Meine Damen und Herren! Allein die Zahl 6 000 sollte uns doch immer noch erschrecken und eine Gänsehaut verursachen. Eine Relativierung ist hierbei keinesfalls angebracht, Herr Innenminister Püchel.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Wurden weniger Delikte aufgedeckt oder haben wirklich weniger Delikte stattgefunden? Dazu hätte ich schon ganz gern eine Erklärung.
Ansonsten kann ich nur eines sagen. Ebenso wie ich haben es auch andere gesehen: Drogen werden öffentlich angeboten. Man macht daraus gar kein Geheimnis mehr. Die Orte, an denen so etwas stattfindet, sind bekannt, auch den entsprechenden Behörden.
Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn meinen Kindern, meiner Tochter oder meinem Sohn, Drogen angeboten würden. Aber ich wäre stinksauer auf diejenigen, die politisch die Verantwortung haben und etwas Derartiges zulassen und dann auch noch einen Satz in der Zeitung schreiben, dass es mit vier Drogentoten drei weniger als im Jahr 2000 gegeben habe. Das ist eine
Frau Abgeordnete Wiechmann, dem Hohen Hause sind sicher Machenschaften einer Abgeordneten dieses Hohen Hauses nicht bekannt. Sie müssten das dann schon verifizieren.
(Frau Wiechmann, FDVP: Was war das jetzt? - Lachen bei der SPD - Frau Wiechmann, FDVP: Sie müssen nur zuhören, Herr Schaefer!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eines voranstellen: Die Landesregierung bekämpft mit Nachdruck den Missbrauch legaler und illegaler Drogen, denn jeder Drogentote und jeder Drogensüchtige ist einer zu viel, Frau Wiechmann.
Deshalb haben wir den Verfolgungsdruck insbesondere auf den illegalen Drogenhandel zu Jahresbeginn durch die Einrichtung von Fachkommissariaten zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität noch einmal verstärkt. Die Menschen im Lande können darauf vertrauen, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen der Prävention, der polizeilichen Ermittlung und der strafrechtlichen Ahndung gegen Drogenkriminalität ausschöpfen werden.
Der von der Landesregierung beschrittene Weg ist auch erfolgreich. Mit einer gewissen Zufriedenheit, die ich hier auch nicht verhehlen will, kann ich feststellen, dass in Sachsen-Anhalt im letzten Jahr erstmals seit der Wiedervereinigung die Zahl der aufgedeckten Rauschgiftdelikte im Vergleich zum Vorjahr, also im Vergleich zu 2000, gesunken ist, um ca. 7 %. Über den Rückgang der Zahl der Toten haben wir bereits von Frau Wiechmann etwas gehört. Die Zahl der Drogentoten ist von sieben auf vier zurückgegangen. Ich habe auch gesagt, dass diese vier Drogentoten immer noch vier zu viel sind.
Ich muss aber auch Folgendes anführen, um die Relation zu verdeutlichen. Im gleichen Zeitraum gab es in der Stadt München 84 Drogentote. Man muss einmal überlegen, was das bedeutet.
Wenn Sie glauben, aus der zurückgegangenen Zahl der Drogenstraftaten ableiten zu können, dass wir weniger täten, kann ich Ihnen ganz klar entgegenhalten: Nein, hier geht eine Strategie auf. Wir haben vor einigen Jahren begonnen, uns verstärkt mit der Ebene der Dealer zu beschäftigen. Auf diesem Gebiet haben wir echte Erfolge zu verzeichnen. Aus diesem Grund haben wir einen Rückgang der Drogenstraftaten zu registrieren. Dieser Rückgang ist für uns kein Ruhekissen; denn wie gesagt, jeder Drogentote und jeder Drogensüchtige ist einer zu viel. Der Rückgang zeigt aber, dass wir bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität auf dem richtigen Wege sind.
Wirklich interessant wird ein Blick auf die Häufigkeitszahl und die Aufklärungsquote. Vergleicht man die Häufigkeitszahlen in Großstädten, so kommen zum Beispiel
nach der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundes für das Jahr 2000 in Hamburg 732 und in München 521 Drogendelikte auf 100 000 Einwohner. In Halle und Magdeburg waren es im gleichen Zeitraum 200 bzw. 240 Rauschgiftdelikte auf 100 000 Einwohner.
Hamburg und München haben übrigens in der Kategorie der Großstädte über 200 000 Einwohner die zweit- bzw. dritthöchste Fallzahl. Von Hamburger oder bayerischen Verhältnissen, die offensichtlich gar nicht so gut sind, wie von manchem getönt wird, kann in Sachsen-Anhalt keine Rede sein. Wer uns von außerhalb kritisiert, soll erst einmal im eigenen Land für Ordnung sorgen.
Auch angesichts einer im Jahr 2000 erreichten Aufklärungsquote bei Drogendelikten in Höhe von 96,4 % sieht die Landesregierung keinen Anlass, entsprechend dem Antrag der FDVP durch eine entsprechende Bundesratsinitiative aktiv zu werden.
Dieses Drogenschutzprogramm stellt eine Aneinanderreihung von Forderungen dar, die an der Realität einer wirksamen Bekämpfung und Strafverfolgung des Drogenhandels vorbeigehen.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat auf der Grundlage des nationalen Rauschgiftbekämpfungsplans ein polizeiliches Konzept zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität in Sachsen-Anhalt im Frühjahr 1998 in Kraft gesetzt. Darin sind wir den drogenpolitischen Forderungen nach einer Konzentration vor allem auf die Verfolgung von Drogenhändlern nachgekommen.
Aufbauend auf diesem Konzept sind nach einem Pilotversuch in Dessau und Stendal inzwischen in allen Polizeidirektionen eigene Fachkommissariate zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität eingerichtet worden. Sie werden je nach Bedarf durch polizeiliche Sondereinheiten wie die mobilen Einsatzkommandos Magdeburg und Halle, Kräfte der Bereitschaftspolizei oder Kräfte der eigenen Behörde unterstützt.
Die Bildung eines weiteren besonderen Drogeneinsatzkommandos wäre schon im Hinblick auf die klar definierten Zuständigkeitsregelungen kontraproduktiv. Sie würde eine zentrale Bearbeitung der Delikte in den Polizeidirektionen verhindern. Für Bundesländer wie Bayern, in denen es so genannte Rauschgifteinsatzkommandos gibt, ist festzustellen, dass diese Kommandos auch nichts anderes als die Kommandos leisten, die wir bereits im Land haben.
Apropos nationaler Rauschgiftbekämpfungsplan: Ich war es, der in der IMK im letzten Jahr vorgeschlagen und auch durchgesetzt hat, dass der nationale Rauschgiftbekämpfungsplan der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 1990 grundlegend überarbeitet und den Bedingungen der heutigen Zeit angepasst wird. Gemeinsam mit der Justiz- und der Sozialministerkonferenz werden wir diesen nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan überarbeiten, also auf der Bundesebene entsprechende Regelungen treffen.
Ein Informationsaustausch bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität zwischen den Polizeibehörden, dem BKA und den anderen mit der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität befassten Behörden wie Zollkriminalamt, Zollfahndungsamt und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ist aufgrund entsprechender Regelungen und Vernetzungen bereits gewährleistet. Dies gilt auch für die Vernetzung innerhalb der Fach
dienststellen. Der Informationsaustausch mit Europol und Interpol ist ebenfalls geregelt. Auch die Übermittlung und der Austausch personenbezogener Daten sind ausdrücklich zugelassen.
Die Forderungen nach einer lebenslangen Freiheitsstrafe für Drogendealer mag möglicherweise populär sein; effektiv sind jedoch eine wirksame Strafverfolgung und eine zeitnahe Bestrafung. Die Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes reichen für eine wirksame Bekämpfung des Drogenhandels aus. So ist bereits jetzt beispielsweise wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und 15 Jahren möglich. Die Möglichkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe sieht das Strafgesetzbuch mit guten Gründen nur für vorsätzliche Tötungsdelikte sowie besonders schweren Raub und Sexualdelikte mit Todesfolge vor.
Die geforderte Beweislastumkehr dahin gehend, dass Täter aus dem Bereich der organisierten Kriminalität oder des Drogenhandels künftig die Herkunft ihres Vermögens beweisen sollen, ist dem deutschen Straf- und Strafprozessrecht fremd. Sie liefe auf eine Mitwirkungspflicht des Beschuldigten im Rahmen des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens hinaus, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die von uns eingesetzten Vermögensermittlungsgruppen, die sehr erfolgreich sind. Im Jahr 2000 haben wir 27 Millionen DM eingenommen. Wir haben auch hier den richtigen Ansatz gefunden.
Mit Recht hat der Gesetzgeber schon bei der Beratung des Ergänzungsgesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Jahr 1994 die Beweislastumkehr verworfen.
Die geforderte kostenpflichtige Inhaftierung von Drogenbeschaffungstätern wäre geradezu kontraproduktiv. Diese nach ihrer Haftentlassung für die Haftkosten in Regress zu nehmen, würde jeden Versuch, sie zu resozialisieren, von vornherein unmöglich machen.
Die Entscheidung über die Anordnung der Untersuchungshaft und die Verhängung unbedingter Freiheitsstrafen treffen die jeweils zuständigen Strafrichter aufgrund der bestehenden Gesetze in richterlicher Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit der Judikative hat das Grundgesetz nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erfahrungen in den Jahren zwischen 1933 und 1945 aus guten Gründen zementiert. Davon kann und darf nicht abgewichen werden. Dazu stehe ich nachdrücklich, insbesondere auch nach der Diskussion und der Kritik in den letzten Tagen.
Ausländische Drogendealer werden bei Vorliegen der Voraussetzungen nach dem Ausländergesetz aus Deutschland ausgewiesen. Sie dürfen danach grundsätzlich nicht wieder in die Bundesrepublik einreisen. Die Notwendigkeit von zusätzlichen ausländerrechtlichen Regelungen zur Abschiebung von ausländischen Drogendealern sehe ich insofern nicht.
Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse dahin gehend vor, dass sich so genannte Drogenkonsumräume, die in Einzelfällen insbesondere in größeren Städten der alten Bundesländer Schwerstheroinabhängigen zur Verfügung gestellt werden, zu einem Zentrum der Rauschgiftkriminalität entwickelt hätten. In SachsenAnhalt werden solche Einrichtungen nicht vorgehalten.
Allerdings hält die Landesregierung an den von den Drogenberatungsstellen eingerichteten Drogen-KontaktCafés fest. Sie sind als Anlaufstellen für Drogenabhängige von wesentlicher Bedeutung; denn sie stellen ein wichtiges Instrument zur Beratung und Vermittlung von Hilfe für Drogenabhängige dar.
Die Landesregierung hält darüber hinaus auch daran fest, dass weiche Drogen nicht freigegeben werden. Angesichts der bestehenden Gesetzeslage ist deshalb für eine solche Initiative kein Raum.
Therapieplätze zur Durchführung einer freiwilligen Therapie sind in ausreichendem Maße vorhanden. Darüber hinaus besteht für Abhängige nach Kostenübernahme durch die Versicherungsträger auch die Möglichkeit, bundesweit in entsprechende Therapieeinrichtungen aufgenommen zu werden. Eine generelle Zwangstherapie für Drogenabhängige ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Darüber hinaus ist ein Therapieerfolg bei fehlender Freiwilligkeit des Abhängigen aus therapeutischer Sicht nicht zu erreichen.
Für Abhängige, für die die Strafgerichte die Einweisung in eine Entziehungsanstalt angeordnet haben, werden in der Maßregelvollzugseinrichtung Bernburg derzeit 24 Therapieplätze zur Verfügung gestellt. Die Landesregierung wendet erhebliche finanzielle Mittel für den weiteren Ausbau dieser Einrichtung auf.
Die geforderte generelle Auslobung von Geld im Zusammenhang mit Hinweisen auf Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ist vor dem Hintergrund der Aufklärungsquote in diesem Deliktbereich nicht sinnvoll. Sie würde im Übrigen dazu führen, dass die Polizei durch eine Flut von Mitteilungen an ihrer eigentlichen Arbeit gehindert werden würde.
Schließlich kann auch nicht erwogen werden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendeinrichtungen und Drogenhilfeeinrichtungen mit regelmäßigen Drogenscreenings zu überziehen. Dies würde nichts anderes als die Konfrontation dieser Mitarbeiter mit dem Generalverdacht eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz bedeuten, ohne dass es dafür Anhaltspunkte gibt.
Die Schaffung einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage würde jedwede Jugend- und Drogenarbeit von vornherein zunichte machen. Darüber hinaus würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlechter gestellt als jeder Beschuldigte in einem Strafverfahren, der erst bei Vorliegen hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte einem entsprechenden Screening unterzogen werden darf. Eine solche gesetzliche Norm wäre mit unserer Rechtsordnung nicht vereinbar.
Der Antrag der Fraktion der FDVP zum Drogenschutzprogramm geht deshalb ins Leere. Die Landesregierung bittet den Landtag, dem Entschließungsantrag nicht zuzustimmen und ihn zurückzuweisen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das die FDVP-Fraktion in Ihrem Antrag
aufgreift, ist nicht neu. Der explosionsartige Anstieg der Drogenkriminalität in Sachsen-Anhalt hat uns in den vergangenen acht Jahren wiederholt im Plenum beschäftigt.
Was der Herr Innenminister zur Statistik vorgetragen hat, entspricht mit Sicherheit nicht ganz der Wahrheit. Ich möchte an Folgendes erinnern: Während Ministerpräsident Höppner bei der Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahr 1994 noch eine vergleichsweise niedrige Zahl von 300 Rauschgiftdelikten pro Jahr vorgefunden hat, waren es nach Ablauf der ersten Legislaturperiode unter Höppner bereits mehr als 2 500 Fälle. Bei der zuletzt veröffentlichten Zahl des Jahres 2000 waren es fast 6 500 Fälle. Mit anderen Worten: Die Rauschgiftkriminalität in Sachsen-Anhalt ist mehr als 20mal höher als noch vor acht Jahren.
Meine Damen und Herren! Noch dramatischer stellt sich die Entwicklung der Drogenkriminalität im Verhältnis zur Einwohnerzahl in unserem Bundesland dar. Zu Beginn der Regierungszeit Höppners war Sachsen-Anhalt mit nur elf Rauschgiftdelikten auf 100 000 Einwohner das Bundesland mit der geringsten Belastung. Nur fünf Jahre später, im Jahr 1999, hatte Sachsen-Anhalt mit 217 Drogendelikten auf 100 000 Einwohner fast Bundesdurchschnitt erreicht.