Protocol of the Session on June 29, 2001

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Leppinger.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Vielleicht noch ein ganz kleiner Kommentar zu Herrn Weich: Herr Weich, dümmer geht’s nimmer!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustimmung bei der DVU - Zuruf von Herrn Weich, FDVP)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! In fachlicher und rechtlicher Hinsicht ist den Darlegungen des Innenministers nichts hinzuzufügen. Und ich glaube, meine Damen und Herren von der PDS, das wissen Sie auch.

Einen ähnlichen Antrag haben Sie bereits im Herbst des vergangenen Jahres eingebracht. In jenem Antrag ging es darum, dass die Rückkehr strikt nach dem Freiwilligkeitsprinzip geschieht. Sie mussten damals akzeptieren, dass Sie damit rechtlich Unmögliches wollten.

Es ist so, dass in Sachsen-Anhalt eine sehr liberale Ausländerpolitik gemacht wird, bei der humanitäre Grundsätze starke Berücksichtigung finden. Dass man von einer Rückführung über die Wintermonate abgesehen hat, fußt auf einem Erlass des Innenministeriums und macht diese Politik auch ganz deutlich.

Die Landesregierung wird auch in Zukunft humanitäre Grundsätze im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten weitestgehend ausschöpfen. Vieles von dem, was Sie, Herr Gärtner, aufgeführt haben, findet natürlich auch Berücksichtigung. Das hat der Innenminister schon gesagt.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal betonen, dass unser Innenminister auf den Innenministerkonferenzen in den Ausländerfragen wirklich sehr viel erreicht hat. Ich möchte mich an dieser Stelle auch einmal bei dem zuständigen Referat bedanken, das nach meinen Erfahrungen immer alle Möglichkeiten ausgeschöpft und auch manche schwierige Hürde überwunden hat.

Man muss allerdings auch sehen, wo das Machbare endet. Deshalb bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Für die DVU-Fraktion hat Herr Preiß gebeten, seinen Redebeitrag zu Protokoll geben zu dürfen. Findet das Zustimmung?

(Zustimmung bei der SPD - Herr Metke, SPD: Nein!)

- Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

(Zu Protokoll:)

Die PDS-Fraktion hat vorliegend einen Antrag in unseren Landtag eingebracht, mit dem sie hinsichtlich der von UCK-Anhängern in Mazedonien ausgelösten Waffenunruhen in ganz besonderem Maße an unsere Mitmenschlichkeit und unser Fürsorgepflichtbewusstsein bezüglich der abschiebungs- und rückführungsbedrohten kosovarischen Bürgerkriegsflüchtlinge zu appellieren sucht.

Dass einerseits wahrhaft politisch Verfolgte geschützt werden und andererseits Not leidenden Menschen vor Ort in ihrem Heimatland humanitäre Hilfe zuteil werden soll, entspricht zutiefst auch meiner Auffassung von der Würde des Menschen. Dieses erachte ich als ein zwingendes Gebot der Mitmenschlichkeit.

Einen solchen Akt der Mitmenschlichkeit und Toleranz stellte auch die von Deutschland nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie auch im Rahmen einer Evakuierungsaktion während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bereits während der 90er-Jahre großzügig gewährte Aufnahme von insgesamt 195 000 Flüchtlingen aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Kosovo dar.

Durch diese Maßnahme wurde es den größtenteils mit ihren Familien geflüchteten Menschen ermöglicht, dass sie hier zwischenzeitlich staatlichen Schutz, Unterkunft, Schulausbildung sowie ein größtenteils sozialhilfefinanziertes Auskommen fanden und angesichts der nur geringen Rückführungsquote von etwa 52 000 Personen und der vorliegenden Asylgesuchszahlen auch weiterhin hier finden.

Denn der zwischenzeitlich nach 1999 bis zum heutigen Zeitpunkt in Richtung Deutschland erfolgte Zustrom weiterer asylsuchender Kosovo-Albaner reißt nicht ab, wie ein Blick auf die Statistik der gestellten Asylerst- und -folgeanträge zeigt.

Nach den Angaben der Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge begehrten allein von Anbeginn des Jahres 2000 bis zum Mai 2001 insgesamt rund 14 300 Menschen aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien in Deutschland mittels Asylerstantrages die Aufnahme in unserem Land - wobei die Anzahl der Asylfolgeanträge erstaunlicherweise noch weitaus höher liegt.

Betrug hiernach der auf eine Asylbewerberrate von 11 100 Personen aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien entfallende Anteil von Kosovo-Albanern im gesamten Jahr 2000 in absoluten Zahlen rund 3 800 Personen und mithin 34 %, so liegt dieser gemessen

von Januar bis Ende Mai 2001 derzeit bei rund 1 350 Personen.

Das besagt, dass es sich bereits im laufenden Jahr 2001 bei allein 42 % aller der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien zuzurechnenden rund 3 200 Asylerstantragsteller um albanische Volksangehörige aus dem Kosovo handelte, was den Tendenzanstieg der Zustromrate - vergleichbar derjenigen der letzten Monate des Jahres 1999 - deutlich macht.

Die nunmehr beabsichtigte generelle Aufhebung der Rückführung dieser Bürgerkriegsflüchtlinge stünde jedoch zum einen im Widerspruch zum klaren Wortlaut des Ausländergesetzes, das besagt, dass sich eine Aufenthaltsgestattung für Bürgerkriegsflüchtlinge eben gerade nicht aus einem überprüfungsfähigen, ständigen Bleiberechtsanspruch ableiten lässt, sondern vielmehr aus der nur zur vorübergehenden Aufnahme erteilten Aufenthaltsbefugnis nach § 32 a AusIG und gegebenenfalls auch aus weiterer Duldung nach §§ 55 f. AusIG.

So ist das auch im Falle der Kosovo-Albaner.

Zum anderen spricht der Inhalt des am 17. November 1999 zwischen dem Bundesinnenminister und dem Leiter der Interimsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo vereinbarten Memorandums of Understanding gegen eine solche Praxis.

Darin sind die Modalitäten einer generellen Rückkehr von in Deutschland ausreisepflichtigen Personen, die aus dem Kosovo stammen, ganz eindeutig geregelt. Dieses betrifft sowohl Aspekte der freiwilligen Rückkehr als auch der zwangsweisen Abschiebung, denen in dieser Form auch die Innenminister der Länder und folglich auch der Innenminister von Sachsen-Anhalt per Beschluss zustimmten.

Des Weiteren werden vor dem Hintergrund von vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland allein für die Betreuung und Versorgung von Bürgerkriegsflüchtlingen bereits jährlich Milliardenbeträge an Steuergeldem staatlicherseits aufgewendet. Danach beliefen sich nach Regierungsangaben - Bundesinnenminister Schily vom 25. Juni 2001 -:

„... allein die Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für den Zeiraum von 1994 bis 1999 auf über 29 Milliarden DM.

Hinzu kommen außerdem Zahlungen von Sozialhilfe und andere soziale Leistungen, ferner Milliardenbeträge, die für das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, für den sonstigen umfangreichen Verwaltungsaufwand und die extensive Inanspruchnahme der Justiz aufgebracht werden müssen.

Hinzu kommen außerdem Milliardenbeträge, die die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen humanitärer Maßnahmen im Ausland zur Verfügung gestellt oder unmittelbar aufgewandt hat.“

Abschließend sei vermerkt, dass nach dem eben Gesagten und bei allem Verständnis für das aus den Unruhen im eigenen Land herrührende Schutzbedürfnis der Kosovo-Albaner sich doch für mich zwingend die Frage stellt, warum der deutsche Steuerzahler über 2 Milliarden DM im Jahr für den Einsatz im Kosovo aufbringt, um dort Sicherheit zu garantieren, wenn andererseits Kosovo-Flüchtlinge in Deutschland Bleiberecht erhalten sollen, weil sie angeblich nur hier sicher seien.

Irgendwie ein Zirkelschluss, finden Sie nicht auch, meine Damen und Herren?

Herr Gärtner hat noch einmal für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, um nicht missverstanden zu werden: Ich habe vorhin, als ich von zahlreichen Abschiebungen gesprochen habe, von der Situation im vergangenen Sommer gesprochen, also nicht von der Situation im Winter. Denn ich war es ja auch, der im Ausschuss für Inneres im November oder im Dezember die damalige Regelung ausdrücklich begrüßt hat. Ich habe seinerzeit gesagt, dass es eine richtige Regelung ist, dass über den Winter die Abschiebungen ausgesetzt werden. Ich war es im Übrigen auch, der damals die Entschließung mit formuliert hat. Daher wollte ich dieses Missverständnis aus dem Wege räumen und den Sachverhalt noch einmal klarstellen.

Ich verkenne natürlich nicht, dass es sehr schwierig ist, auf einer Innenministerkonferenz, bei der auch die Innenminister aus Bayern und Baden-Württemberg anwesend sind, Verbesserungen einstimmig hinzubekommen. In dem Sinne ist das, was dort auch durch Ihr Engagement erreicht worden ist, schon ein Vorteil.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Das Problem ist nur - das habe ich in meiner Rede zu beschreiben versucht -, dass diese Regelung in allererster Linie für Länder wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zur Geltung kommt, während es für hier lebende Flüchtlinge sehr schwierig ist.

Daher glaube ich, dass wir dann, wenn dieser Antrag heute abgelehnt werden sollte, aufgrund der Situation im Kosovo wahrscheinlich leider spätestens im Herbst oder im Winter an derselben Stelle oder im Ausschuss darüber reden werden, wie wir mit dieser Situation umgehen.

Ich würde dafür plädieren, beide Anträge in den Ausschuss für Inneres zu überweisen, um dort über Detailfragen, wie zum Beispiel die Frage der Fachaufsicht hinsichtlich der Duldung, die Frage der Arbeitserlaubnisse, aber auch über dann neu entstehende Situationen zu diskutieren. Ich plädiere also für die Überweisung beider Anträge in den Ausschuss für Inneres. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung über die Drs. 3/4686 und 3/4701. Es ist eine Überweisung in den Innenausschuss beantragt worden. Wer folgt diesem Antrag auf Überweisung in den Innenausschuss? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine Enthaltung. Damit ist die Überweisung in den Innenausschuss abgelehnt worden. Es ist dann über die Drucksachen selbst abzustimmen.

Meine Damen und Herren! Ich mache darauf aufmerksam, dass ich persönlich einfach vom Text her Zweifel habe, ob dieser Änderungsantrag ein zulässiger Antrag

ist. Ich frage deshalb die PDS-Fraktion, ob sie, wenn dieser Zweifel angebracht ist, darauf besteht, anschließend über den Ursprungsantrag abzustimmen.

(Herr Gärtner, PDS, nickt mit dem Kopf)

- Gut, dann verfahren wir so. In Zweifelsfällen haben wir uns, bis wir die Geschäftsordnungsregelung beschlossen haben, für diesen Weg entschieden.

Ich lasse jetzt über den Änderungsantrag der SPDFraktion in Drs. 3/4701 abstimmen. Wer stimmt zu? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag hat eine Mehrheit gefunden.

Ich lasse jetzt über den Antrag in der soeben beschlossenen Fassung abstimmen. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Bei gleichem Stimmenverhältnis ist dem Antrag in der geänderten Fassung zugestimmt worden.

Ich lasse jetzt gesondert über den Ursprungsantrag der PDS-Fraktion in Drs. 3/4686 abstimmen. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Ursprungsantrag ist mit einer deutlichen Mehrheit abgelehnt worden. Meine Damen und Herren! Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 39 bewältigt.

Ich rufe als letzten Tagesordnungspunkt den Tagesordnungspunkt 40 auf:

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