Protocol of the Session on September 13, 2001

Es wird also dem Landtag vorbehalten bleiben, kritisch zu diskutieren und einzelne Haushalte auf den Prüfstand zu stellen. Wir haben vorhin von Herrn Kollegen Böhmer gehört, dass Sie dazu eine Reihe von Vorschlägen bereithaben. Und darauf sind wir gespannt. Wir werden gern darüber diskutieren, welche Schwerpunkte bzw. Prioritäten anders gesetzt werden sollten.

Leider werden wir wohl dabei die gleiche Erfahrung wie immer machen, dass alle Forderungen nur auf den eigenen Bereich gerichtet sind und selten Vorschläge enthalten, wer stattdessen weniger Geld erhalten soll.

Aber nun zu den Rahmenbedingungen. Meine Damen und Herren! Durch die Verabschiedung des Solidarpaktes II besteht auch für unser Land Sachsen-Anhalt für die nächsten 20 Jahre finanzielle Planungssicherheit. Damit ist, soweit man über so lange Zeiträume planen kann, die Gesamtentwicklung des Landes einschließlich der wirtschaftlichen Entwicklung gesichert.

Für den Haushalt 2002 hat sich dadurch nichts geändert. Er hat ein Gesamtvolumen von 10,4 Milliarden Euro, rund 50 Millionen Euro mehr als der diesjährige Haushalt. Wer daraus folgert, dass insgesamt mehr Geld zur Verfügung steht, sollte rasch einen Blick auf die Zinsausgaben werfen. Bei steigender Gesamtverschuldung steigen sie im nächsten Jahr um 75 Millionen Euro. Kurzum: Wir haben im kommenden Jahr weniger verfügbares Geld als in diesem.

Und, Herr Kollege Böhmer, eine Was-wäre-wennDiskussion, was wäre, wenn wir weniger Schulden hätten, folglich weniger Zinsen zahlen müssten, was wir dann mit dem vielen Geld, das wir dann hätten, aber nicht haben, alles machen könnten, ist ja reizvoll und manchem kann man damit auch etwas an die Wand malen,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Die zeigt, wo wir stän- den, wenn wir eine andere Regierung hätten!)

was er meint, nur ergreifen zu müssen.

Aber die Situation ist nicht so. Wir haben die Schulden. Und wir haben die Schulden auch, vielleicht von Ausnahmen abgesehen, immer gemacht, um die Mittel für gute Entwicklungen in diesem Lande einzusetzen.

Die Haushaltsaufstellung wurde zusätzlich noch dadurch erschwert, dass aufgrund der Steuerreform im Jahre 2002 131 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen, als nach der mittelfristigen Finanzplanung angenommen werden konnte. Die Einnahmesituation können wir aus eigener Kraft lediglich bei der Kreditaufnahme steuern. Erneut müssen wir 536 Millionen Euro Schulden machen. Aber es gelingt wenigstens, wie vorgesehen um 153 Millionen Euro unter den diesjährigen zu bleiben.

Mit Sparen hat das nichts zu tun und mit Kaputtsparen, wie ich kürzlich erst wieder las, schon gar nichts. Mir scheint, dass man auch darauf immer wieder neu hinweisen muss.

Sparen heißt, weniger Geld ausgeben als man hat. Wir dagegen geben mehr Geld aus als wir haben. Allerdings sind wir entschlossen, unseren Weg der Rückführung der Neuverschuldung, wie es finanztechnisch heißt, weiterzugehen, um möglichst im Jahre 2005 keine neuen Schulden mehr beschließen zu müssen.

Kommen wir zu den Eckdaten im Ausgabenbereich. Die Personalausgaben und Verwaltungsausgaben sollen konstant bleiben. Die Personalausgabenquote verringert sich leicht von 27,1 % auf 26,9 %.

Meine Damen und Herren! Sie erinnern sich an das vergangene Jahr: Die Landesregierung hatte beim Personalhaushalt eine Steigerung von 44 Millionen - damals noch in D-Mark - in den Haushaltsplan eingesetzt, um unabweisbare Steigerungen in Form von Tarifabschlüssen oder notwendigen Beförderungen und Gehaltssteigerungen finanzieren zu können. Der Landtag hat auf Antrag der SPD-Fraktion diesen Zuwachs gestrichen. Es wird sich herausstellen, ob im Abschluss dieses Haushaltsjahres das Geld dennoch gereicht hat. Diese 44 Millionen DM konnten von uns für andere Zwecke innerhalb des Haushaltes eingesetzt werden.

Aus dieser Erfahrung hat die Landesregierung die Konsequenzen gezogen und die Personalausgaben für das Jahr 2002 gleich selbst eingefroren. Seitens des Landtages ist nun wohl eine weitere Kürzung kaum mehr möglich.

Ich darf daran erinnern, dass bei Tarifsteigerungen zwischen 2 und 3 % in Kombination mit Beförderungen und sonstigen unabweisbaren Aufwüchsen bei einem Personalbestand von etwa 70 000 Personen ein Abbau von 2 000 Stellen im Jahr allein aufgrund der Festschreibung dieses Betrages die notwendige Folge ist. Die Landesregierung hat wiederholt erklärt, dass sie entschlossen ist, dies zu erbringen, jedoch größere Jahresschritte offenbar nicht möglich sind.

Umso abenteuerlicher hörte sich ein Vorschlag an, nach dem man den Personalhaushalt zugunsten der Kommunalfinanzen in der Größenordnung von über 180 Millionen Euro kürzen könnte. Das klingt populär, obwohl es immerhin gegen Landesbedienstete, also Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt gerichtet ist. Doch wer auch nur ein wenig rechnen kann, wird feststellen, dass dies die Einsparung von zusätzlichen 4 000 Stellen in einem einzigen Jahr, also insgesamt 6 000 Stellen bedeuten würde. Jeder weiß, dass das durch nichts und durch niemanden zu erreichen ist - kurzum: ein unbrauchbarer Vorschlag.

An dieser Stelle sei daran erinnert, wie schwer sich auch unser Landtag von Sachsen-Anhalt im Hinblick auf die Notwendigkeit des Personalabbaus tut und welche Unehrlichkeit wir hierbei erlebt haben. Ich denke nur an den Landtagsbeschluss vom 29. Juni dieses Jahres, als PDS und CDU dafür stimmten, auf betriebsbedingte Kündigungen bei Waldarbeitern gänzlich zu verzichten. Allen muss klar gewesen sein, dass der notwendige Personalabbau in diesem Bereich nur dann in Gang kommen würde, nur dadurch in Gang gekommen ist, dass am Ende die betriebsbedingte Kündigung droht. Wenn der Arbeitgeber Land in letzter Konsequenz und in wenigen Fällen dazu nicht entschlossen ist, so sind auch die vorausgehenden Schritte und Angebote nicht umzusetzen.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Bei der PDS-Fraktion hat mich der Antrag vergleichsweise wenig gewundert, obwohl sie auch schon An

trägen zugestimmt hat, die die Formulierung „betriebsbedingte Kündigung“ enthielten.

Völlig unglaubwürdig - das sage ich auch am heutigen Tag - erscheint mir dagegen die Haltung der CDUFraktion in dieser Frage. Bei allem Bemühen um Sachlichkeit kann ich Ihnen, Herr Kollege Böhmer, den Vorwurf des Populismus an dieser Stelle nicht ersparen, wenn Sie uns einerseits eine so genannte Sanierungskoalition anbieten, dabei die zu große Zahl an Landesbediensteten kritisieren und dann bereits bei einem so kleinen Schritt einem PDS-Antrag zur Mehrheit verhelfen. Sie hätten sich ja nicht unbedingt für die Entlassungen stark machen müssen, weil dies schließlich Regierungshandeln ist, sich doch aber wenigstens auf Stimmenthaltung zurückziehen können;

(Herr Dr. Bergner, CDU, lacht)

aber diese Abstimmung belastet Ihre Glaubwürdigkeit.

(Herr Dr. Bergner, CDU: O Gott! - Herr Scharf, CDU: Das macht Sie jetzt traurig! - Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Das zeigt doch nur die Labili- tät!)

Meine Damen und Herren! Kurzum: Der große Haushaltsbrocken Personalausgaben von insgesamt fast 2,8 Milliarden Euro dürfte nach allem Dargelegten folglich kaum infrage zu stellen sein.

Ein weiteres so genanntes Eckdatum, eine der beliebten so genannten Stellschrauben, an denen ein Landtag mit vergleichsweise wenig Mühe drehen kann, ist die globale Minderausgabe. Ich habe hier stets die Ansicht vertreten, dass es das Ziel sein müsste, die globale Minderausgabe so gering wie möglich zu halten, um der Landesregierung nicht einen wesentlichen Teil des Budgetrechts des Landtags zu geben.

Von vielen Seiten - dazu zählt der Landesrechnungshof und auch die CDU-Fraktion, auch heute wieder - wurde immer wieder bestätigt, dass ein Prozent des Gesamthaushaltes als globale Minderausgabe vertretbar sei, weil dieses zu erwirtschaften sei und das Budgetrecht dadurch nur unmaßgeblich angetastet werde.

So schlau war nun die Landesregierung auch. Bei einer mit 99,1 Millionen Euro bereits im Entwurf veranschlagten globalen Minderausgabe ist die Differenz zu einem Prozent so minimal, dass es sich wohl kaum lohnt, daran etwas zu ändern.

Wenn also die Eckdaten feststehen, wenn an den berühmten Stellschrauben kaum noch etwas zu drehen sein dürfte, dann bleiben uns nur noch die Einzelhaushalte zur Betrachtung. Auf diese wird sich meine Fraktion in den Haushaltsberatungen konzentrieren. Hierzu haben wir wie bereits in den vergangenen Jahren einen Beschluss gefasst, der besagt, dass wir bei den Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen Mehrausgaben nur dann zustimmen, wenn sie durch Einsparungen in gleicher Höhe im selben Einzelplan gedeckt werden. Bei ressortübergreifenden und zentralen Änderungen sind die Änderungsanträge der Fraktion vorzulegen. Über grundsätzliche Angelegenheiten entscheidet selbstverständlich die Fraktion.

Meine Damen und Herren! Betrachten wir zunächst die Investitionen. Von ihnen hängt die Zukunft des Landes zwar nicht allein ab, aber doch sehr wesentlich. Natürlich gehören dazu auch die so genannten Investitionen in die Köpfe, die Investitionen in die Zukunft unserer Kinder und anderer. Bei meinen Betrachtungen beschränke ich

mich aber auf die klassischen, haushaltstechnisch definierten Investitionen, wie sie im Haushaltsplan ausgewiesen sind. 2,14 Milliarden Euro sind ein stolzer Betrag. Er entspricht 20,56 % des Haushaltes. Das sind zwar leider fast 1,5 Prozentpunkte weniger als in diesem Jahr; aber das erste Bedauern über die Absenkung wird bei näherer Betrachtung deutlich geringer und die Proteste sollten sich in Grenzen halten.

Der größte Investitionshaushalt ist der Einzelplan 08. Nach meinem Eindruck gab es die größte öffentliche Fehleinschätzung hinsichtlich dieses Haushaltes der Ministerin für Wirtschaft und Technologie. Einige meinten sogar eine Schwäche der neuen Ministerin ausmachen zu können, was ja nun wirklich überhaupt nicht der Fall ist.

Denn entgegen einer veröffentlichten Auffassung haben die Veränderungen der Einzelhaushaltsvolumen nichts mit der Stärke oder vermuteten Schwäche von Ministerinnen und Ministern zu tun. Sie sind Punkt für Punkt inhaltlich aus der Gesamtverantwortung heraus zu vertreten. Das muss auch so sein; alles andere würde nicht dem Wohl des Landes und seiner Entwicklung dienen.

Die Größe der Einzelhaushalte blieb nur in einigen Fällen gleich, in anderen gab es erhebliche Aufwüchse und logischerweise in anderen entsprechende Kürzungen. Entgegen dem zunächst verständlichen oberflächlichen Urteil über den Einzelplan 08 zeigten sich die Eingeweihten und Kenner vergleichsweise zufrieden, denn dass er für 2002 um 80 Millionen Euro, also um 10 % zurückgeht, hat leicht zu erklärende Ursachen.

Seit Jahren geht das Volumen der durch Bund und Land finanzierten Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, der so genannten GA, zurück. Im Haushalt 2001 sind noch Ausgaben der ausgelaufenen EU-Förderperiode 1994 bis 1999, des so genannten EFRE II verbucht, und zwar zusätzlich zu den Ausgaben der schon angelaufenen neuen Programmperiode, dem EFRE III. Im Jahr 2002 wirkt sich diese Übergangsphase nicht mehr aus, wodurch logischerweise auch die Ausgaben sinken.

Abgesehen davon kann sich unser Wirtschaftshaushalt durchaus sehen lassen. Schließlich bleibt es eine der wichtigsten Aufgaben der Landesregierung, die hiesige Wirtschaft zu stärken. Alle rufen nach Investitionen. Das Land braucht Investitionen in die Wirtschaft. Dieser Notwendigkeit wird entsprochen, auch wenn Sie, Herr Kollege Böhmer, heute wieder Zweifel daran geäußert haben. Es wird sichergestellt, dass jede Investition in die Wirtschaft gefördert werden kann.

Die Unterstützung der Wirtschaft steht folglich weiter im Vordergrund, damit unser Ziel, für viele Menschen Arbeit zu schaffen, erreicht wird. Ich spreche hier nicht von der Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Dies wird durch Investitionen in industrielle Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum allein nicht zu erreichen sein. Darüber sind sich schließlich alle im Klaren.

Der Haushalt des Wirtschaftsministeriums ist unverändert durch eine hohe Investitionsförderung gekennzeichnet. 85,4 % der Ausgaben sind für diesen Bereich vorgesehen. Für konsumtive Zuschüsse sollen nur 10,2 % und für Personal- und Sachausgaben lediglich 4,3 % ausgegeben werden. Künftig stehen mehr Mittel für die Landesprogramme zur Verfügung, und zwar 22 Millionen Euro. Das entspricht einer Steigerung um 35 % - dies nur als Beispiel für Profilbildung. Daran hängen viele Projekte, die weiterhin und stärker unterstützt werden

können. Sie betreffen den Mittelstand, Forschung und Entwicklung, Tourismus und Außenwirtschaft mit Zuwächsen um bis zu 60 %.

Wenn jemals der Eindruck vermittelt worden sein sollte, dass die Wirtschaft eine zu geringe finanzielle Förderung erfährt, so ist dieser durch die vorliegenden Zahlen eindeutig widerlegt und zurückzuweisen.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist ein hervorragender Ort für Investitionen, insbesondere auch im Bereich industrieller Ansiedlungen. Das zeigen nicht nur die hohen Auslandsinvestitionen, von denen wir bekanntermaßen weitaus mehr erhalten als alle anderen neuen Bundesländer. Auch der Entscheidungsprozess im Rahmen der Suche nach einem neuen BMWStandort spricht für Sachsen-Anhalt.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Oh!)

Es ist nun wirklich keine Selbstverständlichkeit, bei europaweit 250 Bewerbungen unter die letzten zehn zu kommen. Es ist nach der Entscheidung für den Standort Leipzig keine Selbstverständlichkeit, dass Halle vom Investor stets in einem Atemzug mit Leipzig genannt wird. Letztlich ist der ausgewählte Standort nach der einen Seite vom Schkeuditzer Kreuz und vom Flughafen Leipzig/Halle nicht weiter entfernt als von der anderen Seite. Das dürfte für die Entstehung von Arbeitsplätzen und für die Zulieferindustrie keine Rolle spielen.

In diesem Zusammenhang möchte ich doch an einen Vorfall erinnern, der im Sommer durch die Presse ging und nichts weiter als plumpe Propaganda ist. In großen Lettern wurde gemeldet, dass das ehemalige BMWVorstandsmitglied Horst Teltschik - ein CDU-Mitglied und einst als Berater von Kohl bekannt - geäußert habe, BMW habe sich auch aus politischen Gründen für Leipzig entschieden; PDS und Investoren - das passe eben nicht zusammen.

Meine Damen und Herren! Es geht mir nicht darum, die PDS in Schutz zu nehmen. Dafür muss sie schon selber sorgen.

(Frau Stolfa, PDS: Machen wir!)

Aber damit ist ein weit verbreitetes und durch nichts belegtes Vorurteil ein weiteres Mal durch Unwahrheiten gefördert worden. Wäre es so, dass eine PDS-tolerierte Regierung Investoren abschreckt, so müsste das wohl bei einer Regierungsbeteiligung der PDS noch stärker sein. Dennoch ist Schwerin unter die letzten fünf gekommen.

Die Behauptung war so plump und falsch, dass sich BMW unverzüglich zu einem Dementi veranlasst sah. Das war in der „Mitteldeutschen Zeitung“ und in der „Volksstimme“ vom 9. August 2001 zu lesen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Oh, jetzt geht‘s aber los! - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Es wurde mitgeteilt, die Entscheidung sei ausschließlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen gefallen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Na klar!)