Protocol of the Session on December 13, 2001

(Herr Scharf, CDU: Ergänzungsvorlage, nicht Nachtrag!)

- Ich kenne die Diskussion um die Ergänzungsvorlage in den letzten Jahren, Herr Scharf. Ihnen waren nicht genügend Seiten drin, Ihnen waren die Aussagen nicht weitgehend genug, und am Ende standen wir doch vor der Kritik von Ihnen, wir hätten einen Nachtragshaushalt vorlegen müssen. Herr Scharf, erinnern Sie sich bitte einfach an das, was Sie uns in den letzten Jahren vorgeworfen haben. Dazu machen wir beide im Ausschuss schon viel zu lange Politik.

Ich fahre mit einem fort: Wir diskutieren immer über die Ausgabenseite. Das machen wir zu 99 % zu Recht. Aber wenigstens einige wenige, auch vonseiten der CDUFraktion, die sich zu Wort gemeldet haben, sollten sich um die Einnahmesituation kümmern; denn das ist unser Problem.

Wir mögen über das KiBeG oder über ABM streiten. Ich weiß und ich hoffe, Sie wissen es auch, dass wir gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung in den letzten Jahren jedes Jahr in Größenordnungen Geld nicht einnehmen konnten. Seit dem Jahr 1995 - ich gehe bewusst auf dieses Jahr zurück, weil es mit dem FAG zu tun hat bis Ende 1998 haben wir gegenüber der Planung, die nicht wir machen, 1,3 Milliarden € nicht einnehmen können. Wir haben in dem Zeitraum von 1998 bis 2002 das ist unser aktueller mittelfristiger Finanzplanungszeitraum - 1 Milliarde € nicht einnehmen können. Das heißt, wir haben seit dem Jahr 1995 2,3 Milliarden € gegenüber der Planung nicht einnehmen können.

Jetzt können alle schreien, das ist eine Zahl, die ich mir nicht vorstellen kann. Ich sage: Wenn ich das nur auf die Steuern und den Länderfinanzausgleich beziehe, dann ist das wesentlich mehr als 25 % der Einnahmen eines Jahres.

Deshalb kann man nicht so tun, als ob man das mit etwas Kosmetik und Polemik wegbekommen hätte. Diese Situation ist nicht nur in Sachsen-Anhalt anzutreffen. Es betrifft alle öffentlichen Haushalte. Ich denke, es wäre deswegen nicht schlecht, wenn auch Sie mit ein biss

chen Realismus und Kenntnis von den Tatsachen in die politische Debatte eintreten.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Gallert, PDS, und von Ministerpräsident Herrn Dr. Höpp- ner)

Ich gebe gern zu - Herr Böhmer, ich saß in den ersten vier Jahren auch zwei Jahre lang im Finanzausschuss -, dass wir alle gehofft, gedacht und eigentlich erwartet haben, dass die Entwicklung ganz anders verläuft. Ich weiß, dass die Planungen von Theo Waigel - unabhängig von der Bundestagswahl - alle zu hoch waren und dass das Nachsteuern durch die Bundesregierung enorm schwierig war, um die eigenen Haushalte hinzubekommen. Ich weiß auch, dass Herr Eichel, der mit einem sehr großen Elan darangegangen ist, den Haushalt zu sanieren, jetzt selbst in der Klemme steckt. Aber das ist ein Problem bei allen.

Sicherlich trifft es die Haushalte, die keinen Speck oder Tafelsilber oder was auch immer - wie etwa Bayern hineinwerfen können, etwas härter. Aber es geht allen ähnlichen Ländern gleich, ob das Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt ist.

Wenn wir ehrlich sind, reden wir hierbei über Milliarden, während wir im Streit manchmal so tun, als wenn wir über Milliarden reden, und meinen eigentlich einstellige Millionensummen, vielleicht liegen wir manchmal sogar darunter. Manchmal stimmt die Verhältnismäßigkeit in der Debatte nicht. Das will ich Ihnen vorwerfen. Das ist letztendlich eine Pflicht für alle Finanzpolitiker, egal auf welcher Seite dieses Raumes sie sitzen.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Das sagen wir schon lange!)

Ich möchte zu einem nächsten Punkt kommen, der Verschuldung. Das ist auch wichtig. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung wollen wir bewusst die Verschuldung zurückführen. Das heißt, wir verzichten auf weitere Einnahmen. Das wird übrigens dadurch verstärkt - ich weiß nicht, wer von den Vorrednern es gesagt hat -, dass wir ab dem Jahr 2006 im Bereich des Solidarpakts mit erheblichen Einnahmenverlusten rechnen müssen. Das sind in jedem Jahr 120 Millionen €, die weniger zur Verfügung stehen werden, unabhängig davon, wer die Regierungsverantwortung tragen wird. Genauso wird es bei den EU-Mitteln sein.

Deswegen lassen Sie uns nicht nur darüber streiten - ich komme gleich dazu -, was auf der Ausgabenseite passiert, sondern lassen Sie uns auch einmal darüber reden, was in den ganzen Jahren auf der Einnahmenseite passiert ist und noch passieren wird. Das ist manchmal relativ unpolitisch und für die Opposition nicht sehr lukrativ, aber für die Finanzdiskussion ist es umso wichtiger.

Mit Blick auf das Thema Verschuldung möchte ich, - weil Sie sagen, ich soll Fehler zugeben - bevor ich einen Fehler zugebe, darauf hinweisen - ich unterstelle nicht böse Absicht -, dass es in der ersten Wahlperiode sehr wohl eine drastische Nettoneuverschuldung gab. Aber genau so, wie ich Ihnen damals unterstellt habe, dass es für sinnvolle Aufgaben gemacht wurde, ist es auch in den nächsten Wahlperioden passiert.

Wir haben ab dem Jahr 1995 versucht, das zurückzuführen. Das ist uns im Jahr 1997 nicht gelungen. Das gebe ich zu. Es war dieselbe Situation wie in diesem Jahr. Wir sind zu einem Zeitpunkt mit einer Steuermindereinnahme konfrontiert worden, zu dem wir politisch nicht so

stark waren, zu dem wir es aufgrund des Zeitpunktes und der handelnden Personen - das will ich auch zugeben - nicht geschafft haben, das Problem ähnlich zu lösen wie dieses Mal. Also haben wir alles draufgelegt, und daran knabbern wir noch heute.

Aber danach ist es in jedem Jahr zu einem relativ klaren Abbau gekommen. Wer da sagt, es sei nie etwas passiert, der lügt einfach. Ich könnte mich jetzt genauso hinstellen und polemisch sagen: Wenn das damals nicht passiert wäre, wären wir bei der Nettoneuverschuldung auf einem ähnlichen Stand wie Sachsen. - Nur werde ich mich hüten, das zu sagen. Aber ich denke, wenn man auf der einen Seite diskutieren will, dann muss man, wenn man realistisch sein will, das Ganze auch über die Zeit betrachten.

Weil ich auf das Ziel für das Jahr 2006, keine Nettoneuverschuldung mehr aufzunehmen, schon mehrfach hingewiesen habe: Ich bin gespannt, wie Sie sich dann hinstellen, wenn das wirklich geschafft worden ist, Herr Scharf. Sie haben heute - das habe ich bei Ihnen gehört, Herr Scharf - festgestellt, Sie glaubten nicht, dass es zu schaffen sei. Sie sprachen von der Bugwelle. Ich bin gespannt, wie Sie dann argumentieren werden, wenn das geschafft worden ist.

Ich komme zu den Personalkosten. Das ist wirklich eine Sache für sich. Da sind wir getrieben seit 1995. Ich will auch sagen: In den Jahren 1994 bis 1998 haben wir es uns zum Teil selber schwer gemacht.

(Herr Scharf, CDU: Da haben Sie aber andere Reden gehalten, Herr Bullerjahn!)

- Herr Scharf, lassen Sie mich doch einfach ausreden.

(Herr Scharf, CDU: Ja, gut!)

Wir haben einen Lehrertarifvertrag abgeschlossen, der sicherlich - dazu stehe ich auch - sozialdemokratische Handschrift trug. Wir haben aber auch gemerkt, dass man sich dadurch selbst bestimmter Möglichkeiten beraubt.

Dann hat man es aber in den letzten Jahren sehr stringent immer wieder - diese Zweitausender sind nachvollziehbar; in einem Jahr mehr, in einem Jahr weniger geschafft. Nun weiß ich, dass es in den letzten Jahren eine politische Diskussion gerade von uns gegeben hat Herr Böhmer hat darauf hingewiesen -, bei der Sie, Herr Scharf, derjenige waren, der mir in den Arm fallen wollte und sagte: Herr Bullerjahn, das geht alles gar nicht; das geht im Vollzug nicht; das wird wieder nicht reichen. Das haben Sie der Presse am Anfang gesagt, in der Mitte gesagt, genau so wie Sie hier immer gleich losrennen und sagen: Die Fördermittel fließen nicht ab.

(Herr Scharf, CDU: Weil ich die Pläne ernst neh- me!)

Wenn es am Ende des Jahres passiert ist, sagen Sie natürlich nichts mehr dazu und schreiben auch nichts dazu. Und Sie haben festgestellt, dass die Personalkosten jedes Mal gereicht haben. In diesem Jahr - als ich das gelesen habe, bin ich fast umgefallen - kommen Sie mit einem Antrag und fordern, doppelt so viel zu streichen, und auf einmal geht es.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Als wir mahnend sagten, Leute, lasst uns erst einmal sehen, wie der Haushaltsabschluss sein wird, da stellten Sie sich hin und sagen: Herr Bullerjahn, ich verstehe

überhaupt nicht, warum Sie das nicht mitmachen; wir halten das für gerechtfertigt - inklusive solcher Sachen, dass Sie, wenn die Waldarbeiter auf dem Domplatz stehen oder etwas über Lehrer geredet wird, der Erste sind, der Mehrkosten fordert. Das geht alles nicht auf, Herr Scharf.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Ich kann von Ihnen nicht erwarten, dass Sie unsere Arbeit machen. Ich war schon in der Situation und vielleicht komme ich irgendwann auch noch einmal in die Situation, dass ich mich hüten werde, für eine Regierung die Arbeit zu machen. Aber Sie können sich nicht hinstellen und fordern, die Personalkosten zu senken, während Sie im Ausschuss das genaue Gegenteil machen und dann - wie Herr Böhmer vorhin - sagen: Die CDU wird darangehen, noch mehr Lehrer einzustellen. Das haben Sie vorhin gesagt, Herr Böhmer.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Nicht doch!)

- Ich würde nie wagen, so etwas vorzuwerfen, wenn ich es nicht gehört hätte. Also, das weiß ich nun wirklich nicht. Wir wissen, dass es einen Korridor gibt, und wir wissen, dass die Zahlen abgebaut werden. Unter dem Strich wird es zu einem Abbau der Lehrer kommen, Herr Böhmer. Vielleicht haben Sie sich vorhin nur nicht ganz genau ausgedrückt.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Da melde ich mich dann nochmal! - Frau Krause, PDS: Er hat ge- sagt, wir brauchen die Lehrer; er hat nicht gesagt, dass wir sie einstellen!)

- Gut, machen Sie es bitte hinterher. Kann ich weitermachen? - Ich will nur sagen: Wenn man Haushaltskonsolidierung verlangt, was richtig ist, müssen auch Sie damit will ich zu den freiwilligen Leistungen überleiten trotz Wahlkampf den Leuten wenigstens halbwegs erkennbar sagen, wie das passieren soll. Dann kann man nicht so etwas machen - Herr Scharf, auch das hat mich, als ich es gestern gelesen habe, überrascht -, dass Sie sich zum „Retter der Sozialpolitik“ machen wollen.

(Herr Bischoff, SPD: Ein starkes Stück, ja!)

Der Haushalt sei so schlimm, jetzt müssen die Sozis sogar schon an die Sozialleistungen. - Was haben Sie uns hier vorn nicht alles zu den Sozialgesetzen erzählt?

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS - Herr Dr. Nehler, SPD: So ist es!)

Was haben Sie uns gestriezt, als das KiBeG behandelt wurde? Ich sehe Herrn Bergner noch hier vorn stehen, voller Verständnis für die Leute, die hier drüben saßen, und sagen: Mit uns wird das beim KiBeG nicht mehr zu machen sein.

(Zustimmung von Frau Bull, PDS)

Ein Zweites, was mich ein bisschen ärgert, ist das Problem der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit den Kommunalfinanzen, meinetwegen auch im Zusammenhang mit den gesamten Sozialleistungen. Wenn ich alles zusammenfasse - ABM, KiBeG, Bafög, Sozialhilfe; das sind zum Teil Rechtsverpflichtungen -, habe ich gerade ein Fünftel der Kommunalfinanzen. Auch darum bitte ich, einfach in der Debatte die Verhältnismäßigkeit zu wahren.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Glauben Sie, dass die Kommunen überfinanziert sind, oder was?)

Wir streiten uns hier um 20, 30 Millionen beim KiBeG so, als ob damit die Strukturveränderungen des Haushalts einhergehen. Das ist Unsinn; denn wenn ich den Haushalt als Scheibe betrachte, haben wir 25, 26 % Personalausgaben; wir haben 21 % Ausgaben für Investitionen, wir haben 32 % für Kommunalfinanzen - das sind fast 80 % - und 20 % gehen für Zinsen drauf, für die Verwaltung und andere Leistungen.

Sie haben zu diesen grundlegenden Dingen überhaupt nichts gesagt - das war ein weiterer Vorwurf von Ihnen, Herr Scharf, es seien keine Strukturveränderungen gemacht worden -, wie Sie, wenn es dieses Problem gäbe, und das markant und nachvollziehbar, das jeweils überhaupt machen würden.

Sie reden hier über Listen. Ich habe das im vorigen Jahr einmal mitgerechnet; das waren, glaube ich, 100 Millionen DM. Das hört sich für den Nichtfinanzer ganz gewaltig an, für die Menschen draußen fürchterlich. Für den Finanzer - ich bleibe einmal bei D-Mark - sind das 0,5 % bei einem Volumen von 20 Milliarden DM.

(Herr Remmers, CDU: Peanuts!)

Und dann tun Sie so, als ob Sie mit Ihrer Wunschliste, die in sich überhaupt nicht konsistent ist und in der Einnahmen und Ausgaben überhaupt nicht zusammenpassen, Strukturveränderungen machen würden, wobei Sie zum Teil froh sind, dass wir das ablehnen, weil Sie, wenn es passieren würde, draußen genauso dagegen wettern würden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank - Herr Bischoff, SPD: Genau!)

Ich will an dieser Stelle Schluss machen. Ich denke und wünsche mir, dass wir im nächsten Jahr bei gleicher Sicht auf die Dinge wieder einen Haushaltsplan machen, weil ich denke, wie der Haushalt jetzt strukturiert ist, mit allen Ecken und Kanten, mit allen Risiken, die wir kennen - - Eine globale Minderausgabe ist immer ein Risiko im Vollzug, auch für uns als Parlamentarier insgesamt, weil wir natürlich mit den Dingen, die dann nicht gemacht werden bzw. für die die Mittel gestrichen werden, immer auch in den Wahlkreisen konfrontiert werden.

Ich halte das für vernünftig - auch wenn ich weiß, dass es hier schon einmal anders war -, was wir an Eckwerten vorgelegt haben. Ich bin sicher, dass wir am Ende der nächsten Wahlperiode beim Personal, auf das ich jetzt im Zusammenhang mit der Stellenanzahl nicht näher eingehen wollte, bei der Einnahmesituation und auch bei der Verschuldung vernünftige Eckwerte haben werden.