Protocol of the Session on September 14, 2001

Welche Aufgaben im Einzelnen bei der qualifizierten Verwaltungsgemeinschaft angesiedelt werden, war Gegenstand intensiver Verhandlungen. Der Umstand, dass die heute zur Abstimmung vorliegende Beschlussempfehlung im Laufe der Beratung mehrfach ihr Gesicht veränderte, beweist die Offenheit und Aufnahmebereitschaft für konstruktive Vorschläge im Rahmen der Reformvorhaben.

Sichtbarster Beleg ist die Herausnahme der Aufgaben nach dem Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz aus dem ursprünglichen Katalog der Aufgaben der Verbandsgemeinde. Ich bin zwar nach wie vor davon überzeugt, dass im Interesse der Sache eine Übertragung richtig gewesen wäre. Die Ängste des Feuerwehrverbandes, dass Kommunalpolitiker und Verwaltung vor Ort die Gelegenheit nutzen würden, um Feuerwehren aufzulösen, kann ich nicht teilen. Ich nehme aber dieses subjektive Angstgefühl der Feuerwehrleute ernst und bin deshalb der Bitte nach Herausnahme gefolgt.

(Zustimmung von Herrn Jüngling, SPD)

Über den verbleibenden Aufgabenbestand der Verbandsgemeinde besteht weitgehend Einigkeit. Das beweist ein Blick auf den CDU-Entwurf. Die konkreten Vorschläge der CDU zur Aufgabenübertragung sind ausnahmslos im Gesetzentwurf der Landesregierung enthalten. Sie können von daher getrost unserer Beschlussempfehlung zustimmen, lieber Herr Becker. Hätte Ihr Entwurf nicht die bereits angedeuteten verfassungsrechtlichen Mängel, wäre Ihnen meine Zustimmung zu Ihrem Gesetzentwurf sicher gewesen.

Meine Damen und Herren! Kritiker des Verbandsgemeindeeinführungsgesetzes können sich jedenfalls nicht

auf die CDU berufen. Bei aller Kürze der Zeit ein Blick auf das, was Kollege Becker im Gesetzentwurf vom Monat März vorgeschlagen hat, und das öffnet allen die Augen:

In seinem Brief an die Bürgermeister vom 28. August hat er wohlweislich den Gesetzentwurf nicht mitgeschickt, sondern gesagt: Wenn ihr ihn haben wollt, schicken wir ihn nach. - Sie hätten ihn gleich mitschicken sollen, das wäre besser gewesen. - Herr Becker will nämlich die Aufgaben nach dem Schulgesetz, also die Trägerschaft für die allgemeinen Schulen, die Aufgaben der Kinderbetreuung, also die Kindertagesstätten, den Bau und die Erhaltung von zentralen Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen sowie überörtliche Sozialeinrichtungen auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen.

Vergleicht man diesen Katalog mit unserem, so gehen wir allein mit der Übertragung der Flächennutzungsplanung, die in den meisten Gemeinden bereits abgeschlossen ist - wenn etwas geändert werden soll, geht das nur im Einvernehmen mit den Mitgliedsgemeinden, ist also kein Problem -, der Straßenbaulast bei den Gemeindeverbindungsstraßen, woran eigentlich alle Interesse haben müssten, der Aufgabe Abwasserentsorgung und Trinkwasserversorgung, die bereits auf Verbände übertragen wurde, sowie den Aufgaben nach dem Schiedsstellengesetz - diese sind wohl nicht das entscheidende Markenzeichen der kommunalen Selbstverwaltung - über die Vorstellungen der CDU hinaus. Also nur diese wenigen Aufgaben mehr haben wir in unserem Entwurf verankert und das sind nicht die entscheidenden Aufgaben. Die Übertragung der entscheidenden Aufgaben unterstützen wir beide.

Die immer wieder vorgetragene Empörung ist also gespielt. Die Grundidee ist die gleiche: Die Aufgaben, die von kleinen Gemeinden nicht mehr erfolgreich wahrgenommen werden können - das sind genau die Aufgaben, über die am meisten gestritten wird -, will auch die CDU auf die Verwaltungsgemeinschaften übertragen. Genau das sind die Aufgaben, über die ich auch vor Ort diskutiere.

Nur über die Frage der Eigentumsübertragung hat sich die CDU ausgeschwiegen. An dieser Frage kann man sich aber nicht vorbeimogeln.

(Herr Becker, CDU: Doch!)

- Nein. Denn mit einer Aufgabenübertragung geht unmittelbar die Frage nach dem Eigentum an den betreffenden Einrichtungen und Gegenständen einher.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Diese Frage wurde in den vergangenen Tagen von einigen Personen in fast schon demagogischer Weise missbraucht.

Grundsätzlich muss eines klar sein: Mit dem Aufgabenübergang muss auch ein Übergang des Eigentums und der Verbindlichkeiten der betreffenden Einrichtungen einhergehen. Der Grundsatz, dass das Eigentum der Aufgabe folgt, wird von den kommunalen Spitzenverbänden ausdrücklich geteilt und als unverzichtbar bezeichnet. Wenn trotz dieser eindeutigen Aussagen auch der kommunalen Spitzenverbände Personen versuchen, mit solchen Schlagworten wie „Zwangskollektivierung“ und „Enteignung“ zu zündeln, dann weise ich dieses auf das Schärfste zurück.

(Zurufe von der CDU)

Es handelt sich bei der Übertragung auf die Verbandsgemeinde nicht nur juristisch, sondern auch faktisch nicht um eine Enteignung, sondern, im Gegenteil, um die Garantie des kommunalen Eigentums, weil seine Auslastung und Nutzung weiter gesichert wird.

(Beifall bei der SPD)

Die Kindertagesstätte oder die Grundschule gehören dann eben allen Mitgliedsgemeinden und werden von allen gleichermaßen finanziert. Kurz: kommunales Eigentum bleibt kommunales Eigentum.

Was mich bei der ganzen Diskussion maßlos stört, ist die fälschliche Verwendung von Begriffen, die in der Vergangenheit viel Leid für die Menschen in unserem Land bedeutet haben und mit denen nun Bürger aufgeputscht werden.

Herr Becker, ich glaube, gerade Sie müssten wissen, was Enteignung wirklich bedeutet, und sie müssten in der Diskussion solchen Tendenzen und Argumentationen eindeutig entgegentreten.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Wir sind uns doch darin einig. Übrigens haben wir am letzten Donnerstag noch gemeinsam geregelt, dass zum Beispiel bei einer Nichtmehrnutzung eines Schulgebäudes dieses Schulgebäude auf Verlangen der Gemeinde an die Gemeinde zurückfallen kann und sie wieder frei darüber verfügen kann. Es ist nicht so, dass das Schulgebäude auf Dauer abgegeben sein muss.

(Unruhe bei der CDU)

- Moment einmal. Dieser Regelung hat die CDU-Fraktion im Landtag ausdrücklich zugestimmt.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Nein!)

- Doch, natürlich. Und wenn sie dieser Regelung der Rückübertragung zugestimmt hat, hat sie damit automatisch auch die Übertragung des Eigentums auf die Verbandsgemeinde akzeptiert.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei der CDU)

Das Wort „Enteignung“ möchte ich deshalb aus dem Mund eines CDU-Politikers nicht mehr hören.

(Herr Sommerfeld, CDU: Das kann nicht wahr sein!)

Kollege Becker kritisiert in seinem Brief die so genannte Doppelspitze. Im Umkehrschluss heißt dies, dass er eine Direktwahl des Verbandsgemeindedirektors fordert.

(Unruhe bei der CDU)

- Ja, er war nicht da. Die anderen waren etwas schneller und pünktlicher gewesen. Er hat an diesem Tag gefehlt. Das muss gesagt werden.

(Frau Weiß, CDU: Na, na, na!)

Herr Becker kritisiert die so genannte Doppelspitze. Das heißt im Umkehrschluss: Er fordert die Einführung der Direktwahl des Verbandsgemeindedirektors. Genau das wollte ich nicht. Ich wollte keinen Oberbürgermeister haben, der über den ehrenamtlichen Bürgermeistern sitzt. So muss man die Frage auch einmal diskutieren, Herr Becker.

Meine Damen und Herren! Lassen mich Sie zum Abschluss noch kurz mit einer von interessierter Seite immer wieder geäußerten Fehlinterpretation zur Dauer

der freiwilligen Phase aufräumen. Falsch ist, dass sich Verwaltungsgemeinschaften nach In-Kraft-Treten des Dritten Vorschaltgesetzes nicht mehr neu bilden können. Ich meine Verwaltungsgemeinschaften des bisherigen Typus.

Richtig ist vielmehr, dass die Freiwilligkeitsphase für alle wie geplant bis zum 1. Oktober 2002 läuft. Verwaltungsgemeinschaften, die sich also bis zum März des nächsten Jahres im bisherigen Verwaltungsgemeinschaftsmodell zusammenschließen, müssen endgültig erst zum 1. Juli 2004 in die Verbandsgemeinde übergehen. Also von wegen, die Freiwilligkeitsphase ist beendet. Sie geht weiter.

Falsch ist auch, dass eigene Planungen mit dem Beginn der staatlichen Phase zum 1. November 2002 ausgeschlossen werden. Richtig ist vielmehr, dass sich ab diesem Zeitpunkt das Land aktiv in die Ausgestaltung der Einzelheiten des Reformvorhabens vor Ort einbringen wird und in gewisser Weise neben und, wo es erforderlich ist, anstelle der Beteiligten handeln wird.

Meine Damen und Herren! Der Prozess der kommunalen Verwaltungsreform in Sachsen-Anhalt ist unumkehrbar. Diejenigen, die sich diesem Bemühen aus vordergründigen Motiven bisher versagt haben, sollten erkennen, dass ihr Politikansatz verfehlt ist. Wenn Sie die Zukunft unseres Landes nicht mitgestalten wollen, dann bleiben Sie ruhig lethargisch in Ihrer Verweigererecke. Wahlen werden Sie damit nicht gewinnen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Eines sollten Sie aber bedenken, Herr Becker: Viele Ihrer eigenen CDU-Bürgermeister sind Ihnen in Bezug auf die Zukunftsfragen bereits um Längen voraus.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Was ist mit den SPD- Bürgermeistern, die Ihnen widersprechen, Herr Kollege, und aus der Partei austreten wollen?)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich würde Sie bitten, den Herrn Minister zu Ende reden zu lassen.

Diese CDU-Bürgermeister kritisieren mich sogar, weil ich bei der Verwaltungs- und Kommunalreform nicht weit genug gehe. Und sie kritisieren ihre eigene Parteispitze wegen der Verweigerungshaltung. Ich habe mit mehreren Landräten und Bürgermeistern gesprochen, die schon Briefe an Sie geschrieben und Sie aufgefordert haben, endlich mitzumachen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss all denen danken, die dieses Gesetz im Interesse der Leistungs- und der Zukunftsfähigkeit unserer Kommunen befördert haben. Auch wenn mancher Zweifler dies nicht wahrhaben will: Mit der Einführung des Verbandsgemeindemodells tragen wir zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Lande bei. Wir sind auf einem guten Weg und werden das gesteckte Ziel in der nächsten Wahlperiode erreichen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Danke, Herr Minister. Herr Minister, Sie haben die Redezeit deutlich überschritten. Eine Minute Schmerzzulage haben Sie erbeten. Diese werden Sie auch bekommen. So kulant ist das Parlament.

Meine Damen und Herren! Es gibt zwei Nachfragen von Herrn Becker und Herrn Jeziorsky. Wie ich Sie kenne, beantworten Sie die Fragen gern.

(Herr Becker, CDU: Ich verzichte!)