Protocol of the Session on December 13, 2001

Ich glaube, aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg stammt das geflügelte Wort: Wo nichts mehr ist, hat

auch der Kaiser sein Recht verloren. - So weit sind wir in Sachsen-Anhalt wirklich noch nicht. Aber es gilt: Wo nichts mehr zu verteilen ist, verliert das Parlament seinen Einfluss und seine Rechte. - So weit sind wir allerdings schon.

Dass die Haushaltsverhandlungen relativ unproblematisch waren - das wurde zu Recht vorgetragen -, hing auch damit zusammen, dass nicht mehr viel zu verteilen ist, dass Rechtsverpflichtungen bedient werden müssen, dass Notwendigkeiten bestehen und Finanzmengen eingestellt werden müssen und dass die eigentliche Summe, innerhalb deren es einen Gestaltungsspielraum für das Parlament gibt, immer geringer geworden ist.

Die tatsächliche Situation im Lande ist, dass Einrichtungen, die auf die institutionelle Förderung des Landes angewiesen sind, anfangen zu verhungern. Die Kommunen des Landes werden in ihrer Finanznot nicht einmal richtig ernst genommen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Tatsache, dass der Bitte der Kommunen um eine Anhörung im Finanzausschuss nicht entsprochen wurde, hat verständlicherweise Bitterkeit ausgelöst. Ich weiß auch, dass wir danach nicht eine einzige D-Mark mehr gehabt hätten. Vieles kann man auch durch Anhörungen nicht verändern. Aber man kann sich wenigstens gegenseitig ernst nehmen und die Situation schildern und klar machen, aufgrund welcher Gegebenheiten welche Entscheidungen getroffen werden müssen; denn - wenn man die Risiken kennt - eines ist sicher: Die nächste Haushaltssperre kommt bestimmt. Sie wird wahrscheinlich eher kommen, als sie in diesem Jahr gekommen ist.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Jawohl!)

Deswegen sage ich ganz deutlich: Im April des nächsten Jahres werden die Menschen im Lande die Gelegenheit haben, sich bei der Landesregierung dafür zu bedanken.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Wolf, FDVP - Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren! Aber bis dahin und auch danach muss es weitergehen. Deswegen müssen wir den Haushalt ernst nehmen, auch wenn wir meinen, dass diesem Haushalt unter keinen Umständen zugestimmt werden kann.

Es ist wahr, dass unser Land nach der Steuerschätzung im November die höchsten Einnahmenverluste zu verzeichnen hat. Für das Haushaltsjahr 2001 ist es ein Betrag in Höhe von 187,6 Millionen € und für das Haushaltsjahr 2002 ein Betrag in Höhe von 269 Millionen €.

Ich habe bis heute nicht verstanden und vermag es mir nicht zu erklären, warum Sachsen-Anhalt so überproportional stark von den Defiziten betroffen ist. Das Land Thüringen hat für das laufende Jahr Verluste in Höhe von 47 Millionen € zu erwarten. Ich sage es noch einmal: Bei uns ist es ein Betrag von 187,6 Millionen €. Selbst das doppelt so große Land Sachsen hat im laufenden Haushaltsjahr lediglich Defizite in Höhe von 190 Millionen € zu verkraften.

Im Hinblick auf das Jahr 2002 ist es genauso. Wir müssen mit Steuerausfällen in Höhe von 269 Millionen €, die für das nächste Jahr prognostiziert worden sind, leben. Das ist wesentlich mehr als in allen anderen neuen Bundesländern. Das ist mir bisher noch nicht richtig verständlich. Mit der Gegenrechnung ungewöhnlich hoher Investitionen ist das ganz offensichtlich nicht zu erklären.

Es gibt eine Antwort der Landesregierung vom Sommer dieses Jahres, in der sie die Steuermindereinnahmen mit dem Bevölkerungsrückgang begründet hat. Damals ist uns gesagt worden, dass im Jahr 2002 aufgrund des Bevölkerungsrückgangs, des negativen Bevölkerungssaldos, den wir im Land haben, mit Steuerausfällen in Höhe von rund 100 Millionen DM und in den Folgejahren mit Steuerausfällen in einem etwas größeren Umfang im Jahr 2004 wird es ein Betrag in Höhe von rund 260 Millionen DM sein - rechnen müssen.

Aber diese Zahlen und der Unterschied in der Höhe der Steuermindereinnahmen gegenüber den anderen neuen Bundesländern sind uns bisher noch nicht richtig erklärbar und müssen auch mit der wirtschaftlichen Situation des Landes zu tun haben, ohne dass wir einen Schlussstrich ziehen und die eigentliche, überzeugende Erklärung für diese ungewöhnlichen Defizite bisher geben könnten.

Es gibt weitere Einnahmenverluste. Ich habe das erst hinterher richtig verstanden. Ich kann mich daran erinnern, dass der Ministerpräsident von den Verhandlungen über den Solidarpakt II nicht ohne Stolz berichtet hat, weil alles so gut geregelt worden wäre. Damals wurde uns mitgeteilt, dass das Investitionsfördergesetz aufgehoben wurde, und erklärt, das Geld fließe zwar in gleicher Höhe, jedoch sei die Zweckbindung aufgehoben worden, und dass dies im großen Einvernehmen geschehen sei.

Soweit ich mich bisher informieren konnte, gab es darüber wenig Diskussionen, weil es Bundesländer gibt, die sagen: Es ist uns egal, ob wir das Geld zweckgebunden nach dem Investitionsfördergesetz bekommen und investiv einsetzen oder ob wir es auf einem anderen Weg bekommen; wir machen trotzdem das Gleiche damit. Insofern gibt es damit kein besonderes Problem. Es gibt andere Länder, die ein Interesse daran hatten, die Zweckbindung loszuwerden, weil sie in einer Haushaltssituation waren, in der sie das Geld für andere als für investive Zwecke einsetzen wollten. Diese Länder haben dieses Geschäft aktiv betrieben.

Der Bund hat als Erster gerechnet. Er hat gesagt: Wenn die das wollen, dann sollen die das machen; wir hindern sie nicht daran; das Gesetz wird aufgehoben und wir machen Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen daraus.

Uns ist jedoch gesagt worden: Das gleiche Geld fließt unter einer anderen Bezeichnung; wir haben dadurch größere Gestaltungsspielräume gewonnen. Der Bund hat das Geschäft gemacht. Dadurch, dass das jetzt Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen geworden sind, werden sie in das Rechen- und Regelwerk des innerdeutschen Finanzausgleichssystems eingerechnet. Dieses ist von Steuereinnahmen abhängig.

(Minister Herr Gerhards: Das ist falsch!)

Wenn das nach dem Investitionsfördergesetz gegangen wäre, müsste eine bestimmte Summe bezahlt werden. Für das Land Sachsen-Anhalt waren das feststehende Einnahmen in Höhe von 532 Millionen €.

Wenn Sie sich jetzt den Bundeshaushalt ansehen - wir haben das gemacht -, dann stellen Sie fest, dass der Bund Mittel in Höhe von 322 Millionen € weniger an die neuen Bundesländer zahlen muss, weil das nicht mehr nach dem Investitionsfördergesetz erfolgt, sondern weil

er Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen ausreicht, die nach einem anderen Rechenwerk errechnet werden. Für das Land Sachsen-Anhalt ergeben sich daraus Mindereinnahmen in Höhe von etwa 54 Millionen €.

(Minister Herr Gerhards: Was Sie sagen, ist schlicht falsch!)

- Dann sehen wir uns den Bundeshaushalt einmal gemeinsam an. Wir können nachher darüber reden.

(Minister Herr Gerhards: Sie haben es nicht ver- standen! Ich könnte es Ihnen erklären! - Herr Dr. Daehre, CDU: Da warten wir noch drauf!)

- Aber nicht jetzt. Das lasse ich mir gern von Ihnen erklären. Wir müssen nur die gleichen Zahlen herausbekommen, die im Bundeshaushalt stehen.

(Zuruf von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner)

Deswegen - das sage ich offen - hat das Land SachsenAnhalt Mindereinnahmen, die dazu geführt haben, dass wir größere Gestaltungsmöglichkeiten haben und dass das Geld, das zweckgebunden an die Kommunen weitergereicht werden konnte, jetzt in den Landeshaushalt eingestellt werden kann. Und die Kommunen werden damit vertröstet, dass es ihnen eigentlich besser ginge als den Kommunen in anderen neuen Bundesländern.

Alles das, was aufgrund der Steuermindereinnahmen und der Gesetzesänderungen in Bewegung gekommen ist, bedeutet für die Kommunen Sachsen-Anhalts im Haushaltsjahr 2002 geringere Einnahmen in Höhe von mehr als 400 Millionen €. Aufgeschlüsselt bedeutet dies: Im Haushaltsplanentwurf ist vorgesehen, dass die Höhe der Zuweisungen an die Kommunen um 186 Millionen € reduziert wird. Dazu kommt aufgrund der Steuermindereinnahmen des Landes ein Defizit in Höhe von 57 Millionen €, an dem die Kommunen in einer bestimmten Proportion beteiligt sind, aufgrund der Steuermindereinnahmen der Kommunen ein Defizit in Höhe von 35 Millionen € und ein Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen aus völlig anderen Gründen; das ist schon besprochen worden. Vor diesem Hintergrund wird die Finanzsituation der Kommunen tatsächlich noch prekärer werden, als es die des Landes ohnehin ist.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Buder, DVU, und von Herrn Wolf, FDVP)

Herr Minister, wenn Sie sagen - wir haben es gerade wieder gehört -, dass die Kommunen im Lande Sachsen-Anhalt eigentlich bloß undankbar seien und es ihnen viel besser gehe und dass sie wenigstens im Vergleich zum Land nahezu im Geld schwimmen würden, dann sage ich: Es ist scheinheilig, wenn Sie solche Zahlen vergleichen,

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Kannegießer, DVU)

ohne die Aufgabenzuweisungen und die Aufgabenverteilung mit in Betracht zu ziehen.

Ich sage das deswegen, weil wir an anderer Stelle immer wieder darüber sprechen, dass im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform Aufgaben kommunalisiert werden sollen. Ich halte das nach wie vor für richtig. Aber diese Aufgabe wird umso schwieriger werden, je weniger die Kommunen daran glauben, dass damit

eine entsprechende Finanzausstattung verbunden sein wird.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig! So ist es!)

Wir machen es ihnen vor, dass sie keinen Grund mehr haben, daran zu glauben. Deswegen wird auch dieses Geschäft erheblich schwieriger werden.

Die Zahlen des Haushaltes haben Sie genannt. Die Neuverschuldung liegt bei der Kreditfinanzierungsquote von 5,9 % und musste, wie wir miterlebt haben, erhöht werden. Wir haben jetzt im Land eine Gesamtverschuldung - auch das hat die Frau Vorsitzende des Finanzausschusses vorgetragen - in Höhe von 14,9 Milliarden €. Ferner kommen Zinsausgaben, die sehr niedrig ich möchte fast sagen: riskant niedrig - gerechnet worden sind, von 754 Millionen € im nächsten Haushaltsjahr auf uns zu.

Jeder von uns weiß - das haben wir auch schon gesagt -, dass dies nicht die gesamte Verschuldung des Landes ist. Die Verschuldung im Sondervermögen Förderfonds, die Verschuldung im Bereich der Talsperrenbetriebe, die Verschuldung, die die Landgesellschaft aufnehmen muss, um Land verkaufen zu können - alles das zusammengenommen macht im Haushaltsjahr 2002 eine geschätzte Summe von etwa 400 Millionen € aus. Jeder weiß, dass dazu noch die geschätzten 300 Millionen € Schulden bei den Lehrern des Landes auf uns zukommen, wobei mir bisher noch niemand hat erläutern können, wie wir mit dieser Problematik überhaupt einmal fertig werden wollen.

Die Bildungsdebatte ist jetzt durch die so genannte PisaStudie in Gang gekommen. Eines ist sicher: Die Besten sind wir in Deutschland im internationalen Vergleich nicht. Etwa in einem halben Jahr wird eine Aufschlüsselung auf die einzelnen Bundesländer Deutschlands folgen. Ich glaube, wir werden auf diese statistische Auswertung nicht allzu viel setzen dürfen. Es spricht nichts dafür, dass wir dort die Besten sein werden.

(Zuruf von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Die Konsequenzen sind klar: Es muss etwas passieren, und das wird nicht darin bestehen können, dass wir die Zahl der Lehrer vermindern. Wir werden Lehrer einstellen müssen. Wenn die Lehrer jetzt für Leistungen bezahlt werden, die erst später erbracht werden sollen, dann macht das überhaupt keinen Sinn. Ich weiß nicht, wie wir aus dieser Klemme herauskommen.

Wenn man dazu noch die offenen Ausgabenreste hinzurechnet, über die wir im Finanzausschuss auch gesprochen haben - dazu hat die Frau Vorsitzende relativ wenig gesagt -, die ein Risiko sind, das wir immer mit uns herumschleppen, das wie eine Lawine auf uns zurollt, dann kommen wir insgesamt auf Rechtsverpflichtungen in Höhe von etwa 16 Milliarden € bei einem jährlichen Haushaltsvolumen von etwa 10 Milliarden €. Das ist eine haushaltswirtschaftliche Situation des Landes SachsenAnhalt, die wirklich alles andere als zukunftssicher ist.

Das sind die Dinge, mit denen auch alle diejenigen - wer das auch immer sein mag -, die in der Zukunft in diesem Lande Politik betreiben wollen, werden leben müssen. Insofern kann man beim besten Willen nicht sagen, dass wir gesichert mit einem stabilen Haushaltskonzept in die Zukunft gehen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU)

Die Investitionsquote von etwa 21 % ist, obwohl wir sie uns wieder zurechtgerechnet haben, die niedrigste unter allen neuen Bundesländern.

(Herr Bullerjahn, SPD: Die entsteht doch auto- matisch!)

- Das ist so. - Wenn wir in diesem Bereich mehr tun wollen, dann werden wir nicht umhinkönnen, in anderen Bereichen die Kosten zu senken.

(Herr Gallert, PDS: Bei den Lehrern! - Herr Bul- lerjahn, SPD: Sie wollen die Personalkosten bei den Lehrern erhöhen!)

- Herr Bullerjahn, wollen wir das einmal aufschlüsseln. Die Personalkosten sind schon angesprochen worden. Wir haben gesagt, wir müssen das machen, was die SPD-Fraktion in den vergangenen Haushaltsjahren immer mit der eigenen Regierung gemacht hat, nämlich zu sagen, wenn sie sich nicht selbst bewegt - die Formulierung stammt doch von Ihnen -,