Protocol of the Session on November 15, 2001

Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen spricht aus dem Antrag von Herrn Becker auch ein gewisses Misstrauen gegenüber den Polizeibeamtinnen und -beamten.

(Herr Becker, CDU, schüttelt den Kopf)

Sie haben dieses Beispiel gebracht von dem Herrn, der sich bei Ihnen beschwert hat. Vielleicht hätte man vorher einmal nachfragen sollen, was wirklich der Hintergrund war. Ich bekomme auch Dienstaufsichtsbeschwerden auf den Tisch und lasse diese prüfen. Dabei sehe ich genau, was los ist. Wir entschuldigen uns auch, wenn

Fehler gemacht worden sind. Aber ein Teil der Dienstaufsichtsbeschwerden war falsch.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Vielleicht hätte man in dem Fall nachfragen sollen, was wirklich dahinter steckt, bevor man es hier thematisiert. Gegen so ein Misstrauen, was Sie jetzt leugnen, würde ich mich verwahren und mit aller Deutlichkeit sagen: Die Polizei in unserem Land sucht den Kontakt zum Bürger, und wir arbeiten daran, die Voraussetzungen hierfür ständig zu verbessern. Natürlich müssen hierzu alle Reserven - es gibt überall Reserven - ausgeschöpft werden.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch betonen, dass neben der dargestellten Bedeutung der Polizeipräsenz andere Bereiche der polizeilichen Aufgabenerfüllung nicht vernachlässigt werden dürfen. Die Bürger erwarten selbstverständlich, dass bei Notrufen, bei Einbruchsmeldungen, bei Mitteilungen über gewalttätige Auseinandersetzungen und vielen anderen schwierigen Konfliktlagen die Polizei schnell und in ausreichender Stärke an jedem Ereignisort erscheint. Diese verständliche Erwartung kann jedoch nur durch mobile Funkstreifen erfüllt werden, nicht durch Fußstreifen.

Die zentrale Aufgabe unserer Polizei ist es, Straftaten zu verhindern bzw. aufzuklären sowie die Zahl der Verkehrsunfälle zu reduzieren. Unsere überdurchschnittliche und höchst erfreuliche Aufklärungsrate von 54,9 % im letzten Jahr und die insgesamt positiven Resultate im Verkehrsunfallgeschehen sind nicht allein durch Fußstreifenbeamte erzielt worden. Dazu bedarf es guter Ermittlungsbeamter und mobiler und flexibler Zugriffskräfte in Uniform und in Zivil.

Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt hat es eine Reihe von gezielten Maßnahmen und Initiativen gegeben, die zu einer Präsenzerhöhung beigetragen haben. Ich will nur einige erwähnen: Seit dem Jahr 1997 setzen wir zur Unterstützung des polizeilichen Einzeldienstes gezielt die verfügbaren Kräfte der Bereitschaftspolizei zur Präsenzerhöhung der Polizei außerhalb von Dienstkraftfahrzeugen ein. Auch die an Wochenenden zu stellenden Einsatzeinheiten der Landeseinsatzreserve für besondere Lagen sind außerhalb anlassbezogener Einsatzmaßnahmen zur Präsenzerhöhung einzusetzen.

Zu Punkt 3 des Antrages. Landesweit sind in Städten mit über 20 000 Einwohnern insgesamt 148 Kontaktbereichsbeamte eingesetzt. Mein Vorgänger hatte einmal vorgesehen, dass auf 20 000 Einwohner ein Kontaktbereichsbeamter kommen sollte. Ich habe die Zahl auf 1 : 10 000 erhöht.

(Zuruf von Frau Wernicke, CDU)

In jeder Verwaltungsgemeinschaft wurde eine Polizeistation eingerichtet. In den insgesamt 173 Polizeistationen versehen insgesamt 702 Beamtinnen und Beamte ihren Dienst.

(Herr Becker, CDU: Man muss einmal darüber nachdenken, ob das noch sinnvoll ist! - Weiterer Zuruf von Herrn Schomburg, CDU)

- Über die Frage können wir in Ruhe diskutieren. Darum wird der Ausschuss sich damit beschäftigen.

(Herr Becker, CDU: Ja!)

Damit verfügen wir auch in der Fläche über ein außerordentlich dichtes Netz der polizeilichen Betreuung. Er

möglicht wurde dieses durch das Flächenpräsenzprogramm, durch die Polizeistrukturreform und das Personalkonzept 2000 der Polizei. Hierfür haben wir Beamtinnen und Beamte freigesetzt.

Die Beamten in Polizeistationen haben vorrangig Präsenzverpflichtungen wahrzunehmen, vergleichbar mit den Aufgaben von Kontaktbeamten.

Auch Bürgersprechstunden, Herr Kollege Becker, sind überhaupt nichts Neues. Allerdings werden Sie vonseiten der Bürgerinnen und Bürger zu selten angenommen. Deswegen habe ich auch bereits gesagt, man sollte dieses Angebot herunterfahren, das Personal auf die Straße schicken und nicht warten, bis der Bürger kommt. Man sollte zum Bürger hingehen.

(Herr Becker, CDU: Das stimmt!)

Zu Punkt 4 des Antrags. Dort, wo es kommunale Ordnungsbedienstete gibt, sind diese außerordentlich aktiv und werden von der Öffentlichkeit entsprechend positiv wahrgenommen. Polizei und Ordnungsbedienstete arbeiten gut zusammen.

Zu Punkt 5 des Antrages. Die geforderte Verstärkung der Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten trifft, wie Sie wissen, auf meine Zustimmung, wenn sie zielgerichtet mit dem nötigen Augenmaß eingesetzt wird. Die Maßnahmen in Magdeburg, Halle und Dessau waren erfolgreich und wurden auch so bewertet.

Zu Punkt 6 des Antrages. Das Ziel, Polizeivollzugsbeamte möglichst nur für originäre polizeiliche Aufgaben vorzuhalten und von polizeifremden Aufgaben zu entlasten, unterstütze ich nachhaltig. So haben wir den kommunalen Verwaltungsbehörden der Gefahrenabwehr umfassende Möglichkeiten eingeräumt, ihre Aufgaben selbst und, wo erforderlich, auch mit Zwangsmitteln durchzusetzen.

Die polizeiliche Begleitung von Großraum- und Schwerlasttransporten ist ein Lieblingsthema von Oppositionspolitikern. Ich kann mich an meine Zeit erinnern. Auch ich habe das damals thematisiert. Da saßen Sie auf der anderen Seite, und hier stand Herr Perschau und hat seine Meinung gegenüber den Oppositionspolitikern vertreten müssen.

Es hat sich kaum etwas daran geändert. Aber wir haben diese Aufgaben wirklich reduziert. Wir nehmen sie durch die Polizei selbst nur dort wahr, wo hoheitliche Aufgaben gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern ausgeübt werden müssen.

Wer meint - jetzt kommen wir zu einem schwierigen Punkt -, die Polizei werde bei der Verkehrsunfallaufnahme als verlängerter Arm der Versicherungswirtschaft tätig, verkennt die Situation und auch die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger.

Die Polizei beschränkt sich ausschließlich auf ihre originären Aufgaben und trägt damit zur Rechtssicherheit der Bürger bei. Wenn die Polizei gerufen wird, fährt sie zu jeder Unfallstelle und trifft die notwendigen Maßnahmen. Bei Personenschäden erfolgen automatisch Beweiserhebungen zur Durchführung von Ermittlungsverfahren.

Aber auch bei Unfällen mit Bagatellschäden können sich Ermittlungen wegen Alkohol- und Drogenkonsum, wegen Haftpflichtversicherungs- und Steuervergehen oder wegen Betrugs und Fahrerlaubnisvergehen anschließen. Nach Untersuchungen in Berlin aus dem Jahre 2000 wurden 61 % dieser vorgenannten Delikte überhaupt

erst im Zusammenhang mit der Aufnahme von Bagatellunfällen bekannt.

Zu Punkt 6, den Großveranstaltungen. Die unmittelbare Sicherung liegt nicht bei der Polizei, sondern beim Veranstalter. Für die Polizei verbleiben als zwingende Aufgaben lediglich hoheitliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nach dem Polizeirecht sowie zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Soweit sich die Polizei im Rahmen derartiger Veranstaltungen um verkehrliche Angelegenheiten kümmert, erfolgt dies ausschließlich im Interesse der Verkehrssicherheit.

In die Büro- und Kommunikationstechnik der Polizei wurden in den letzten zwei Jahren 15 Millionen DM investiert. Die Zahl der Computer hat sich allein im Zeitraum von April 2000 bis April 2001, innerhalb eines Jahres, von 2 900 auf 5 000 Stück erhöht. Diese Zahl kann sich wirklich sehen lassen. Damit stehen moderne Kommunikationssysteme zur Verfügung. Mit dem Einsatz von Polis neu wird es zu einer weiteren Entlastung der Polizei von Routinetätigkeiten kommen.

Herr Becker, Sie sprachen eben die Aufnahme von Verkehrsunfällen an. Hier ist es so, das wir im nächsten Jahr auch die Aufnahme von Verkehrsunfällen über Polis neu machen werden. Wir werden damit das erste Bundesland sein, dass dies tun wird.

Noch eine Anmerkung zu einem auch sehr beliebten Thema: Tankstellen bei der Polizei. Von ehemals 50 Tankstellen befinden sich noch drei im Bestand der Polizei und werden mit einem Tankkartensystem auf der Basis der Selbstbedienung ohne Personal betrieben.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassend nochmals betonen, dass die Erhöhung der polizeilichen Präsenz für mich einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Mit dem Grundanliegen des vorliegenden CDU-Antrages bin ich dementsprechend einverstanden. In den Einzelfragen sehe ich genauso wie Herr Kollege Becker Erörterungsbedarf. In Anlehnung an unseren Fußstreifenerlass die Sollvorgabe zu verdoppeln mag populär sein. Es ist schön, eine Erhöhung von 15 auf 30 % zu fordern; aber man muss es auch umsetzen können.

Herr Minister, Sie haben versprochen, zusammenzufassen. Ich sage es ganz vorsichtig und sanft: Sie denken bitte auch einmal an die Zeit.

Meine Damen und Herren, das sehe ich genauso. Die Zeit vergeht dabei. Ich glaube, wir können auch einige Stunden im Ausschuss damit verbringen. Vielleicht werden wir zum Schluss vom Ausschussvorsitzenden gemahnt, weil wir auch dabei die Zeit überziehen.

(Herr Schomburg, CDU: In der Schweiz!)

In dieser Beziehung hoffe ich auf eine spannende Diskussion im Ausschuss und vielleicht auch in der Schweiz. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die Schweiz ist Ihnen von Herrn Becker ja schon so gut wie versprochen worden. - Für die PDS-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Gärtner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat sich in dieser Legislaturperiode wiederholt mit der Gewährleistung öffentlicher Sicherheit befasst. Durchaus kontroverse Debatten wie auch sachliche Ausschussberatungen prägten das Bild. In der letzten Sitzung des Hohen Hauses wurde ein über mehrere Monate beratener Antrag der PDS-Fraktion zur öffentlichen Sicherheit angenommen. Die Erhöhung von Polizeipräsenz an Kriminalitätsschwerpunkten war auch Gegenstand dieses Antrages.

Heute liegt seitens der CDU ein Antrag vor, der diese Frage in sehr detaillierter Regelungsabsicht stellt. Ich hoffe, Herr Kollege Becker, dass der Grund nicht nur die Aussicht auf eine Reise in die Schweiz war, sondern dass auch andere Gründe dafür gesprochen haben.

Wir sind uns einig, dass der mit dem Flächenpräsenzprogramm und dem inzwischen fortgeschriebenen Personalentwicklungskonzept der Landespolizei eingeschlagene Weg weiter beschritten werden soll. Einigkeit dürfte auch in der Absicht bestehen, Streifentätigkeit, Einsatz von Kontaktbereichsbeamten und Zusammenarbeit zwischen Polizei und kommunalen Zuständigen zu verbessern.

Ich habe allerdings die Frage, ob die Notwendigkeit besteht, sehr detaillierte Regelungen durch die Legislative zu treffen, zum Beispiel in der Frage konkreter Prozentzahlen für Fußstreifen von Vollzugsbeamten. Sie sollten hier die flexible Reaktion auf jeweilige konkrete Gefährdungslagen und Kriminalitätsschwerpunkte den Polizeidirektionen und Revieren überlassen.

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie auch, nicht so zu tun, als ob die sehr hohe Polizeidichte in SachsenAnhalt nicht etwa spürbar wäre, wie in der Begründung zum Antrag ausgeführt wird. Das ist meines Erachtens auch eine Frage des Respekts vor den Leistungen von Polizistinnen und Polizisten in unserem Land.

Der CDU-Antrag fordert des Weiteren den Einsatz von Videokameras an Kriminalitätsschwerpunkten. Abgesehen von prinzipiellen Einwendungen gegen solche verdachtslosen Überwachungen, die ich hier wiederholt vorgetragen habe, scheint mir dieser Vorschlag auch die geforderte Flächenpräsenz zu konterkarieren.

Bereits vor zwei Jahren wies der damalige Vorsitzende der GdP darauf hin, dass Videokameras eine Sicherheit vorgaukeln, die die Polizei personell nicht garantieren könne. Sie brauchen nämlich neben der Kamera die Möglichkeit zeit- und ortsnaher Einsatzbereitschaft, falls denn doch per Kameraauge Hinweise auf Straftaten sichtbar werden. Die Kamera bindet dadurch mehr personelle Einsatzkräfte als die Streife vor Ort, übrigens ohne dass im Vergleich zur sichtbaren Streife ein Mehr an subjektivem Sicherheitsgefühl erreicht würde.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Möglichkeiten zur Entlastung und Unterstützung der Polizei sollten wir sachlich ausloten. Vorschläge zur Sicherung von Veranstaltungen gehören selbstverständlich dazu. Entsprechende Vorschläge und Regelungen müssen den Charakter von Veranstaltungen und die jeweilige Zuständigkeit von Kommunen, Kreisen und Land berücksichtigen.

Zu unterscheiden wäre meiner Meinung nach zumindest zwischen Veranstaltungen im Sinne des Versammlungsrechts und kommerziellen Veranstaltungen. Hier sollten wir auch sensibel den Möglichkeiten und Grenzen von

Veranstaltungen Rechnung tragen. Nicht jeder Fußballclub oder Faschingsverein ist in der Lage, die unmittelbare Sicherung von Veranstaltungen finanziell zu tragen.

Ich selbst habe im August die Möglichkeit gehabt, einen Fußballeinsatz in Magdeburg, also einen Polizeieinsatz während eines Fußballspiels, zu begleiten. Das war sehr aufschlussreich, auch gerade hinsichtlich der Tatsache, dass sehr viele Polizeikräfte für ein solches Fußballspiel gebunden werden. Man muss darüber nachdenken, ob das verhältnismäßig ist.