Protocol of the Session on December 14, 2001

tenzniveaus, die jetzt in der Pisa-Studie gefordert werden, nämlich die selbständige Anwendung auf komplexe Themenstellungen, hatte auch die DDR-Schule ein Problem, genauso wie die Schule der alten Bundesrepublik.

(Zustimmung von Herrn Siegert, SPD)

Deswegen geht es um ein neues Lernverständnis in diesem Zusammenhang. Ich möchte deshalb darum bitten, dass wir die Prediger der einfachen Lösungen - beispielgebend sei der Vorsitzende des Philologenverbandes genannt, der das gestern in der „Volksstimme“ geradezu als Exempel statuiert hat - wieder an den Tisch zurückholen und den Weg gehen, den Frau Feußner dargestellt hat, nämlich wirklich die konstruktive gemeinsame Debatte im Ausschuss, aber vor allen Dingen auch in der Öffentlichkeit und in den Schulen zu führen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS, von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist das erste Thema der Aktuellen Debatte beraten.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

Gefährdung von Arbeitsplätzen durch schlechte Zahlungsmoral

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/5183

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: CDU, FDVP, SPD, DVU, PDS. Zunächst hat der Antragsteller, die CDU, das Wort. Danach wird Ministerin Frau Budde das Wort ergreifen. Bitte, Herr Gürth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Presse war zu entnehmen, dass der Landesvorsitzende der IG Bau den Verlust von Arbeitsplätzen in dem größten Bauunternehmen des Landes SachsenAnhalt befürchtet. Bis zu 174 Arbeitsplätze seien in Gefahr, weil ausgerechnet die Bundesregierung Rechnungen in Höhe von 81 Millionen DM für den Bau des Bundeskanzleramtes nicht bezahle.

Die CDU-Fraktion hat den Vorgang recherchiert und ihn zum Anlass genommen, hier in einer Aktuellen Debatte über dieses Thema zu sprechen, weil immer mehr mittelständische Baubetriebe wegen der verlotterten Sitten im Geschäftsverkehr Insolvenz anmelden müssen und nun auch noch ausgerechnet die Bundesregierung einer Baufirma aus Sachsen-Anhalt die Bezahlung der erbrachten Leistungen verweigert.

Die Tatsache, dass Bundeskanzler Schröder den Aufbau Ost angeblich zur Chefsache gemacht hat, jedoch die Bundesbaugesellschaft sachsen-anhaltinischen Firmen noch nicht einmal die Rechnungen für den Bau des Bundeskanzleramtes bezahlt, ist ein Skandal, der nicht wortlos hingenommen werden kann.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU)

Ich fordere die Landesregierung, aber auch die SPDBundestagsabgeordneten auf, den Bundeskanzler zu einer schnellen Lösung dieser delikaten Angelegenheit zu drängen. Wo kommen wir hin, wenn jetzt schon selbst der Bundeskanzler sich weigert, den Bauunternehmen die Rechnungen für den Bau des Bundeskanzleramtes zu bezahlen? Wenn dies Schule macht, wird Deutschland zur Bananenrepublik.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Büch- ner, DVU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist aber nur die Spitze eines Eisberges namens Zahlungsunmoral, welcher jährlich Tausende Handwerker in den Ruin treibt und Menschen arbeitslos macht. Im Jahr 1999 gab es in Sachsen-Anhalt 1 549 Unternehmensinsolvenzen; im Jahr 2000 hat sich ihre Zahl auf 1 644 erhöht. Damit hat Sachsen-Anhalt bundesweit die höchste Insolvenzquote mit 245 Unternehmensinsolvenzen je 10 000 Unternehmen.

Dass die Lage in der Bauwirtschaft allgemein schlecht ist, ist kein Geheimnis, dass aber ausgerechnet das Land Sachsen-Anhalt wieder an der Spitze der Insolvenzstatistik stehen muss, sollte der Regierung Höppner zu denken geben. Dafür kann nicht die Konjunkturlage in den USA herhalten; dies hat vielleicht auch mit einer schleppend arbeitenden Justiz und der Mittelkürzung der Landesregierung für Investitionen zu tun.

Nach Auskunft von Creditreform verloren im letzten Jahr allein durch Unternehmensinsolvenzen 25 000 Menschen in Sachsen-Anhalt ihren Arbeitsplatz. Im Jahr 2000 wird die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihren Job durch Unternehmensinsolvenzen verlieren, auf 28 000 geschätzt. Die Gesamtsumme der Insolvenzschäden - denn überall bleiben auch Menschen und Firmen übrig, die den Schaden zu tragen haben - betrug im Jahr 2000 2,5 Milliarden DM.

Die meisten dieser Unternehmensinsolvenzen sind nicht wegen fehlender Auftragslage oder wegen Überschuldung, sondern durch Illiquidität wegen drastisch zunehmender Forderungsausfälle begründet. Das heißt, Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern, die bilanziell nicht überschuldet sind, gehen in Konkurs, weil in Deutschland die Nichtbegleichung von Rechnungen zum geduldeten Volkssport geworden ist.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Diese Verlotterung der Sitten im Geschäftsverkehr unter Unternehmen dehnt sich zunehmend auch auf private Haushalte als Auftraggeber aus.

Das bestehende Recht und insbesondere die Praxis der Rechtsprechung und Verfolgung dieser Vorgänge müssen dringend geändert werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Weil sich der Wettbewerb zunehmend verschärft und sich die Zahlungsgepflogenheiten dramatisch verschlechtert haben, müssen wir zum Schutz ehrbarer Kaufleute und Handwerker dringend die Rechtsgrundlagen und auch die Praxis ändern. Die öffentliche Hand muss hierbei wieder ausnahmslos zum Vorbild für die pünktliche Bezahlung erbrachter Leistungen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass die Bundesbaugesellschaft sich seit 1999 weigert, die Rechnungen für den Bau des Bundeskanzleramtes zu bezahlen, obwohl sie mit ca. 160 Nachträgen und

Änderungswünschen zur Verteuerung des Bauvorhabens selbst beigetragen hat, ist ein Skandal, der sich nicht wiederholen darf.

Wir fordern die Bundesregierung auf, nicht länger zu dulden, dass Regierungsbauten mit Schwarzarbeitern erstellt werden oder die Bezahlung von Rechnungen an solide Firmen monate-, ja jahrelang verweigert wird. Ich denke, Cochstedt könnte man auch nicht gerade als positives Beispiel mit erwähnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist unerträglich, dass Bundeskanzler Schröder zu der drohenden Pleite des Philipp-Holzmann-Konzerns mit einem Scheckbuch fährt, aber Baufirmen aus SachsenAnhalt noch nicht einmal die Rechnungen bezahlt.

(Zustimmung von Frau Liebrecht, CDU, und von Frau Schnirch, CDU)

Auch das Land Sachsen-Anhalt und die Kommunen müssen bei der Bezahlung ihrer Rechnungen Vorbild sein.

In einem marktwirtschaftlichen System darf es aber auch keine marktwirtschaftlichen Anreize für die Nichtbezahlung von gelieferten Waren und erbrachten Leistungen geben. Die jetzige Rechtslage ist leider so. Es ist für jede Firma und jeden privaten Auftraggeber günstiger, seine Lieferanten oder Handwerker nicht zu bezahlen oder die Zahlung monatelang hinauszuschieben, als einen Kontokorrent-Kredit bei seiner Hausbank aufzunehmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dann muss man sich nicht wundern, dass die Menschen und die Firmen diese Anreize auch annehmen. Es wird höchste Zeit, dass durch eine drastische Verteuerung der Verzugszinsen der wirtschaftliche Anreiz beseitigt wird, lieber die Bezahlung einer Rechnung hinauszuschieben und Verzugszinsen zu bezahlen, als bei der Hausbank einen Kredit aufnehmen zu müssen.

Auch die Dauer der anhängigen Verfahren muss drastisch verkürzt werden. Diese ist mit die Ursache für viele Insolvenzen. Es kann nicht länger geduldet werden, dass ein ehrlicher Handwerksmeister über zwei Jahre mahnen und prozessieren muss - manche noch viel länger -, um sich dann in einem Vergleich mit einem Bruchteil der ihm zustehenden Summe zufrieden geben zu müssen, weil ihm die Kraft für den weiteren Rechtsweg fehlt. Ich halte dies für unerträglich in einem Rechtsstaat.

(Herr Schomburg, CDU: Ein Skandal ist das!)

Aufgrund der Eigenkapitalschwäche ostdeutscher Unternehmen ist hierzulande eine so gravierende Benachteiligung vorhanden, dass sich niemand darüber wundern muss, dass ausgerechnet in den neuen Bundesländern so viele Unternehmen wegen Illiquidität in Insolvenz gehen müssen.

Ich halte es auch nicht für duldbar, dass man sich in Deutschland der Bezahlung von Rechnungen allein durch unbekannten Verzug entziehen kann. Die Zulassungsbehörden, das Kraftfahrtbundesamt und die Sozialversicherungsträger sollten deshalb künftig um Auskunft ersucht werden dürfen. Es kann doch nicht hingenommen werden, dass jedem Parksünder deutschlandweit hinterhergefahndet wird, es aber nicht möglich ist, die in Deutschland registrierten Daten abzufragen, damit

sich niemand der Bezahlung von Rechnungen allein durch unbekannten Verzug entziehen kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Hier muss eine zügige Veränderung stattfinden. Das ist auch dringend notwendig, um strittige Fälle vor Gericht endlich in einer kürzeren Frist, in einer angemessenen Zeit zu behandeln.

In den Ländern Hamburg und Berlin existieren landesweite Schuldnerverzeichnisse. In den übrigen Bundesländern, so auch in Sachsen-Anhalt, wird ein Schuldner nur in das Schuldnerverzeichnis des am Wohnsitz des Schuldners zuständigen Amtsgerichts eingetragen. Allein aufgrund des Wegzugs ist somit keine verlässliche Auskunft mehr möglich.

Deshalb sollte eine bundesweite Schuldnerdatei aufgebaut werden. Darin sollte jeder erfasst werden, der gemäß § 807 der Zivilprozessordnung oder nach § 284 der Abgabenordnung zum so genannten Offenbarungseid verpflichtet werden musste oder wenn Insolvenzverfahren mangels Masse gemäß § 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung abgelehnt wurden. Auch fruchtlose Sachpfändungen von Mehrheitsgesellschaftern sollten für eine Registrierung erwogen werden.

Es verfestigt sich zunehmend auch der Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund mangelnden Personals Strafanzeigen nicht weiterverfolgt, wenn ein ausreichendes öffentliches Interesse oder ein entsprechender Nachdruck nicht vorhanden ist. Ich frage die Landesregierung, was sie unternimmt, um eine Verkürzung der Verfahrensdauer in Sachsen-Anhalt zu erreichen und sicherzustellen, dass niemand die Chance hat, wegen mangelnden Interesses oder wegen der Überlastung der Staatsanwaltschaft sich Leistungen zu erschleichen, die er nicht bezahlen muss.

Meine Damen und Herren! Das geltende Strafrecht ahndet noch nicht einmal ausreichend die Zahlungsverweigerung für den Fall, dass alle vertraglichen Leistungen eines Werkvertrages pünktlich erbracht wurden. Erst wenn die betrügerische Absicht des Bestellers nachgewiesen werden kann, greift das Strafrecht. Dieser Nachweis ist jedoch so schwer und so langwierig, dass viele Unternehmen eine solche Prozessführung gar nicht überleben oder aus anderen Gründen kapitulieren.

Ich halte es für dringend erforderlich, dass die Staatsanwaltschaft konsequent Fälle untersucht, in denen offensichtlich Firmen oder private Personen für mehrere Konkurse infolge der Nichtbegleichung offener Rechnungen verantwortlich sind. Den schwarzen Schafen muss das Handwerk gelegt werden, damit sich ehrliche Arbeit wieder lohnt.

(Zustimmung bei der CDU)

Um auf den Ausgangspunkt der Debatte zurückzukommen: Dem Bundeskanzler empfehle ich, er sollte aus dem Kanzleramt ausziehen, solange er nicht für die Begleichung der Rechnungen für den Bau desselben gesorgt hat. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Wolf, FDVP, von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Kolde, DVU)

Danke sehr. - Das Wort hat jetzt die Ministerin Frau Budde.