diese Diskussion übrigens in guter Erinnerung. Sie zeigte einmal mehr, dass sich auch zwischen Opposition und Regierung ein sachkundiges und sachbezogenes Gespräch entwickeln kann.
- Nein, nein, das habe ich nicht abgestritten. Aber Ihre Schlussfolgerung, liebe Herren Bullerjahn und Gallert - Sie haben es so nicht ausgesprochen, aber ich habe
es aus den Äußerungen im Finanzausschuss natürlich herausgehört -, es handele sich bei der Beleihung des Altlastenfonds um eine Art Taschenspielertrick, weise ich im Namen der Landesregierung zurück. Wir, die Landesregierung, schaffen in schwierigster Haushaltslage die Möglichkeit, landeseigenes Vermögen nutzbar zu machen, und wir tun dies in aller Offenheit und Transparenz.
- Herr Bullerjahn, Ihr Parteifreund, der Bundesfinanzminister Eichel, hat dagegen nicht das Geringste einzuwenden,
zumal es ihm hilft, die Einhaltung der Maastricht-Kriterien zu garantieren. Nehmen Sie sich doch bitte in diesem einen Punkt ein Beispiel an Herrn Eichel. Allerdings würde ich empfehlen: nur in diesem einen Punkt.
Und wenn Sie, Herr Gallert, für mich, wie ich es jüngst der Presse entnommen habe, einen Preis für „kreative Buchführung“ vorschlagen, so nehme ich diesen Preis dann gern an, wenn er bedeutet, dass diese Landesregierung in schwerster Haushaltsnotlage einen vernünftigen Weg gefunden hat, um landeseigenes Vermögen nutzbar zu machen.