Die Ursachen für die strukturellen Ungereimtheiten, mit denen wir uns bis heute herumquälen, Herr Böhmer, sind damals gesetzt worden, nicht heute.
Unter Ihrer Verantwortung ist beim Aufbau der Verwaltung ein ziemlich bunter Teppich entstanden, der durch das Nebeneinander von allgemeiner Verwaltung und einer Vielzahl von Sonderbehörden geprägt ist.
Auch damals gab es Leitbilder und Richtgrößen. Es sollte Ausnahmen geben, aber Sie haben die Ausnahme zur Regel gemacht.
Auch eine Funktionalreform im Zuge - ich betone: im Zuge; heute sehen Sie das andersherum - einer Gebietsreform sollte es geben. Lottermoser-Kommission nannte sich das damals.
Herr Demuth - er sitzt oben auf der Besuchertribüne -, damals wie heute der zuständige Fachbeamte aus dem Innenministerium, gelangte im Jahr 1994 zu der bemerkenswerten Feststellung, dass eine grundsätzlich ablehnende Haltung der Ressorts gegenüber einer Funktionalreform bestehe. Im Hinblick auf die dazu gerade vom Kabinett Bergner gefassten Beschlüsse spricht er von einer Beerdigung erster Klasse.
Wo blieb denn da die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten, die Sie heute so vehement einfordern?
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sind damals bei all dem den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.
Herr Dr. Brachmann, Herr Becker meldet sich zu Wort. Ich weiß noch nicht, ob zu einer Intervention oder zu einer Frage. Sind Sie bereit zu antworten?
Nun, nachdem sich die Strukturen verfestigt haben, ist es ungleich schwerer - das wissen Sie -, diese wieder aufzubrechen. Wenn Sie heute von Versagen reden,
Meine Damen und Herren! Richtig ist, dass die Landesregierung seit 1994 bemüht war, auf der Grundlage der seinerzeit geschlossenen Koalitionsvereinbarung eine Verwaltungsreform anzugehen. In der Staatskanzlei wurde eine Projektgruppe eingesetzt, die den Prozess handlungsorientiert vorantreiben sollte. Der Katalog der seinerzeit beschlossenen Maßnahmen umfasste rund 130 Projekte und Einzelmaßnahmen. Darunter sind wichtige, wie die erste Forststrukturreform, und sicherlich auch weniger wichtige, wie die Aufhebung der Jubiläumsverordnung. Aber es war damals ein Reformansatz.
Zugegeben, die „Mitteldeutsche Zeitung“ hatte die Überschrift gewählt: Reform der kleinen Schritte. Aber es ist etwas passiert. Der Vorwurf, der in Ihrem Antrag erhoben wird, dass selbst dieses Maßnahmenpaket weitgehend nicht umgesetzt worden ist, trifft schlicht nicht zu. Machen Sie sich die Mühe - genügend Unterlagen dazu sind vorhanden -, arbeiten Sie die Liste ab. Sie werden feststellen, in diesem Zeitraum ist etwas passiert.
Die Gretchenfrage, welche Grundstruktur die Landesverwaltung annehmen soll und wie auf die Regierungspräsidien als Mittelinstanz verzichtet werden kann, wurde damals allerdings - dies konnte auch nicht geschehen - nicht zufrieden stellend beantwortet. Die Auflösung der Regierungspräsidien im Zuge der im Jahre 1994 durchgeführten Kreisgebietsreform war verwaltungspolitisch nicht zu vertreten, da sie zu kleine und zudem in Größe und Leistungskraft zu unterschiedliche Landkreise hervorgebracht hat.
Herr Becker, Sie werden nicht müde, immer wieder - ich weiß nicht, ob Sie es heute auch wieder tun - diesen Entschließungsantrag aus dem Jahr 1993 zu zitieren. Die Kreisgebietsreform bleibe ein Torso, wenn nicht zu ihrer inneren Rechtfertigung eine Funktionalreform folgen werde. Ich sage es noch einmal, Herr Becker: Sie musste ein Torso bleiben, weil die Kreisgebietsreform selbst schon auf halbem Wege stecken geblieben ist.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat, ausgehend von dem, was bis dahin geschehen und unterlassen worden ist, mit Beginn dieser Legislaturperiode mit Nachdruck eine Begradigung der Landesverwaltung gefordert und zugleich deutlich gemacht, dass dies mit Nachbesserungen der Gebietsreform einhergehen muss.
Beides ist dann mit den vor reichlich zwei Jahren von der Landesregierung vorgelegten Leitbildern auf den Weg gebracht worden. Dass damit der richtige Weg eingeschlagen worden ist, zeigt sich auch an dem - vielleicht sollten Sie das stärker beobachten, Herr Böhmer -, was seither zwischen Zeitz und Arendsee in Bewegung geraten ist.
dass keine Gebietsreform ohne Verwaltungs- und Funktionalreform stattfinden dürfe. Bevor es zu einer Maßstabsvergrößerung auf kommunaler Ebene kommt, müs
se klar sein, welche Aufgaben auf diese Ebene verlagert werden und wie dann die Landesverwaltung effektiver zu organisieren ist.
Der Städte- und Gemeindebund forderte in seiner Stellungnahme zum Leitbild am 8. Mai 2000, eine Funktionalreform - ich zitiere - „spätestens gleichzeitig“ mit einer Gebietsreform durchzuführen. Auch die ÖTV hielt es für dringend geboten, dass eine Funktionalreform zeitgleich mit einer Kommunalreform zu geschehen hat. - Dieser Ansatz hat dann auch in unsere politische Meinungsbildung Eingang gefunden.
Herr Böhmer, ich darf daran erinnern - ich weiß nicht, ob Sie sich daran nicht erinnern können oder nicht erinnern wollen -, dass der Landtag am 4. Mai 2000 - das war noch relativ früh und damals noch mit den Stimmen von SPD, PDS und CDU - den Beschluss gefasst hat, unverzüglich ein Vorschaltgesetz zur Kommunalreform und damit im Zusammenhang zur Verwaltungs- und Funktionalreform vorzulegen, um erstens eine verlässliche Handlungsorientierung für eine kommunale Strukturreform bereits in der freiwilligen Phase zu schaffen sowie zweitens die Grundstruktur des Verwaltungsaufbaus und die Grundlagen und Grundsätze der Arbeitsverteilung zwischen Land und Kommunen zu regeln. Das ist ein Beschluss, der seinerzeit auch mit den Stimmen der CDU gefasst worden ist.
Das ist dann mit dem Zweiten Vorschaltgesetz zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung geschehen. Beschlossen wurde das Gesetz allerdings nur noch mit den Stimmen von SPD und PDS.
Meine Damen und Herren von der CDU, mit der von Ihnen seither eingenommenen Verweigerungshaltung haben Sie sich verwaltungspolitisch selbst ins Abseits gestellt.
Sie wollen nunmehr wieder - das klang vorhin an - an den Regierungspräsidien - zwei sollen es sein; welche es sind, bleibt offen - festhalten. Das zeigt ein strukturkonservatives Festhalten an alten Zöpfen. Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen: Woher sollen die Aufgaben kommen, die man den Kommunen übertragen will, und wohin sollen sie gehen, wenn die kommunalen Strukturen unverändert bleiben?
Hören Sie auf, den schwarzen Peter nur dem Land zuzuschieben. Es kann keine durchgreifende Verwaltungsund Funktionalreform ohne Gebietsreform geben. Andersherum gilt aber auch: Es wird keine Gebietsreform ohne diese Funktionalreform geben.
Meine Damen und Herren! Mit dem Zweiten Vorschaltgesetz wurde das Grundgerüst für eine zukunftsfähige Struktur des Landes geschaffen. Es regelt die Neuorganisation der Landesverwaltung und der kommunalen Strukturen sowie die Aufgabenverteilung zwischen beiden Ebenen. Was das Gesetz nicht leisten konnte und wollte, war, zu dem Zeitpunkt konkret festzulegen, welche Aufgabenbereiche im Zuge der Kommunalreform auf die Kommunen übergehen und welche Folgen das für die Organisation der Landesverwaltung hat.
Die Landesregierung und die SPD-Fraktion hatten schon damals angekündigt, dies bis zum Jahresende zu kon
kretisieren und die Eckpunkte einer Funktionalreform zu dokumentieren, damit schon in der freiwilligen Phase erkennbar wird, welche Verschiebungen es geben wird. Wir haben Wort gehalten.