Protocol of the Session on April 5, 2001

Unter Punkt 2 wird die Landesregierung darin aufgefordert, in regelmäßigen Intervallen, beginnend ab Herbst 2000, im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft über den Arbeitsstand zu berichten und vor abschließenden Entscheidungen konzeptionelle Strukturüberlegungen und deren mögliche Auswirkungen darzustellen. Dies bezog sich vor allem auf die Tätigkeit und die Diskussionsergebnisse in den Projektgruppen bzw. dann folgend in der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“, und zwar als Beratungsgremium.

Damit nicht genug: In seiner Sitzung am 5. Juli 2000 verständigte sich der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft über die weitere Verfahrensweise zu dem durchaus schwierigen Thema der Entwicklung der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt.

Entsprechend dem zuvor zitierten Landtagsbeschluss berichtete, wie bereits gesagt wurde, die Landesregierung erstmals am 27. September 2000 über die Einrichtung und Zusammensetzung der einzelnen Projektgruppen. Sie informierte über Zielvorgaben und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“. Sowohl die Partizipationsmöglichkeiten der Hochschulen - um die geht es Ihnen ja - als auch die Zeitplanung bis zur Vorlage erster Ergebnisse sowie der Umgang mit den Empfehlungen wurden besprochen. Gegenstand der Beratung waren also genau jene Punkte, die in Ihrem Antrag wieder auftauchen.

Grundlage der Berichterstattung im Ausschuss war ein den Ausschussmitgliedern zugeleitetes Papier des Kultusministeriums zu den ersten Ergebnissen der Arbeit der Projektgruppen vom 19. September 2000. Der Kultusminister selbst bot dem Ausschuss am 27. September 2000 an, regelmäßig mündlich über den jeweiligen Stand des Verfahrens zu informieren und ihm eine schriftliche Vorlage zuzuleiten, sobald fixierte Ergebnisse vorlägen. Der Ausschuss erklärte sich mit dem Verfahrensvorschlag einverstanden.

Sowohl am 22. November 2000 als auch am 17. Januar 2001 fanden weitere ausführliche Berichterstattungen statt, an denen meines Wissens auch die CDU-Fachpolitiker teilnahmen. Im Rahmen der Januar-Berichterstattung setzte der Kultusminister die Ausschussmitglieder weiterhin darüber in Kenntnis, dass vorgesehen ist, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ am 26. April 2001 vorzutragen.

Ferner ist zu sagen, dass die Empfehlungen der externen Gutachter nicht für verbindlich erklärt werden, sondern, bevor sie Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Ministerium und den Hochschulen werden, zunächst im Ministerium intern erörtert werden. Dass sich in diesem Stadium auch der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft damit beschäftigen muss, ist doch wohl eine selbstverständliche Sache. Dazu gibt es diesen Beschluss.

Aus den genannten Gründen muss man über den Antrag schon verwundert sein. Man kann ihn eigentlich nur ablehnen - nicht weil wir nicht über die Wissenschafts

struktur diskutieren wollen, sondern weil der Prozess des täglichen Lebens ihn einfach überrollt hat. Es bedarf zusätzlicher Anträge nicht. Wir haben im Landtag schon einiges gemacht. Aber doppelte Beschlüsse müssen wir nicht fassen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, von Frau Dr. Sitte, PDS, und von Herrn Dr. Süß, PDS)

Frau Helmecke hat für die FDVP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der CDU sollte nicht - wie oft üblicherweise geschehen - als Berichtsantrag abgekanzelt werden; denn er steckt voller Brisanz für den Adressaten. Die Fragen des Antrages nach den Schwerpunkten der Arbeitsweise und der inhaltlichen Festlegungen der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ lassen darauf schließen, dass keine Transparenz dieser Arbeitsgruppe gegeben ist und immer öfter ein gesundes Misstrauen gegenüber dem Kultusministerium durchaus angebracht ist.

Kultusminister Dr. Harms beschwichtigte zwar in der Sitzung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft im September 2000 die Abgeordneten, indem er zur Berufung der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ ausführte, dass von dieser Arbeitsgruppe keine Entscheidungen getroffen oder bindende Empfehlungen nach dem Landeshochschulgesetz ausgesprochen würden, sondern die Ergebnisse der Projektgruppen durch eine Außensicht bereicherten. Auf Nachfrage betonte Dr. Harms nochmals den etwas lockeren Charakter der Arbeitsgruppe. Er erwarte von diesem Gremium nationale Vergleiche und sich daraus ergebende Anregungen.

Aber das, meine Damen und Herren, ist sicherlich zu kurz gedacht. So wichtig nationale Vergleiche sind, so unvollkommen mögen sie auch deshalb sein, weil internationale Entwicklungen längst an uns vorbeilaufen.

Der Stuttgarter Appell der Robert-Bosch-Stiftung, der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik und der Stiftung Wissenschaft und Politik gab dabei Empfehlungen zur Internationalisierung der Hochschulen und lenkte den Blick auf die Lebens- und Berufswelt der künftigen Hochschulabsolventen, die europäisch geprägt und von einer noch rascher wachsenden internationalen Verflechtung und Mobilität gekennzeichnet sein wird. Folgerichtig bescheinigt die Stiftung, dass Fachhochschulen die praktische Internationalisierung ihrer Studiengänge vorbildlich vorantreiben, dass viele Universitäten aber eher strukturkonservativ sind und den Einbau internationaler Bausteine in ihre Studiengänge vermeiden.

In diesen Rahmen ordnet sich auch ein Vor-Ort-Vergleich mit den Universitäten in den USA ein, auf den sich die „Süddeutsche Zeitung“ in einem Erfahrungsbericht bezieht. So wird davon berichtet, dass es in den USA relativ leicht ist, etwas aufregendes Neues zu machen. Selbst bei der Begutachtung eines Forschungsantrages werden oft neuartige, aber risikoreiche Projekte von den Gutachtern positiver bewertet als traditionelle Ansätze.

Der wesentliche Unterschied auch zu exzellenter Forschung in Deutschland besteht darin, dass in den USA die Kreativität stimuliert wird und ein enormer Leistungs

druck besteht. Wer in den USA in der Wissenschaft über zwei Jahre nichts produziert hat, ist wissenschaftlich tot. Es ist in den USA einfacher, eine Karriere anzufangen. Die Struktur in Deutschland hingegen ermöglicht eine Fortsetzung der bereits etablierten Karriere in eingefahrenen Gleisen.

Meine Damen und Herren! Ob man einer solchen Betrachtung zustimmt oder nicht, Fakt ist: Der einstige Wissenschaftsstandort Deutschland hat an Gewicht, an Vorbildwirkung verloren. Ja, er hinkt mit Abstand hinterher, wurde selbst von früheren Entwicklungsländern abgehängt.

In der „Magdeburger Volksstimme“ war in diesen Tagen nachlesbar: Lange Verfahren vergraulen Professoren. Vielleicht ist das auch ein Beweis für die Rückstände in der Wissenschaftspolitik, ausgelöst durch die Hochschulpersonalpolitik dieses Landes.

Der vorliegende Antrag setzt die richtigen Themenschwerpunkte für die Berichterstattung, wobei wir uns durchaus eine detaillierte Berichterstattung im Ausschuss vorstellen könnten. Unsere Fraktion stimmt dem Antrag auch deshalb zu, weil die Bericht erstattende Landesregierung sich kritischen Fragestellern nicht verweigern sollte und Fragestellern außerhalb der SPDFraktion kein fraktionell disziplinierendes Schweigegelübde auferlegt werden kann, obwohl sie schon in den eigenen Reihen jeden Hauch von Kritik unterdrückt.

Die Fraktion der FDVP stimmt dem Antrag zu. Im Hinblick auf die Anhörung in der Enquetekommission und die Brisanz dieser Themenschwerpunkte beantragen wir eine namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der FDVP - Oh! bei der SPD - Frau Dr. Sitte, PDS, und Herr Dr. Süß, PDS, lachen)

Herr Dr. Bergner, Sie haben noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich lege großen Wert darauf, dass dieser Antrag als Ergänzung zu einem bisherigen Arbeitsstand formuliert worden ist, den wir natürlich kennen, beispielsweise auch was die Kleine Anfrage betrifft. Frau Sitte, ich weiß nicht, was Sie mir hier unterstellen wollen, wenn Sie sagen, dass ich mich unabhängig von Herrn Spotka und seiner Kleinen Anfrage um einen solchen Antrag bemühe.

Ich räume ein, Sie könnten zu Recht die Frage stellen: Warum haben Sie das alles nicht im Rahmen der Selbstbefassung im Ausschuss geltend gemacht? - Dies ist ein Gesichtspunkt, der mit der Situation an den Hochschulen, insbesondere an der Martin-Luther-Universität, in Zusammenhang steht, einer Situation, die Sie, wenn Sie vor Ort Gespräche führen, wahrscheinlich genauso zur Kenntnis nehmen müssen, wie ich es immer wieder muss. Es herrscht eine große Unruhe.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Da hilft der Antrag nicht weiter!)

Nun lässt sich dies in der Sache, wenn einschneidende Entscheidungen bevorstehen, nicht vermeiden. Was mir aber zu denken gibt, ist ein erhebliches Misstrauen, das aus den vergangenen Jahren resultiert, in denen durch Haushaltsentscheidungen plötzlich Überraschungen zu

tage traten, die in Widerspruch zu vorherigen Erklärungen von Regierungsmitgliedern standen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich gebe einen zweiten Gesichtspunkt zur Kenntnis. Seit dieser Sitzung in der Enquetekommission - das, was dort gesagt wurde, hat offensichtlich nicht nur mich beeindruckt - ist bei mir die Sorge darüber, dass wir ein wesentliches Stück unserer Zukunft verspielen, größer geworden. Dies alles schien uns Anlass genug zu sein, mit einem in Ergänzung zum bisherigen Arbeitsstand formulierten Antrag noch einmal in das Plenum zu gehen.

Frau Sitte, vielleicht kann ich einen Beitrag zur Verständigung leisten. Ich habe mir, auch unter dem Eindruck des Votums der Enquetekommission, vorgenommen, bei allen Beratungen, bei denen es im zuständigen Fachausschuss um die Fragen der Wissenschaftsstruktur geht, persönlich anwesend zu sein. Insofern werden wir über das Thema auch im Ausschuss noch häufiger diskutieren, unabhängig davon, wie Sie jetzt mit unserem Antrag umgehen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Bergner, sind Sie mit einer Frage einverstanden? - Frau Mittendorf, bitte. - Herr Rahmig, wer nun? Ladys first.

Herr Dr. Bergner, können Sie konkretisieren, worin in Ihrem Antrag die Ergänzung zum bisherigen Arbeitsstand besteht?

Frau Kollegin, wir können dies jetzt Punkt für Punkt durchgehen. Wir können in den Ausschussprotokollen nachsehen, welcher Arbeitsstand in welchem Ausschuss erreicht wurde. Ich kann Sie nur auffordern, sich den Fragen zu stellen, die auch vor Ort, in den Hochschulen, gestellt werden.

(Frau Mittendorf, SPD: Das mache ich sehr oft!)

Dann werden Sie feststellen, dass die uns vorliegenden Auskünfte für einen solchen brisanten Sachverhalt nicht ausreichend sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Rahmig.

Herr Dr. Bergner, die Wissenschaftspolitik ist nicht mein Gebiet. Sie erwähnten jedoch die Studie des IWH und sagten - darin stimme ich Ihnen zu -, dass wir in Sachsen-Anhalt im Vergleich mit allen anderen neuen Bundesländern die größten Probleme haben, die Unternehmenslücke zu schließen und die Defizite bei der Quote der Höherqualifizierten zu verringern. Die Studie sagt aber auch aus, dass wir durchaus mittelfristig Chancen haben. In der Studie kommt die Hochschullandschaft in der Beurteilung eigentlich nicht schlecht weg.

Ich würde alle Fraktionen bitten, zu einem anderen Ansatz umzudenken, nämlich wie wir diese Lücke schlie

ßen. Wir haben beispielsweise das Problem des Übergangs von Abiturienten zum Studium. Sachsen-Anhalt nimmt allerdings - das hat mich überrascht - gemeinsam mit Rheinland-Pfalz den ersten Platz hinsichtlich der Belegung

(Herr Dr. Süß, PDS: Frage stellen!)

naturwissenschaftlicher Fächer ein. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll, Herr Dr. Bergner, wenn wir die Stoßrichtung anders legen und versuchen, die erkennbaren Defizite, die die Studie aufzeigt, gemeinsam anzugehen?

Teilweise schlagen wir uns damit herum, nach Sachsen zu blicken und festzustellen, dort sei alles viel besser. Ich erwähne es nur der Vollständigkeit halber. Das ist nach der Einschätzung des IWH alles marginal.

(Herr Dr. Süß, PDS: Der fragt nicht, Frau Präsi- dentin!)

Ich möchte eine andere Stoßrichtung. Ich möchte dahin kommen, dass wir überlegen, wie wir die Lücken schließen können.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS)

Eine richtige Frage konnte ich bisher auch nicht erkennen.

Dann versuche ich es noch einmal, Herr Dr. Bergner.

(Heiterkeit bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS)