Protocol of the Session on February 21, 2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 70. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der dritten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Meine Damen und Herren! Seit der letzten Sitzung des Landtages hat es Veränderungen in den Reihen der Abgeordneten der Fraktion der CDU gegeben. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Unterrichtungen in den Drucksachen 3/5262 und 3/5287.

Hiernach hat Frau Gudrun Schnirch mit Wirkung vom 31. Januar dieses Jahres auf ihr Landtagsmandat verzichtet und ist somit aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt ausgeschieden. Als Nachrücker aus dem Landeswahlvorschlag der CDU ist vom Landeswahlleiter mit Datum vom 1. Februar 2002 Herr Hans-Martin Taesch festgestellt worden. Herr Taesch hat die Wahl noch am gleichen Tag angenommen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Sehr geehrter Herr Taesch, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Wahl, begrüße Sie herzlich als Mitglied des Landtages der dritten Wahlperiode und wünsche Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich komme zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Für die Sitzung am Freitag hat sich Frau Ministerin Dr. Kuppe entschuldigt; sie nimmt an einem Treffen der Arbeits- und Sozialminister in Berlin teil. Für die morgige Sitzung des Landtages hat sich Herr Minister Dr. Heyer für die Zeit zwischen 10 und 12 Uhr entschuldigt; er wird in dieser Zeit die Landesbauausstellung eröffnen.

Zur Tagesordnung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 38. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Der Ältestenrat schlägt vor, den Tagesordnungspunkt 2 - Aktuelle Debatte - als ersten Beratungsgegenstand am morgigen Freitag zu behandeln.

Das zweite Thema der Aktuellen Debatte war zunächst unter einem vorläufigen Titel in die Tagesordnung aufgenommen worden. Die Fraktion der SPD hat die erforderliche Drucksache rechtzeitig eingereicht. Ich verweise auf die Drs. 3/5329. Der vollständige Titel lautet: „Polizeiliche Kriminalstatistik 2001 des Landes Sachsen-Anhalt - Erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung“.

Ebenfalls am Freitag sollen die Tagesordnungspunkte 5, 8 und 9 behandelt werden.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Noch eine Bemerkung zum zeitlichen Ablauf der 38. Sitzungsperiode. Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat darauf verständigt, die Sitzung wegen der am heutigen Abend im Gebäude des Landtages, Raum B0 05, stattfindenden Parlamentarischen Begegnung mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege im Land Sachsen-Anhalt spätestens gegen 19.30 Uhr

zu beenden. Die morgige Sitzung beginnt wie üblich um 9 Uhr.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 1:

Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Reinhard Höppner zum Thema „Standortbestimmung für Sachsen-Anhalt“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! An die Abgabe der Regierungserklärung wird sich eine Aussprache hierzu anschließen. Ich erteile zunächst Herrn Ministerpräsidenten Dr. Höppner zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort. Bitte, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zu der Regierungserklärung komme, eine eher persönlich gehaltene Bemerkung. Sie hat zu tun mit der derzeit stattfindenden öffentlichen Debatte über ein Gnadengesuch.

Die Entscheidungen über Gnadengesuche gehören für mich persönlich zu den schwierigsten Entscheidungen, die ein Ministerpräsident treffen muss. Immer sind in elementarer Weise menschliche Schicksale betroffen, Schicksale von Opfern und von Tätern. Solche Fälle bereiten mir als Ministerpräsident gelegentlich schlaflose Nächte. Trotzdem muss ich diese Entscheidungen treffen. Ich tue dies immer nach gründlicher Abwägung aller mir bekannt gemachten Tatsachen und der mir zugehenden Einschätzungen.

Angesichts der hier entstandenen öffentlichen Debatte, die ich um der betroffenen Menschen willen bedauere, werde ich in dieser Angelegenheit sehr zeitnah entscheiden. Ich beabsichtige, noch heute ein Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt zu führen und danach meine Entscheidung zu treffen. Dabei werde ich dem Schutz der Bevölkerung in besonderer Weise Rechnung tragen.

(Zurufe von Herrn Prof. Dr. Spotka, CDU, und von Frau Wiechmann, FDVP)

Sie wissen alle: Der Ministerpräsident legt zu Beginn der Legislaturperiode einen Amtseid ab. Unsere Verfassung sieht vor, dass man diesen Amtseid mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ leisten kann. In Situationen wie dieser weiß ich, warum ich den Amtseid mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ gesprochen habe. - So weit zu dieser Erklärung.

Nun, meine Damen und Herren, zu dem angekündigten Tagesordnungspunkt 1, der Regierungserklärung.

Meine Damen und Herren! Über die Frage „Wo steht Sachsen-Anhalt?“ wird heftig gestritten. Manche reden von roten Laternen, andere freuen sich, so ist zu lesen, über einen „Leistungswahlkampf“. Ich sage: Darauf freue ich mich auch. Dann wird nämlich über Fragen der Entwicklung des Landes in den vergangenen Jahren, über die Bilanz der Landesregierung und über die richtigen Zukunftskonzepte geredet werden.

Aber dann wird auch über die Leistungen der Opposition, über die Qualität ihrer Vorschläge und über die Qualität ihres Personals zu reden sein. Das werden wir heute tun, das werden wir morgen tun, das werden wir

auch in den kommenden Wochen tun und mir ist vor dieser Auseinandersetzung nicht bange, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank - Herr Becker, CDU: Na, na!)

Als Ministerpräsident dieses Landes halte ich es für geboten, eine realistische Standortbestimmung vorzunehmen und die Perspektiven aufzuzeigen, vor denen Sachsen-Anhalt steht. Ich halte das vor allem aus zwei Gründung für nötig:

Erstens. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland insgesamt ist schwierig. Die Herausforderungen sind besonders groß. Schwarzmalerei hat Konjunktur - gebrauchen können wir sie nicht.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Ich stimme dem Präsidenten der IHK Magdeburg Herrn Dr. Hieckmann ausdrücklich zu, der kürzlich zu der Frage, was wir brauchen, erklärt hat: Alles, nur keine Resignation. - Nötig sind jetzt Mut und uneingeschränktes Engagement für unser Land. Die Probleme von heute sind die Aufgaben von morgen.

Hieraus ergibt sich der zweite Grund dafür, heute eine Standortbestimmung vorzunehmen; denn die schwierige Situation fordert von uns, die Aufgaben, die vor uns liegen, präzise zu beschreiben. Mit Allgemeinplätzen und mit der Erinnerung von Beratern, die darüber nachdenken, wie es damals im Kanzleramt war, lässt sich ein Land nicht gestalten.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Wer das Land gestalten will, muss klar sagen, welche Aufgaben jetzt und in nächster Zeit zu lösen sind. Meine Damen und Herren! Im Vordergrund stehen dabei die Aufgaben, die wir im Blick auf unsere wirtschaftliche Entwicklung zu lösen haben.

Vergessen wir dabei aber bitte nicht: Auch die sozialen Rahmenbedingungen sind ein Standortfaktor. Sozialer Frieden und Zusammenhalt sind in Deutschland traditionell Faktoren für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung. Das, meine Damen und Herren, soll auch in Zukunft so bleiben.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Es geht nicht nur um den Wirtschaftsstandort SachsenAnhalt. Wenn wir wollen, dass die Menschen gern hier leben und gern hier bleiben, dann geht es auch um den Lebensstandort Sachsen-Anhalt mit seinen Städten und Dörfern, seiner Kultur, seinen sozialen und ökologischen Bedingungen. Auch das ist Aufgabe von Politik.

(Herr Kühn, SPD: Richtig!)

Zur Standortbestimmung gehört auch die Frage: Woher kommen wir? Hierzu will ich - keinesfalls als Entschuldigung, sondern vielmehr als Beleg dafür, welche Kraft in diesem Lande steckt und welche großen Aufbauleistungen wir vollbracht haben - nur an drei Dinge erinnern.

Erstens. Sachsen-Anhalt war wie keine andere Region im Osten Deutschlands durch große Kombinatsstrukturen gekennzeichnet. Der industrielle Mittelstand fehlte fast vollständig. Von heute auf morgen wurde der ge

samte Kupferbergbau mit den dazugehörigen Verarbeitungen im Mansfelder Land stillgelegt. Es gibt keinen vergleichbaren Vorgang des Zusammenbruchs einer ganzen Branche. Entsprechende Variationen zum Thema Braunkohlebergbau, Maschinenbau und Chemie könnte ich anfügen.

Hinzu kommt ein Zweites: Die Privatisierung dieser großen Unternehmen durch die Treuhandanstalt hat besonders lange gedauert. Ich erinnere im Metallbereich an DWA und an Sket sowie im Bereich Chemie an BSL, wo die entsprechenden Privatisierungen erst in den Jahren 1994/95 erfolgt sind. Das lag auch an dem mangelnden Mut der drei Landesregierungen in der ersten Legislaturperiode, wirklich tragfähige mittelständische Lösungen zu unterstützen.

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch lächerlich!)

Ich erinnere nur daran, dass die CDU-Fraktion noch im Jahr 1995 bei dem anstehenden Verkauf von Buna an Dow Chemical heftig gegen diese Privatisierung gekämpft hat und eine Stand-alone-Lösung gefordert hat.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das hat er bis heute nicht verstanden! - Unruhe bei der CDU)

Heute denkt BSL über eine Verdoppelung seiner Kapazitäten im Chemiedreieck nach. Entsprechende Investitionen werden vorbereitet.

Und, meine Damen und Herren, auf dem Sket-Gelände arbeiten heute mehr als doppelt so viele Beschäftigte, wie im letzten Sket-Konzept vorgesehen waren. Dieses Konzept wurde übrigens - ich erinnere mich noch genau daran - von Roland Berger in einer BvS-Sitzung in Bonn vorgestellt. 14 Tage später war das Konzept Makulatur. So viel zum Thema Roland Berger.

(Zuruf von Herrn Remmers, CDU)

Meine Damen und Herren! Die Umgestaltung von DWA in Dessau ist eine Erfolgsgeschichte. Der Standort von Bombardier in Ammendorf ist mittelfristig gesichert und wird nach meiner festen Überzeugung hinsichtlich seiner Schienenfahrzeugkompetenz in den nächsten Jahren noch gestärkt werden.

(Herr Becker, CDU: Wie lange?)

Das waren zukunftsweisende Entscheidungen unter aktiver Wirkung dieser Landesregierung.