Protocol of the Session on September 13, 2001

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 3/4873

b) Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2002

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 3/4874

Beide Gesetzentwürfe werden zunächst vom Minister der Finanzen eingebracht. Für die Debatte wurde eine Redezeit von 180 Minuten vereinbart. Zur Reihenfolge der Fraktionen sowie zu den einzelnen Redezeiten werde ich mich vor der Eröffnung der Debatte äußern.

Ich erteile nunmehr Herrn Minister Gerhards das Wort zur Begründung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2002 sowie des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 2002. - Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt nicht ganz leicht, nach den Ereignissen der letzten Tage nun

zur Tagesordnung überzugehen und zur Sache zu sprechen, schon gar nicht bei einem Themenfeld, das uns noch viele Kontroversen bescheren wird.

Trotzdem halte ich es für richtig, dass der Landtag in seiner Tagesordnung fortfährt und diese Sitzung beginnt, weil man sich auch nicht in die Knie zwingen lassen darf. Man darf sich von dem, was geschehen ist, nicht lähmen lassen. Deshalb ist es gut, dass wir heute in der Tagesordnung fortfahren. Dies sollten wir aber in einer Form tun, die Spitzen und alle unnötige Polemik vermeidet. Ich werde mich bemühen, in meiner Rede so zu verfahren.

Meine Damen und Herren! Mit der Einbringung des Etats 2002 wird der letzte Landeshaushalt in dieser Legislaturperiode im Parlament diskutiert. Es ist auch meine letzte Rede zu einem Haushalt in D-Mark. Sie wissen aus den Papieren, dass wir die Ansätze bereits in Euro ausgewiesen haben. Ich will Ihnen heute jedoch noch einmal - sozusagen zum Abschied - die Beträge in D-Mark vorstellen. Wir beraten nachher noch über das Euro-Einführungsgesetz, womit der Übergang zur neuen Währung in den Gesetzestexten des Landes endgültig zum Tragen kommen wird.

Wie schon die letzten Tage und Wochen gezeigt haben, geht es jetzt nicht mehr nur um die beste Lösung für die Finanzpolitik in diesem Land, sondern auch um die Einleitung des Wahlkampfes. Platte polemische Unterstellungen sind dabei leider nicht auszuschließen. Ich gehe aber davon aus, dass das heute nicht der Fall sein wird. Als Finanzminister muss man so etwas aushalten.

Ich werde in meiner Rede die Schwerpunkte sozialdemokratischer Haushaltspolitik beschreiben. Diese Schwerpunkte müssen auf der Verbesserung der Lebensbedingungen für die Menschen in Sachsen-Anhalt liegen. Hauptproblem ist die Arbeitslosigkeit, die trotz positiver Entwicklungstendenzen im Lande weiterhin zu hoch ist.

Bevor ich auf den Landeshaushalt im Einzelnen eingehe, möchte ich die Entscheidung zur Fortführung des Solidarpaktes hervorheben. Die Vereinbarung, den ostdeutschen Ländern über einen Zeitraum von 15 Jahren ab dem Jahr 2005 zusätzliche Mittel, die so genannten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, in Höhe von 206 Milliarden DM zur Verfügung zu stellen, ist ein Meilenstein zur Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der deutschen Teilung.

Gleichzeitig werden den Ländern ab dem Jahr 2002 die Fördermittel nach dem Investitionsfördergesetz Aufbau Ost als pauschale Zuwendungen zufließen. Dies verringert den Verwaltungsaufwand bei den Ländern und bei den Kommunen und erhöht die Flexibilität des Mitteleinsatzes.

Mit dem Solidarpakt II haben sich die neuen Länder verpflichtet, jährlich so genannte Fortschrittsberichte vorzulegen und darüber mit den anderen Bundesländern zu diskutieren. Diese Berichte werden in Zukunft sicherlich auch den Landtag sowie die Öffentlichkeit beschäftigen.

Die Kompromisssuche bei den Verhandlungen zum Solidarpakt II und zum Länderfinanzausgleich war nicht einfach, wobei die enge Kooperation der ostdeutschen Bundesländer ein wesentlicher Garant des Erfolges war. Umso alarmierender ist es, dass die drei süddeutschen Länder Hessen, Baden-Württemberg und Bayern nunmehr den Finanzausgleich der Krankenkassen auf dem Klageweg zerstören wollen und somit einen wichtigen Baustein der solidarischen Krankenversicherung in

Frage stellen, was uns in Ostdeutschland besonders betrifft.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Es geht schon los!)

- Entschuldigung. Ich habe von drei Ländern gesprochen, die uns ein Problem bereiten. Das ist keine Polemik. Wenn Sie das anders sehen, tut es mir sehr leid.

Die stetige Verringerung der Neuverschuldung ist das Markenzeichen der Finanzpolitik der Landesregierung. Wir haben uns für die mittelfristige Finanzplanung vorgenommen, die Nettokreditaufnahme jedes Jahr um 300 Millionen DM bzw. 153 Millionen Euro zu senken. Bis zum Jahre 2006 wollen wir die Neuverschuldung auf null reduzieren, damit wir anschließend mit der Tilgung der Landesschulden und mit der Reduzierung der jährlichen Zinszahlungen beginnen können.

Dieser Vorschlag erfährt zunächst breite Unterstützung, wenn es um die allgemeine Zielstellung geht. Werden aber einzelne Ausgaben auf den Prüfstand gestellt, das heißt, werden den Prioritäten die erforderlichen Posterioritäten entgegengesetzt und Etatansätze gekürzt, dann wehklagen die Betroffenen sofort. Gerade die jeweils anvisierte Streichung sei falsch oder gefährlich, wird dann behauptet. Eine Konsolidierungspolitik ohne Kürzungen ist jedoch nicht möglich.

Wenn wir die Haushaltsansätze um die internen Verrechnungen der Krankenhausinvestitionen bereinigen, sinkt das Ausgabevolumen im Etat 2002 um rund 20 Millionen DM bei gleichzeitig steigenden Zinsausgaben um rund 145 Millionen DM und steigenden Lasten der DDRVersorgungssysteme um rund 95 Millionen DM sowie anderen zunehmend teurer werdenden Rechtsverpflichtungen.

Selbst die Forderung nach Kürzung der Personalausgaben ist teilweise eine wohlfeile Floskel. Diese Zielstellung wird in konkreten Fällen längst nicht von allen Betroffenen mitgetragen und auch nicht von allen Lobbyisten.

Dabei muss man wissen, dass nur rund 20 % des Landespersonals in der so genannten allgemeinen Verwaltung beschäftigt sind, also in Ministerien, Regierungspräsidien und Landesämtern. Die restlichen 80 % sind im Polizei- und Justizbereich, in den Schulen und Hochschulen sowie in den Finanzämtern tätig. Wer die Kürzung der Personalausgaben fordert, sollte deshalb immer auch berücksichtigen, dass der größte Beitrag von diesen Servicebereichen erbracht werden müsste.

(Herr Scharf, CDU: Umso wichtiger ist ein richti- ges Konzept, Herr Minister!)

Die Landesregierung hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen zur Verschlankung und zur Kostenreduzierung unternommen. Während die Personalausgaben in der ersten Legislaturperiode um 22,5 % gestiegen sind, ist der Anstieg in der dritten Legislaturperiode auf 1,6 % gesunken.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Jetzt werden aber Äpfel und Birnen verwechselt!)

Wir werden auch im Jahr 2002 versuchen, den Tarifanstieg durch eine äußerst restriktive Personalpolitik aufzufangen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: 49 % war der Ausgangs- wert!)

Deshalb sind die Ansätze für die Personalausgaben in dem Haushaltsplanentwurf der Landesregierung weit

gehend konstant gehalten. Sie verringern sich sogar noch um 30 Millionen DM. Es muss allen bewusst sein, dass eine Tarifsteigerung inklusive einer Ost-WestAnpassung von 3 % nur bei einer Reduzierung des Personalkörpers um rund 2 000 Stellen kostenneutral vorgenommen werden kann.

Für die Haushalts- und für die Personaldiskussion werden gerne Vergleichsrechnungen mit anderen Ländern herangezogen. Ich kann nicht bestätigen, dass die Vergleiche aufgrund von Privatisierungen oder der Gründung von Landesbetrieben wirklich Vergleichbares untersuchen.

Wenn man sich aber auf diese Vergleiche einlässt, dann stellt man sehr schnell fest, dass wir in der allgemeinen und in der Fachverwaltung weniger Personal pro 1 000 Einwohner beschäftigen als die Länder Bayern, Brandenburg, Hessen oder Mecklenburg-Vorpommern. Im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern haben wir in der allgemeinen Verwaltung eine unterdurchschnittliche Stellenzahl. Bei den Finanzämtern, Hochschulen und Gerichten liegen wir im Mittelfeld bzw. am unteren Ende der Skala. Der insgesamt überdurchschnittliche Stellenbestand des Landes ergibt sich aus zwei Bereichen, aus dem Polizeibereich und dem Bereich der Schulen.

(Herr Dr. Bergner, CDU, lacht)

Neben der knappen Veranschlagung der Personalausgaben, meine Damen und Herren, sind auch die Sachkosten für das Jahr 2002 wieder besonders knapp kalkuliert worden. Das erhöht den Spardruck auf die Ressorts und Dienststellen, und ich weiß, dass manche Haushälter sagen, sie sind am Ende der Fahnenstange angekommen, wir können nicht weiter runtergehen.

Dennoch - oder gerade deshalb - sind alle Landesbediensteten umso mehr aufgerufen, noch sparsamer mit den vorhandenen Haushaltsmitteln umzugehen. Effizientere Lösungen müssen gesucht und umgesetzt werden. Die Verwaltungsreform der Landesregierung trägt zu einer Kostenreduzierung bei.

Die Konsolidierungspolitik braucht einen langen Atem. Kurzfristige Erfolge lassen sich nicht erzielen, will man nicht gewachsene Strukturen zerschlagen und den Infrastrukturaufbau vernachlässigen. Die Erfolge der Konsolidierungspolitik lassen sich im Vergleich der ersten mit der jetzigen Legislaturperiode klar herausstellen, bei aller Unterschiedlichkeit der Verhältnisse, die ich gern zugeben will.

(Herr Scharf, CDU: Sie verwechseln Äpfel und Birnen, Herr Minister!)

Wurden in den ersten vier Regierungsjahren noch 12,4 Milliarden DM Schulden gemacht, so werden es in dieser Legislaturperiode 5,7 Milliarden DM sein.

(Unruhe bei der CDU)

Hätten wir in diesen vier Jahren genauso viele Schulden gemacht wie andere Landesregierungen von 1991 bis 1994 - es waren genau gesagt drei Landesregierungen -, hätten wir heute nicht nur 6,7 Milliarden DM mehr Schulden, wir müssten auch jährlich 370 Millionen DM mehr an Zinsen zahlen. Stattdessen erreichen wir im nächsten Jahr mit einer Kreditfinanzierungsquote von 5,2 % den niedrigsten Neuverschuldungswert seit der Gründung dieses Bundeslandes.

Diejenigen, die eine zu hohe Neuverschuldung beklagen, sollten deutlich machen, dass eine noch stärkere

Konsolidierungspolitik erhebliche negative Auswirkungen auf den Infrastrukturausbau, die Kinderbetreuung, die Theaterförderung und vieles andere hätte. Eine noch stärkere Kürzung der Ausgaben wäre weder konjunkturnoch sozialpolitisch vertretbar.

Auch in Zukunft werden wir den Pfad der stetigen und kontinuierlichen Reduzierung der Neuverschuldung beschreiten und den Haushalt weiter konsolidieren.

Die Landesregierung hat mit ihrer Arbeit im Bundesrat eine Reihe von Gesetzen mit auf den Weg gebracht, die für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu einer Verbesserung ihrer finanziellen und sozialen Lage geführt haben. Dies lässt den Landesetat nicht unberührt.

Als Erstes möchte ich die Steuerpolitik nennen, die zu einer erheblichen Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geführt hat und weiterhin führen wird. Allein in diesem Jahr erreicht das Ermäßigungsvolumen bundesweit einen Betrag von mindestens 45 Milliarden DM. Das entlastet den Mittelstand und lässt den Arbeitnehmerhaushalten mehr Geld in der Kasse.

Die Erhöhung des Kindergeldes auf 300 DM im nächsten Jahr zeigt, wie wichtig die Familienpolitik eingeschätzt wird. In diesem Jahr werden bundesweit rund 60 Milliarden DM für Kindergeld und kinderbedingte Steuerermäßigungen aufgewendet. Die Zusatzkosten der Kindergelderhöhung um 30 DM im nächsten Jahr belaufen sich auf rund 45 Millionen DM für SachsenAnhalt.

Auch die Erhöhungen des Wohngeldes sowie der BafögZahlungen an die Studierenden sind Belastungen für den Landeshaushalt, aber gleichzeitig wichtige Beiträge zur sozialen Gerechtigkeit und Chancengleichheit.

Der Umbau der Altersversorgungssysteme sowie die Sicherung der privaten Eigenvorsorge durch Bund, Länder und Gemeinden sind wichtige Bausteine zur Steigerung der Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Auch hierzu wird das Land ab dem nächsten Jahr steigende Leistungen erbringen, die sich ab dem Jahr 2008 auf jährlich über 200 Millionen DM Steuermindereinnahmen summieren werden. Dieses Land ist in den letzten Jahren ein ganzes Stück sozialer geworden, und wir sind stolz darauf, daran mitgewirkt zu haben.

Der Einschnitt in Leistungsgesetze ist immer ein schwieriger Vorgang. Das gilt für Leistungen direkt an die Bürger genauso wie für Zuweisungen an die Kommunen. Einmal etablierte Standards und Zahlungsniveaus lassen sich nur schwer korrigieren, selbst wenn alle Fakten für eine Revision sprechen.

Die Städte, Gemeinden und Kreise erhalten auch im nächsten Jahr rund ein Drittel des Landesetats zu ihrer eigenen Verfügung. Das sind nach den Vorschlägen der Landesregierung im Jahr 2002 etwa 6,7 Milliarden DM. Über die Hälfte dieser Summe wird den Gemeinden in mehr oder weniger pauschaler Form für eigene Zwecke zur freien Verfügung überwiesen. Gut 2,9 Milliarden DM erhalten die Kommunen im Rahmen von Förderprogrammen oder Kostenbeteiligungen und Kostenerstattungen für übertragene Aufgaben.

Nach verschiedenen unabhängigen Untersuchungen erhalten die Gemeinden und Kreise in Sachsen-Anhalt deutlich höhere Zuweisungen als im Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer. Für das Jahr 2000 wurden überdurchschnittliche Zahlungen von mindestens 500 Millionen DM ermittelt - das ist noch die geringste Zahl, die in seriösen Untersuchungen genannt worden