Protocol of the Session on December 14, 2000

Das heißt, weil wir das Ehrenamt schwächen, ist die mittelbare Folge, dass wir das Hauptamt aufwerten müssen. Das heißt, wenn wir schon einmal zu Sparentscheidungen kommen, dann passiert es auch immer wieder, dass wir die Sparentscheidungen strukturell an den falschen Stellen vornehmen.

Meine Damen und Herren! Wir werden uns auch noch intensiver darüber unterhalten müssen, ob wir denn im Bereich des Wirtschaftsministeriums tatsächlich richtig veranschlagt haben. Konkret: In der GA-Förderung sind nach Aussage der Haushälter die Mittel vollständig gebunden. Bei Neuinvestitionen können wir deshalb Fördermittel nur in ganz geringem Umfang ausreichen.

So wurde zum Beispiel vom Wirtschaftsministerium beantragt, 162,8 Millionen DM an Ausgaberesten vom Jahr 1999 in das Jahr 2000 zu übertragen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Wir werden uns in Kürze darüber informieren lassen, ob nicht vielleicht durch überplanmäßige Ausgaben dies wieder geheilt werden musste. Wir brauchen eine verlässliche Finanzplanung, auch im Bereich des Wirtschaftsministeriums.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns in diesen Fragen über verlässliche Aussagen im Bereich des Wirtschaftsministeriums unterhalten, dann muss ich an dieser Stelle doch noch einmal auf die - ich möchte einmal sagen - 200-Millionen-DM-Story eingehen. Für uns ist diese Frage nämlich noch nicht geklärt.

Angeblich und unverhofft - und dies wollen wir einmal glauben, Herr Gerhards - kamen im August dieses Jahres 200 Millionen DM EU-Mittel aus Brüssel vorfristig im Land Sachsen-Anhalt an. Der Finanzminister behauptete, diese Mittel könnten unmöglich sinnvollerweise noch im Jahr 2000 ausgegeben werden. Aber er beabsichtigte, sie als außerplanmäßige Ausgabe in eine Rücklage zu überführen, um sie aus dieser Rücklage dem Haushaltsplan 2001 zufließen zulassen.

Dass dieses Verfahren haushaltsrechtlich ein klarer Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung gewesen wäre, spielt seit der Beratung in der Bereinigungssitzung schon keine Rolle mehr, weil es dazu nicht kommen wird. Angeblich erst 48 Stunden vor der Bereinigungssitzung wurde der Finanzminister darüber informiert, dass im Bereich des Wirtschaftsministeriums diese 200 Millionen DM bereits ausgegeben worden sind. Das ist, um uns ganz klar zu verständigen, haushaltsrechtlich nach unserer vorläufigen Überprüfung möglich.

Dieser Vorgang ist jedoch nur zu erklären, meine Damen und Herren, wenn über Wochen systematisch vom Wirtschaftsminister am Finanzminister vorbei und hinter seinem Rücken gehandelt wurde. Und in erschreckender Weise, muss man sagen, wurden die Parlamentarier über diesen Vorgang nicht informiert.

Ich habe vorhin den Kollegen Eckel gefragt. Im Wirtschaftsausschuss ist kein Wort dazu gefallen. In der Sitzung des Finanzausschusses am 15. November 2000 wurde von diesen 200 Millionen DM auch nichts erwähnt.

Und wenn wir jetzt im Schreiben des Finanzministers vom 13. Dezember 2000 erklärt bekommen, in einem Telefongespräch zwischen MW und MF sei am 24. Oktober die Problematik der EFRE-II-Veranschlagung erörtert worden und dabei sei es zu einem Missverständnis hinsichtlich der Mehrausgaben gekommen, muss ich doch schon, meine Damen und Herren, sehr verwundert feststellen: Selbst wenn es der Finanzminister zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst hat - sowohl im Wirtschaftsausschuss als auch im Finanzausschuss saßen die Spitzen des Wirtschaftsministeriums mit am Tisch - und wenn wir diese Frage in beiden Ausschüssen erörtert haben - und wir haben sie gründlich erörtert - und der Finanzminister vorträgt, er habe diese Operation mit der Rücklage vor, und vom Wirtschaftsministerium oder deren Vertretern mit keinem Wort erwähnt wird: Herr Finanzminister, Sie irren, die Operation ist so nicht zu vollführen, weil die 200 Millionen DM nicht zur Verfügung stehen, dann kann ich es nur so werten, dass das gesamte Parlament in dieser Frage von der Regierungsbank ganz bewusst in die Irre geführt worden ist. Sonst hätte man uns darauf hinweisen müssen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Gallert, PDS, und von Frau Dr. Sitte, PDS)

Meine Damen und Herren! Ich habe ganz klar gesagt: Dieser Vorgang muss aufgeklärt werden. Uns müssen die zugehörigen Vorgänge offen gelegt werden, uns müssen die entsprechenden Akten vorgelegt werden.

Meines Erachtens bezieht man sich auf ein Telefongespräch - die werden im Land Sachsen-Anhalt glücklicherweise nicht mehr aufgezeichnet -, damit man dem Hohen Hause erklären kann, dass es natürlich keine Aufzeichnung über den Vorgang gibt. Aber so einfach werden wir Sie nicht aus der Verantwortung entlassen. Herr Gerhards oder Herr Gabriel, einer von beiden hat den Landtag belogen; diese Wahrheit muss aufgeklärt werden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Czeke, PDS, von Frau Krause, PDS, und von Herrn Kannegießer, DVU-FL)

Wenn wir das morgen im Finanzausschuss nicht abschließend klären können - da gucke ich mal zur PDS und darauf, wer tatsächlich springt -, dann werden wir einen Antrag auf Aktenvorlage stellen. Diesen können

Sie dann, meine Damen und Herren von der PDS, unterschreiben. Dann werden wir sehen, ob man uns die entsprechenden Schriftstücke liefert oder ob es dabei bleibt - wie wir es bei einigen PDS-Abgeordneten schon öfter erlebt haben -, dass man ganz weit zum Sprung ausholt und auch versucht, die CDU zum Springen zu animieren, aber dann wieder sehr schnell abbremst und sagt: Um der Gesamtverantwortung willen wollen wir Frieden geben.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Das war aber diesmal ein bisschen umgekehrt! Dann hätten Sie dem An- trag gleich zustimmen können!)

- Nein, nein! Wir wollen uns jetzt nicht darüber streiten, wer wem in der Frage der Aufklärung, in der Frage der Zustimmung zu einem aus dem Bauch heraus gestellten Antrag nicht beigesprungen ist.

Wir werden dieses Thema in der nächsten Finanzausschusssitzung auf den Punkt bringen. Dann werden wir sehen, ob das Parlament insgesamt genügend Kraft hat, diesen Vorgang tatsächlich bis zum Ende aufzuklären. Das muss man vom Parlament verlangen können, wenn es sich weiterhin ernst nehmen will.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Scharf, würden Sie eine Frage von Herrn Gallert beantworten?

Am Ende meiner Rede, weil ich nicht mehr viel Redezeit habe.

Meine Damen und Herren! Die Frage nach der Ehrlichkeit des Finanzministeriums stellt sich natürlich noch bei vielen anderen Punkten der Veranschlagung, die wir ganz deutlich benennen müssen und die wir im Übrigen in einer Vielzahl von Anträgen sowohl in den Fachausschüssen als auch im Finanzausschuss immer wieder angesprochen haben.

Weil ich schon einmal bei den Anträgen bin, will ich an dieser Stelle ganz klar sagen, ohne vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen: Es war in der Regel so, dass CDU-Anträge keine Mehrheit finden durften und erst umgetauft werden mussten. Es gibt etliche Beispiele dafür, dass Anträge, die wir eingebracht haben, mit dem Hinweis abgelehnt worden sind, sie sind nicht zu finanzieren, sie sind nicht sachgerecht, diese Anträge aber einige Wochen später, zum Teil sogar einige Tage später, im Gewande von SPD und PDS eingekleidet, erneut das Tageslicht erblickten und auch eine Mehrheit fanden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, und von Herrn Wolf, FDVP - Herr Dr. Daehre, CDU: So ist es!)

Und wenn dann die CDU-Fraktion ihren wenig veränderten Anträgen zustimmte und jetzt auch noch gesagt wird: Da seht ihr mal, wie alternativlos eine Politik von SPD und PDS ist,

(Heiterkeit bei der CDU)

dann ist das wohl in der öffentlichen Darstellung ein bisschen zu kurz gegriffen.

Ich nenne - nicht wegen des finanziellen Umfangs, sondern wegen der Bedeutung - einige Stichworte: Wenn es

zum Beispiel unbedingt so sein muss, dass der Herr Heyer zur Verkehrswacht geht, um zu sagen, die regierungstragenden Fraktionen hätten die Wichtigkeit der Verkehrswacht erkannt und deshalb noch Mittel zugelegt, es aber auf keinen Fall dem Erzfeind Dr. Daehre gegönnt wird zu sagen, dass wir das als wichtig erkannt hätten, dann ist das so etwas von kleinkrämerisch und kleinmütig, dass sich eine Regierung und eine regierungstragende Fraktion das nicht hätten leisten müssen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Brandt, DVU-FL, und von Herrn Kannegießer, DVU-FL - Herr Bullerjahn, SPD: Das ist das fal- sche Beispiel, Herr Scharf!)

Das betrifft auch andere Fragen, seien es spezielle Anträge zur Wirtschaftsförderung, zum Beispiel zur Außenwirtschaftsförderung, sei es die Frage, wer sich am meisten für den Sport einsetzt. Zum Glück, muss man sagen, haben die Sportler in einigen Fällen von dem Hickhack im Parlament profitieren können, weil schließlich keiner sich sagen lassen wollte, dass er gegen den Sport ist. Insofern konnte an einigen Stellen tatsächlich etwas nachgebessert werden.

Insgesamt ist dies aber eine unwürdige Springprozession in diesem Haushalt, die eine planbare Finanzpolitik in diesem Land Sachsen-Anhalt vermissen lässt. Hier werden eklektisch an einzelnen Stellen noch einmal Nachbesserungen durchgeführt. Diese Nachbesserungen führen im Einzelfall auch tatsächlich zu Verbesserungen für die einzelnen Betroffenen. Aber eine in sich konsistente Haushaltspolitik ist dieses, meine Damen und Herren, wirklich nicht.

Kommen wir aber noch einmal zu der Frage der Ehrlichkeit in der Sphäre des Finanzministeriums. Über die Nebenhaushalte hatte ich schon gesprochen. Über Falschveranschlagungen habe ich mich im Wesentlichen auch schon geäußert. Wir haben aber auch schon Veranschlagungstricks feststellen müssen, die durchaus legal sind, die uns aber auf das Grundphänomen zurückführen, dass Wirtschaftsförderung im Land SachsenAnhalt nicht mehr planmäßig durchgeführt wird.

Wenn wir 68 Millionen DM nicht ausgegebene IfG-Mit- tel nachveranschlagen und damit zugegebenermaßen etwas im Bereich der Abwasserzweckverbände heilen können, muss man ganz klar sagen: Das sind nicht zusätzliche Gelder, die irgendwie zur Verfügung stehen. Das sind einfach nicht getätigte Investitionsförderungen der vergangenen Jahre. Die sammeln wir ein, was wir bisher nicht gekonnt haben. Zum Glück haben die Abwasserzweckverbände dann die Chance, zumindest im zweiten Anlauf ein Stückchen dieser bisher nicht getätigten Investitionen nachholen zu können.

(Zuruf von Herrn Dr. Köck, PDS - Oh! bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon einmal über die Investitionsquote sprechen und hier ausgeführt wird, es sei für die Wirtschaftsförderung vollkommen egal, ob sie die 200 Millionen DM im Jahr 2000 oder im Jahr 2001 bekommt, muss gesagt werden, dass die Wirtschaft natürlich froh ist, dass sie die Wirtschaftsförderung überhaupt bekommt.

Bezeichnenderweise steht hier auch, dass schon beschiedene Anträge schnell ausgereicht werden konnten und man es der Wirtschaft nicht länger vorenthalten wollte. Damit geben Sie indirekt zu, dass die Warteliste sehr lang ist und sich die Antragsteller vertrösten lassen

müssen. Sie sind ja alle so froh, dass die 200 Millio- nen DM jetzt schon eingestellt worden sind, weil sie sonst noch länger hätten warten müssen, und die Wirtschaftsförderung hätten die Betriebe sonst weiterhin aus selbst aufgenommenen Krediten finanzieren müssen. Das ist die Wahrheit, die dahinter steht.

Aber, meine Damen und Herren von der Regierung, Sie rechnen ja sehr genau. Sie umveranschlagen alleine bei Einzelplan 14 40 Millionen DM Planungsleistungen. So werden ruckzuck durch die Veränderung eines Haushaltstitels 40 Millionen DM konsumtiv zu 40 Millionen DM investiv. Das ist doch schon etwas, wenn man mit der Investitionsquote kämpft.

Ich will Ihnen eines sagen: Warum haben Sie denn so verbissen darum gekämpft, dass Sie die 200 Millio- nen DM erst 2001 haben wollten? Weil 200 Millionen DM bei einem 20-Milliarden-DM-Haushalt eben 1 % Investitionen ausmachen, 1 % Wirtschaftsförderung.

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

Deshalb waren Sie so verbissen. Deshalb wollten Sie eventuell sogar in den Bruch des Haushaltsrechtes hineingehen, weil die Quotendiskussion Ihnen schon ganz, ganz wichtig ist, und das kann Herr Fikentscher an dieser Stelle gar nicht kleinreden. Es ist eben nicht egal: Jeder Haushalt hat seine eigene Plage, und hier haben Sie versucht zu rechnen und beim Rechnen sind Sie ein bisschen durcheinander gekommen,

(Herr Bullerjahn, SPD: Es lag nicht am Rechnen, Herr Scharf!)

weil Brüssel in einem Fall eher Geld hergeschickt hat. Das ist die eigentliche Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Für Ausgabenreste sind wieder keine Mittel veranschlagt worden. Das Drama der Übertragung, der Abweisung der Übertragung und der Erwirtschaftung aus dem laufenden Haushalt wird uns im nächsten Jahr genauso begegnen, wie wir es bisher erlebt haben.

Wir werden das Märchen von der Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe des Jahres 2001 zum großen Teil schon im Jahr 2000 nicht erleben. Die Häuser werden überplanmäßige Ausgaben zu begleichen haben, die im Wesentlichen die Erwirtschaftung der Minderausgabe wieder kassieren werden.

Ich wette, zum Jahresende wird nur ein geringer Teil der avisierten 210 Millionen DM schon im Jahr 2000 erwirtschaftet worden sein. Dieser Trick mit der unrechtmäßigen Haushaltssperre, die Sie erlassen wollten, ging nicht auf. Sie hätten sich das ersparen können, und es wäre, denke ich, für uns alle in diesem Lande in Sachen der Rechtssicherheit besser verfahren worden.

Meine Damen und Herren! Man muss es einmal ganz klar sagen: Sie rufen GA-Mittel und HBFG-Mittel nicht vollständig ab. Wir haben sehr wohl gelesen, dass Frau Bulmahn im Bundeshaushalt für Wissenschaft noch einmal etwas draufgesetzt hat. Wir sahen uns im Lande Sachsen-Anhalt nicht in der Lage, die entsprechenden Kofinanzierungsmittel bereitzustellen.

Nun gibt es einen Trostparagrafen, mit dem im Haushaltsgesetz Vorsorge getroffen worden ist, damit zusätzlich bereitgestellte HBFG-Mittel, wenn die Kofinanzierung geleistet werden kann, abgerufen werden können.

Jetzt frage ich nur einmal und sehe die Minister an: Wer ist denn bereit, dem armen Herrn Harms etwas abzugeben?