Eines der allerersten Konzentrationslager, das in trauriger Weise einen Modellcharakter erhielt, war das KZ im ehemaligen Schloss Lichtenburg in Prettin. Zwischen 1933 und 1937 sperrten die Nazis dort bedeutende politische Gegner ein sowie Zeugen Jehovas, so genannte Asoziale, Juden, Homosexuelle und andere unschuldige Menschen. Ab 1937 inhaftierten sie an dieser Stelle bis zur Errichtung des Lagers Ravensbrück im Jahr 1939 Hunderte von Frauen. Auch sie waren in Prettin unsäglichen Qualen und Peinigungen ausgesetzt. Berüchtigt ist bis zum heutigen Tag der Bunker, in dem bei geringsten Anlässen furchtbare Strafen auszuhalten waren.
Meine Damen und Herren! Während der DDR-Zeit wurde im Schloss eine Ausstellung über das Konzentrationslager errichtet, in der im Geiste des DDR-Antifaschismus in verzerrender Weise über die Geschichte des Konzentrationslagers berichtet wurde. Gleichzeitig wirtschaftete die örtliche LPG den Gebäudekomplex, in dem darüber hinaus ein Internat untergebracht war, völlig herunter. Das Renaissanceschloss mit seinen kulturhistorisch wichtigen Elementen verkam mehr und mehr.
Seit Anfang der 90er-Jahre steht der im Bundeseigentum befindliche Gebäudekomplex bis auf die Gedenkstätte und ein Heimatmuseum leer. Der Bund hat für diese Liegenschaft keine Nutzung finden können. Deshalb hat er sie im letzten Jahr zum Verkauf ausgeschrieben.
Meine Damen und Herren! Diese Ausschreibung erfolgte mit Zustimmung der Landesregierung. In den vorher mit dem Landkreis und dem Land geführten Gesprächen sicherte der Bund zu, dass bei einem Verkauf des Schlosses die Interessen der Gedenkstätte gewahrt und auch grundbuchlich abgesichert werden würden.
Ich will eines an dieser Stelle offen sagen: Ein Gebäudekomplex, insbesondere ein so alter, der nicht genutzt wird, ist langfristig dem Verfall preisgegeben. Deshalb hat das Land die Verkaufsinitiative des Bundes für das Schloss unterstützt. Ich gehe davon aus, dass der Verkauf der Anlage, sollte er überhaupt erfolgen, für die Gedenkstätte von Vorteil ist. Eine Zukunft des Schlosses nützt auch der Gedenkstätte.
Trotzdem regte sich gegen diese Ausschreibung öffentlich Widerspruch, auch in der PDS-Fraktion des Landtages, der sich in dem von ihr eingebrachten Antrag manifestierte.
Meine Damen und Herren! Dass die gegenwärtige Situation der Gedenkstätte Lichtenburg unbefriedigend ist, ist uns allen seit langem bekannt. Ich persönlich habe mich vor einigen Jahren vor Ort konkret über die Probleme informiert und war ehrlich gesagt geschockt von dem, was ich dort gesehen habe, und zwar sowohl davon, was die DDR mit dem Zellentrakt gemacht hatte, wie sie ihn missbraucht hatte, wie sie ihn genutzt hatte, als auch davon, wie die DDR dort die Geschichte verfälscht hatte.
Weil die Landesregierung die derzeitige Lage als unbefriedigend einschätzt und gleichzeitig die Bedeutung dieses authentischen Ortes anerkennt, hat sie seit Mitte der 90er-Jahre den Träger der Gedenkstätte, den Landkreis Wittenberg, bei der dringend notwendigen Modernisierung der Gedenkstätte unterstützt.
Im Jahr 2000 hat sie ein vom Landkreis in Auftrag gegebenes Gutachten in wesentlichen Teilen mitfinanziert. Anliegen dieses Gutachtens war es vor allem, die Diskussion um die notwendige Modernisierung der Gedenkstätte konzeptionell zu bereichern.
Die Gutachterin hat in ihrer Arbeit die aus ihrer Sicht unbedingt notwendigen Bestandteile der Gedenkstätte begründet und Varianten für den Standort dieser Gedenkstätte entwickelt. Im September des vergangenen Jahres hat sie ihre Ergebnisse vor Ort dem Gedenkstättenbeirat vorgestellt. Dieser kam zu der Einschätzung, dass jede der von ihr vorgeschlagenen Varianten zu einer voll funktionstüchtigen Gedenkstätte führen würde.
Eine Präferenz für einen der Vorschläge hat der Beirat dabei ausdrücklich nicht ausgesprochen. Der Grund lag darin, dass die Flexibilität des Bundes bei den Verhandlungen mit potenziellen Kaufinteressenten nicht eingeengt werden sollte.
Parallel zu dem Gutachten wurde in einem zweiten, vom Land zu großen Teilen finanzierten Werkvertrag der Forschungsbedarf zur Geschichte des KZ Lichtenburg ermittelt. Der Forschungsbedarf ist erheblich. Deshalb werden die Forschungsarbeiten noch im Frühjahr dieses Jahres mit Unterstützung des Landes fortgesetzt werden.
Meine Damen und Herren! Über den Stand der Planungen wurde die Öffentlichkeit während eines Kolloquiums Anfang Januar 2002 in Prettin unterrichtet. Alle dort An
wesenden haben die durchgeführten und vorgesehenen weiteren Maßnahmen des Landes und des Landkreises zur Weiterentwicklung und Profilierung der Gedenkstätte ausdrücklich unterstützt. Ich habe die Hoffnung, dass während des Kolloquiums der interessierten Öffentlichkeit die Befürchtung genommen werden konnte, dass der Bestand der Gedenkstätte gefährdet sei.
Ich möchte an dieser Stelle auch versichern: Die Landesregierung war stets interessiert an dem Erhalt und der Verbesserung der Situation der Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin und sie wird dies auch zukünftig sein. Aus diesem Grund werden die Bemühungen zur notwendigen Modernisierung der Gedenkstätte zielstrebig fortgesetzt werden. Dies erfolgt durch die finanzielle Förderung im Rahmen der Haushaltsansätze der nächsten Jahre.
Hierbei werden aber insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gedenkstättendezernats im RP Magdeburg konzeptionelle Unterstützung leisten müssen; denn vonnöten ist hier nicht nur Geld, sondern auch fachlicher Sachverstand. In diesem Sinne unterstütze ich die im Innenausschuss, im Ausschuss für Kultur und Medien und im Finanzausschuss beratene unveränderte Fassung, wie sie Ihnen nun als Beschlussempfehlung zugeleitet wurde.
Abschließend möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich erst vor wenigen Tagen in meinem Ministerium über die gesamte Problematik mit Edzard Reuter, dem früheren Vorsitzenden des Aufsichtsrates von Daimler-Benz, gesprochen habe. Edzard Reuter ist bekanntlich der Sohn von Ernst Reuter, dem früheren Oberbürgermeister von Magdeburg bis 1933, der später in der Lichtenburg einsaß und nach dem Krieg erster Regierender Bürgermeister in Westberlin wurde. Bei dem Gespräch war außerdem Herr Fischer vom Zentralrat der Juden zugegen, dessen Vater ebenfalls in diesem KZ eingesperrt war.
Beide unterstützen die Bemühungen des Landes. Wir drei waren uns darin einig, dass sowohl das Land als auch der Landkreis in der Verpflichtung stehen, die Möglichkeiten für die Erinnerungsarbeit vor Ort zu verbessern.
In diesem Sinne unterstütze ich die Beschlussempfehlung und hoffe, dass sie einstimmig vom Landtag so beschlossen wird. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Herr Innenminister war so freundlich, diese Thematik gründlich zu erörtern, sodass eigentlich von unserer Seite heute nicht mehr viel darüber diskutiert zu werden braucht. Wir hatten auch im Ausschuss beschlossen, die zweite Beratung ohne eine Debatte durchzuführen. Auf Wunsch einer Fraktion wird aber heute doch debattiert.
Um es vorwegzunehmen: Die CDU-Fraktion wird dieser Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen.
Allerdings - der Innenminister hat es schon angesprochen - war auch ich überrascht, am 11. April 2001 die Ausstellung nach einem Besuch der CDU-Landtagsfraktion Anfang der 90er-Jahre unverändert vorzufinden. Ich denke, wenn der Antrag der PDS-Fraktion - dabei haben Sie, Herr Gärtner, die Führerschaft übernommen - dazu beiträgt, dass diese Ausstellung auf einen Stand gebracht wird, der angemessen ist, indem alle Opfer gewürdigt werden, die dort eingesperrt worden waren, dann hat dieser Antrag doch seinen Zweck erfüllt.
Ich denke, die Forderung, diese Gedenkstätte zu erhalten, kann man bei einem Verkauf dieses Schlosses auch notariell regeln. Das ist überhaupt kein Problem. Es muss nur in den Ausschreibungsbedingungen vorgemerkt sein.
Aber vielleicht - der Sachverstand der Landräte ist ja in diesem Hause in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr gefragt - kann ich Ihnen einmal aus meiner Funktion schildern, dass es nicht einfach ist, Schlösser zu veräußern. Wir haben nach der Wende auch wenig Glück gehabt. Wir haben als Landkreis sechs Schlösser übernehmen dürfen. Wir hatten bei einem Schloss sehr viel Glück. Die Treuhand hat das Flurstück verkauft. Gott sei dank stand unser Schloss darauf, sodass wir dieses ohne Probleme los geworden sind.
Die anderen fünf Schlösser haben uns aber vor massive Probleme gestellt. Wir haben heute die Situation, dass wir alle unsere anderen Schlösser privatisieren konnten. Sie sind von privaten Interessenten modernisiert worden.
Ich denke, die öffentliche Hand ist finanziell nicht in der Lage und auch der Landkreis Wittenberg, der hier angesprochen wurde, wird nicht die Mittel haben, dieses Schloss zu sanieren. Dazu bedarf es einer Privatisierung. Ich weiß, wie schwer das ist.
Wir wünschen der OFD und Herrn Dr. Nolte an der Spitze alles erdenklich Gute. Es ist für das Schloss gut, aber auch für den Erhalt der Gedenkstätte.
In diesem Sinne: Viel Erfolg für alle bei der Veräußerung des Schlosses und dem Erhalt der Gedenkstätte. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie es mich kurz machen. Das Parlament und seine in die Entscheidung einbezogenen Ausschüsse haben es sich wahrlich nicht einfach gemacht, sondern eine sorgfältige Prüfung und Abwägung aller Bedingungen vollzogen, um den Erhalt und den Ausbau der KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin zu gewährleisten.
Als Mitglied des Innenausschusses hatte ich mit anderen Parlamentariern die heutige Gedenkstätte aufgesucht. Bereits die damalige Diskussion vor Ort auf der Lichtenburg zeigte die Größe und die Schwierigkeit des Vor
Ich verhehle nicht, meine Damen und Herren, dass ein solches einstimmiges Abstimmungsergebnis in dem Ausschuss für Inneres der vierten Wahlperiode ebenso wünschenswert wäre für die Errichtung oder den Erhalt von Mahnmalen und Gedenkstätten für die Opfer der SED-Diktatur. In diesem Sinne, meine Damen und Herren - - Ich möchte Ihnen, verehrter Herr Gärtner, empfehlen, sollten Sie Mitglied des nächsten Landtages sein, diese Empfehlung auf Ihre Spielwiese mit eintragen zu lassen.
Im Namen der Fraktion der FDVP stimme ich der vorliegenden Beschlussempfehlung selbstverständlich zu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anlässlich eines Besuches des Innenausschusses in der Gedenkstätte Schloss Lichtenburg konnten wir uns zum einen davon überzeugen, dass der Erhalt der Gedenkstätte als Mahnung an die dort geschehenen Verbrechen unbedingt notwendig ist. Zum anderen konnte man auch feststellen, dass die aus der subjektiven Sichtweise der SED-Ideologie entstandene Ausstellung unbedingt überarbeitungsbedürftig ist. Das Geld dafür wird ja auch zur Verfügung gestellt.
Wenn die Überarbeitung der Ausstellung so gut gelingt wie in Langenstein-Zwieberge, denke ich, hinterlassen wir der jungen Generation eine Darstellung, die nicht parteipolitischer Propaganda entspricht, sondern das Geschehene möglichst genau darstellt.
Insgesamt haben wir ein Gedenkstättennetz im Land, das an die politischen Verirrungen und Verbrechen der Vergangenheit sowohl des Nationalsozialismus als auch des Realsozialismus in der DDR erinnert.
Die Verbrechen des Nationalsozialismus hatten Dimensionen, die in der Menschheitsgeschichte einmalig und vielleicht deshalb so unvorstellbar sind, weil diese Verbrechen mitten in einer zivilisierten Welt stattfanden. Das zeigt uns, dass politisch motivierte Verbrechen anscheinend immer möglich sind.
Sie waren es auch nach dem Ende dieses Schreckens. Oft in den gleichen KZ-Gefängnissen wurden später Gegner des kommunistischen Systems inhaftiert, gefoltert und fanden vielfach den Tod. Es kam vor, dass Menschen, die vorher Opfer waren, plötzlich zu Tätern wurden.
Ich halte es für außerordentlich notwendig, dass wir unserer jungen Generation aufzeigen, wozu ideologisch motivierter Machtmissbrauch führen kann. Wir haben in der Betrachtung der jüngeren deutschen Geschichte noch sehr viel Aufklärungsbedarf, weil der Verklärungswillen ungebrochen groß ist. Wahrscheinlich kann man nach über 60 Jahren durchgängiger Diktatur auch nichts anderes erwarten.
Wie schwerwiegend die Folgen einer unterdrückten und nicht stattgefundenen Auseinandersetzung sind, sehen wir daran, dass auch heute nach mehr als 55 Jahren
noch immer Wirrköpfe mit Hitlergruß und Stechschritt durch die Gegend marschieren und die industrielle Vernichtung von Menschen in den Konzentrationslagern als „Auschwitzlüge“ bezeichnen.
Auch an die Verbrechen des SED-Regimes möchten heute nur noch wenige erinnert werden. „Wir wollen das endlich ruhen lassen“, heißt es. Dann kann man auch den Spruch hören: „Es war ja alles nicht so schlecht.“ Und: „Damals herrschte wenigstens noch Zucht und Ordnung.“