Protocol of the Session on December 14, 2001

Meine Damen und Herren! Die „Mitteldeutsche Zeitung“ ist offenbar einmal wieder Opfer ihrer selbst geworden, wie so oft in der jüngsten und auch der längeren Vergangenheit.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, auch Sie sind dieses Mal offenbar Opfer dieser schlechten und mangelhaften Recherchen der Redakteure der „MZ“ geworden, die, immer auf der Jagd nach Sensationen, fast im „Blöd“-Zeitungs-Stil jeden Zuruf, jede Denunziation ohne Prüfung zum Abdruck bringen und erst hinterher merken, dass vielleicht alles ganz anders gewesen ist, und es dann aber nicht so berichten. Jetzt hat es also auch Sie erwischt. Es ist eben nicht alles wahr, was in der Zeitung steht.

(Zuruf von Herrn Schomburg, CDU)

Ein Betriebsratsvorsitzender ist nicht unbedingt ein kompetenter Partner in einem Interview in diesem Zusammenhang mit der „Mitteldeutschen Zeitung“. Der Betriebsratsvorsitzende Ott von der HMB hat seiner Firma mit der Berichterstattung über bestehende Liquiditätsprobleme und bevorstehende Entlassungen, denke ich, einen Bärendienst erwiesen. Herr Ott hat bestimmt gemischte Gefühle, wenn er heute zur Aufsichtsratssitzung fliegt.

Die Bundesbaugesellschaft bestreitet entschieden den Vorwurf schlechter Zahlungsmoral - obwohl es diese natürlich gibt; wir bestreiten sie, aber nur in diesem speziellen Fall - mit dem Verweis auf externe Gutachten, nach denen beim Rohbau des Bundeskanzleramtes ca. 82 Millionen DM zu viel verlangt worden seien.

Auch hierzu ist eine Prüfung erforderlich. Erst nach dem Abschluss dieser Prüfung kann man eine moralische Bewertung abgeben. Aber nur in diesem speziellen Fall.

Zugegebenermaßen besteht hier auf jeden Fall Handlungsbedarf, und zwar durch die verantwortlichen Politiker. Vielleicht sollte man bei den gesetzlichen Bestimmungen dahin gehend etwas ändern, dass man die Zahlungsmodalitäten und die Zahlungsverpflichtungen anders regelt.

Auch das Unternehmen HMB, meine Damen und Herren, bestreitet, irgendwelche Zahlungs- und Liquiditätsprobleme zu haben. Das stand dann allerdings in einem anderen Artikel in der „Mitteldeutschen Zeitung“. Der Vorstandsvorsitzende der Halleschen Mitteldeutschen Bau AG sagte:

„Wir haben genug Arbeit und unser Auftragsbestand beträgt zurzeit 100 Millionen DM. Jüngste Aufträge sehen den Bau eines Kraftwerkes und einer Autobahn in Bulgarien sowie eines Klärwerkes in der Türkei vor.“

Meine Damen und Herren! Im Verlauf eines Bauvorhabens in dieser Größenordnung kommt es immer wieder zu Veränderungen - auch das wurde gesagt -, sodass Klagen und Vergleiche im Anschluss an eine so große Baumaßnahme nicht ungewöhnlich sind.

Nach den letzten Meldungen stellt die HMB Unterlagen mit der Hausbank zusammen bzw. beabsichtigt, dies zu tun, um eine Landesbürgschaft zu beantragen, die wegen der noch ausstehenden Zahlungen für den Bau des Bundeskanzleramtes wohl notwendig ist. Natürlich setzen wir uns dafür ein, dass diese Landesbürgschaft gegebenenfalls gewährt wird. Aber auch für Arbeiten am so genannten Spreebogen-Tunnel sind Zahlungen in Millionenhöhe noch nicht geleistet worden. Auch hier besteht Handlungsbedarf.

Meine Damen und Herren! Ob die Vorfälle um die HMB genug Diskussionsstoff für eine Aktuelle Debatte bieten, wird wohl Ihr Geheimnis bleiben, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, aber ich habe an Ihren Ausführungen, Herr Gürth, gemerkt, dass selbst Ihnen im Nachhinein am 12. und 13. Dezember aufgefallen ist, dass das Thema nicht genug Stoff bietet. Dennoch besteht natürlich das Problem der schlechten Zahlungsmoral tatsächlich.

Das Schlimmste an dieser Geschichte ist, dass gerade die öffentliche Hand hierbei mit schlechtem Beispiel vorangeht. Das bleibt ein Thema und das bleibt auch ein Problem. Das ist zu lösen.

Erinnert sei an dieser Stelle an die unendliche Geschichte des Gewerbegebietes Cochstedt mit dem Flughafen. Durch unprofessionelles Handeln der Landesregierung entgingen dem Land Sachsen-Anhalt schlappe 90 Millionen DM. Als dann im Frühjahr der Flughafenausbau wieder einmal auf der Kippe stand und die 20 beteiligten Aus-, Um- und Neubaufirmen auf ihr Geld warteten, reiste Frau Ministerin Budde mit Gefolge an und versprach den Firmen die Begleichung der aufgelaufenen Rechnungen in Höhe von 3,5 Millionen DM nach Abschluss der Arbeiten - das passt genau in dieses Thema - im Oktober dieses Jahres. Die Rechnungen sind bis heute nicht beglichen, und zwar unter den verschiedensten Vorwänden. Die Ausreden von Frau Ministerin Budde variieren von „nicht zugesagt“ bis zu „Die Zahlungsempfänger Flughafen GmbH sind keine Partner mehr.“

Durch diese Misswirtschaft der Landesregierung gibt es jetzt 200 Arbeitsuchende mehr in Sachsen-Anhalt. Ich glaube, das würde auch einen guten und wichtigen Diskussionsstoff für eine Aktuelle Debatte bieten.

Die schlechte Zahlungsmoral, meine Damen und Herren, ist tatsächlich ein gesellschaftliches Problem. Das hat Frau Ministerin Budde eben noch einmal deutlich gemacht. Aber in dieser Hinsicht müssen Sie, Frau Ministerin, sich an die eigene Nase fassen. Ich kann Herrn Gürth an dieser Stelle nur Recht geben: Sie müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn eine Vielzahl von Unternehmen darüber klagt, dass die öffentlichen Auftraggeber die säumigsten Zahler sind, dann ist das tatsächlich ein Problem der derzeit verantwortlichen Politiker. Das müssen Sie zunächst für sich selbst lösen, erst dann, denke ich, kann man verlangen, dass Gesetze geändert und umgesetzt werden. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir haben neue Gäste. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler der Diesterweg-Sekundarschule Genthin sowie Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Gröbzig.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Eckel für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weil Herr Gürth auch die Zahlungsmoral privater Haushalte ansprach, möchte ich meine Ausführungen mit einem Beispiel beginnen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie mich, so wie ich hier stehe, unter Umständen auch für einen ehrbaren Kaufmann halten könnten.

(Herr Dr. Köck, PDS: Nein! - Heiterkeit bei der PDS)

- Es waren wenige Gegenstimmen. Ich gehe also davon aus.

(Herr Schomburg, CDU: Ganz wichtig ist es, aus welcher Ecke die kamen!)

Stellen Sie sich bitte vor, ich hätte als ehrbarer Kaufmann mit der aus meiner Sicht nötigen kaufmännischen Sorgfalt einem ehrbaren Zeitzer Bürger und Kunden nennen wir ihn einmal Reiner Eckel - eine nicht ganz billige Küche geliefert und sie bei ihm Zuhause eingebaut. Nun hat mich der ehrbare Kunde auf einige Mängel hingewiesen, die ich aber mit dem Hinweis darauf, dass ich aus meiner Sicht die nötige Sorgfalt hätte walten lassen, nicht anerkenne. Die Unterschrift des ehrbaren Kunden hätte ich gern auf dem Lieferschein, sie wird mir aber mit dem Hinweis auf die aus seiner Sicht mangelhafte Sorgfalt bei der Montage verwehrt. Also stelle ich dem ehrbaren Kunden Eckel die Rechnung zu, die dieser aber aufgrund seiner aus meiner Sicht schlechten Zahlungsmoral nicht begleicht.

Weil ich als ehrbarer Kaufmann solches nicht dulde, bereite ich mit der nötigen kaufmännischen Sorgfalt eine Pressemitteilung vor und stelle meine Außenstände dar, die natürlich allein infolge der schlechten Zahlungsmoral solch ehrbarer Leute, wie beispielsweise des Kunden Eckel, entstanden sind. Die Pressemitteilung findet dann auch ein entsprechendes Echo.

In unzähligen Leserbriefen wollen alle möglichen Menschen schon vorher gewusst haben, wo das einmal endet mit der schlechten Zahlungsmoral. Über die Leistungsmoral hingegen spricht niemand.

Das, meine Damen und Herren - ich lasse offen, wie die Geschichte ausgeht -, ist auch das Problem. Mit dem Beispiel in zugegeben kleiner Dimension wollte ich darauf hinweisen, dass wir, wenn wir über die Zahlungsmoral sprechen, gleichzeitig auch über die Leistungsmoral sprechen müssen. Tun wir das nicht, laufen wir Gefahr, das Ziel zu verfehlen.

Gerade das Beispiel der HMB, das den Antrag zur Aktuellen Debatte auslöste, beweist diese Notwendigkeit; denn offensichtlich hat - jedenfalls nach einem Gutachten - der Bauherr eben doch berechtigte Gründe, die Zahlung vorzuenthalten.

Ich stelle in dem Antragsteller dieser Aktuellen Debatte nicht den ehrbaren Politiker infrage, erlaube mir aber den Hinweis, dass wir uns dem Thema der Zahlungsmoral mit der nötigen Sorgfalt und ohne jeden Populismus zu nähern haben. In der öffentlichen Diskussion geht man mir gegenwärtig zu schnell davon aus, dass vornehmlich Zahlungsverzüge infolge der hier diskutierten schlechten Zahlungsmoral der Grund für Unternehmenspleiten im Baugewerbe sind. Dafür gibt es, wie wir wissen, eine Vielzahl weiterer Gründe.

Oft genug stellen wir auch bei Recherchen in von Zahlungsverzügen betroffenen Unternehmen fest, dass deren Forderungsmanagement völlig uneffizient ist. Gelegentlich kann man überhaupt nicht mehr von Management reden. Oft genug ist es aber auch so, dass Auftraggeber eben nicht durch Vorsatz oder bewusste Vorteilsnahme zu Schuldnern werden. Es gibt Zahlungsverzögerungen durch von Schuldnern nicht zu beeinflussende Faktoren. Nicht immer sind die Gläubiger automatisch in der vermeintlich schwächeren Position, wenn sie die jetzt bereits gegebenen Möglichkeiten voll ausschöpfen.

Dennoch teilen wir die Auffassung, dass auch mit gesetzlichen Regelungen den Folgen des weiteren Verfalls der Zahlungsmoral und - das füge ich bewusst hinzu der Leistungsmoral begegnet werden muss. Daran, ob das per Gesetz überhaupt grundsätzlich zu bewerkstelligen ist, habe ich jedenfalls so lange Zweifel, wie Geschäftspartnerschaft, Vertragstreue und Fairplay im Geschäftsverkehr in unserer Gesellschaft an Akzeptanz und Stellenwert verlieren.

Die Wiedereinsetzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Zahlungsmoral ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Regierungsebene nach fast zwei Jahren des Bestehens des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen weiteren Handlungsbedarf sieht. Obwohl das Gesetz das Vertragsrecht verbessert, den Zahlungsfluss beschleunigt und das Vorleistungsrisiko des Bauhandwerkers minimiert hat, gibt es allen Anlass, weiteren Vorschlägen und Möglichkeiten nachzugehen.

Meine Damen und Herren! Dabei wird es uns passieren, dass sich manche Vorschläge, die bereits in Wahlprogrammen und -thesen publiziert werden, als Seifenblasen oder als folgenlos herausstellen. Ist beispielsweise dem Vorschlag Sachsens zur Erweiterung des Aufgabenbereiches für den Anspruch auf Sicherheitsleistungen noch Sinnhaftigkeit zu unterstellen, so fehlt mir jede Vorstellung davon, wie der Ausbau von eingesetztem

Material auf den Baustellen säumiger Zahler praktisch und rechtlich überhaupt funktionieren soll.

(Zuruf von Herrn Schomburg, CDU)

Schwer vorstellbar ist auch die Umsetzung des Vorschlages der CDU-Fraktion zur Erweiterung von Straftatbeständen, die zum Ausschluss von Funktionen des Geschäftsführers oder Vorstandes einer AG führen sollen. Wenn Sie das GmbH-Gesetz und das Grundgesetz richtig lesen, werden Sie sich am Ende die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer solchen Absicht selbst stellen müssen.

(Herr Gürth, CDU: Das ist in der Initiative des sächsischen Justizministeriums enthalten!)

Auch Begehren wie die Erweiterung der Auskunftsmöglichkeiten und die Ausschreibung von Schuldnern zur Aufenthaltsermittlung zeigt, dass uns in Fragen der Zahlungsmoral aus dem Boden gestampfte Vorschläge in der Praxis jedenfalls wenig weiterhelfen.

Wir könnten uns heute noch über eine Vielzahl weiterer Vorschläge unterhalten. Am Ende wird wichtig sein, ein umfassendes, praktikables Gesetz zu verabschieden und nicht mit kurzatmigen Maßnahmen zu hantieren, die spätere Operationen nötig machen.

Meine Damen und Herren! Ich denke, Sie stimmen mit mir überein, wenn ich abschließend feststelle, dass es wirtschaftlich überhaupt nicht hinnehmbar ist, wenn Unternehmen wegen bewusster Vorteilsnahme anderer nicht überleben. Wir müssen in dieser Hinsicht etwas tun. Dennoch müssen wir bei allen Vorschlägen zur Beschleunigung der Zahlung und der Absicherung von Vorleistungen beachten, dass von denen, die wir schützen wollen, auch ordnungsgemäße Arbeit geleistet wird.

Keine gesetzliche Regelung kann zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn nicht der Anspruch des Bauherrn auf ein mängelfreies Bauwerk erhalten bleibt; denn Zahlungsmoral und Leistungsmoral bedingen einander, wie sich kürzlich in der Küche eines ehrbaren Zeitzer Bürgers zeigte.

Erlauben Sie mir noch einen Satz zu Ihrem Vorschlag, der Bundeskanzler möge aus dem Bundeskanzleramt ausziehen. Ich gehe davon aus, dass unabhängig davon, ob Sie Ihre K-Frage lösen oder nicht, der Bundeskanzler selbst nach der Bundestagswahl nicht aus dem Bundeskanzleramt ausziehen wird. - Danke schön.

(Frau Weiß, CDU: Was soll denn das jetzt? So ein Quatsch!)

Herr Eckel, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Gürth zu beantworten?

Bitte.

Bitte, Herr Gürth.

Herr Kollege Eckel, es sind zwei Fragen. Ist Ihnen bekannt, dass die Passage bezüglich des GmbH-Gesetzes, die Sie als vermutlich nicht machbar und als nicht

verhältnismäßig kritisierten, sogar Inhalt der Initiative des sächsischen Justizministeriums ist und dass genau diese Passage, soweit mir dies mitgeteilt wurde, auch Bestandteil der Beratungen der Justizministerkonferenz war?

Die zweite Frage zu Ihrer Kritik in Bezug auf den Ausbau von Werkmaterial: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass zum Beispiel ein Heizungsbauer, der in ein Bauwerk eine Heizung einbaut, die Rechnung erst dann schreiben kann, wenn er den Probelauf durchgeführt hat, was natürlich Sinn macht, nach dem Probelauf aber, selbst wenn der Bauherr nicht zahlen kann oder nicht zahlen will, nicht mehr die Chance hat, die Heizkörper wieder auszubauen? Sollte er nicht das Recht haben, wenigstens einen Teil der Materialien zu sichern, um den Verlust, der ihm droht, damit zu mindern? Ähnlich ist es mit Fenstern und ähnlichen Dingen. Meinen Sie nicht, dass es nicht doch praktikabel und sinnvoll wäre, hier etwas zu verändern?

(Ministerin Frau Schubert: Das besprechen wir gerade in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe! Ge- nau das!)