Protocol of the Session on January 25, 2001

- Er ist schon da gewesen.

(Herr Scharf, CDU: Dann soll er doch kommen!)

Wir unterbrechen die Sitzung, bis Minister Keller im Raum ist.

Unterbrechung: 10.17 Uhr.

Wiederbeginn: 10.19 Uhr.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Herr Minister Keller ist eingetroffen.

(Unruhe)

- Herr Tögel und Herr Ernst, nehmen Sie bitte Ihre Plätze ein, wir wollen die Sitzung fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Ich darf Schülerinnen und Schüler des Burg-Gymnasiums Aken begrüßen. Ich denke, es war ein richtiger Eindruck, den diese Schüler heute gewonnen haben.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich bitte jetzt Minister Dr. Heyer, mit seinem Redebeitrag fortzufahren.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn unterstreichen, dass es das Ziel der Landesregierung bleibt, Neuansiedlungen von Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu unterbinden. Alle rechtlichen Möglichkeiten dafür werden wir ausschöpfen.

Die Landesregierung beobachtet zudem kritisch die Folgen der Geschäftstätigkeit von Wal-Mart für den deutschen Einzelhandel. Gerade in den aktuellen Debatten über Verbraucherschutz und gesunde Lebensmittel wurde immer wieder auf die Nachteile einer Geschäftspolitik hingewiesen, die mit Preisdumping auch die Qualität drückt.

Bei dem umstrittenen Vorhaben in Günthersdorf handelt es sich jedoch nicht um eine Neuerrichtung auf der grünen Wiese, sondern um eine flächenmäßig eher untergeordnete Ergänzung einer seit 1992 vorhandenen Anlage.

Ich erinnere daran, dass es in den ersten Nachwendejahren ein hohes, ja ein übermächtiges Bedürfnis nach leistungsfähigen Einzelhandelseinrichtungen gab. Unbestritten ist auch, dass geeignete innerstädtische Bauplätze seinerzeit unter anderem wegen der ungeklärten Vermögensfragen kaum zur Verfügung standen. Auch aus diesem Grunde steht der Saalepark Günthersdorf dort, wo er steht, und zieht auch die jetzt im Kompromisswege gelösten Probleme nach sich.

Die heute im Einkaufszentrum Saalepark vorhandene maßgebliche Fläche beträgt nach meinen Informatio- nen etwa 69 000 m2. Diese Fläche soll jetzt um etwa 6 000 m2 erweitert werden.

Im Vorfeld der Genehmigungserteilung für das Wal-MartVorhaben hat die Landesregierung das Für und Wider gewissenhaft abgewogen. Die zuständigen Bauaufsichtsbehörden waren bei der Einreichung des Bauvorbescheides und des Bauantrages im Frühjahr bzw. im Sommer 2000 davon ausgegangen, dass das Vorhaben im unbeplanten Innenbereich liege und dementsprechend zulässig sei. Diese Einschätzung ist rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. Im Innenbereich entfalten die Ziele der Raumordnung in Bezug auf die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben jedoch keine Wirkung.

In dieser Situation hat mein Haus die zuständige Bauaufsichtsbehörde angewiesen, zunächst von einer Entscheidung über den Bauvorbescheid und über den Bauantrag abzusehen. Gleichzeitig wurde - beides übrigens in Abstimmung mit der Raumordnungskommission - den beiden betroffenen Gemeinden aufgegeben, eine verbindliche Bauleitplanung zum Gebiet des Einkaufszentrums Saalepark einzuleiten; denn nur auf diesem Wege konnten künftige Auseinandersetzungen über die Anwendung planungsrechtlicher Vorschriften für alle Beteiligten - Investor und Kommunen - rechtssicher unterbunden werden. Nur auf diesem Wege konnte der baurechtliche Rahmen für den Saalepark durch Festsetzung einer Obergrenze der zulässigen Verkaufsfläche zweifelsfrei und verbindlich abgesteckt werden.

Diese Ziele, meine Damen und Herren, wurden mit dem eingeleiteten Verfahren erreicht. Dabei wurden auch die Ziele der Raumordnung beachtet. Das Verbot, Einkaufszentren an anderen Standorten als Ober- oder Mittelzentren auszuweisen, gilt hier nicht, weil es sich bei dem Saalepark Günthersdorf um ein bestehendes Einkaufszentrum und somit nicht um eine Neuausweisung handelt.

In der landesplanerischen Stellungnahme zu dem Vorhaben von Wal-Mart wird zudem auf das Ziel der Raumordnung abgestellt, dass - ich zitiere -

„Nutzungsänderungen in bestehenden Sondergebieten für Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe an nicht städtebaulich integrierten Standorten nicht zulasten von innenstadtrelevanten Sortimenten an innerstädtischen Standorten erfolgen dürfen.“

Hierzu ist festzustellen, dass mit der Schließung des BIG-Marktes und der Festsetzung nicht innenstadtrelevanter Fachsortimente mit einer Fläche von 5 500 m2 dieses Ziel nicht betroffen ist.

Ferner wird in der landesplanerischen Stellungnahme auf den Grundsatz der Raumordnung eingegangen, dass Erweiterungen - ich zitiere -

„bestehender Sondergebiete für Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe auf städtebaulich integrierte Standorte in zentralen Orten in Abhängigkeit des Verflechtungsbereiches des jeweiligen zentralen Ortes zu beschränken sind.“

Diesen Grundsatz der Raumordnung werden die betroffenen Gemeinden im Rahmen der Bauleitplanung rechtsfehlerfrei abwägen können.

Ich möchte daran erinnern, dass das Aufstellungsverfahren für die Bebauungspläne und die Entscheidung über Baugesuche ausschließlich auf der Grundlage gesetz- licher Vorschriften zu erfolgen hat.

Als Fazit kann ich feststellen, dass im Wege der rechtsverbindlichen Begrenzung der Verkaufsfläche die Interessen des Landes in maximal möglicher Form Berücksichtigung gefunden haben. Ich bin sicher, dass die enormen rechtlichen Unsicherheiten, die im Falle des weiteren Unterlassens einer verbindlichen Bauleitplanung bestanden hätten, keine wirkliche Alternative zum jetzt gefundenen Kompromiss der Flächenbegrenzung darstellen würden.

Auch in Zukunft hat für die Landesregierung und für mich persönlich die Revitalisierung und Stärkung unserer Städte, insbesondere der Innenstädte und der Stadtteilzentren, absolute Priorität. In diesem Zusammenhang weise ich auf unsere vielfältigen Initiativen und Förderprogramme hin. Gerade die Innenstadtbereiche von Halle und Merseburg haben dadurch eine enorme Wiederbelebung und Attraktivitätssteigerung erfahren und sind heute für die Konkurrenz besser gerüstet als vor neun Jahren, als der Saalepark eröffnet wurde. - Herz- lichen Dank.

Herr Minister Heyer, der Abgeordnete Becker hat eine Frage. Sind Sie bereit zu antworten?

Aber selbstverständlich, Herr Präsident.

Bitte, Herr Becker.

Herr Minister, wenn Sie gestatten, stelle ich zwei Fragen.

Die erste Frage, Herr Minister, bezieht sich auf folgenden Sachverhalt - ich bitte Sie, Ihre Beurteilung dazu dem Hohen Hause mitzuteilen -: Am 15. Dezember vergangenen Jahres tagte die Raumordnungskommission, die aus Vertretern der Kommunen und der staatlichen Behörden Sachsen-Anhalts und Sachsens besteht. Damals, am 15. Dezember, als sich herausstellte, dass nicht mehr der Bebauungsplan Nr. 10, sondern neue Planentwürfe die Grundlage des Genehmigungsverfahrens bildeten, wurde festgelegt, dass bis zum 22. Dezember den Mitgliedern der Roko die neuen Bebauungsplanentwürfe vorgelegt werden sollten und dass darüber am 8. Januar 2001 erneut befunden werden sollte.

Wie beurteilen Sie, Herr Minister, den Umstand, dass wenige Stunden nach Fassung dieses Beschlusses nach einer kontrovers geführten heftigen Diskussion in der Roko noch am 15. Dezember 2000 die Baugenehmigung erteilt wurde? Das war meine erste Frage.

Zweitens. Sind Sie nicht der Meinung, Herr Minister, dass die hehren Richtlinien Ihres Ministeriums - ich erinnere an die Richtlinie vom 22. Oktober 1998 über die Beurteilung von geplanten Einzelhandelsgroßprojekten im Land Sachsen-Anhalt oder an den Beschluss der Roko vom 3. März 2000 zu großflächigen Einzelhandelseinrichtungen -, die wir alle in die Regionalplanung übernommen haben und die auch aus diesem Hohen Hause kommen, im Wege der Weisung politisch hätten durchgesetzt werden müssen, indem Sie die untere Bauaufsichtsbehörde angewiesen hätten, diesen Beschluss

zurückzunehmen? Sind Sie nicht der Auffassung, dass das Ihre Aufgabe gewesen wäre, Herr Minister?

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Becker, zu Ihrer ersten Frage: Alles das, was wir mit dem Investor besprochen haben, alles das, was zwischen den verschiedenen Behörden besprochen worden ist, ist so auch der Raumordnungskommission mitgeteilt worden. Wir haben in enger Abstimmung mit der Raumordnungskommission gehandelt und haben sie eigentlich über jeden Schritt informiert.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist eben ein Unterschied, Herr Becker, ob ich es mit einem neuen Vorhaben

(Herr Becker, CDU: 5 000 m² waren neu!)

oder mit einer bestehenden Einrichtung zu tun habe. Der Investor - das ist eine juristische Auffassung, die sehr viel für sich hat - war der Meinung, dass die Baugenehmigung nach § 34 hätte erteilt werden müssen. Dann hätten wir aber unser Ziel nicht erreicht, endlich eine planungsrechtliche Begrenzung dieser Fläche definitiv und für alle Zukunft festzulegen.

Ich glaube, ich verstehe Sie auch als Oberbürgermeister von Naumburg, ich verstehe die Oberbürgermeisterin von Halle und ich verstehe den Oberbürgermeister von Merseburg, dass sie das als Bedrohung für die Entwicklung ihrer Innenstädte empfinden. Das wäre alles nicht geschehen, wenn es sich um ein neues Vorhaben gehandelt hätte. Aber im Rahmen dessen, was wir vorgefunden haben, hätten wir damit rechnen müssen, dass die Gerichte dann die Versagung der Baugenehmigung aufheben. Dann hätten wir künftig nie mehr eine planungsrechtliche Absicherung und damit eine Nutzflächenbegrenzung gemeinsam mit den Gemeinden erreicht.

Ich bitte um Verständnis, meine Damen und Herren. Hier waren vielfältige Interessen gegeneinander abzuwägen und wir haben durchaus auch das Interesse der Städte im Auge gehabt. Wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen - das wissen Sie in Naumburg sehr genau -, unsere Innenstädte stark zu machen. Ich bin auch felsenfest davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, die Innenstädte so leistungsfähig zu machen, dass sie den Wettbewerb zwischen Innenstädten und Einkaufszentren auf der grünen Wiese gewinnen werden. Aber in dieser Situation müssen wir uns mit einem Teilerfolg zufrieden geben.

Herr Minister Heyer, es gibt noch zwei weitere Anfragen, von Herrn Gürth und von Herrn Professor Trepte. - Bitte, Herr Gürth als Erster.

Herr Minister, ich habe zwei Fragen, die ich auch für die Einzelhändler aus Halle an das Haus richten möchte. Man fragt sich in Halle, warum gab es im Jahr 2001 immer noch kein Baurecht, keinen Flächennutzungsplan usw., um solche Ausweitungen zu begrenzen. Wir reden ja jetzt erst im Zusammenhang mit der Ansiedlung von Wal-Mart und der schon vorhandenen Ausweitung über eine Begrenzung für die Zukunft. Hat nicht die Kommunalaufsicht oder wer auch immer versagt, weil man bis

zum Jahr 2001 von rechtlicher Seite her noch nichts geschaffen hat, um eine Ausweitung zu begrenzen?

Die zweite Frage. Das Baurecht ist im konkreten Fall des Saaleparkes sehr kompliziert. Wir haben Ikea auf der anderen Seite. Da gab es eine Klage. Wie die ausgegangen ist, wissen Sie. Ticken da nicht noch weitere Zeitbomben? Wie will man dagegen vorgehen, wenn noch einmal eine weitere Ausweitung zur Debatte steht? Sind wir davor gefeit, dass wir eine Ausweitung der Einzelhandelsfläche an der Peripherie wie bei Wal-Mart auch noch an anderen Orten oder sogar dort vor Ort zu erwarten haben?

Herr Kollege Gürth, zu Ihrer ersten Frage: Das Problem liegt ja darin, dass es nicht Sache der Landesregierung ist und nicht in deren Zuständigkeit liegt, das Planungsrecht vor Ort dahin zu bringen, wo wir es gern haben wollen.

(Herr Becker, CDU: Doch! - Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Herr Kollege Becker, in dieser Situation haben wir die Gemeinden bitten können, die Bebauungspläne aufzustellen. Man war ja der Meinung, man brauchte das alles nicht. Wenn die Gemeinden das nicht gewollt hätten, dann hätten sie das ohne weiteres untersagen können.

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU - Frau Budde, SPD: Na sicher!)