Protocol of the Session on February 22, 2002

(Lachen bei der CDU - Unruhe)

Das war auch notwendig, nachdem mir heute Morgen von einem anderen Kollegen Eitelkeit vorgeworfen worden war.

(Heiterkeit bei und Zurufe von der CDU - Herr Becker, CDU: Völlig selbstlos!)

- Eitel bin ich absolut nicht. Das war völlig selbstlos, wie Sie es sind, Kollege Becker.

Meine Damen und Herren! Die Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik des Jahres 2001 in der heutigen Aktuellen Debatte ist eine gute Gelegenheit, die Diskussion über die innere Sicherheit im Lande wieder darauf zu lenken, worum es mir bei der Sicherheitspolitik im Kern geht, nämlich darum, im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger ein sicheres Sachsen-Anhalt zu schaffen.

Nach knapp acht Jahren als verantwortlicher Innerminister bietet sich mir die Gelegenheit, einen Rückblick auf die Entwicklung der inneren Sicherheit in unserem Land in diesem Zeitraum zu geben.

Ausgangspunkt ist für mich das Jahr 1995. Bis dahin hatten wir seit der Wende im Land einen kontinuierlichen Anstieg bei der Kriminalität zu verzeichnen. Im Jahr 1995 setzte ich meine Polizeistrukturreform und das Personalkonzept 2000 der Polizei um. Dies war der Startpunkt für eine umfassende Trendwende in der Kriminalitätsentwicklung in unserem Lande. Erstmals konnten wir im Jahr 1996 einen Rückgang der polizeilich erfassten Straftaten sowie einen spürbaren Anstieg der Aufklärungsquote verzeichnen.

Zu weiteren Maßnahmen, die ich seit meinem Amtsantritt im Jahr 1994 zur Verbesserung der inneren Sicherheit in Sachsen-Anhalt in diesem Sinne initiiert bzw. umgesetzt habe, gehören unter anderem die Einrichtung der KEG Rechts, die Umsetzung des Flächenpräsenzprogramms, das von der Vorgängerregierung begonnen worden war, die Einrichtung von Fachkommissariaten zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Rauschgiftkriminalität in allen Polizeidirektionen, die Einrichtung von Fachkommissariaten zur Bekämpfung von Wirtschaftsstraftaten, der Einsatz von Vermögensermittlern des LKA bei allen Polizeidirektionen, die Einrichtung von deliktübergreifenden EDV-, Beweissicherungs- und Auswertungsgruppen, so genannten Computer-Cops, in allen Polizeidirektionen, umfangreiche Präventionsmaßnahmen, die Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem BGS und dem Zoll in speziellen Ermittlungsgruppen in Bezug auf Rauschgiftdelikte, Finanzermittlung und Schleusung, die flächendeckende Einrichtung von Jugendkommissariaten mit Jugendberatungsstellen. Dies ist ein bundesweit einmaliger Ansatz, in dessen Rahmen im Lande 52 Sozialarbeiter bei der Polizei beschäftigt sind. Endgültig sollen es 56 werden.

Meine Damen und Herren! Ich habe übrigens kein Problem damit zu sagen, dass der erste Modellversuch zu den Jugendkommissariaten von meinem Vorvorgänger im Amt in Magdeburg initiiert wurde.

Meine Damen und Herren! Die PKS 2001 beweist, dass sich die Maßnahmen bewährt haben; denn der seit 1996

registrierte stetige Rückgang der Straftaten hat sich weiter fortgesetzt. Zugleich konnte die so genannte Häufigkeitsziffer erneut reduziert werden. Parallel dazu konnte die Aufklärungsquote aus dem Jahr 2000, die schon über dem Bundesdurchschnitt lag, weiter erhöht werden.

Wir haben eindeutig weniger Tote durch Mord und Totschlag zu verzeichnen. Rückgänge gibt es insbesondere auch bei der Diebstahlskriminalität und bei der Straßenkriminalität. Der Anstieg im Bereich der Rauschgiftdelikte hat sich nicht fortgesetzt. Im Gegenteil: Die Zahl der Rauschgiftdelikte ist sogar erstmals rückläufig.

Nicht verschweigen will ich, dass es einen Anstieg bei Sachbeschädigung und beim Erschleichen von Leistungen, also beim Schwarzfahren, gegeben hat.

Meine Damen und Herren! Mit 236 000 erfassten Delikten wurde das niedrigste Straftatenaufkommen seit 1991 erreicht. Der in den Jahren zuvor bereits zu verzeichnende Straftatenrückgang hat sich somit fortgesetzt. So wurden gegenüber dem Jahr 2000 über 11 000 bzw. 4,5 % Straftaten weniger registriert. Im Jahr 2000 hatten wir einen Rückgang um 6,5 % zu verzeichnen, womit wir bundesweit an der Spitze lagen.

Da wir mit zu den ersten Ländern gehören, die die Statistik für das Jahr 2001 vorstellen, lässt sich noch nicht genau sagen, wie wir in diesem Jahr -

(Herr Becker, CDU: Rein zufällig ist das!)

- Nein, das mache ich nur für den Wahlkampf, Herr Becker. Damit ich durchs Land reisen, die Zahlen verkaufen und zeigen kann, wie gut wir sind; denn wir sind gut.

(Herr Becker, CDU: Danke!)

Da wir nicht alle Zahlen haben, können wir nicht genau sagen, wo wir im Ländervergleich landen werden. Aber einen ersten Hinweis gibt es. Laut einer Pressemitteilung meines Kollegen Behrens aus NRW hat NRW einen Anstieg der Kriminalität um 3,7 % zu verzeichnen. Er sagt, damit liegt sein Land im Bundestrend. Also liegen wir zum dritten Mal hintereinander im positiven Sinne entgegen dem Bundestrend.

Im Jahre 1995 mussten wir noch 320 000 Straftaten verzeichnen. Dies bedeutet, dass wir im Vergleich zum Jahr 1995 im Jahr 2001 84 000 Straftaten weniger registriert haben. Oder anders ausgedrückt: Im Jahr 1995 wurden rund 36 % mehr Straftaten registriert als im Jahr 2001. Dies ist mehr als das gesamte Straftatenaufkommen der beiden Polizeidirektionen Magdeburg und Halle zusammen.

Ein mühsamer, aber auch erfolgreicher Prozess. Ich gehöre aber nicht zu denjenigen, die eine Halbierung der Kriminalitätszahlen innerhalb von 100 Tagen versprochen haben, obwohl ich zugegebenermaßen die Halbierung der Kriminalitätszahlen noch in meiner Amtszeit, zwar nicht in dieser Wahlperiode, aber in einer der nächsten erreichen möchte.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ein wichtiges vergleichendes Kriterium für die Belastung der Bevölkerung mit Kriminalität ist die so genannte Häufigkeitszahl, das heißt die Anzahl der Straftaten bezogen auf 100 000 Einwohner. Seit dem Jahr 1995 konnten wir die Kriminalitätsbelastung systematisch senken, und zwar von 11 585 Straftaten auf nur 9 024 im vergangenen Jahr. Damit nähern

wir uns immer mehr dem Mittelfeld an. Die Belastung ist aber noch zu hoch, das sage ich auch ganz klar.

Wie in anderen Ländern haben auch wir ein eindeutiges Stadt-Land-Gefälle zu verzeichnen. Während die Häufigkeitsziffer in Magdeburg bei 15 300 und in Halle bei 14 300 lag, betrug sie in der PD Merseburg zum Beispiel nur knapp 7 150.

Da Magdeburg und Halle im Vergleich der Großstädte bei der Kriminalitätsbelastung bundesweit immer wieder genannt werden, will ich zur Veranschaulichung der Situation auf die Entwicklung des Straftatenaufkommens von 1996 - ein Jahr später sogar - bis 2001 verweisen: In der Stadt Magdeburg sank das Straftatenaufkommen von 1996 bis 2001 von über 49 000 Straftaten auf 35 500 Straftaten. In der Stadt Halle sank das Straftatenaufkommen von 47 000 auf 35 000 Straftaten. Ich glaube, das ist eine beeindruckende Entwicklung, an der man nicht vorbeikommt.

Besonders belastend sind in den beiden Städten Massendelikte wie Kfz-Diebstahl, Ladendiebstahl, Sachbeschädigung und in Magdeburg vor allen Dingen auch Leistungserschleichung.

Wenn dieses auch von manchen gern suggeriert wird nicht in diesem Hause -: Wir haben keine Hamburger Verhältnisse, wir haben keine offene Drogenszene, wir haben auch die Gewaltkriminalität in dieser Form wie in Hamburg nicht.

Meine Damen und Herren! Die Aufklärungsquote, ein Zeichen der Qualität polizeilicher Arbeit, ist im letzten Jahr erneut gestiegen. Dies verdient besondere Beachtung, da wir bereits seit 1999 über dem Bundesdurchschnitt liegen. Konkret lagen wir im vergangenen Jahr bundesweit sogar an sechster Stelle. Von 35,8 % im Jahr 1995 stieg die Aufklärungsrate auf nunmehr 55,2 %. Das ist eine Steigerung um mehr als 35 % gegenüber dem Ausgangsjahr. Dies ist nicht nur das Ergebnis einer kontinuierlichen und mit Augenmaß praktizierten Kriminalpolitik, sondern das unterstreicht auch deutlich die Leistungsfähigkeit unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Land.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Besondere Sorge bereitet mir nach wie vor die relativ hohe Jugendkriminalität. Hierbei handelt es sich um ein bundesweites Phänomen. 36 % aller Tatverdächtigen waren im letzten Jahr unter 21 Jahre alt. Leider gibt es hierbei keine Ost-WestAngleichung, sondern eine West-Ost-Angleichung. Lag in den alten Ländern früher der Anteil jugendlicher Tatverdächtiger unter 21 Jahre bei 25 %, liegt er mittlerweile auch bei einem Drittel. Hierbei ist also ein Anstieg zu verzeichnen, der ähnlich ist wie bei uns.

Eines muss jedoch in diesem Zusammenhang ganz deutlich gesagt werden: Der überwiegende Teil unserer Jugendlichen wird nie straffällig.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Für viele ist kriminelles Verhalten eine Episode. Von Bedeutung ist aber die Zahl der so genannten Intensivtäter, die uns beunruhigt. Diese machen nur 0,17 % der Einwohner unter 21 Jahre aus, sie sind aber mit 30,3 % an den Straftaten dieser Altersgruppe beteiligt. Das LKA arbeitet derzeit an der Erstellung von Vorschlägen, wie auf diese Intensivtäter noch besser als bisher reagiert werden kann.

Meine Damen und Herren! Schwerpunkte des Handelns bei den jugendlichen Tatverdächtigen bilden insbesondere die Diebstahls- und Rohheitsdelikte, Sachbeschädigungen sowie Fälle der Rauschgiftkriminalität. Ein klassischer Bereich der Jugendkriminalität ist der Diebstahlsbereich.

Aufgrund der Kürze der Zeit will ich nur noch auf einige ausgewählte Aussagen der PKS eingehen. Mit 8 350 erfassten nichtdeutschen Tatverdächtigen ist nach dem Jahr 2000 ein erneuter deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Ihr Anteil liegt damit bei 8,8 %. Vor zwei Jahren lag er noch bei 10,2 %.

Manche sehen dieses anders. Deswegen möchte ich einmal Folgendes sagen: 34,4 % aller nichtdeutschen Tatverdächtigen sind wegen Vergehen gegen das Ausländergesetz bzw. gegen das Asylverfahrensgesetz in Erscheinung getreten. Dabei handelt es sich also um Straftaten, die nur durch Ausländer begangen werden können. Lässt man diesen Personenkreis mit diesen Vergehen außer Acht, beträgt der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen nur noch 5,8 %. Es ist wichtig, dies einmal so darzustellen.

Bei Straftaten gegen das Leben wurden elf vollendete Morde erfasst. Im Jahr zuvor waren es noch 16 vollendete Morde. 23-mal blieb die Tat im Versuchsstadium stecken. Die Aufklärungsquote betrug 90,5 %. Bei Totschlagsdelikten bzw. bei Tötung auf Verlangen wurden zwölf Straftaten vollendet; im Jahre 2000 waren es noch 14 Straftaten. Durch Mord und Totschlag starben im Land im vergangenen Jahr 23 Menschen; im Jahr zuvor waren es noch 30 Menschen. Das ist ein Rückgang bei den vollendeten Fällen um 23 %.

Im Jahr 1998 betrug die Zahl der durch Gewalt ums Leben gekommenen Menschen noch 50. Im Jahr 1999 waren es 38 und im Jahr 2000 30. Wie gesagt, jetzt sind es 23. Das ist ein sehr guter Rückgang.

Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt werden die Kriminalitätszahlen trotz eines erneuten Rückgangs der Straftaten in diesem Deliktbereich weiterhin von den Diebstahlhandlungen geprägt. Deshalb will ich diesem Bereich meine letzten Ausführungen in der Aktuellen Debatte widmen.

Mit einem Anteil von 50,5 % an den Gesamtstraftaten konnte gegenüber dem Jahr 2000 ein Rückgang um fast 10 000 Fälle in diesem Bereich festgestellt werden. Im Bundesdurchschnitt lag der Anteil im Jahr 2000 bei 47 %. Wir liegen immer noch darüber. Aber wenn ich an das Jahr 1995 denke, dann sind wir ein Stück vorangekommen. Damals lag der Anteil an Diebstahldelikten noch bei 67 %. Bei uns wurde also wahnsinnig viel geklaut.

Die Aufklärungsquote konnte in diesem Bereich eindeutig gesteigert werden, obwohl dieses sehr schwer ist. Beim Ladendiebstahl konnte ebenfalls ein Rückgang verzeichnet werden. Hier haben verschiedene Präventionsmaßnahmen gegriffen.

Noch ein interessantes Thema sind die Kfz-Diebstähle. Hierbei ist ein weiterer Rückgang um 10,5 % zu verzeichnen. Eine ebenfalls interessante Zahl: Von 1995 bis 2001 ist die Zahl der Pkw-Diebstähle bzw. der unbefugten Ingebrauchnahme von 22 484 auf 4 198 zurückgegangen. Die Zahl der Kfz-Aufbrüche und der Diebstähle aus Kfz hat sich im gleichen Zeitraum halbiert.

Das kann nicht allein aufgrund der Wegfahrsperre erfolgt sein.

Bei den Wohnungseinbrüchen konnten wir 13 % weniger Einbrüche registrieren. Das ist sehr wichtig. Auch die Aufklärungsrate ist sehr hoch. Sie liegt bei über 50 %. Die Bürger fühlen sich gerade bei Wohnungseinbrüchen stark belastet und verunsichert, denn es betrifft ihre Privatsphäre. Das belastet besonders, sie werden verunsichert und auch ihre Umgebung. Hierbei wirken vor allem Maßnahmen der technischen Prävention, die immer mehr greifen. Dabei wirken auch unsere Kriminalberatungsstellen in den Polizeidirektionen und unser Informationsmobil, das ständig im Land unterwegs ist.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im Ergebnis der Aktuellen Debatte feststellen: Die PKS 2001 ist insgesamt erfreulich. Die Kriminalitätsbelastung ist trotz des Rückgangs in den letzten Jahren allerdings immer noch viel zu hoch. Die Arbeit der Polizei hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert. Entscheidend für die Erfolge bei der Kriminalitätsbekämpfung ist eine kontinuierliche Arbeit unter entsprechenden politischen Rahmenbedingungen. Nur so ist eine erfolgreiche Arbeit auf dem Gebiet der Vermeidung und Verfolgung von Straftaten denkbar.

Wir können diese nur weiter verfolgen, wenn wir dabei von allen Seiten unterstützt werden. Deswegen appelliere ich an die Bevölkerung - dabei schließe ich mich dem an, was Herr Rothe gesagt hat -, die Polizei zu unterstützen. Die Polizei ist nicht nur Freund und Helfer, sondern sie braucht auch Freunde, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen. Dazu gehört auch dieser Landtag. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat seine Redezeit überschritten, sodass die nachfolgenden Redner einen Bonus haben. Für die CDUFraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Becker. Bitte, Herr Becker.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat aus der Pressemitteilung des Innenministeriums zur diesjährigen Kriminalstatistik beginnen. Ich zitiere:

„Innere Sicherheit und Polizei in Sachsen-Anhalt - eine Erfolgsstory. Zum sechsten Mal hintereinander konnte im Land ein Rückgang bei den Straftaten und eine Erhöhung der Aufklärungsquote verzeichnet werden.“