Sie gehen im Übrigen mit Ihrem Gesetz und Ihren gesetzlichen Regelungen noch hinter die Regelungen der ersten Legislaturperiode zurück. Es ist also nicht bloß ein Zurück, es ist ein Zurück hinter das Zurück. Das Schulgesetz von 1993 war liberaler, das Schulreformgesetz, das Vorschaltgesetz erst recht.
Wer seinem Kind den Weg zum Abitur nicht gänzlich verbauen oder aber extrem erschweren will, der schickt es besser nach der 4. Klasse gleich zum Gymnasium. Dann sind die Chancen am größten, dass man eventuell das Abitur noch erreichen kann.
Im Übrigen, Professor Olbertz, denke ich, Sie haben nicht Recht, wenn Sie sagen, dass unser Vorschlag mit KMK-Empfehlungen oder Entscheidungen kollidiere. Zunächst einmal haben wir von der 9. Klasse geredet. Außerdem haben Sie selbst eingeräumt, dass man die KMK-Empfehlungen auch einmal überprüfen müsse. Zum anderen gibt es diverse Erfahrungen in anderen Ländern, in denen es ähnliche Verfahrensweisen gibt. Auch Sie wollen ja sozusagen mit der Wiederholung des 10. Schuljahres am Gymnasium den Übergang tatsächlich möglich machen. Wozu also diese unnötige Polemik?
Ich glaube, unser Hauptproblem ist, dass Sie in Kategorien denken, in die Sie Schülerinnen und Schüler möglichst frühzeitig einsortieren und sie dann in diese Richtung hineinentwickeln, während wir davon reden, dass es eines Nachteilsausgleiches bedarf, um Schülerinnen und Schüler, die zunächst Schwierigkeiten im Lernen haben, die längere Zeit zum Lernen brauchen, zu einem höheren Bildungsabschluss zu bewegen.
Diesen Unterschied werden wir miteinander nicht ausräumen. Ihr Ansatz hat nichts mit moderner Bildungslandschaft zu tun. Wir brauchen einen höheren Anteil an hoch gebildeten Fachleuten, aber nicht einen höheren Anteil an Absolventen mit einem vielleicht noch so gut gemeinten Hauptschulabschluss.
Ein Wort noch zur Gesamtschule: Nach der letzten Sitzung habe ich gedacht, es gebe einen Konsens und man könne sich auf gütlichem Wege einigen. Wahrscheinlich hat der Autor Ihres Gesetzentwurfes gedacht: Wenn die Gesamtschulen bereit sind, den kleinen Finger zu reichen, nehmen wir gleich die ganze Hand. Nun wollen Sie den Gesamtschulen auferlegen, dass sie bereits nach der 8. Klasse trennen müssen.
- Das haben die Gesamtschulen nicht angeboten. Sie haben angeboten, den 10. Schuljahrgang kooperativ zu führen, also genau das zu machen, was die KMK fordert. Wir haben auch mit den Gesamtschulen geredet.
- Aber bei unserem waren wir dabei. Die haben dort nichts anderes gesagt, darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel; wir werden es ja in der Anhörung hören.
- Frau Feußner, Sie dürfen doch gleich. Warten Sie doch so lange; ich habe Ihre Rede doch auch ausgehalten.
Hier in diesem Haus hat der Minister erklärt, dass es möglich sei, diese kooperative Trennung des 10. Schuljahrganges zu machen. In Ihrem Gesetz steht, bereits der 9. Schuljahrgang müsse kooperativ geführt werden. Damit machen Sie die Gesamtschulen gänzlich kaputt, das allerdings. Es ist schon eine Einschränkung.
Wir stehen ohnehin nicht für die leistungsdifferenzierenden Kurse, die die KMK fordert. Wir haben ohnehin ein anderes Verständnis von einem guten Bildungssystem, eben keinem gegliederten, sondern einem integrativen. Aber wenn man dann schon einen Schritt auf die gesetzlichen Vorgaben zugeht, dann können Sie doch nicht gleich sagen: Na ja, dann machen wir es gleich von Anfang an.
Auch die Kooperativen kriegen nun ihr Fett weg. Sie müssen nämlich de facto auch den Hauptschulbildungsgang nur bis zur 9. Klasse führen und haben ganz sicher andere Absichten.
Im Übrigen erhöhen Sie außerdem noch die Zügigkeit der Gesamtschulen von zwei auf drei. Das stört zwar die derzeit vorhandenen Gesamtschulen nicht, weil diese alle größer sind, aber es erschwert die Errichtung neuer Gesamtschulen. Dazu kann ich nur sagen: Man spürt die Absicht und ist verstimmt. Aber ich habe von Ihnen eigentlich nichts anderes erwartet.
Ich möchte es dabei bewenden lassen und kann nur wiederholen: Die Überraschung mit Ihrem Schulgesetzentwurf ist Ihnen gelungen. Was der Kultusminister mit dem nun entstandenen Chaos anfangen soll, weiß ich nicht. Auf die Ausschussberatungen bin ich gespannt wie ein Flitzebogen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich sagen, zur Aufregung von SPD und PDS fällt mir ein bekanntes Sprichwort ein: Getroffene Hunde bellen.
Wahrscheinlich hat Sie unser gut durchdachter Gesetzentwurf dermaßen erregt, dass Sie jetzt gar keine Argumente mehr finden und Dinge polemisch darstellen.
Es grenzt schon an Schizophrenie, das muss ich ganz ehrlich sagen, was Sie alles aus unserem Gesetzentwurf herauslesen. Das ist wirklich wahr.
Eines möchte ich an dieser Stelle einmal klar und deutlich sagen - es ist von Frau Mittendorf und von Frau Hein mehrfach gesagt worden; Sie sprechen davon, wir haben noch nie davon gesprochen -: Der Begriff Selektion ist ja diesmal weitestgehend vermieden worden; es wurde dann mehr oder weniger von dem Begriff der Auslese gesprochen: Hauptschüler würden aussortiert, ob sie gut oder schlecht seien, und wir würden sozusagen die Schüler in bestimmte Kategorien einordnen. - Sie haben die ganze Zeit, alle beide, von dem armen, schlechten Hauptschüler gesprochen. Wer gibt denn eigentlich dem Hauptschüler diesen Rang? - Nicht wir, sondern Sie.
Wenn wir nicht endlich anfangen, diese Schulform oder diesen Schulgang - es ist ja keine eigenständige Schulform bei uns -, wenn wir nicht endlich anfangen, diese Hauptschüler in ihrem Leistungsniveau, ihren Neigungen und Begabungen, die sie haben, anzuerkennen, und sie nicht jedes Mal diffamieren, dann brauchen wir uns nicht zu wundern.
Wir erkennen die unterschiedlichen Neigungen und Begabungen der Schüler einfach an. Das ist der Unterschied zwischen uns.
Ich kann nicht einfach einen Schüler, indem ich ihn in eine nächsthöhere Schulform schicke, leistungsmäßig verbessern. Sie werden, im Gegenteil, diesen leistungsschwachen Schülern immer wieder haben. Sie machen nämlich mit dem Schüler Folgendes: Der Schüler ist total überfordert, er wird eher resignieren und in seinen Leistungen immer schlechter werden.
Ich nenne Ihnen einmal kurz ein paar Zitate, was zum Beispiel Gymnasiallehrer über die Defizite der Schüler aufgelistet haben, weil nämlich gerade in Ihrer Förderstufe die leistungsstarken Schüler unterfordert und die leistungsschwachen Schüler überfordert wurden. Das war doch das Prinzip. Sie haben doch nicht wirklich gefördert.
dann will ich Ihnen sagen: Wir kümmern uns um das Individuum und fördern es tatsächlich. Wir machen nicht
Anstatt die Zitate zu lassen, bringe ich doch ein paar. Gymnasiallehrer, die sozusagen ein Resümee zur Förderstufe gezogen haben - ich nehme nur einmal das Fach Deutsch -, sagen: Im Bereich der Sprachgestaltung ist von der Verwendung privater Korrespondenz über formelle Schreiben bis hin zur Charakteristik in der 7. Klasse oft ein Neubeginn notwendig. Es fehlen oft stilistische Übungen, Nacherzählungen, Erfahrungen in der Informationsbeschaffung. Strukturelle Gestaltungen von Kurzvorträgen sind kaum vorhanden. Gravierende Mängel in den Lesetechniken und im Verständnis von einfachen literarischen Sachtexten sind zu konstatieren. Es bestehen teilweise ungenügende Kenntnisse im orthografisch-grammatischen Bereich. - Und, und, und.
Ich könnte die Liste unendlich weit fortsetzen. Für Mathematik und die anderen Fächer ist es genauso. - Nehmen Sie das denn einfach nicht zur Kenntnis, was hier geschieht? Ignorieren Sie das vollkommen?