„Sinne fortsetzen, wenn Sie zu der zum Ausdruck gebrachten Solidarität auch weiterhin uneingeschränkt stehen, dann werden Sie für diese Politik auch in Zukunft, in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen und in den nächsten Monaten, die uneingeschränkte Unterstützung unserer Fraktion“
Meine Damen und Herren! Ich darf für die CDU-Fraktion unseres Hauses erklären, dass wir in vollem Umfang hinter dieser Erklärung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stehen. Auch wir halten die jetzt begonnenen Maßnahmen für unverzichtbar, weil es sich um Ereignisse handelt, die es so in der Menschheitsgeschichte wohl noch nicht gegeben hat. Die apokalyptischen Terroranschläge in den USA waren keine auf eine Nation bezogene Kriegserklärung im konventionellen Sinne bisheriger Geschichte. Sie waren eine allgemeine Kriegserklärung mit bewusst gewähltem Symbolgehalt gegen eine offene Gesellschaft mit größtmöglicher individueller Freiheit.
Ich halte es übrigens für falsch, die Geschichte des menschlichen Zusammenlebens und der menschlichen Zivilisation, wie wir es gelegentlich auch gelehrt bekommen haben, auf die Geschichte von Klassenkämpfen und auf die Geschichte der sozialen Konflikte zu reduzieren. Es gibt andere Linien, die wir uns deutlich machen müssen.
Spätestens beginnend mit dem Krieg zwischen dem freiheitlich-demokratischen Athen und dem militant-zentralistischen Sparta im Altertum über die unterschiedlichsten Religionskriege im frühen und späten Mittelalter bis hin zu den grundsätzlichen Konflikten mit den sozialistischen Systemen in der Gegenwart gibt es eine Auseinandersetzung über menschliches Zusammenleben mit den Chancen und Risiken der individuellen Freiheit in
einer offenen Gesellschaft einerseits und der einengenden Sicherheit einer alles reglementierenden geschlossenen Gesellschaft andererseits. Wir wissen, dass dieser Konflikt nicht durch Gewalt, nicht durch Terrorakte, auch nicht durch Bomben und Raketen entschieden werden kann.
Wir haben jetzt, in der gegenwärtigen Situation, auf Terror und Gewalt zu reagieren. Wir sind uns gegenseitig jenes Maß an Sicherheit schuldig, das notwendig ist, um die freiheitlichen Strukturen zu erhalten. Wir in SachsenAnhalt sind darauf angewiesen, ein weltoffenes und auch für ausländische Mitbürger freies und freundliches Land zu bleiben. Ich darf Sie daran erinnern, dass dies eine Diskussion ist, die seit mehreren Jahrhunderten geführt wird.
Ich habe ein interessantes Zitat von Wilhelm von Humboldt gefunden, der schon vor fast 200 Jahren gesagt hat, dass ohne Sicherheit der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu genießen vermag; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit. Das ist die Situation, in der wir jetzt entscheiden müssen. Diesbezüglich geben wir Ihnen, Herr Innenminister, völlig Recht.
Dann muss aber auch eines klar sein: Wir müssen uns vor Fanatikern schützen, die über lange Zeit ihre wahre Absicht verbergen und die ihren eigenen Tod einplanen. Das ist auch zivilisationsgeschichtlich eine andere Situation.
Dort, wo es keine Angst mehr vor dem eigenen Tod gibt, versagen alle Waffen. Wenn der Märtyrertod zum Ziel des eigenen Handelns wird, dann, meine Damen und Herren, - das müssen wir deutlich machen - werden vorbeugende Maßnahmen wichtiger als nachträgliche Strafaktionen.
Wenn wir darüber diskutieren, ob wir, und sei es auch lagebildabhängig, lediglich reagieren oder prophylaktische Maßnahmen durchführen, dann geht es genau um diesen Unterschied. Deshalb möchte ich auf dieses Thema etwas ausführlicher eingehen. Ich meine, in der gegenwärtigen Situation können wir nicht mehr nur reagieren, sondern müssen prophylaktische Maßnahmen durchführen. Darüber müssen wir auch in diesem Hause diskutieren.
Ich habe ausdrücklich gesagt - an dieser Stelle gebe ich dem Ministerpräsidenten Recht -, dass die Diskussion über die barbarischen Terroranschläge in den USA sich nicht für eine parteipolitischen Profilierung oder Diskussion eignet. Aber man muss schon öffentlich darüber sprechen dürfen, welche Konsequenzen wir in unserem Lande im Hinblick auf unsere eigenen Maßnahmen zum Schutz der inneren Sicherheit ziehen wollen.
Das ist ein öffentliches Anliegen. Die Menschen wollen von uns wissen, wie wir diese Probleme lösen werden. Deshalb haben wir, ziemlich zeitig vielleicht, ein Maßnahmenbündel zum Schutz vor internationaler Bedrohung gefordert und haben dies auch laut gesagt. Dazu gehört die Einführung von verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen. Dazu gehört die Verbesserung der
polizeilichen Rasterfahndung, wie sie schon erwähnt wurde, und dazu gehört auch der Einsatz des Landesamtes für Verfassungsschutz für Vorfeldermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität.
Herr Innenminister, Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass es Querverbindungen gibt, dass über den Bereich der organisierten Kriminalität - für diejenigen, die sonst nicht wissen, was OK bedeutet - die Finanzierung des Terrorismus betrieben wird und einige andere Dinge. Wenn wir diese Querverbindungen kennen, dann dürfen wir den ermittelnden Beamten ihre Ermittlungen nicht durch Vorgaben erschweren. Mehr wollen wir nicht. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie dies auch wollen, vielleicht mit unterschiedlichen Methoden.
Ich muss schon sagen, dass es bei allem Konsens, zu dem wir bereit sind, auch Dinge gibt, die uns irritieren.
Wir haben zum Beispiel den Vorschlag gemacht, die Zahl der Planstellen beim Verfassungsschutz um zehn Stellen zu erhöhen. Wenn Sie, Herr Innenminister, nun gesagt hätten, die CDU sei zu kurz gesprungen, es müssten 15 Stellen sein, dann hätten wir das locker weggesteckt. Da Sie aber sagen, die CDU wolle die Situation nutzen, um ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen - das ist ein Zitat von Manfred Püchel, Innenminister -, haben wir ein Problem. Wir sind auch bereit, dieses Problem öffentlich zu benennen.
Über eines, so hoffe ich, sind wir uns im Klaren: Mit solchen Äußerungen kann man den Konsens, von dem auch Sie gesprochen haben, nicht erreichen.
Wir sind gern dazu bereit, uns über Einzelheiten an anderer Stelle zu unterhalten. Das bezieht sich auch auf den Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben. Wenn Sie bereit sind, darüber mit uns im Innenausschuss zu diskutieren, dann ist an dieser Stelle fast alles gesagt.
Es geht uns lediglich darum, die prophylaktischen Maßnahmen zu ermöglichen. Wir entnehmen nämlich den Worten „lageabhängige Reaktion“, dass erst ein besonderer Grund vorhanden sein muss, das heißt, dass irgendetwas Erkennbares passiert sein muss, bevor diese Maßnahmen ausgelöst werden können. Nach der Lage der Dinge, so wie sie auch von Ihnen vorgetragen wurde, müssen wir prophylaktisch handeln und können nicht abwarten, bis uns Gründe für die entsprechenden Aktionen, auch vonseiten der Polizei, geliefert werden.
Wir haben auch eine Reihe von anderen Vorschlägen zur Diskussion gestellt. Wenn wir uns darauf einigen können, unsere Anträge und ihre Änderungsanträge, so
wie wir es schon häufig getan haben, gemeinsam zur Beratung in den Fachausschuss zu überweisen, sehen wir an dieser Stelle kein Problem. Warum sollten wir nicht offen genug sein, über sprachliche Formulierungen zu diskutieren? Ich sage aber deutlich, dass es sofort ein Problem geben wird, wenn Sie getrennt darüber abstimmen wollen, welche Anträge zur Beratung in den Ausschuss überwiesen werden.
Ich stelle fest - das betrifft nicht nur diesen Änderungsantrag, sondern auch einige andere -, dass Sie immer dann, wenn Sie uns offensichtlich in der Sache Recht geben und auch das eine oder andere bereits veranlasst haben, in Ihren Änderungsanträgen vorschlagen, der Landtag solle zunächst einmal die Maßnahmen der Landesregierung begrüßen.
Ich kann das aus psychologischer Sicht verstehen, meine Damen und Herren. Wir sind auch nicht völlig neu in diesem Geschäft. Aber ich will auch sagen: Wenn der Konsens gesucht wird, sollte man das Geschäft nicht mit solchen Spielchen erschweren.
Es ist einfacher zu sagen, dass wir möglicherweise unterschiedliche Schwerpunkte setzen, dass wir darüber reden müssen, ob etwa zehn oder 15 Planstellen nötig sind usw. Das alles sind keine Probleme, über die sich erwachsene Leute streiten sollten. Dies sollten wir untereinander aushandeln und nicht zu dem politischen Konflikt machen, zu dem es zweifellos wird, wenn man die Beratungen unnötig mit methodischen Aspekten oder Formulierungen, die so untergejubelt werden sollen, belastet.
Deswegen schlage ich vor, die Anträge und Änderungsanträge gemeinsam in den jeweiligen Fachausschuss zu überweisen. Damit sind wir einverstanden. Aber es geht uns ausdrücklich darum - das wiederhole ich, gerade weil ich von den so genannten Ladenhütern in der Presse gelesen habe -, die Kompetenzen zum prophylaktischen Handeln für die Ermittlungsorgane zu schaffen. Dafür halten wir den von uns vorgelegten Gesetzentwurf für geeignet und in der Sache für angemessen.
Meine Damen und Herren! Ich lese und höre jetzt gelegentlich, dass außerhalb Sachsen-Anhalts der Eindruck entstanden sei, wir würden das Bedürfnis unserer Bürger nach Ordnung, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit nicht genügend wahrnehmen.
Ich will ausdrücklich feststellen: Das trifft auf unsere Fraktion nicht zu, aber ich weiß auch, dass wir in der letzten Zeit über eine Reihe von Problemen öffentlich und auch kontrovers diskutiert haben. Wir waren es nicht - um auch das noch einmal in Erinnerung zu rufen -, die das Amt für Verfassungsschutz an einem Abend beim Bier aufgelöst haben.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Artikel in einer Zeitung, die Sie alle kennen. Dieses nahezu beiläufige Verändern einer Organisationsstruktur, selbst wenn es von der Sache her begründet war, war von der Form her so, dass es zu allen möglichen Interpretationen und Rückschlüssen Anlass geben konnte.
Mit diesem öffentlichen Eindruck werden wir uns in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus auch auseinander setzen müssen.
Wir wissen, was wir mit auf den Weg gebracht haben, welchen Maßnahmen und welchen Gesetzen wir zugestimmt haben. Wir wissen aber auch, was wir wollten und wofür wir in diesem Haus keine Mehrheit gefunden haben. Wenn es notwendig ist, fällt uns das alles wieder ein. Wenn es nicht notwendig ist, sind wir bereit, das zu vergessen.