Protocol of the Session on December 15, 2000

„für die Einführung einer Fremdsprache ab Klasse 1 mit dem Ziel eines anwendungsorientierten Spracherwerbs in der Grundschule, auf dem die weiterführenden Schulen aufbauen können. Für ein Zusammenwachsen Europas müssen bilinguale Angebote an allen Schularten ausgebaut werden.“

Fremdsprachenangebote in den Grundschulen sind mittlerweile unumstritten und werden als Beitrag der Schulen zum Zusammenführen der Menschen in Europa als notwendig erachtet. Deshalb gewinnt das Fremdsprachenlernen in allen europäischen Ländern ein größeres Gewicht und eine neue Qualität in den jeweiligen Schulsystemen.

Fremdsprachenkenntnisse werden entscheidend die Orientierung, Meinungsbildung, Mobilität und auch die beruflichen Chancen im zukünftigen Europa bestimmen. Die kommunikative Kompetenz steht dabei im Vordergrund, das heißt die Fähigkeit, sich in bestimmten Lebens- und Berufssituationen in der Fremdsprache verständlich zu machen.

Diese Ausrichtung kommt den Grundschulkindern mit ihrer spezifischen Lerndisposition entgegen. Je jünger sie sind, desto unbefangener sind sie im Umgang mit

Sprachen. Sie haben weniger Sprachhemmungen und finden einen spontanen, leichten Zugang zur Fremdsprache. Auch Ausspracheprobleme reduzieren sich. Die Beschäftigung mit einer Fremdsprache ist also nicht ein bloßer Vorgriff auf den Fremdsprachenunterricht in der Sekundarstufe, sondern sie sollte sich altersgemäß an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen über frühes Fremdsprachenlernen orientieren.

Verehrte Damen und Herren! Nun ist mir bekannt, dass Sie - auch Sie, Herr Kultusminister - dieses Anliegen befürworten und das auch schon mehrfach in der Öffentlichkeit geäußert haben. Bei dieser Problematik scheinen die Meinungen auch auf Bundesebene ausnahmsweise nicht weit auseinander zu liegen.

Ein guter Fremdsprachenunterricht ist aber nicht ohne ausreichende Vorbereitung zu erreichen. Schnellschüsse, so zeigt die Erfahrung, führen vor allem zu unnötigen Verunsicherungen, die häufig der Sache nicht dienlich sind, sondern sogar eine Ablehnung hervorrufen. Das kennen wir aus der Vergangenheit zur Genüge.

Es geht uns um den nötigen zeitlichen Vorlauf, um die Schulen, um die Lehrerausbildung, um die Lehrerfort- und -weiterbildung sowie um die vernünftige Organisation des Ganzen, um dem Gelingen wirklich eine Chance zu geben.

Als äußerst wichtig erscheint uns, die Lehrerschaft auf diesen Fremdsprachenunterricht qualifiziert vorzubereiten. Die Lösung kann keineswegs darin bestehen, Fremdsprachenlehrer an die Grundschule abzuordnen; denn erstens - das wissen wir alle - haben wir diese nicht in ausreichendem Maße und zweitens stellt der Fremdsprachenunterricht an der Grundschule ganz andere methodisch-didaktische Anforderungen an den Lehrer als im Sekundarbereich.

Wir haben in unserem Antrag bewusst keine Zielvorgaben formuliert. Wir haben zum Beispiel nichts dazu gesagt, ab wann mit dem Fremdsprachenunterricht begonnen werden soll, ob ab Klasse 1 oder ab Klasse 3. Auch zur Wochenstundenzahl haben wir uns nicht geäußert. Ich weiß nur, dass andere Länder zum Beispiel zwei Unterrichtsstunden pro Woche vorsehen.

Ebenso haben wir nichts gesagt zu den Lernzielen, zu dem Ob und der Art und Weise der Feststellung des Lernfortschrittes - diese könnte durch Noten oder durch eine andere Form der Beurteilung erfolgen - oder dazu, ob man verschiedene Fremdsprachenangebote bereithalten oder sich auf nur eine Fremdsprache beschränken sollte. Ich denke, zur Beantwortung all dieser Fragen haben wir im Ausschuss genügend Ruhe und können dort sachlich beraten.

Als wichtig erscheint mir aber noch die Verständigung darüber, ob man nur an einigen wenigen Grundschulen beginnen oder ob man diesen Unterricht generell an allen Grundschulen anbieten sollte. Denn die Schüler profitieren nur dann davon, wenn sie das Gelernte in den weiterführenden Schulformen anwenden und vertiefen können und dort nicht neu damit beginnen müssen. Voraussetzung ist, dass auch in den weiterführenden Schulformen ein angemessener Fremdsprachenunterricht stattfindet. Wir alle wissen, dass es auch in diesem Bereich noch erhebliche Defizite gibt. Dies spricht für ein landesweites einheitliches Vorgehen.

Ich betone am Ende meiner Rede nochmals: Es geht uns nicht um eine schnelle Umsetzung, sondern es geht um eine qualifizierte Vorbereitung dieses Fremd

sprachenunterrichts. Ich bitte Sie deshalb um Annahme unseres Antrages. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Dr. Harms. Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Feußner, für die Vorverlegung des Beginns des Unterrichts in einer ersten Fremdsprache gibt es zahlreiche pädagogische und lernpsychologische Gründe. Nahezu alle Bundesländer beschäftigen sich derzeit mit dieser Frage, auch mit der Erprobung entsprechender Konzepte.

Aus dieser Sicht spricht überhaupt nichts gegen die intensive Erörterung des Antrages im Ausschuss. Ich denke, dort muss auch noch fachlich zu den Details gesprochen werden. Ich will allerdings darauf aufmerksam machen, dass die kurzfristige Zielvorgabe, nämlich bis zum Sommer ein abschließendes Konzept vorzulegen, doch einige Probleme mit sich bringt.

Zunächst zur aktuellen Situation. Sachsen-Anhalt steht, wie eine ganze Reihe anderer Bundesländer, in die- ser Angelegenheit nicht am Anfang. Seit dem Schul- jahr 1993/94 wird Begegnungsunterricht mit Fremdsprachen für Schülerinnen und Schüler der 3. und 4. Klassen durchgeführt. Nachdem es anfangs zwölf Grundschulen waren, wird die Begegnungssprache jetzt an 225 Schulen mit 15 100 Schülerinnen und Schülern erarbeitet. Dabei beschäftigt sich die große Mehrheit mit der englischen Sprache. An einigen Schulen findet Französischunterricht statt, an einer Schule wird mit der russischen Sprache gearbeitet.

Der Unterricht wird durch Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer auf der Grundlage eines im Land erarbeiteten Rahmenplans und einer Lehrerhandreichung durchgeführt, entweder als Einzelstunde oder in Form mehrerer Unterrichtssequenzen. Gegenwärtig ist je eine Unterrichtsstunde für den dritten und vierten Schuljahrgang vorgesehen. Diese Stunden sind Bestandteil der Stundentafel im Feld freies Gestalten und übendes Lernen.

Das verweist auf eines unserer Probleme, nämlich die Frage: In welchem Bereich werden die entsprechenden Stunden zur Verfügung gestellt? Führt das zu einer Ausweitung der Stundentafel oder nicht?

Das inhaltliche Konzept des Begegnungsunterrichts - da möchte ich Ihnen widersprechen - geht nicht davon aus, dass an einer weiterführenden Schule in dieser Sprache systematisch aufgebaut wird, sondern die Begegnung mit einer fremden Sprache - darin sind sich die Sprachpädagogen einig - wird hier als ein Wert an sich im Sinne interkultureller Wahrnehmung und auch der Möglichkeit, die Strukturen anderer Sprachen zu erkennen, gesehen. Das führt nicht zwangsläufig zu einer Fortsetzung dieses Unterrichts.

Das Problem in diesem Zusammenhang ist allerdings die Qualifikation der vorhandenen Lehrkräfte. Sie wissen, dass die Lehrkräfte an den Grundschulen über eine Rahmenvereinbarung mit den Volkshochschulen im Land auf der Basis des Deutschen Volkshochschulzertifikats qualifiziert werden. Diese Basis ist sicherlich für die Begegnungssprache gut, aber lässt doch hinsichtlich

des systematischen Fremdsprachenlernens einige Fragen offen. Das will ich hier in aller Offenheit sagen.

Die flächendeckende Einführung eines lernzielorientierten, systematischen Fremdsprachenunterrichts ist meines Erachtens in absehbarer Zeit auch in SachsenAnhalt notwendig. Insofern gehe ich mit den Intentionen des Antrags der CDU konform. Ich habe mehrfach öffentlich darauf hingewiesen. Deshalb verblüfft mich der Antrag jetzt nicht. Es ist ja das schöne Privileg einer Opposition, die Regierung mit ihren eigenen Plänen treiben zu können.

Aber die ungelösten Fragen, vor denen wir stehen - das will ich offen sagen -, sind nicht bis zum Sommer lösbar. Das betrifft insbesondere die Qualifikationsfrage. Wir können nicht die zu wenigen Fremdsprachenlehrer aus den weiterführenden Schulen an die Grundschulen versetzen. Also müssen wir uns die Frage stellen: Auf welchem Qualifikationsniveau setzen wir an, damit wir eine flächendeckende Qualifikation in absehbarer Zeit erreichen?

Die zweite Frage betrifft das, was Sie angesprochen haben, Frau Feußner. Es wäre, glaube ich, nicht vertretbar, wenn man bei einem kleinen Teil der Schulen ab der 3. Klasse lernzielorientiert mit dem Fremdsprachenlernen beginnt. Meines Erachtens führt der Weg über eine Ausweitung der Begegnungssprache und eine flächendeckende Umstellung. Aber darüber muss man dann noch einmal diskutieren. Denn wir brauchen ja auch die Durchlässigkeit zwischen den Schulen.

Andererseits kann sich Sachsen-Anhalt nicht von der bundesweiten Entwicklung abkoppeln. Auch wenn der CDU-Parteitag beschlossen hat, den Fremdsprachenunterricht ab der 1. Klasse einzuführen, sehen die allermeisten Länder diesen Unterricht erst ab der 3. Klasse vor. Das wird sicher noch vier oder fünf Jahre so bleiben.

Deshalb hielte ich es für richtig, diesen Antrag in den Ausschuss zu überweisen, über die notwendigen Schritte eine Verständigung herbeizuführen und über die Ressourcen, die wir dafür brauchen, zu sprechen. In der Sache gibt es an der Stelle überhaupt keinen Dissens. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Feußner zu beantworten? - Bitte, Frau Feußner.

Ich habe nur eine informelle Frage. Wann könnten Sie ein solches Konzept vorlegen?

Über Teile Ihres Antrages kann man bereits jetzt diskutieren; die Fakten liegen vor. Zu anderen Teilen wird sich die Diskussion vielleicht bis zum Sommer hinziehen.

Sie sagen, wir sollen ein Konzept über die zukünftige Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts mit der beginnenden Klassenstufe, dem Unterrichtsumfang, mit am Ende der Grundschule zu erreichenden Lernzielen, einer angestrebten Zahl der für einen Fremdsprachenunterricht sich anbietenden Grundschulen usw. vorlegen. Dazu, glaube ich, besteht noch Diskussionsbedarf.

Wollen wir das auf einen kleinen Teil der Grundschulen reduzieren? - Ich hielte das für falsch. Ich glaube, es ist auch nicht durchsetzbar. Ich denke, wir müssen eine Ausweitung der jetzigen Formen erreichen und einen Zeitpunkt für die Umstellung definieren.

Die Frage ist, ob wir mit einer Stunde beginnen wollen, was von den Lehrerkapazitäten her ginge, schneller ginge, oder ob wir sagen, ein vernünftiger Fremdsprachenunterricht braucht eher mehr Umfang, um überhaupt diese Fortsetzung zu ermöglichen.

Die entscheidende Frage für mich ist: Wenn wir einen lernzielorientierten und kontinuierlichen Fremdsprachenerwerb zugrunde legen, muss darüber nachgedacht werden, was das für die weiterführenden Schulen bedeutet. Die Frage, wann eine zweite Sprache einsetzen kann - möglicherweise ab der 5. Klasse -, hat ebenfalls erhebliche Ressourcenauswirkungen.

Deswegen mein Vorschlag, darüber terminlich nicht abzustimmen, sondern im Ausschuss zu beraten. Ich glaube, dass wir alle, was die inhaltlichen Fragen angeht, an einem Strang ziehen. Ich kann die Fragen hier nicht abschließend beantworten. Sie würden mich dann mit Terminen treiben, die vielleicht unrealistisch wären.

Danke sehr. - Frau Abgeordnete Feußner, wenn ich den Zeithorizont richtig überblicke, dann kommt Ihr Nachwuchs in der 1. Klasse in den Genuss des Fremdsprachenunterrichts. Ist das richtig?

Ja, das stimmt.

(Herr Kuntze, CDU: Bis dahin muss es klappen!)

Danke. - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Kauerauf das Wort. Bitte, Frau Kauerauf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel kommt dem Fremdsprachenunterricht in der Primarstufe in einer sich immer mehr globalisierenden Umwelt eine wachsende Bedeutung zu.

Wir hörten, dass die Kinder im Grundschulalter besonders aufgeschlossen und begeisterungsfähig für Fremdsprachen seien und dass dies auf der Grundlage von weniger lernpsychologischen Barrieren passiere. Das Lernen erfolgt hier mehr auf kognitiver und spielerischer Ebene. Darin besteht die große Chance für Fremdsprachen.

Dieser Erkenntnis hat sich Sachsen-Anhalt nicht verschlossen. Seit mehreren Jahren wird an den Grundschulen im Land der Begegnungsunterricht mit Fremdsprachen für Schüler der 3. und 4. Klasse angeboten, gegenwärtig in mehr als 200 Grundschulen.

Für die Lehrkräfte besteht die besondere Herausforderung darin, die Fremdsprachen kindgerecht zu vermitteln. Die Modalitäten zur Aneignung der erforderlichen Qualifikation wurden hier schon erläutert.

In einem weiteren Schritt muss es darum gehen, das derzeitige Konzept zu qualifizieren und weiterzuentwickeln. Die entsprechenden Rahmenbedingungen lassen sich aber nicht von heute auf morgen auf einen

Stand bringen, der die Vorlage eines erweiterten Rahmenkonzeptes zum Sommer 2001 - wie in Punkt 2 des CDU-Antrages gefordert - rechtfertigen würde.

Die SPD-Fraktion begrüßt die dem Antrag der CDUFraktion zugrunde liegende Intention, bringt allerdings den folgenden mündlichen Änderungsantrag ein:

„Die Landesregierung wird aufgefordert, gemäß Punkt 1 im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zu berichten. Im Rahmen der diesbezüglichen Beratungen sollen sich dann die Ausschussmitglieder darauf verständigen, welche Zeitschiene für eine qualifizierte Erarbeitung eines Konzeptes gemäß Punkt 2 des CDU-Antrages zur künftigen Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts angemessen und notwendig erscheint. Dabei sind die gegenwärtig vorherrschenden und künftig zu schaffenden Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Von entscheidender Bedeutung ist auch eine angemessene Fortführung der konzeptionellen Linie in den weiterführenden Schulformen.“

Wir plädieren für eine Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.