Protocol of the Session on March 15, 2002

Das Problem, vor dem wir praktisch stehen, lässt sich am besten an einem Arbeitstag von mir deutlich machen. Ich bin morgens in Dessau gewesen. Dort haben wir eines der Meisterhäuser eingeweiht. Das ist kulturelles Erbe und das ist ein Aspekt von Nachhaltigkeit, auf den wir nicht verzichten dürfen. Da gibt es etwas, was wir für unsere Kinder und Enkel zu bewahren haben. Darum geht es doch immer, um die Perspektiven unserer Kinder und Enkel.

(Zustimmung bei der SPD)

Nun will ich den ökologischen Aspekt einfach einmal dadurch hineinbringen, dass das in einem Biosphärenreservat in dieser Gegend geschieht. Das zu erhalten ist auch Nachhaltigkeit der Entwicklung und darauf kann nicht verzichtet werden.

Ich bin anschließend in Köthen gewesen und dort haben wir uns einer Behindertenwerkstatt gewidmet. Wir haben den Grundstein für ein neues Gebäude gelegt. An dieser Stelle will ich ganz eindeutig sagen, dass es auch eine Frage der Zukunftsfähigkeit des Landes ist, wie wir die Bindungswirkung in der Gesellschaft erhalten können und wie wir für den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit für den sozialen Ausgleich sorgen können.

Ich bin dann in einem hochmodernen Unternehmen gewesen, das sich in Wolfen angesiedelt hat, in dem Solarzellen hergestellt werden. Dabei kann ich nur sagen: Dort gibt es Innovation, die sind am Puls der Zeit, dort gibt es eine wirtschaftliche Entwicklung, die wirklich Grundlagen für ein nachhaltiges Wirtschaften legt.

Wenn ich zufälligerweise sage, eine Solarfabrik, geht es auch gleich noch darum, wie wir in Zukunft eine Energieerzeugung betreiben können, die die Umwelt nicht so schädigt, wie wir das in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, und nicht den CO2-Ausstoß produziert, an dem wir - wenn es so weitergeht - ersticken werden oder - wenn man den Treibhauseffekt mit hinzuzieht - unter dem wir dann sozusagen schwitzen werden und unsere Überlebensfähigkeit eingrenzen.

Meine Damen und Herren! Das ist das Thema. Es geht darum, dass wir die Starken in diesem Prozess, die in

die Richtung der Zukunftsfähigkeit vorangehen, stärken, dass wir aber die Schwachen dabei nicht vergessen, dass wir so viel Kreativität aufbringen, dass wir auch den Herausforderungen, die wir heute noch nicht sehen, morgen gewachsen sind.

Meine Damen und Herren! Es ist kritisiert worden, dass die Landesregierung sich vielleicht nicht so sehr mit eigenen Vorstellungen eingebracht hat. Ich sage Ihnen ganz eindeutig: Hätten wir das getan, wären wir dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, die Landesregierung bevormunde die Enquetekommission.

(Herr Bischoff, SPD: Das glaube ich auch!)

Es ist nicht der Sinn einer Enquetekommission, dass sich die Landesregierung darin produziert. Das ist ein Uranliegen des Parlamentes.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine Parlamentskommission, die ihrerseits eigenständig arbeitet, die, was das Material anbetrifft, natürlich von der Landesregierung begleitet wird, die aber nachher einer Landesregierung entsprechende Empfehlungen gibt. Dabei redet man nicht vorher hinein. Das wäre so, als würde ich ein Gutachten in Auftrag geben und dem Gutachter sagen, was er dort hineinschreiben soll. Das machen wir nicht, und wer das jetzt so interpretiert, als wären wir an dieser Arbeit nicht interessiert, der hat das Wesen einer Enquetekommission nicht begriffen. Das muss ich einmal ganz klar und eindeutig sagen.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Natürlich stimmt die Landesregierung mit wesentlichen Aussagen dieses Berichts der Enquetekommission überein. Wir sind dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet, und es ist mehrfach gesagt worden, dass alle vier Teile der wirtschaftliche, der ökologische, der soziale und der kulturelle - dazu gehören. Übrigens ist diese vierte Dimension sehr unterbelichtet worden. Ich habe eine Zwischenbemerkung gehört, als ich auf dieses Thema eingegangen bin.

Spätestens seit dem 11. September 2001 sollte man wissen, dass das Thema der Kultur, der kulturellen Traditionen und der Religion ein wichtiger Faktor für die Überlebensfähigkeit dieser Welt ist. Wer das vernachlässigt, der kann auch auf diese Art und Weise die Welt und ihre Zusammenhänge zerstören. Ich bitte darum, dies zu berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Natürlich ist es so, dass es bei der Frage der Nachhaltigkeit - dieser etwas altertümliche Begriff ist im Grunde genommen die Zukunftsfähigkeit; für manche ist er durch den modernen ersetzt worden - eigentlich darum geht, was wir durchhalten können, welche die Linien sind, die man auch in zehn, in 15 Jahren noch vertreten kann und die damit unseren Kindern und Enkeln tatsächlich eine Zukunft sichern.

An der Stelle stört mich nun eines in der Diskussion, das ich auch einmal ganz deutlich erwähnen muss: Wir befinden uns in einer sich global entwickelnden Welt. Wir reden ständig über die Globalisierung und wir wissen inzwischen, dass auch die Krisen - ob sie nun in Afrika oder in Amerika stattfinden oder ob es Bankenzusammenbrüche in Fernost sind - unmittelbar unsere Ent

wicklung beeinflussen, und das unter Umständen viel gravierender, als wir das durch irgendwelche wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Entscheidungen im eigenen Land Sachsen-Anhalt tun können.

Wenn ich mir ansehe, wie provinziell zum Teil die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit von Sachsen-Anhalt geführt wird, wie begrenzt auf dieses Land die Diskussion erfolgt, ohne dass man die übergreifende Einbettung wirklich wahrnimmt, dann finde ich das schon abenteuerlich und dann hat das übrigens mit Zukunftsvisionen nicht besonders viel zu tun, sondern dann ist das eher ein Vorwand, um weiterhin Schwarzmalerei zu betreiben.

Herr Bergner, eines muss ich dazu noch sagen: Wenn ich erklären sollte, was eine Selbstgerechtigkeitspose ist, dann wäre es das Einfachste für mich, auf Ihre Art, hier an diesem Rednerpult zu reden, hinzuweisen.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Gallert, PDS, und von der Regierungsbank)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das möchte ich dann auch ganz eindeutig sagen: Wer sich auf dieses Feld begibt, hat zu Selbstgerechtigkeit überhaupt keinen Anlass.

(Zuruf von Herrn Prof. Dr. Böhmer, CDU - Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

Die Diskrepanz zwischen dem, was wir derzeit tun, und dem, was wirklich notwendig wäre, um die Zukunftsfähigkeit herzustellen - übrigens überall in der Politik, insofern unterscheidet sich Sachsen-Anhalt nicht von anderen Ländern; das betrifft auch nicht nur die Politik, vielmehr macht die Wirtschaft in diesem Sinne auch Politik -, ist sehr groß. Die beiden Aspekte liegen oft weit auseinander. Wer das erkennt, muss eindeutig sagen: Zu Selbstgerechtigkeit gibt es bei niemandem Anlass. Einen Anlass gibt es zu schauen, wie diese Differenz zwischen dem, was notwendig wäre, und dem, was praktiziert wird, möglichst gering ausfällt. Hierbei nehme ich allerdings in Anspruch, dass wir uns diesem Thema immer wieder intensiv widmen und versuchen, hierbei zu optimalen Lösungen zu kommen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Meine Damen und Herren! An der Stelle möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der mich in der Diskussion auch beunruhigt. Wir haben es, wenn es um ökologische Probleme im weitesten Sinne des Wortes geht - das heißt, um nachhaltige Lösungen für die Entwicklung -, immer mit Gleichgewichtssituationen zu tun. Das heißt, es kommt immer darauf an, dass die verschiedenen Faktoren in einem vernünftigen Gleichgewicht sind. Wer da ein Kriterium hervorhebt und sagt, wenn das läuft, dann laufen automatisch alle anderen Angelegenheiten auch, der hat schon den Grundgedanken dessen, was nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, nicht verstanden.

Das heißt mit anderen Worten, wer denkt, wenn die Wirtschaft brummt, dann werden auch die ökologischen Rahmenbedingungen stimmen, dann wird auch das Soziale in Ordnung kommen und dann ist auch der Zusammenhalt in der Gesellschaft automatisch gewährleistet, der hat das Grundproblem des nachhaltigen Wirtschaftens nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Es geht tatsächlich um die Erhaltung von entsprechenden Gleichgewichtssituationen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einen Punkt zu dem Thema der Bevölkerungsentwicklung, das uns wirklich bewegt, sagen.

Herr Ministerpräsident, möchten Sie zwischendurch eine Frage beantworten?

Nein. Ich möchte meine Ausführungen erst einmal zu einem Ende bringen. Am Ende gern.

Ich möchte gern noch etwas zu dem Thema der Bevölkerungsentwicklung sagen. Ich denke, dass auch an dieser Stelle vor Automatismen zu warnen ist.

Die rein statistische Feststellung, dass an einem Ort viele Menschen wohnen, ist noch kein Beweis dafür, dass es sich dabei um eine lebensfähige und entwicklungsfähige Region handelt. Das kann man schon ganz einfach daran erkennen, dass wir in der Welt viele Regionen haben, in denen die Probleme genau daraus resultieren, dass Ballungszentren entstehen, in denen die Bevölkerung kontinuierlich wächst und die Probleme nicht zu bewältigen sind.

Das heißt mit anderen Worten: Wenn man sich diesem Thema zuwendet, dann muss man schon schauen, was qualitativ geschieht, was beispielsweise dafür getan wird, dass die Bevölkerung eine Struktur hat, die langfristig lebensfähig ist.

In diesem Zusammenhang spielt für uns natürlich die Frage eine Rolle, welche Chancen Familien haben, sich zu entwickeln. An der Stelle ist tatsächlich ein wichtiger Punkt unsere Familienpolitik. Ich möchte das nicht unbedingt immer wieder, weil das sozusagen ein besonders erfolgreiches Thema ist, anschneiden. In diesem Fall muss ich es aber einmal sagen.

Die Frage, wie sich die Bevölkerung weiterentwickelt und ob das Ganze funktionieren kann, hat eben auch etwas damit zu tun, dass hier eine Familienpolitik betrieben wird, Kindergärten und Kinderkrippen vorhanden sind und dass entsprechende Entwicklungsperspektiven für die Familie dazu führen werden, dass dieses Land attraktiv ist. Auch das ist zukunftsfähig.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Dr. Eckert, PDS, von Herrn Gallert, PDS, und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Das hat dann auch etwas damit zu tun, dass Ausbildung und Qualifizierung insbesondere für junge Menschen hier tatsächlich angeboten werden. Die Tatsache, dass Sachsen-Anhalt seit Jahren das Land ist, in dem die meisten Ausbildungsplätze an junge Menschen vermittelt werden, hat etwas mit Zukunftsfähigkeit zu tun. Das heißt mit anderen Worten, dazu brauche ich keine großen Berichte. Das ist in diesem Land in Arbeit. Ich bin ganz sicher, das sich das auch langfristig auswirken wird.

In diesem Fall muss man auch ganz klar sagen, wenn wir über solche Probleme reden, dann darf man eben nicht nur kurzfristig denken. Mir nützt die Statistik von diesem und von dem nächsten Jahr nichts, wenn ich

darüber rede, wie es in 20 Jahren aussieht. Dann muss ich schon ein wenig weiter denken.

Es ist zweifelsfrei so, dass die Frage, welche Bildung und Ausbildung wir unseren jungen Menschen bieten, ein zentraler Punkt für die Zukunftsfähigkeit ist. Ich finde, an dieser Stelle können wir uns tatsächlich sehen lassen.

Wenn ich gesagt habe, es kommt darauf an zu schauen, wie die Altersstruktur ist und wie wir uns darauf vorbereiten - ein paar Entwicklungen sind auch absehbar -, dann denke ich, spielt bei der sozialen Infrastruktur auch die Frage eine Rolle, was für einen Lebensraum wir den älteren Menschen bieten.

Das darf auch nicht vergessen werden nach dem Motto: Wir reden über die nächsten 20 Jahre, dann sind die meisten älteren Menschen möglicherweise schon gestorben. Dazu gibt es makabere Sprüche. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich bin vielmehr der Meinung, dass die Frage der Zukunft älterer Menschen in der Gesellschaft gerade in unserer Zeit eine wesentliche Rolle spielt.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Dr. Heyer)

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, ist nun gerade Sachsen-Anhalt ein Land, in dem das Konzept der integrativen Betreuung von alten Menschen, des Betreuens in dem Wohnumfeld, in dem sie noch sind, über altersgerechtes Wohnen bis hin zu der Pflegeeinrichtung, ein wirklich zukunftsfähiges Konzept ist.

Das heißt mit anderen Worten: Wir stellen uns schon jetzt auf die Entwicklungen ein, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, wie das in Zukunft bezahlbar ist. Jeder weiß, wenn wir das so weiter betreiben würden, wie wir es bisher in Deutschland betrieben haben, dann wäre das nicht mehr bezahlbar. Wir haben längst die Weichen in die andere Richtung gestellt. Ich kann mir nur wünschen, dass die Kommunen dieser Entwicklung auch in Zukunft Rechnung tragen.

Bei dem Thema der Zukunftsfähigkeit und bei dem Thema der Bevölkerungsentwicklung möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, bei dem ich mich bei der CDU-Fraktion wirklich frage, wie man so blind sein kann.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Vorsichtig!)