Protocol of the Session on January 25, 2001

Bei aller Unterschiedlichkeit der vorgetragenen Argumente wurde deutlich, dass die Greencard keine Lösung auf Dauer sein kann, sondern dass es nachhaltiger Bemühungen bedarf, hier im Lande das wissenschaftliche und ingenieurtechnische Potenzial zu nutzen. Hier scheinen mir die größten Reserven zu liegen, auch weil ausgefahrene Wege nicht verlassen werden und so manche besoldete Stelle zum sanften Ruhekissen wird. Notwendige kreative Unruhe breitet sich dann kaum aus.

Die vorgesehene Programmförderung anstelle fast automatisch geförderter einzelner Forschungszentren ist ein Weg zu höherer Wirksamkeit der Forschung, den die Bundesforschungsministerin Bulmahn vorschlägt. Im Grunde genommen geht es auch hier um mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung.

Meine Damen und Herren! Ich habe unlängst in den Lebenserinnerungen des Manfred von Ardenne nachlesen können, wie dieser als Jugendlicher mit 16 Jah- ren sein erstes Patent einreichte, geschäftstüchtig, mit allen Wassern gewaschen. Daraus resultierte die, wenn auch bescheidene, Finanzierung, die weitere Forschung ermöglichte.

Und noch etwas entnahm ich den Erinnerungen Ardennes: Er forschte nach Nützlichkeitskriterien und hatte immer entsprechende Partner in der Wirtschaft und später auch in der Wissenschaft, obwohl er nie formal eine wissenschaftliche Laufbahn absolvierte. Allerdings unterlag Ardenne nicht der Versuchung einer beamteten Forschung, sondern konnte immer frei entscheiden, auf welchen Gebieten er sein Wissen und Können einsetzte. Er war nicht abgesichert. Das Risiko trug er selbst.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns heute doch fragen, wie wir an den Universitäten und Fachhochschulen des Landes das Streben der Studenten und Absolventen nach solchen Wegen fördern und zu einem derartigen Vorgehen anregen können. Es geht also nicht um einen bezahlten Nebenjob in der Studienzeit, sondern darum, bereits in der Studienzeit die Grundlagen für eine selbständige Arbeit, für eine Existenzgründung zu legen.

Eine Existenzgründung kann daher nicht als Notnagel oder als Ersatz für eine nicht vorhandene akademische Laufbahn betrachtet werden. Oft führen die Erfahrungen mit der Eigenständigkeit, die wahrgenommene Verantwortung und die Entscheidungen über Risiken des eingeschlagenen Weges zu Lebenswegen, die nicht nur auf Buchweisheiten und formal angeeignetem Wissen beruhen.

Wenn studentische Projekte nicht nur dem Erwerb einer Prüfungsnote dienen, wenn die Projekte von der Wirtschaft dringend abgefordert werden, dann ist das zugleich Mut einflößend für die späteren Existenzgründer. Sie erlangen dadurch zugleich die Kompetenz und begreifen die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Innovationen.

Begreifen muss man auch die Schwierigkeiten, Risiken und ein mögliches Scheitern. Die in der Literatur genannte Kultur des Scheiterns scheint mir deshalb wichtig, damit in der Öffentlichkeit auch das Bewusstsein für das Risiko eines Gründers vorhanden ist. Neben dem finanziellen Risiko, das oft nicht allein getragen werden kann, bedarf es in der öffentlichen Meinung einer anderen sozialen Bewertung des Scheiterns. In Deutschland - so ist es nachlesbar - ist das ein Makel, der lange, lange

haften bleibt. Wer in den USA nicht erfolgreich war, bekommt eine zweite Chance. Erfahrungen - seien sie auch noch so bitter - helfen, künftig Fehler zu vermeiden.

Meine Damen und Herren! So verhängnisvoll wie die Aufforderung an die Lehrer, vor allem an die jungen und frisch ausgebildeten, Sachsen-Anhalt zu verlassen, um in den alten Bundesländern einen gesicherten Arbeitsplatz und eine Perspektive zu erhalten, genauso verhängnisvoll führt die Abwanderung von Absolventen zum Ausverkauf des Landes. Dazu wird es kommen, wenn diese seitens des Landes eine ungenügende Förderung für technologieorientierte und innovative Existenzgründungen erhalten. Unnütz sind hingegen regierungsamtliche Laberbekundungen über den Weg in die Wissens- und Informationsgesellschaft.

Die Fraktion der FDVP unterstützt den Antrag der CDUFraktion, damit die Landesregierung eine konkrete Darlegung vornimmt. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Herr Professor Spotka, Sie haben noch einmal für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Herr Minister, meine Damen und Herren Sprecher, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dieses Thema so sachlich aufgegriffen haben, wie ich es angelegt hatte. Ich möchte trotzdem betonen, dass ich das berechtigte Anliegen der Landesregierung bezüglich des Programms „ego“ anerkenne, den Förderdschungel zu lichten, die Programme zu Programmfamilien zu bündeln und gewissermaßen mit einem breiten Anwendungsspektrum einzusetzen. Möglicherweise leidet aber bei solchen Breitbandheilmitteln die Wirksamkeit im jeweiligen Bereich.

Mir scheint, dass andere Bundesländer diesen Weg nicht gehen. Sie wählen hochschulspezifische, der Gründerszene an den Hochschulen angepasste komplexe Förderansätze, wie Thüringen mit „Get up“ oder Bayern mit „Flügge“ und „Hochsprung“ usw. Deshalb wäre zu prüfen, ob dieses Programm „ego“ an den Hochschulen ausreichend greift oder nicht oder ob man, wie die anderen Bundesländer, andere Wege beschreiten muss.

Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss und bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Debatte, die in seltener Einmütigkeit verlaufen ist, und kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/4092. Wer stimmt dieser Drucksache zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Ich schließe die 50. Sitzung und berufe die 51. Sitzung für morgen 9 Uhr ein. Wir beginnen mit dem Tagesordnungspunkt 8. Es folgen die Tagesordnungspunkt 9, 10 und 15. Meine Damen und Herren! Die heutige Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.

Schluss der Sitzung: 19.15 Uhr.