Protocol of the Session on December 14, 2000

Wir kommen damit zum Einzelplan 11 - Ministe- rium der Justiz. Es hat sich der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann gemeldet. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen kurz vor der Mittagspause und ich will es kurz machen.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD)

Es geschehen noch Zeichen und Wunder, jedenfalls im Justizhaushalt. Die Beratungen zu diesem Einzelplan waren schon in den vergangenen Jahren nicht spektakulär und das war auch in diesem Jahr nicht anders. Aber dann ist doch noch etwas passiert, wenn auch nicht im zuständigen Fachausschuss, sondern im Finanzausschuss. Dort ist für das Jahr 2002 eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von immerhin 7,5 Millionen DM in den Haushalt eingestellt worden. So etwas hätten wir uns im Rechtsausschuss gar nicht getraut. Insofern mein Dank an die Finanzer.

Diese Verpflichtungsermächtigung soll dazu dienen, in der Justiz flächendeckend das elektronische Grundbuch

und das EDV-gestützte Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister einzuführen, sodass sich die Gelder, die bislang hierfür verausgabt wurden, schneller auszahlen werden. Wir sind damit auf dem Weg zur modernsten Justiz in der Bundesrepublik. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Bevor ich Sie jetzt in die Mittagspause entlasse, möchte ich eine Bemerkung machen.

Wie viele von Ihnen habe ich gestern einen Gastkommentar in der „Magdeburger Volksstimme“ zur Kenntnis nehmen müssen. Ich habe hierzu eine ganz eindeutige Meinung, die ich bereits an angemessener Stelle kundgetan habe. Zwischenzeitlich hat mich Protest aus diesem Hause erreicht. Ich werde ihn mit angemessener Sorgfalt in meine Überlegungen einfließen lassen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD, und von Herrn Ernst, SPD)

Nun gehen wir in die Pause. Wir treffen uns um 14 Uhr wieder hier. Die Debatte wird dann durch den Abgeordneten Herrn Scharf fortgesetzt.

Unterbrechung: 13.05 Uhr.

Wiederbeginn: 14.06 Uhr.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir in der Sitzung fortfahren können. Zunächst begrüße ich sehr herzlich Schülerinnen und Schüler der Heideschule Gossa als Gäste. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Einzelplan 13 - Allgemeine Finanzverwaltung - auf. Als Erstem erteile ich dem Abgeordneten Herrn Scharf für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zur Beschlussfassung vorgelegte Haushalt trägt nach Ansicht der CDU-Fraktion weder in genügendem Maße zur Entwicklung Landes Sachsen-Anhalt bei, noch löst er die Aufgabe, die Verschuldung des Landes tatsächlich zurückzuführen. Die strukturelle Fehlentscheidung von 1994, um jeden Preis ein Machtbündnis links von der CDU zu schmieden, fordert Jahr für Jahr einen hohen finanziellen Preis.

(Zustimmung bei der CDU)

Diesen Preis, meine Damen und Herren, zahlen nicht die Regierung und die Abgeordneten, sondern die Bürger dieses Landes durch Verzicht, vorenthaltene Lebensqualität und nicht gewährte Lebenschancen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die älteren Mitbürger erleiden dies und bleiben hier, die Jungen, insbesondere gut ausgebildete Frauen, für die sich die Landesregierung angeblich so sehr verwendet, spüren dies und hauen einfach ab. Nicht mehr wie früher muss man über Mauer und Stacheldraht gehen. Man kann zum Glück einfach wegreisen, das Land verlassen. Der erschreckende Wanderungssaldo, den wir im Statistischen Jahrbuch nachlesen können, zeigt es. Griffig be

schrieben: Die Jungen gen West, zurück bleibt der Rest. Das ist die traurige Bilanz.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, und von Herrn Wolf, FDVP - Herr Schulze, CDU: Stimmt, stimmt!)

Meine Damen und Herren! Es ist vorhin schon die angeblich kreative Haushaltsführung des Finanzministers lobend erwähnt worden. Ich weiß nicht, ob er sich über dieses Lob so freuen wird; denn die Bezeichnung „kreative Buchführung“ ist inzwischen etwas in Verruf gekommen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich nehme an, er wird im nächsten Jahr große Schwierigkeiten haben, den Haushalt, wenn er denn so beschlossen wird, wie er jetzt aufgestellt ist, gemäß der Landeshaushaltsordnung vernünftig zu steuern.

Herr Gerhards hat sich selbst einmal als Vollzugskünstler bezeichnet. Wir werden ihm sehr genau auf die Finger schauen, was Vollzugskunst im nächsten Jahr zu bedeuten hat.

Die Landesregierung lobt sich für ein A-Rating, das das Land Sachsen-Anhalt bekommen hat. Man sollte aber vorsichtig sein. Weil die öffentliche Hand Sachsen-Anhalt nicht zahlungsunfähig werden kann, sind die Schulden des Landes Sachsen-Anhalt bei anderen natürlich willkommen. Für uns selbst stellen sie eine riesengroße Last dar. Also Vorsicht mit diesen Aussagen.

Wie sieht aber tatsächlich die Erfolgsbilanz dieses Landes aus? - Das Land Sachsen-Anhalt wird am Ende des Haushaltsjahres 2000 einschließlich der Sondervermögen aller Voraussicht nach einen Gesamtschuldenstand in Höhe von 26,8 Milliarden DM aufweisen.

Auch im nächsten Jahr werden wir entgegen den Versprechungen des Finanzministers mit den Schulden flott fortfahren. Die Neuverschuldung steigt um weitere 1,35 Milliarden DM. Hinzu kommen weitere 35,8 Mil- lionen DM im Sondervermögen „Förderfonds“.

Wer dem Finanzminister heute Morgen genau zugehört hat, der hat gemerkt, dass der Finanzminister nur eine Neuverschuldung in Höhe von 1,35 Milliarden DM erwähnte. Nun wird er sagen: Jeder, der lesen kann, findet natürlich die Höhe der anderen Verschuldungen in den Dokumenten ausgewiesen.

Aber, Herr Gerhards, die Sprache verrät Sie. In der öffentlichen Darstellung werden Sie nur von dem Schuldenstand sprechen, der im - ich sage es einmal so - Kernhaushalt ausgewiesen ist, die Nebenhaushalte verschweigen Sie. Im Landtag kann man das noch erwähnen, in öffentlichen Versammlungen wird das weitgehend unbekannt sein.

Das heißt, Ihre Verschleierungstaktik, nicht die tatsäch- liche Höhe der Verschuldung des Landes Sachsen-Anhalt offen zu legen, muss deutlich entlarvt werden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP)

Die Verringerung der Neuverschuldung um 150 Millionen DM ist irreführend, da diese nur durch außerordentliche einmalige Erträge in Höhe von 131 Millionen DM ermöglicht wurde, nur durch diesen Buchführungstrick, indem eine kreditfinanzierte Rücklage - was soll das überhaupt sein? - in Höhe von 106 Millionen DM und eine Zuführung aus dem Grundstock, der eigentlich erhalten werden soll, in Höhe von 25 Millionen DM dazukommen.

Ich sage: Ohne diese Tricks und unter Hinzuziehung der notwendigen Toleranzen von allen Schätzungen - so genau kann wirklich niemand schätzen - wird die Neuverschuldung in Sachsen-Anhalt tatsächlich um keine müde Mark zurückgeführt.

Das ist die bittere Wahrheit: Schon zwei Jahre nach ihrem zaghaften Anfang ist die Haushaltskonsolidierung mit dem Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2001 in Sachsen-Anhalt zum Stehen gekommen. Das ist verhängnisvoll, da wir die Trendwende nicht geschafft haben und die Trendwende für Sachsen-Anhalt lebensnotwendig ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch die Daten der mittelfristigen Finanzplanung waren offensichtlich schneller überholt, als die Tinte trocknen konnte, mit der diese geschrieben wurde. Die Eckwerte, die in der mittelfristigen Finanzplanung sogar Ergebnisse heißen, gelten in weiten Bereichen schon jetzt nicht mehr. Sie sind im Wesentlichen aufgezählt worden, deshalb möchte ich mir das an dieser Stelle ersparen.

Aber das wichtigste ungelöste Problem ist der nicht strukturgerechte Personalhaushalt in diesem Lande Sachsen-Anhalt. Und wenn Minister Gerhards die Ziele des Personalabbaus schon selbst von 2005 auf 2007 verschiebt, so sage ich Ihnen: Das ist keine Personalplanung mehr, weil sich durch Frühverrentung und - ich sage mal - durch Vergreisung der restlichen Landesverwaltung das Problem in diesem Zeitraum weitgehend von selbst erledigt haben wird. Das ist keine planende Personalentwicklung, das ist darwinistisches Laufen- lassen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL)

Dieses darwinistische Laufenlassen ist zum Teil auch noch in hohem Maße ungerecht, weil nämlich Überlastbereiche, wo die Leute unter der Arbeit stöhnen, und Unterlastbereiche unvermittelt nebeneinander stehen und dieser Umstand zum Teil auch zu persönlichen Härten führt, die vermeidbar gewesen wären.

Meine Damen und Herren! Dieser ungelöste Personalhaushalt im Land Sachsen-Anhalt ist das Schlüsselproblem, und wenn wir dieses Schlüsselproblem nicht lösen, werden wir insgesamt die Landesfinanzen in diesem Land nicht konsolidieren können.

Meine Damen und Herren! Es ist in unseren Augen auch sehr bedenklich, dass in Sondervermögen und Nebenhaushalte ausgewichen wird. Das Sondervermögen „Förderfonds“ war ursprünglich zeitlich befristet gedacht. Es mutiert immer mehr zu einem Nebenhaushalt der unbegrenzt gewordenen Möglichkeiten. Sein Schuldenstand summiert sich Ende 1999 bereits auf 157 Millionen DM.

Und wir dürfen nicht vergessen, dass im Sondervermögen des Talsperrenbetriebes eine Kreditaufnahme in Höhe von geplanten 170, wahrscheinlich sogar von 200 Millionen DM durchgeführt worden ist, die ebenfalls keinen Niederschlag in der Schuldenstatistik des Landes Sachsen-Anhalt findet. Ob es gelingt, - ich sage es einmal ganz wertneutral - durch eine groß angelegte Operation dieses wieder zu heilen, vielleicht sogar unter der Gefahr, Landesvermögen zu verschleudern, das müssen wir uns noch sehr genau anschauen.

Auf alle Fälle weichen Sie auch in diesen Fragen konsequent aus und stellen die Gesamtverschuldung des Landes Sachsen-Anhalt nicht ehrlich dar.

Ähnlich verhält es sich mit der landeseigenen Salus GmbH. Innerhalb dieser GmbH dürfen auch immerhin schon 22 Millionen DM Schulden aufgenommen werden, die wir sonst im Landeshaushalt wiederfinden müssten.

Meine Damen und Herren! Wenn wir aber nun tatsächlich sparen müssen und wenn wir einsparen müssen, dann müssen wir uns auch die richtigen Stellen aussuchen. Bei den vielen Beispielen, die man hier nennen könnte, will ich mich nur einem Beispiel zuwenden; das sind die Zuwendungen für die Betreuungsvereine im Einzelplan 05.

Künftig fehlen die Zuwendungen für die ehrenamtlichen Betreuer in diesen Betreuungsvereinen, die sich bisher der Beratungsstellen bedient haben. Diese Anlaufstellen sind wichtig. Kollege Bischoff führte das im Großen und Ganzen auch aus. Angesichts der komplexen Materie dürfen wir an diesen Stellen aber durchaus keine Streichungen zulassen. Und ausgerechnet im Jahr 2001, dem Jahr der ehrenamtlich Tätigen, verschlechtern sich die Bedingungen für das Engagement der ehrenamtlichen Betreuer.

Wir müssen uns fragen, ob wir durch die Ausgabeverminderung im Einzelplan 05 in Höhe von 800 000 DM tatsächlich Einsparungen im Gesamthaushalt erreicht haben. Das Justizministerium, meine Damen und Herren, geht nun bezeichnenderweise davon aus, dass sich die Kosten für die Berufsbetreuer im Justizhaushalt um ca. 3,2 Millionen DM erhöhen werden.

Das heißt, weil wir das Ehrenamt schwächen, ist die mittelbare Folge, dass wir das Hauptamt aufwerten müssen. Das heißt, wenn wir schon einmal zu Sparentscheidungen kommen, dann passiert es auch immer wieder, dass wir die Sparentscheidungen strukturell an den falschen Stellen vornehmen.