Protocol of the Session on December 12, 2002

Vielen Dank, Herr Dr. Püchel. - Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst Schülerinnen und Schüler der

Lingner-Sekundarschule in Jessen auf der Tribüne begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Diese Schülerinnen und Schüler sind so zahlreich zu uns gekommen, dass zunächst nur die erste Gruppe auf der Tribüne Platz genommen hat. Es kommt dann noch eine zweite Gruppe.

Es geht weiter in unserer Debatte. Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kosmehl das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Püchel, ich war etwas verwundert, dass Sie zu diesem Thema für Ihre Fraktion gesprochen haben; aber wahrscheinlich ist an dem Spruch „alte Liebe rostet nicht“ doch etwas dran und Sie haben noch ein Herz für die Verwaltungsreform.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das Herz an der richtigen Stelle!)

- In Ihrer Partei schlägt das Herz links, das wissen wir alle.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Bei Ihnen nicht?)

- Doch, doch. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor nicht allzu langer Zeit, nämlich in der 7. Sitzung am 10. Oktober 2002, hat sich das Hohe Haus zum letzten Mal mit der Verwaltungsmodernisierung beschäftigt. Heute nun wollen wir im Rahmen der Aussprache zur Großen Anfrage der PDS-Fraktion erneut das Thema aufgreifen. Dass dem so ist, ist zum einen sicherlich dem Umstand geschuldet, dass die Große Anfrage vor der Einbringung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes gestellt worden ist, aber zum anderen sicherlich auch dem Umstand, dass eine große Neugier seitens der PDS-Fraktion besteht, welche konkreten Schritte zur Reform der Landesverwaltung unternommen werden.

Mit der Einbringung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes hat die Landesregierung mit der Reform der Landesverwaltung begonnen. Das Vorhaben der Verwaltungsreform wird nicht in einem Gesetz verarbeitet; es werden aber auch keine drei Vorschaltgesetze vor der eigentlichen Reform benötigt. Wir werden das in verschiedenen Gesetzen regeln. Der Minister des Innern hat bereits in seiner Rede auf die konkreten Gesetzesvorhaben hingewiesen.

Weil diese Reform weiter läuft, ist es nicht verwunderlich, dass auf die vielen Fragen noch nicht mit konkreten Regelungen geantwortet werden konnte. Ich möchte an dieser Stelle auch wegen der Kürze der Zeit auf die Erläuterung der Vorhaben verzichten. Der Minister hat diese bereits ausführlich angesprochen.

Ich bin dem Minister aber sehr dankbar dafür, dass er in seiner Rede noch einmal hervorgehoben hat, was für die FDP und die CDU bei der Verwaltungsreform im Vordergrund steht: Erst müssen wir die Aufgaben festlegen, bevor wir über die Strukturen nachdenken.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Dr. Paschke, unterschiedliche Auffassungen führten dazu, dass es Kritik an den Vorschaltgesetzen gab. Wir wollen bei der Gebietsreform der Durchsetzung mit Zwang eben nicht den Vorrang geben. Wir setzen weiterhin auf Freiwilligkeit.

Lassen Sie mich an dieser Stelle beispielhaft im Hinblick auf die Funktionalreform Folgendes betonen: Die Fraktionen der FDP und der CDU wollen den Prozess zur Schaffung einer modernen und leistungsstarken Verwaltung zügig voranbringen. Dabei wollen und werden wir das Rad nicht neu erfinden. So ist der Beschluss des Landtages aus der letzten Wahlperiode selbstverständlich der Ausgangspunkt für die Funktionalreform. Dass der dort beschriebene Katalog aber stetig überprüft und fortgeschrieben werden muss, sollte eigentlich jedem einleuchten. Zudem - das will ich nicht verhehlen - können sich auch liberale Vorstellungen von Deregulierung und Privatisierung weiter auf den Katalog auswirken.

Die im § 2 des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes beschriebene Aufgabenkritik sieht die FDPFraktion als notwendigen und wesentlichen Ausgangspunkt der gesamten Verwaltungsreform an. In wesentlichen Punkten, die im Beschluss des Landtages vom Januar niedergelegt sind, wird sich, meine ich, auch deshalb nichts ändern, weil die kommunalen Spitzenverbände durchaus Bereitschaft zur Übernahme von Aufgaben signalisiert haben.

Sehr verehrter Herr Dr. Püchel, es bleibt Ihnen natürlich nicht erspart, dass ich auf die Aufgabenwahrnehmung kurz eingehe. Ihre Kritik ging unter anderem dahin, dass wir in der Ausschussberatung das Gesetz, wie Sie meinten, verwässert hätten, indem wir das Wort „grundsätzlich“ durch das Wort „vorrangig“ ersetzt haben. Grundsätzlich“ heißt in der Sprache der Juristen „grundsätzlich, aber...“ Es kommt immer ein Aber nach „grundsätzlich“.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Bei Ihnen sowieso!)

Das heißt, dass die Möglichkeit zur Ausweitung von Aufgaben auf mehrere Standorte gegeben ist. Was wir unter „vorrangig“ verstehen, ist eine engere Regelung. Es ist nämlich eine Beweislastumkehr. Jetzt muss nachgewiesen werden, dass die Aufgabe nicht nur an einem Standort wahrgenommen werden muss. Ich meine, dass das eher eine Präzisierung als eine Verwässerung ist.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Glauben Sie das wirklich, was Sie sagen?)

- Das glaube ich wirklich. Deshalb haben wir auch diese Regelung angestrebt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen, die Verwaltungsreform im weiteren Sinne wird dieses Hohe Haus noch eine ganze Weile beschäftigen. In den kommenden Monaten werden die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen der FDP und der CDU die bereits des Öfteren dargestellten Vorhaben in die parlamentarische Diskussion einbringen.

Entgegen der seitens der Opposition zuletzt bei den Haushaltsberatungen teilweise vertretenen Ansicht meine ich, dass Sie sehr wohl aufgefordert sind, mit Ihren Vorstellungen an der Diskussion teilzunehmen und insbesondere Ihre Vorstellungen auch in die Diskussion einzubringen. Aber ich gehe davon aus, dass Sie sich bei diesem Thema, das Ihnen ja am Herzen liegt,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Links!)

- das links schlägt, jawohl - mit Ihren Vorstellungen weiterhin beteiligen werden.

Erst nach dem Abschluss des gesamten Reformvorhabens, am Ende des nächsten Jahres, wird sich in der Praxis beweisen müssen, ob Sachsen-Anhalt dann eine

leistungsstarke Verwaltung hat. Ich gehe jedenfalls davon aus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Bevor nun für die CDUFraktion Herr Kolze das Wort nimmt, darf ich die zweite Gruppe von Schülerinnen und Schülern der LingnerSekundarschule Jessen auf der Tribüne begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Und nun erhalten Sie das Wort, Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 12. September 2002, viereinhalb Monate nach der von CDU und FDP gewonnenen Landtagswahl, verlangt die PDS-Fraktion mit ihrer Großen Anfrage zur Weiterführung der Funktional- und Landesverwaltungsreform in Sachsen-Anhalt Auskunft über die zukünftige Richtung, über Weg und Ziel des Reformprozesses. Die Frage ist berechtigt, welche Ziele wir für diese Wahlperiode haben.

In den ersten acht Monaten der Legislaturperiode haben wir bereits das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung verabschiedet und das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz im Innenausschuss bis zur Beschlussreife gebracht.

Die Feststellung der fragestellenden Fraktion, dass mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung nahezu alle rechtlichen Grundlagen des Reformprozesses der dritten Legislaturperiode aufgehoben worden seien, ist aus einer rein rechtlichen Betrachtungsweise zutreffend. Mit der Aufhebung der Vorschaltgesetze hat sich am Status quo aber zunächst einmal nichts geändert. Wir haben die Vorgängerregierung nicht um die Früchte ihres Erfolges gebracht,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Na klar!)

weil wir sicher sind, dass der von Ihnen eingeschlagene Weg im Ergebnis nicht erfolgreich gewesen wäre.

(Zustimmung bei der CDU)

Die CDU hat nie die Auffassung geteilt, dass die drei Vorschaltgesetze der Vorgängerregierung der Weisheit letzter Schluss waren. Ich denke, mit der Wahlentscheidung sind die Bürger, Stadträte und Bürgermeister dieser Auffassung ein Stück weit gefolgt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Welche?)

Zur Zukunft der Verwaltungs- und Funktionalreform in Sachsen-Anhalt will ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich feststellen: Die CDU vertritt die Auffassung, dass die Aufgaben die Strukturen und nicht die Strukturen die Aufgaben bestimmen sollten. Der derzeitige Bestand an Aufgaben erschwert das Reagieren der Verwaltung auf die sich mehrenden neuen Herausforderungen. Grundlage unserer Reform wird eine auf Dauer angelegte Aufgabenkritik aller Behörden und Einrichtungen des Landes sein. Legislative und Exekutive müssen sich in einem weiteren Schritt über die zentralen Geschäftsfelder der Verwaltung verständigen und diese definieren.

Die CDU-Fraktion ist angetreten zu klären und zu bestimmen, welches die originären Aufgaben des Staates

sind, die unbedingt von ihm selbst wahrgenommen werden müssen, um demokratische Kontrolle, sozialen Ausgleich, öffentliche Verantwortung und die Wahrung überindividueller und überörtlicher Interessen zu gewährleisten. Unsere Ziele sind

die Verschlankung der obersten Landesbehörden und der Verzicht auf Vollzugsaufgaben,

die Reduzierung von Sonderbehörden auf ein unabdingbares Minimum,

die Stärkung der Bündelungsfunktion in der Mittelinstanz,

die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung,

die Straffung der Verfahrensabläufe,

der Abbau von Kompetenzüberschneidungen und Doppelarbeit.

Im Ergebnis möchten wir dem Bürger und den Unternehmen eine Verwaltung zur Verfügung stellen, die als leistungsfähiger und zuverlässiger Partner die Voraussetzungen für gute Lebensbedingungen und Entwicklungschancen schafft.

Das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz setzt für die im ersten Schritt notwendige Aufgabenerfassung in § 2 Abs. 1 eine Frist bis zum 30. Juni 2003. Auch wenn das Gesetz noch nicht verabschiedet und in Kraft ist, kann sich die Verwaltung innerlich auf diesen Termin einstellen. Allein schon hieran wird die Bereitschaft der CDU deutlich, zügig den Reformprozess voranzubringen.