Meine Damen und Herren! Wir hoffen alle, von Krisenzeiten, Kriegen, Revolutionen und ähnlichen Dingen verschont zu bleiben. Dennoch meinen wir, wenn es nun eine solche Zeit geben sollte, dann wird eben weniger vermessen. Das würde die Krise weder verlängern noch verkürzen. Das ist doch ein Totschlagargument, das man hierbei gebraucht. Heute früh sagte mir ein Kollege auf der Herfahrt, in Krisenzeiten könnten wir doch diese öffentlich bestellten privaten Vermesser gegebenenfalls dienstverpflichten. Ich muss sagen, richtig gedacht, auch das könnte man machen.
Als zweites Argument wird nun die Ausbildung des Nachwuchses angeführt. Meine Damen und Herren! Der Nachwuchs wird heute auch schon zum großen Teil bei öffentlich bestellten privaten Vermessern ausgebildet. Man kann das denen auch übertragen. Die haben Qualitäten. Diese muss man nur wahrnehmen. Und sie sind übrigens schon da, die Qualitäten, die muss man nutzen. Dennoch zu sagen, wir brauchen noch die 20 %, ist eine schwache Begründungshilfe, die mehr die emotionale Seite und weniger die Verstandesseite trifft.
Natürlich weiß ich und wissen wir von der CDU von den Vorbehalten gegenüber privaten Leistungsanbietern. Das ist übrigens kein ostdeutsches Problem, kein mitteldeutsches Problem. Das sind Vorbehalte in ganz Deutschland, in der Beamtenschaft in vielen Ministerien. Gebt den Privaten nur nicht zu viel; denn wir könnten sonst in die Hand der Privaten kommen. Aber, meine Damen und Herren, das ist eine Frage der Kontrolle.
Warum, verehrter lieber Herr Minister, machen wir diese Frage, diese 20 % noch zu privatisieren, zur Nagelprobe, wie es unser Herr Fraktionsvorsitzender heute früh zu Recht gesagt hat? - Ich will es Ihnen sagen. Weil wir in diesem Bereich schon ein Stück praktizierte Privatisierung haben. Wenn wir nun weitere Aufgaben der staatlichen Verwaltung privatisieren wollen, wird man sich
fragen, wie macht das das Land Sachsen-Anhalt eigentlich. Wo funktioniert das eigentlich? Dann wird man sehr schnell auf die privaten Vermesser kommen und sich fragen, wie funktioniert es dort.
Dann wird man erstaunt feststellen, dass die Begeisterung der privaten Vermesser über diese Arbeit gar nicht so groß ist. Man wird sich auch erinnern, meine Damen und Herren, dass es seit 1945 durchaus nicht immer so war, dass jeder Private beim Staat tätig sein bzw. staatliche Tätigkeiten als beliehener Unternehmer wahrnehmen wollte. Das war nicht immer so wie jetzt, wo wir alle nach Arbeit rufen.
Wir müssen dabei feststellen, meine Damen und Herren, dass die Situation so ist, dass der Staat, sprich das Innenministerium, die öffentlich bestellten privaten Vermesser anders behandelt als die eigenen Vermesser. Das heißt, die 80 % befinden sich in einer anderen Situation als die 20 %. Da wird natürlich jeder, der das als Beispiel vorgehalten bekommt, sagen: Also, ob es sich lohnt, hier mitzuspielen, wenn der Staat eine Verwaltungsreform durchführt und Arbeiten sowie Aufgaben privatisiert, das fragt sich.
Sie, Herr Minister, werden natürlich zu Recht die Frage aufwerfen, wo die Privaten denn benachteiligt werden. Das haben Sie nämlich in der Antwort auf die Große Anfrage nicht geschrieben. Aber wir haben das festgestellt, weil wir uns um die Sache gekümmert haben. Ich bringe Ihnen einige Beispiele.
Es kann und darf doch wohl nicht sein - Herr Gallert, da werben wir um Ihre Aufmerksamkeit, weil Sie auch ein Mann sind, der die Verwaltungsreform in seinem Herzen trägt -,
dass zum Beispiel Chefs von Katasterämtern bei anderen Behördenchefs anrufen und kollegialiter darum nachsuchen, ihnen mehr Aufträge für die Vermessung zu erteilen mit dem Argument, was natürlich jeder gern hört, der Amtsbruder könne an der Mehrwertsteuer sparen; denn die müssen nur die öffentlich bestellten privaten Vermesser bezahlen. Sie fällt nicht an, wenn die Vermessung von staatlicher Seite ausgeführt wird. Dazu muss ich sagen, da macht die öffentliche Hand etwas, was den privaten Vermessern, die nicht Werbung betreiben dürfen, untersagt ist.
Ich sehe im Übrigen ein Zweites im Hinblick auf die Benachteiligung der Privaten. Die Benachteiligung besteht darin, dass für die Leistung Mehrwertsteuer gezahlt werden muss, für die öffentlichen Aufträge, die abgewickelt werden, aber keine Mehrwertsteuer bezahlt werden muss.
Meine Damen und Herren! Es gibt noch eine andere Benachteiligung. Wenn ein Bürger einen Auftrag erteilt und zu einem öffentlich bestellten privaten Vermesser geht, dann muss er einen Vorschuss zahlen, damit der beim Katasteramt die Unterlagen erhält; erst dann geht das los. Das dauert dann eine lange Zeit. Der Private, der die Vermessung vornimmt, hat noch gar kein Geld verdient; er muss aber den Vorschuss entweder selbst zahlen oder von seinem Auftraggeber holen. Gehe ich aber zum staatlichen Vermesser und führt der den Auftrag aus, dann brauche ich keinen Vorschuss zu zahlen.
Es kommt ein Weiteres hinzu. Auch die Beaufsichtigung der öffentlich bestellten privaten Vermesser ist eine staatliche Aufgabe. Die bleibt staatlich. Sie wird aber in einer engen Art vorgenommen, muss ich sagen, dass einem bisweilen die Freude vergehen kann. Ich erinnere nur an die Kleine Anfrage des Abgeordneten Becker, warum dem Vermesser X ein Maulkorb angelegt wurde. Das war im Sommer letzten Jahres.
Wir stellen also fest: Hier, Herr Minister, muss etwas getan werden. Hier heißt es: Hic Rhodos, hic salta; hier musst du springen, Minister. Hier kannst du zeigen, was du von der Privatisierung und von der Verwaltungsreform hältst. Aber nicht festklammern an diesen 20 %.
Auf der anderen Seite, verehrter Herr Innenminister, sollten Sie darauf achten, dass Ihre Vermessungsverwaltung nicht zu weit nach vorn prescht. Das ist wieder ein anderer Punkt. Es geht um das Liegenschaftsinformationssystem, das Sie schaffen wollen. Es geht darum, den Datenaustausch zwischen Grundbuchamt und Katasteramt sicherzustellen, eine außerordentlich wichtige Aufgabe.
Nur, meine Damen und Herren, wo möchte die Katasterverwaltung bei uns hin? Die möchte gleich das ganze Grundbuch mit vereinnahmen und daraus eine Verwaltung bilden, obwohl wir bundesrechtliche Vorschriften haben, die dieses eigentlich ausschalten.
Daran sehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir die Dinge sehr kritisch gesehen haben. Wir sind der Auffassung, das geht nicht. Man sollte diesen untauglichen Versuch einstellen. Man sollte sich bemühen, den Datenträgeraustausch zu intensivieren, weil der wichtig ist. Aber deshalb muss man nicht gleich zwei Verwaltungen, insbesondere eine, die zur Justiz gehört, auflösen.
Herr Minister, ich bitte Sie, nachdem Sie jetzt beide Funktionen tragen, als Innenminister und als Justizminister, dass Sie da vorsichtig sind. An der Stelle werden wir Sie im Auge behalten.
Auf die Fragen des Bodenverkehrs und des Grundstücksmarktes werde ich, weil meine Redezeit abgelaufen ist, zum Ende der Debatte noch zu sprechen kommen. Es geht nämlich, um es gleich zu sagen, um die Frage der Gebühren. - Herzlich Dank.
Danke schön, Herr Becker. - Bevor ich Herrn Minister Püchel das Wort zur Antwort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Heideschule Gossa, die heute dem Landtag zuhören, sowie Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Schönebeck. Herzlich willkommen!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich die vielen öffentlich bestellten Vermessungsingenieure begrüße, die anwesend sind und dem Disput zwischen Herrn Becker und mir folgen möchten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann zunächst einmal festgehalten werden, dass die Große Anfrage der CDU-Fraktion zum Katasterwesen bestens geeignet ist, Zwischenbilanz über die erfolgreiche Entwicklung des amtlichen Vermessungswesens im Lande zu ziehen. Insofern danke ich der Fragestellerin für diese Möglichkeit.
Mit der Vermessungs- und Katasterverwaltung haben Sie sich einen Bereich der Landesverwaltung herausgesucht, der sehr gut organisiert ist, sich durch einen hohen Innovationsgrad auszeichnet und ohne weiteres als Vorreiter bei der Verwaltungsmodernisierung bezeichnet werden kann. Wenn Sie sagen, das sei meine beste Verwaltung, dann sage ich, das ist eine meiner besten Verwaltungen. Ich habe noch mehr. Dazu gehören die Polizei usw. Und alle arbeiten sehr, sehr gut, aber natürlich auch diese.
Meine Damen und Herren! Als ich die Anfrage erstmals las, konnte ich meine Bewunderung nicht verbergen, welche Schwerpunkte der Fragesteller gesetzt hat und wie detailliert und spezifisch die Fragen gestellt worden sind, auch wenn Ihnen an der einen oder anderen Stelle offensichtlich doch nicht alle Hintergrundinformationen zur Verfügung gestanden haben. Aber auch hier geht die Antwort der Landesregierung, wie Sie beim Lesen sicher festgestellt haben, auf jedes Detail fundiert und erschöpfend ein.
Bevor ich mich im Einzelnen mit den Fragen beschäftige, möchte ich Ihnen, lieber Herr Kollege Becker, in aller Öffentlichkeit zu Ihren profunden Kenntnissen im Vermessungs- und Katasterwesen gratulieren.
- Das ist einen Beifall wert. - Hätte man einen Katasteramtsleiter oder einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur beauftragt, eine solche Große Anfrage zu formulieren, hätten sie es garantiert nicht besser gekonnt. Also meine Hochachtung vor Ihrem fachlichen Können, Herr Kollege.
An der Großen Anfrage zeigt sich auch, wie weise der Landtag entschieden hat, als er die neue Inkompatibilitätslösung für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte beschlossen hat; denn als Oberbürgermeister Ihrer Stadt wären Sie zwar geistig, jedoch zeitlich kaum in der Lage gewesen, solche detaillierten und kniffligen Fragen zu formulieren.
Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass es etwas ungewöhnlich ist, wenn ein Innenminister den innenpolitischen Sprecher der größten Oppositionspartei so lobt, und das dazu noch wenige Wochen vor den Wahlen. Aber er hat es in diesem Fall einfach verdient. Wo er gut ist, da ist er einfach gut.
Meine Damen und Herren! Ein auffallend großer Teil der Anfrage beschäftigt sich mit den ÖbVIs. Allerdings wäre
es falsch, das amtliche Vermessungswesen ausschließlich im Hinblick auf die Interessen der ÖbVIs zu betrachten. Ich kann Ihnen für eine objektive Beurteilung nur empfehlen, sich Informationen auch von der für das amtliche Vermessungswesen originär und umfassend zuständigen Vermessungs- und Katasterverwaltung einzuholen.
Die Beantwortung der Anfrage hat viel Zeit und Energie gekostet. Ich kann heute nur auf einige Aspekte eingehen. Aus Zeitgründen will ich an dieser Stelle keine weiteren Ausführungen zur Entwicklung der Vermessungs- und Katasterverwaltung machen, sondern auf den heute in diesem Hause diskutierten Antrag zur Verwaltungs- und Funktionalreform verweisen.
Für mich ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass der Ansatz des aktivierenden Staates auch eine maximale Mitwirkung der ÖbVIs als mittelbare Träger staatlicher Gewalt beinhaltet. In diesem Fall muss ich Ihnen sagen, Herr Becker, wenn Sie bei den ÖbVIs von Privatisierung sprechen, ist das falsch. Es bleibt eine Staatsaufgabe. Das ist keine echte Privatisierung.
- Aber das ist keine Privatisierung. - Die privatisierbaren Aufgabenanteile am Vermessungswesen, Herr Becker, sind von Beginn an Privaten übertragen worden. So führen die Vermessungs- und Katasterbehörden in Sachsen-Anhalt im Gegensatz zu anderen Bundesländern ausschließlich hoheitliche Vermessungen aus. Andere Vermessungen, zum Beispiel ingenieurgeodätische Vermessungen wie Trassierungen, werden nur im Bereich des echten privaten Vermessungswesens erledigt.
Auch bei der Führung des Geo-Basisinformationssystems beschränkt sich die Vermessungs- und Katasterverwaltung anders als in anderen Bundesländern auf den obligatorischen hoheitlichen Mindestanteil.
Weiterhin sind im Land Sachsen-Anhalt alle Gemeinden und alle Landkreise für ihr Gebiet mit Auszügen aus dem Liegenschaftsbuch und aus der Liegenschaftskarte ausgestattet. Änderungen werden ihnen ständig kostenfrei mitgeteilt. Auf Wunsch kann jede kommunale Gebietskörperschaft diesen Dienst online beziehen. Die großen Städte Sachsen-Anhalts machen hiervon bereits Gebrauch.
Damit ist für alle kommunalen Gebietskörperschaften auch die Möglichkeit eröffnet, den Bürgerinnen und Bürgern Einblick in die Nachweise des Liegenschaftskatasters zu gewähren. So ist das Liegenschaftskataster bereits heute im kommunalen Teil flächendeckend vorhanden, das heißt bei allen Gemeinden.
Untersuchungen haben ergeben, dass ca. 80 % aller Bürgeranfragen hinsichtlich der Einblickgewährung von den Gemeinden abgedeckt werden können. In den anderen Fällen sind die Katasterämter in der Lage, Auszüge sofort zu übersenden, in Kürze auch elektronisch.