Meine Damen und Herren! Sie bemängeln, dass das Gesetz nicht ausreichend greift. Das sehe ich ganz genauso. Aber warum ist das so? Die Frau Ministerin hat vorhin schon auf einiges aufmerksam gemacht; ich sehe das auch so. Die Wirtschaft und ihre Verbände haben bei der Umsetzung der von ihnen eingeforderten Rahmenbedingungen mitzuwirken. Ein Gesetz an sich sorgt noch nicht für eine Veränderung der wirtschaftlichen
Wenn notwendig, muss man das Gesetz erneut auf den Prüfstand stellen, aber das werden wir heute nicht leisten können.
Meine Damen und Herren von der CDU, kritisieren Sie eigentlich immer nur an der Oberfläche? Befassen Sie sich endlich mit den Ursachen. Versuchen Sie, diese zur Kenntnis zu nehmen und als konstruktive Opposition zu ändern.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren, wie bereits aufgeführt, werden nach einer Aktuellen Debatte keine Beschlüsse gefasst. Damit ist die Beratung über das zweite Thema der Aktuellen Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.
a) Entwurf eines Gesetzes über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (Straftä- ter-Unterbringungsgesetz - StrUBG)
b) Entwurf eines Gesetzes über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (Straftä- ter-Unterbringungsgesetz - StrUBG)
Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat ist vereinbart worden, diese drei Vorlagen zusammen zu behandeln. Zunächst werden die Vorlagen eingebracht. Danach erfolgt eine zusammengefasste Diskussion mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion. Im Anschluss daran wird über jede Vorlage gesondert abgestimmt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben mit diesem Gesetzentwurf eine Initiative aufgenommen, die schon seit längerer Zeit diskutiert wird. Tatsächlich kann man feststellen - das zeigt wohl auch die Tatsache,
dass die SPD-Fraktion einen in wesentlichen Punkten gleichen Gesetzentwurf eingebracht hat -, dass wir uns damit einem Problem zugewandt haben, das dringend der Lösung bedarf.
In sachlicher Hinsicht könnte man dieses Problem vielleicht wie folgt beschreiben: Wir haben hierbei eine Situation, die zwar nicht allzu häufig auftritt, die jedoch, wenn sie auftritt, katastrophale Folgen hat. Zu dieser Situation könnten wir vielleicht Folgendes sagen: Wir haben sichere Anhaltspunkte dafür, dass wir einen zukünftigen Täter kennen; wir können ziemlich sicher sein, dass dieser potenzielle Täter schlimme Taten begehen wird, wir kennen allerdings das potenzielle Opfer noch nicht.
Um die besondere Schwierigkeit des Falles deutlich zu machen, erlaube ich mir, Aussagen des baden-württembergischen Innenministers Herrn Schäuble zu einem Hintergrundfall zu zitieren, die dieser bei der Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes in den Landtag von Baden-Württemberg gemacht hat. Er hat geschildert, dass Mitte der 90er-Jahre Folgendes passiert ist ich verkürze seine Ausführungen etwas, sodass ich es nicht als wörtliches Zitat verlese -: Ein Sexualstraftäter, mehrfach vorbestraft, sitzt in der Justizvollzugsanstalt Freiburg ein. Die Haftzeit nähert sich dem Ende. Der Anstaltsleiter in Freiburg, der die Gefahr, die von diesem Mann ausgeht, kennt, hat - so Innenminister Schäuble händeringend die Justizverwaltung in Baden-Württemberg darauf aufmerksam gemacht, dass ihm nichts anderes übrig bleibe, als diesen aus seiner Sicht nach wie vor hochgefährlichen Mann demnächst in die Freiheit zu entlassen, weil die Strafe bald abgelaufen sei.
Er wandte sich an die Stadt Freiburg mit der Anregung, polizeirechtlich etwas zu tun. Das war nicht möglich. Er wandte sich an das Justizministerium in Stuttgart und hat gemeinsam mit diesem überlegt, ob man etwas tun könnte. Auch daraufhin geschah nichts.
Der Mann musste trotz all dieser Vorwarnungen und der Bemühungen des Anstaltsleiters entlassen werden. Die Konsequenz war folgende: Sofort nach seiner Freilassung brachte dieser Mann eine Studentin in seine Gewalt, war als Entführer mit ihr als Geisel tagelang im Schwarzwald unterwegs und hat sie in furchtbarer Weise verletzt und vergewaltigt. Nur mit Glück kam sie mit dem Leben davon.
Das ist das, was ich vorhin abstrakt beschrieben habe. Wir haben einen potenziellen Täter, den wir kennen, und wir wissen, dass von diesem eine starke, konkrete Gefahr ausgeht. Wir haben jedoch bisher kein rechtliches Instrumentarium, um die uns zu diesem Zeitpunkt unbekannten Opfer vor dieser Gefahr zu bewahren. Das ist unser Problem. Mit unserem Gesetzentwurf versuchen wir, nunmehr unterstützt von der SPD-Fraktion, dieses Problem zu lösen.
Ich denke, es liegt auf der Hand, dass hierbei Handlungsbedarf besteht. Die Schwierigkeit liegt im rechtlichen Bereich,
und zwar auf zwei Ebenen. Das eine Problem ist, dass wir mit unseren Überlegungen in Grundrechte eingreifen.
In Grundrechte sollte nur eingegriffen werden, wenn es im Verhältnis zu der vorhandenen Gefahr und in einer Beziehung zu dem ermittelten Sachverhalt vertretbar ist. Ich meine - ich beziehe mich auf den geschilderten Fall -, in einem solchen Fall wäre es vertretbar. Man muss alle Sicherungen einbauen. Ich denke, wir haben in unserem Gesetzentwurf Sicherungen eingebaut.
Aber wir haben ein zweites Problem. Gegenwärtig wird bundesweit - das wissen alle - sowohl über den Gesetzentwurf des Landes Baden-Württemberg wie über den des Landes Bayern, der kürzlich beschlossen worden ist, wie über unseren Gesetzentwurf unter dem Gesichtspunkt diskutiert: Haben wir dafür überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz?
In Artikel 74 des Grundgesetzes steht dazu, dass die Frage der Strafverfolgung und des Strafvollzugs eine Frage der konkurrierenden Gesetzgebung ist. Ich denke, dass man davon ausgehen kann, dass in diesem Bereich ganz wesentlich die konkurrierende Gesetzgebung vom Bund in Anspruch genommen worden ist, also im Wesentlichen ausgeschöpft ist. Das heißt, wenn wir die Problemlösung, die ich für unabdingbar halte, angehen wollen, ohne dass wir zu große Risiken eingehen, wäre es eigentlich richtig gewesen, der Bund hätte hier gehandelt.
Ich bedauere es zutiefst, dass der Bund in Kenntnis solcher Fälle - - Es sind zwar wenige Fälle, aber wenn sie eintreten, sind sie ganz schrecklich. Mich stört an der Diskussion auf Bundesebene und auch in Teilen dieses Hauses, dass wir in die Augen des Täters blicken und über seine Rechte zwar zu Recht nachdenken, aber dass wir es unterlassen, uns vorzustellen, was mit den uns unbekannten potenziellen Opfern geschieht, denen wir noch nicht in die Augen sehen können, weil wir sie noch nicht kennen.
Sind wir nicht manchmal zu freundlich oder auch rechtlich zu besorgt im Interesse derjenigen, die uns ansehen können, und opfern ihnen andere, die wir noch nicht kennen, Kinder, hilflose Frauen, möglicherweise auch hilflose Männer, denen wir unsere Zuwendung nur deswegen nicht geben, weil wir sie noch nicht kennen? Das ist ein Abwägungsproblem, meine Damen und Herren, das wir nicht ernst genug nehmen können. Mir wäre es lieb, wenn der Bund da Manns genug oder - in diesem konkreten Fall muss ich es so sagen - Frau genug gewesen wäre zu sagen: Wir nehmen das im Rahmen unserer Kompetenz an uns und lösen das Problem.
Jetzt wird uns das Problem mit Eleganz in den Schoß gelegt und aus dem Bundesjustizministerium hören wir: Ihr habt doch eine Polizeirechtskompetenz, versucht es doch darüber.
Deswegen müsste eigentlich Herr Becker hier stehen. Aber ich denke, da es ein gemeinsames Anliegen ist, müssen wir uns über die Frage der Zuständigkeit als Innen- oder Rechtsproblematik nicht lange streiten.
Wichtig ist nur, dass wir unsere Gesetzgebungskompetenz aus dem Aspekt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ableiten müssen. Das macht eine solche Initia
tive angreifbarer, als wäre es eine Bundesinitiative unter Berufung auf Artikel 74 des Grundgesetzes und man die Kombination dort finden würde.
Weil uns das Problem aber so auf den Nägeln brennt, haben wir, wie vor uns schon Baden-Württemberg, gesagt: Wenn die Frau Justizministerin, aus welchen Gründen auch immer, sich bei klarer Zuständigkeit weigert, das Problem zu lösen, müssen wir es selbst aufspießen. Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht.
Das Gesetz - darauf will ich noch hinweisen - kann nur greifen, wenn durch eine entsprechend besetzte Kammer festgestellt werden kann, dass eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer gegeben ist. Ich meine aber, in diesen Fällen muss es auch eingreifen.
Ich meine, wir sollten über den Gesetzentwurf auch in Abwägung der insbesondere hinsichtlich der Befristung der Unterbringung von der SPD eingebrachten Variationen im Ausschuss beraten. Ich denke, wir sollten über diesen Gesetzentwurf Anfang des nächsten Jahres beschließen. Das sind wir den unbekannten möglichen Opfern dieser potenziellen Täter schuldig.
Ich möchte Sie bitten, unserem Gesetzesvorschlag nach entsprechend sorgfältiger Ausschussberatung zuzustimmen. - Schönen Dank.