Protocol of the Session on November 15, 2001

Die CDU-Fraktion hat bereits in ihrer Großen Anfrage vom vergangenen Jahr, Drs. 3/3455, auf die Problematik hingewiesen und dazu einige bohrende Fragen gestellt. Viele unserer Mitbürger fühlen sich durch Vandalismus, Schmierereien, die örtliche Drogenszene, Diebstähle, Beschädigungen an öffentlichen Verkehrsmitteln, Pöbeleien und Verunreinigungen verunsichert oder gar bedroht.

Am vergangenen Dienstag suchte mich ein älterer Mann aus Magdeburg-Neu Prester auf. Er hatte vier oder fünf Anzeigen wegen solcher Delikte erstattet; es war zur Spurensicherung gekommen, aber alles endete mit dem Hinweis: Bringen sie uns doch den Täter.

Der Mann sagte mir gegenüber - ich habe keinen Grund, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln -, er trete öffentlich nicht mehr auf, er habe genug Nackenschläge erhalten. Er hatte nämlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde

eingereicht. Ich persönlich bin kein Freund von Dienstaufsichtsbeschwerden, aber es lässt aufhorchen, wenn sich daraus gleich eine Anzeige der öffentlichen Hand gegen diesen Mann wegen Verleumdung entwickelt. Der Mann - es entzieht sich meiner Kenntnis, ob er querulatorische Züge hat - zieht sich resigniert zurück, er und viele andere auch, denn das ist kein Einzelfall.

Es nützt uns nichts, Herr Innenminister, dass Sie immer wieder auf die bei uns vorhandene hervorragende Polizeidichte hinweisen. Sie beläuft sich auf einen Polizisten je 340 Einwohner oder, wie wir seit der letzten Innenausschusssitzung vom Oktober wissen, sogar auf einen Polizisten je 318 Bürger. Das ist die höchste Polizeidichte im Vergleich aller 16 Bundesländer, die sicherlich uns und auch Ihnen, Herr Innenminister, zur Ehre gereicht.

Es nützt auch nichts, Herr Innenminister, wenn behauptet wird, die Kriminalitätshäufigkeit sei rückläufig. Ich kann das nur zitieren; ich stelle fest, dass das gar nicht der Fall ist, sondern dass wir doch sehr weit zurückgefallen sind.

Die Forderung der CDU lautet: heraus mit der Polizei aus den Amtsstuben, heraus auf die Straßen und Plätze und an die Kriminalitätsschwerpunkte der Städte und Gemeinden, heraus aus den Streifenwagen, hinein in die Fußstreife. Deshalb haben wir auch diesen Antrag gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich weiß die CDU, dass diese Forderung auch Gegner hat, dass sie zumindest Bedenken begegnet bei manchen Betroffenen, bei Polizeipräsidenten, bei Revierleitern, bei Polizeivollzugsbeamten, so sehr diese Forderung den Erwartungen der Bevölkerung entspricht, so sehr sie auch abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter hat. Wir nehmen diese Bedenken ernst. Wir werden deshalb auch darum bitten, dass im Rahmen der Behandlung dieses Antrages im Ausschuss eine Anhörung dazu stattfindet. Wir sind allerdings der Überzeugung, wir werden diese Bedenken aufgrund der Ergebnisse dieser Anhörung ausräumen können.

Damit Sie, Herr Innenminister, und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich auf diese Anhörung einigermaßen vorbereiten können, sei es mir gestattet, auf einige Punkte bereits jetzt hinzuweisen, einige Punkte, die wir immer wieder gegen die Behauptung anführen, es stünden nicht genügend Polizeibeamte zur Verfügung. Es wird von den Polizeiführern natürlich immer wieder gesagt: Mir fehlen die Leute dazu.

Erstens weise ich insoweit auf die Polizeidichte hin, die ja so hervorragend ist.

Zweitens stelle ich immer mehr fest, Herr Innenminister, dass unsere Polizeibeamten draußen in den Revieren allmählich zu Statistikführern mutieren. Das kann es ja wohl nicht sein.

Drittens muss ich feststellen, dass Polis neu - ich zitiere Sie, Herr Innenminister - „ein ehrgeiziges Datenverarbeitungssystem“ ist, wie Sie es in der Antwort auf die Große Anfrage zur Situation der Polizei im Jahr 2000 genannt haben, das aber immer noch nicht vollständig funktioniert. So benutzt man bei der Verkehrsunfallaufnahme und bei der Aufnahme von Ordnungswidrigkeiten erst den Computer und kehrt dann zu Gänsekiel, Feder und Papier zurück. Das kann ja wohl nicht sein.

Viertens kommen wir auf das viel beschworene Konzept zur Stärkung neuer Steuerungsmodelle, auf die innere Verrechnung zu sprechen. Verehrter Herr Innenminister, Sie müssen den Fußstreifen mehr Bedeutung beimessen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn die Fußstreife anders berechnet wird, dann werden die Beamten diese auch mehr praktizieren.

Im Übrigen wurden auch Zweifel laut, Herr Innenminister, die uns auch immer wieder von Fachleuten unterbreitet werden, ob Fußstreifen bei der Bekämpfung der Kriminalität eigentlich viel bewirkten.

In der Hoffnung, dass der Innenausschuss vielleicht doch noch in die Schweiz reisen darf,

(Oh! und Heiterkeit bei der SPD - Zuruf von Herrn Gärtner, PDS)

möchte ich hier unverfänglich Hans Casper Steiner zitieren, den Kommandanten der Kantonspolizei Nidwalden.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

- Nein, nein, das ist neu hinzugekommen. Herr Steiner ist dort der oberste Chef der Polizei, vergleichbar dem Chef der Polizei hier im Land Sachsen-Anhalt. Das Zitat stammt vom 15. Dezember 2000. Auf die Frage, wie er die Kriminalität in seinem Kanton bekämpfe, antwortete er - ich zitiere -:

„Ich bin davon überzeugt, dass die Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben möglichst stark in der Öffentlichkeit präsent sein muss. Es ist uns gelungen, den Anteil des Außendienstes an der gesamten Uniformpolizei von früher 60 % auf heute 80 % zu erhöhen bzw. den unvermeidlichen Innendienst - Tätigkeiten im Büro, Protokollführung - auf ein Fünftel zu reduzieren. Dadurch sind wir jetzt in der Lage, vermehrte Verkehrs- und Personenkontrollen durchzuführen, unsere Polizisten patrouillieren öfter als früher auf den Straßen, begeben sich in Einkaufszentren, kontrollieren am Abend ankommende Passagiere an den Bahnhöfen. Nur zu einer Polizei, die in der Öffentlichkeit präsent ist, nur zu Polizisten, die man auf den Straßen ansprechen kann, können die Bürger Vertrauen haben.“

Wie wahr, wie wahr, Herr Innenminister!

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU)

Was in der Schweiz möglich ist, müsste doch auch hier möglich sein. Wenn Sie, wie in der Antwort auf die Große Anfrage, sagen, 15 % sei der höchstmögliche Anteil der Fußstreifen, so muss ich sagen: Das ist nicht richtig. Wir haben deshalb die Forderung aufgestellt, diesen Anteil von 15 % sofort auf 30 % zu verdoppeln,

(Beifall bei der CDU und bei der DVU)

damit wir in diesem Punkt endlich einmal vorankommen. Das ist eine Frage der Organisation; dafür tragen Sie, Herr Innenminister, nun einmal die Verantwortung. Da können Sie sich nicht nur auf Ihre Polizeidichte zurückziehen.

Ich könnte nun noch vieles ausführen. Wir haben in unserem Antrag weitere Vorschläge gemacht. Zum Beispiel sollten wir zur Entlastung der Polizei Modelle erproben, etwa bei der Begleitung von Schwertransporten, Verkehrsunfälle von jemand anders aufnehmen lassen

oder bei der unmittelbaren Sicherung von Großveranstaltungen.

Herr Innenminister, Folgendes ist in diesem, in unserem Lande geschehen: Neulich bin ich einem Zug von „traditionellen Soldaten“ begegnet. Das waren Leute, die die Schlacht von Jena und Auerstedt im Jahr 1806 nachgestellt haben. Es waren Engländer, die Franzosen spielten. Dem Zug fuhr ein Streifenfahrzeug vorweg. Stolz saßen zwei Polizeibeamte darin. Dahinter fuhr auch ein Polizeifahrzeug. Darin saßen wiederum zwei Polizeibeamte.

Ich muss mich fragen: Kann diese Absicherung nicht auch von jemand anderem durchgeführt werden? Brauchen wir dazu überhaupt Polizeibeamte? Natürlich macht das Spaß. Aber ich frage Sie diesbezüglich, ob das notwendig ist.

Gehen Sie doch einmal auf unsere Forderungen ein, sodass wir endlich einmal erproben können, ob man solche privaten Unternehmungen nicht auch anders überwachen kann als unbedingt mit Polizeibeamten, die stattdessen draußen ihren Streifendienst zu Fuß gehen könnten.

Wir bitten darum, dass der Antrag, den wir gestellt haben, in den Ausschuss überwiesen und dort behandelt wird und dass vor allem eine Anhörung zu diesem Thema stattfindet. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Kollege Becker, für die Einbringung. - Die Redner sprechen in der folgenden Fünfminutendebatte in folgender Reihenfolge: PDS, FDVP, DVU, SPD und CDU. Zunächst erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Püchel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Erhöhung der polizeilichen Präsenz, sehr geehrter Herr Becker, war von Anfang an ein wesentlicher Bestandteil meiner Sicherheitspolitik und ist auch immer wieder ein beliebtes Thema in der öffentlichen Diskussion.

Auch anlässlich der Beratungen über den Einzelplan 03 im Innenausschuss haben wir dieses Thema aufgerufen und diskutiert. Ich finde es wirklich gut, dass Sie gesagt haben, dass wir eine Anhörung durchführen sollten und dass dann Ihre Bedenken in der Anhörung ausgeräumt werden. Das ist nämlich ein Zeichen dafür, dass Sie auch denken, dass es nicht so ist, wie Sie es eben gesagt haben, wenn Ihre Bedenken in der Anhörung ausgeräumt werden können.

Ich freue mich auf Ihre Fahrt in die Schweiz. Ich würde gern mitkommen, wenn Sie mich mitnehmen. Wir könnten auch Ihre Gattin mitnehmen, die uns dann den schwierigen Dialekt übersetzen könnte. Also auf eine gute Reise in die Schweiz zum Erfahrungsaustausch.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns einig, dass das Mögliche getan werden muss, um eine angemessene Polizeipräsenz zu gewährleisten. Ich nehme gern die Gelegenheit wahr, an dieser Stelle einige Ausführungen zu den Maßnahmen zu machen, die wir in den letzten Jahren zur Präsenzerhöhung ergriffen haben.

Welchen Stellenwert ich selbst diesem Thema beimesse, dürfte bekannt sein. Die von mir definierten Landes

ziele, die ich den Behörden und Einrichtungen für das Jahr 2001 zur Aufgabenerfüllung vorgegeben habe, sind nur ein Beispiel dafür. Darin ist für die Polizei als erstes Ziel die Verbesserung des Sicherheitsempfindens der Bevölkerung festgelegt. Und dazu gehört auch die Präsenz.

Meine Damen und Herren! Nun konkret zu Ihrem Antrag.

Punkt 1. Sie nehmen offenbar auf eine bestehende Erlassregelung Bezug. Der Erlass enthält die Verpflichtung, 15 % des Außendienstes als Fußstreife zu leisten. Kein anderes Bundesland verfügt übrigens über so eine Erlassregelung, nur Sachsen-Anhalt.

Die Entwicklung der halbjährlich zu berichtenden Zahlen über die Fußstreifenanteile dokumentiert seit dem Jahr 1996 einen ständigen Anstieg von damals rund 17 % auf heute 23 %. Wir sind also über die 15%-Forderung weit hinaus. Das Ergebnis resultiert aus der beharrlichen Führungsarbeit des Innenministeriums, der Behörden und der Dienststellen.

Ungeachtet dieser Vorgabe ist allen Streifen- und Einsatzdiensten im Land die Aufgabe gestellt, in den von Soforteinsätzen freien Dienstzeiten Präsenzstreifen zu Fuß nach örtlichen und zeitlichen Brennpunkten zu erledigen. Damit werden disponible Zeitnischen des Streifendienstes ausgefüllt, um einen optimalen präventiven Wirkungsgrad zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Dämmer- und Nachtstunden, die Sie auch angesprochen haben, stellen immer wieder einen wichtigen zeitlichen Schwerpunkt in der Personalund Einsatzplanung der Dienststellen dar. Wie eine aktuelle Auswertung gezeigt hat, sorgen die Polizeibehörden in diesem Sinne nachdrücklich für angemessen starke Kräftefrequenzen auch in den Abend- und Nachtstunden.

Starre Schichtschemata gehören längst der Vergangenheit an. Die Dienststellen praktizieren einen bedarfsorientierten Personaleinsatz. Sie sorgen auf der Basis einer sorgfältigen Analyse dafür, dass Kräfte dann zur Verfügung stehen, wenn es die erkannte und prognostizierte Sicherheitslage erforderlich macht.

In einigen ausgewählten Polizeidienststellen führt man unterstützend dazu als Pilotprojekt das so genannte bedarfsorientierte Schichtdienstmanagement durch. Das sind alles gezielte Maßnahmen, um den Personaleinsatz und schließlich auch die sichtbare Polizeipräsenz zu erhöhen.

In Sachsen-Anhalt gehen allerdings nicht nur Beamtinnen und Beamte aus den Revieren Streife. Auch die Bereitschaftspolizei, die zentralen Dienste der Polizeidirektionen, die Diensthundführergruppen und die Verkehrsüberwachungsdienste sind in die bestehenden verpflichtenden Regelungen mit einbezogen. Wir nutzen alle Möglichkeiten, die wir haben.

Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen spricht aus dem Antrag von Herrn Becker auch ein gewisses Misstrauen gegenüber den Polizeibeamtinnen und -beamten.