Die überfällige und für ein Wirtschaftswachstum unverzichtbare Steuersenkung für den Mittelstand ist bekanntlich um ein Jahr verschoben worden, tritt also zum 1. Januar des kommenden Jahres nicht in Kraft. Mehrbelastungen für den Mittelstand, verglichen mit der Rechtslage davor: 7,1 Milliarden €.
In der Rentenversicherung werden die Beiträge um 0,4 Prozentpunkte angehoben. Mehraufwand für die Arbeitnehmer und die Unternehmen: 5,6 Milliarden €.
Die nächste Stufe der Ökosteuer tritt am 1. Januar 2003 in Kraft. Mehraufwand für die Bürgerinnen und Bürger und insbesondere auch für die Wirtschaft: 3 Milliarden € pro Jahr. Die Ökosteuer wird ausgedehnt auf die Industrie. Mehraufwand im kommenden Jahr für unsere Industrie: 1,9 Milliarden €.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Zahlen machen deutlich, dass wir in eine Schieflage geraten sind, die, wenn sich das nicht grundsätzlich ändert und bessert, dazu führen wird, dass wir uns nicht mehr über irgendwelche Vermittlungsaktivitäten der Arbeitsämter unterhalten müssen, sondern darüber, wie wir eine wachsende Massenarbeitslosigkeit in unserem Land beseitigen können.
Gerade das, meine Damen und Herren, was etwa für den Bereich der Ökosteuer bzw. im Hinblick auf eine Ausdehnung der Ökosteuer auf die Industrie beschlos
sen werden soll - noch ist es nicht förmlich unter Dach und Fach -, trifft unser Land unverhältnismäßig hart.
Es mache sich doch niemand etwas vor. Denken Sie etwa an die Metallurgie im Mansfelder Land. Sie glauben doch nicht, dass eine Kupferhütte mit diesen Stromkosten bestehen könnte. Sie glauben doch nicht, dass man eine Aluminiumhütte oder anderes im Mansfelder Land weiter betreiben könnte, wenn die Ökosteuer gerade diesen Bereich zusätzlich belastet. Sie glauben doch nicht, dass die chemische Industrie weiterhin Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt oder irgendwo in der Bundesrepublik schaffen wird, wenn man hier Hunderte von Millionen Euro pro Jahr oben draufknallt. Dann werden viele Dinge, die bisher wirtschaftlich waren, unwirtschaftlich.
Das heißt, es ist eine Arbeitsplatzvernichtung vor dem Herrn. Ich möchte nicht in Panik machen. Die Briefe und Anrufe, die mich aus unserer heimischen, sachsenanhaltinischen Wirtschaft in den letzten Wochen erreicht haben, sind alarmierend. Das, was sich an Nichtinvestitionen dort abzeichnet, wo Investitionen geplant waren, ist erschütternd.
Deswegen sage ich: Es ist eine Placeboveranstaltung, hier über Hartz-Vorschläge zu reden, wenn diese zentralen Probleme nicht in Ordnung gebracht werden, meine Damen und Herren. Das ist die eigentliche Aufgabe.
Meine Damen und Herren von der SPD und von der PDS, ich bin sehr gern bereit, im Wirtschaftsausschuss zu berichten und mit Ihnen zu diskutieren. Ich sage Ihnen aber jetzt schon voraus: Das, was bei den HartzVorschlägen für uns herauskommt, ist marginal. Das, was durch die Berliner Politik angerichtet wird, ist ein Riesendrama. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen - da haben gerade Sie von der SPD eine hohe Verantwortung, Sie stellen die Bundesregierung in erster Linie -,
dass in Berlin Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Wirtschaft in unserem Land wieder wachsen kann und mehr Arbeitsplätze entstehen.
Vielen Dank, Herr Minister Rehberger. - Bevor ich für die FDP-Fraktion Frau Röder das Wort erteile, habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Drübeck auf der Zuschauertribüne begrüßen zu können.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anfang dieses Jahres setzte die Bundesregierung die so genannte Hartz-Kommission ein, um von dieser ein Konzept zur Reformierung des Arbeitsmarktes erarbeiten zu lassen. Schon vor der endgültigen Veröffentlichung der Ergebnisse drangen einzelne Informationen,
die damals noch Großes verhießen, an die Öffentlichkeit. Im August lag dann das fertige Konzept vor, das in weiten Teilen hinter diesen Vorankündigungen zurückblieb.
Die neue alte Bundesregierung sprach von einem großen Wurf, den sie nach der Bundestagswahl umsetzen wolle. Ob diese Pläne tatsächlich der große Wurf sind, der eine Wende auf dem deutschen Arbeitsmarkt bringen kann, ist aus der Sicht der FDP zweifelhaft.
Das Hartz-Konzept zielt ganz offensichtlich in erster Linie nur auf eine Effektivierung der Arbeitsvermittlung. Zu diesem Thema gibt es auch tatsächlich einige sinnvolle Ansätze. Frau Fischer und Herr Dr. Rehberger haben einige davon schon genannt. Nur haben wir auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt ganz sicher kein Vermittlungsproblem. Unser Problem ist vielmehr, dass es einfach nicht genügend Arbeitsplätze gibt. Was nützt eine effektive Vermittlung, wenn man nicht weiß, wohin man den Arbeitslosen vermitteln soll?
Um mehr Beschäftigung zu schaffen, brauchen wir in erster Linie eine zukunftsweisende Wirtschaftspolitik. Das ist und bleibt der einzige Weg, der zu mehr Arbeit führen kann. Das gilt insbesondere für Ostdeutschland, also auch für Sachsen-Anhalt; denn es ist und bleibt nun einmal so: Nur die Unternehmen können Arbeit schaffen.
Um die Unternehmen zu unterstützen, brauchen wir zum Beispiel eine faire Steuerpolitik, die auch kleinen und mittleren Unternehmen die Luft zum Atmen lässt und nicht nur den großen Unternehmen, die eine ganze Abteilung damit beschäftigen können, Steuerschlupflöcher zu suchen und zu finden.
Auch das Land Sachsen-Anhalt wird einen kleinen Teil dazu beitragen, diese Unternehmen zu unterstützen. Unter dem Dach der NordLB wird es eine Mittelstandsbank geben, die kleinen und mittleren Unternehmen über Liquiditätsengpässe hinweghilft. Das kann und wird diesen Unternehmen helfen und wird auch Arbeitsplätze hier im Land sichern.
Um Wirtschaftskraft dann auch tatsächlich in Beschäftigung umzusetzen, muss diese preiswerter werden. Ich werde jetzt keineswegs fordern, die Löhne zu senken. Die Lohnnebenkosten müssen deutlich gesenkt werden. Dazu brauchen wir eine grundlegende Reform unserer Sozialsysteme, also bei der Krankenversicherung, der Rentenversicherung und bei der Arbeitslosenversicherung. Diese Reformen müssen auf Bundesebene angepackt werden, um die Lohnnebenkosten zu senken. Leider ist auf diesem Gebiet bei der Bundesregierung überhaupt kein Mut zu erkennen; denn dazu sind schmerzhafte Einschnitte nötig.
Außerdem muss die Arbeit in Deutschland deutlich flexibler werden. Das deutsche Niveau im Kündigungsschutz, die begrenzte Zulässigkeit befristeter Beschäftigung, das Günstigkeitsprinzip oder der Flächentarifvertrag sind heilige Kühe hier in Deutschland. Diese heiligen Kühe müssen geschlachtet werden, um den deutschen Arbeitsmarkt nachhaltig wiederzubeleben.
Wenn Sie vorgestern einmal in die Zeitung geschaut und gelesen haben, was die fünf Wirtschaftsweisen fordern,
dann werden Sie genau diese Punkte dort gesehen haben. Das sind durchaus Männer, denen man ein gewisses Fachwissen auf diesem Gebiet zutrauen kann. Der Bundeskanzler hat darauf mit dem Hinweis auf die anstehende Umsetzung des Hartz-Konzepts reagiert.
Was aber kann dieses Konzept tatsächlich leisten? - Es ist und bleibt eine Effektivierung der Arbeitsvermittlung. Zum Beispiel sind Personalserviceagenturen grundsätzlich eine sehr gute Idee, die von uns durchaus befürwortet wird. Im Hartz-Konzept jedoch steht, dass die PSA als Teil der Behörde fungieren sollen und dass ein Privater unter Umständen dann, wenn er bessere Marktkenntnisse hat, eventuell mitarbeiten darf oder es auch alleine machen darf.
Ich frage mich, warum laut diesem Konzept in erster Linie eine Behörde tätig werden muss. Es gibt in Deutschland zahlreiche Zeitarbeitsfirmen, die die Aufgabe ganz allein wahrnehmen können. Da brauchen wir keinen Vorrang der Behörde.
In diesem Zusammenhang begrüße ich die Entscheidung des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt/Thüringen, das sich dafür entschieden hat, die PSA in privater Trägerschaft zu organisieren. Das ist für Sachsen-Anhalt schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung.
Wenn Zeitarbeit wirklich eine Chance zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt werden soll, dann muss sie für den Arbeitgeber attraktiv sein. Das heißt, sie muss für den Arbeitgeber in der ersten Zeit auch preiswerter sein als reguläre Arbeit.
Das Hartz-Konzept sieht im Original vor, dass ein Arbeitsloser, der über PSA beschäftigt wird, in der Probezeit das Arbeitslosengeld als Nettolohn bekommt und nach der Probezeit einen festgelegten PSA-Tarif. Obwohl der Bundeskanzler versprochen hat, Hartz 1 : 1 umzusetzen, ist er davon wieder abgerückt, indem gefordert worden ist, der PSA-Arbeiter müsse denselben Lohn bekommen wie der regulär Beschäftigte. Unter diesen Umständen kann Zeitarbeit nicht attraktiver sein. Von dieser Forderung ist er glücklicherweise schon wieder ein Stück weit abgerückt. Es ist also ein Umschwenken in Richtung Wirtschaft zu erkennen. Das begrüßen wir durchaus. Aber es reicht noch nicht.
Um Zeitarbeit wirklich effektiv einsetzen zu können, brauchen wir auch die Abschaffung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Das steht auch im Hartz-Konzept. Inzwischen steht in den Zeitungen nur noch, dass es liberalisiert werden soll. Auch an dieser Stelle gibt es also einen Rückschritt gegenüber dem Originalkonzept.
Wen wundert es, dass die Verfasser dieses Konzeptes, die Mitglieder der Hartz-Kommission, mittlerweile gegen die geplante Umsetzung Sturm laufen? Das Hartz-Konzept ist, wie gesagt, nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Um zumindest diesen konsequent umzusetzen, wünsche ich der Bundesregierung mehr Mut, damit sie das so anpackt, wie sie es angekündigt hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Finanzminister Paqué hat gestern das Tempo der Entscheidungen im Land gelobt. Andere waren etwas weniger begeistert. Offensichtlich kommt es etwas auf den Standpunkt des Betrachters an. Das Tempo der Bundesregierung bei der Umsetzung der Hartz-Vorschläge hat Herr Merz, CDU, ziemlich scharf kritisiert. Dazu muss man eines sagen: Wo er Recht hat, hat er Recht.
Ich muss Ihnen aber auch sagen, das Verständnis für Herrn Merz entspringt natürlich ein bisschen eigenen leidvollen Erfahrungen.
- Auch das. - Mit den beiden Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sollen insgesamt 17 Gesetze und fünf Verordnungen geändert werden. Allein mit dem ersten Gesetz werden zehn Gesetze und drei Verordnungen verändert. Dieses erste Gesetz umfasst mit Begründungen 100 Seiten. Die Drucksache trägt das Datum vom 5. November 2002. Am Montag, also am 11. November, wurde im Bundestagsausschuss für Arbeit und Sozialordnung die Anhörung zum ersten Gesetzentwurf durchgeführt. Heute stehen im Bundestag die zweite und dritte Lesung auf dem Programm. Der Entwurf wurde von gestern auf heute verändert.
Niemand kann angesichts dieses Zeitdrucks, der von der Bundesregierung aufgemacht wird, von seriöser Gesetzgebungsarbeit sprechen. Unter solchem Zeitdruck ist keine handwerklich saubere Arbeit zu erwarten. Eine gründliche Diskussion oder gar eine Einbeziehung aller Betroffenen in die Diskussion oder die gründliche Diskussion von Veränderungen am Gesetz sind von vornherein ausgeschlossen.