Protocol of the Session on November 9, 2000

Als Sie dann auch noch mit Hamissa kamen, Herr Höppner, da habe ich mich gefragt, wer Ihnen das aufgeschrieben hat. Hamissa, das Haushaltsaufstellungsmanagement- und -informationssystem Sachsen-Anhalt, als vermeintlich zukunftsweisende Heldentat für eine moderne Verwaltung! Die beabsichtigte einheitliche Einführung zu einem Zeitpunkt in allen Ressorts hat überhaupt nicht stattgefunden, weil das Finanzministerium die Verantwortung dafür abgelehnt hat. Die Einsparung von 105 Mitarbeitern als eine der Begründungen für die Effizienz hat bis heute nicht stattgefunden. Zum heutigen Zeitpunkt werden von Ihrem Hamissa, das Sie hier genannt haben, allein drei Versionen benutzt. Das nennen Sie „einheitliches effizientes Einführen“ und „Modernisieren der Verwaltung“. Das ist weiß Gott kein Musterbeispiel.

(Herr Scharf, CDU: Wir kriegen sie immer noch nicht mit dem Hinweis, sie sei zu fehlerhaft!)

- Das außerdem noch. Das hat übrigens auch eine 500 000 DM teure Studie belegt.

Herr Höppner, ein neues Computerprogramm in einer Behörde ersetzt keine überfälligen Strukturentscheidungen. Und das ist auch der wesentliche Mangel Ihrer Regierungserklärung.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Diese sind Sie jedoch dem Land mit der höchsten Staatsdienerdichte schuldig. Sie sind sie auch heute schuldig geblieben.

Ich fordere Sie auf, endlich ein Landesorganisationsgesetz vorzulegen, bevor Sie den Kommunen die Eigenständigkeit nehmen wollen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Sie reden hier von neuer Software in den Verwaltungen, von moderner Verwaltung und gleichzeitig schieben die Beamten in den Behörden des Landes Sachsen-Anhalt wie vor 100 Jahren mit Aktenrollern über die Flure. So sieht die Realität in Sachsen-Anhalt aus.

(Herr Bullerjahn, SPD: Übertreibt mal nicht ganz so schamlos!)

Eine moderne Bildungspolitik ist unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt. Sie ist die Saat für eine Ernte auf dem Arbeitsmarkt; das wichtigste Problem, das das Land Sachsen-Anhalt immer noch hat, ist der Arbeitsmarkt. Lebenslanges Lernen, eine gute Grundausbildung, Leistungswille und Motiva- tion werden immer wichtiger.

Doch gerade diese Regierung hat in der Bildungspolitik völlig versagt. Sie verfolgen verstaubte Konzepte von gestern, die nicht für die Herausforderungen der Zukunft taugen. Während überall in Deutschland das Bildungssystem modernisiert wird - es wird gestrafft, konzentriert auf die Herausforderungen der Zukunft, es motiviert, Leistungswille wird belohnt -, führen Sie hier die Zwangsförderstufe und das 13. Schuljahr gegen den Willen der Eltern und der Wirtschaft ein.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Sie schaffen die begabungsgerechte differenzierte Förderung ab und bieten leistungsfeindlichen Einheitsbrei an. Das ist nicht zukunftsfähig, sondern rückständig. Dies trifft nicht nur die besonders Begabten, um die jetzt

so gebuhlt wird. Sie rauben mit der Abschaffung des Hauptschulbildungsganges auch einem Großteil unserer Jugend eine Chance, gerade den Leuten, die auch gebraucht werden.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Mon- tag, DVU-FL)

Es kann nicht jeder Computerprogrammierer werden. Das Handwerk, die Industrie und das Gewerbe suchen qualifizierte Leute.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Die Wirtschaft beklagt, wenn man sie befragt, zunehmend, dass sie anstatt innovationsfähiger junger Leute oftmals schlecht motivierte Leute, vor allem auch junge Leute bekommt, die nach diesem Schulsystem noch nicht einmal die Grundvoraussetzungen im Rechnen und Schreiben in die berufliche Bildung mitbringen.

(Frau Budde, SPD: Eine völlige Verdrehung der Tatsachen!)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns einmal die Hochschulen an. Die Vernetzung der Hochschulen, Telelearning, Teletutoring oder die enge Verzahnung mit der Wirtschaft werden immer wichtiger. Wir haben wirklich hervorragende Hochschulen. Hier muss aber gezielt investiert werden. Vor allem Perspektiven für die besten Dozenten, Lehr- und Forschungsbedingungen wären Sachsen-Anhalts Grundlage für den Erfolg in der New Economy.

Man muss planen und sich verlassen können. Sie erklären, dass Sie die Hochschulen in die Wissenschaftsgesellschaft führen wollen. Doch wie ist die Realität? Sie haben überhaupt kein Konzept, wie sich die Hochschullandschaft künftig weiterentwickeln soll. Ein seit fünf Jahren geforderter Hochschulentwicklungsplan liegt bis heute nicht vor. Den sind Sie schuldig geblieben.

Was bekommen wir anstatt einer konzeptionellen Planung unserer Hochschullandschaft? Wir stellen fest, dass statt einer Zahl von 44 000 Studenten aufgrund der demografischen Entwicklung nun als Ausbauziel eine Zahl von 33 000 Studenten festgelegt wird. Das ist eine Zahl, die lediglich den Status quo annähernd festschreibt - keine für die Zukunft.

Im Gegensatz zu Sachsen aber - das ist ein ganz wichtiges Moment - hat Sachsen-Anhalt eine negative Studierendenbilanz. Das heißt, mehr Sachsen-Anhalter studieren außerhalb Sachsen-Anhalts, als Studenten von außerhalb zu uns kommen. In Sachsen ist das umkehrt. Das ist nicht gut für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land.

Sie frieren die Zahl der Studienplätze ein und kürzen die Haushaltsmittel. Sie haben von 1995 bis zum Jahr 2000 die Mittel für die Wissenschaft im Haushalt um 211 Millionen DM gekürzt. Das ist übrigens ein klarer Wortbruch gegenüber Ihrem Wahlprogramm. Daran möchte ich Sie an dieser Stelle erinnern.

(Zustimmung bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Mit den Stichworten „Wortbruch“ und „Hochschulen“ sind wir bei dem grundlegenden Mangel Ihrer Regierungserklärung. Sie haben kein Konzept für die komplexen, verzahnten Aufgaben, die für den Schritt in die Informationsgesellschaft zu bewältigen sind. Ihrer Regierungserklärung fehlt es an konkreten und vor allem gesetz

geberischen Schritten sowie an strukturellen Entscheidungen, die wichtig sind.

(Frau Budde, SPD: Na klar!)

Herumdoktern an Einzelheiten ersetzt dies nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Allgemeine Erklärungen über die Einführung von Computerprogrammen ersetzen nicht das, was notwendig ist, um die Strukturen dieses Landes für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen.

(Zurufe von Frau Budde, SPD - Frau Dr. Sitte, PDS: Was sollen wir denn machen? Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)

Wie wollen Sie auf die Tatsache reagieren, dass die jetzigen Entlohnungssysteme und die Einstiegsgehälter im öffentlichen Dienst für Jungakademiker hinderlich sind? Wie wollen die Hochschulen künftig die fähigsten Köpfe im Wettbewerb mit der Wirtschaft anwerben?

(Zurufe von Frau Budde, SPD, und von Herrn Bischoff, SPD - Ministerin Frau Dr. Kuppe: Wie denn, Herr Gürth?)

- Sie regieren, Sie sind diese Antwort schuldig geblieben.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

- Wenn Sie diese Fragen nicht beantworten können, brauchen Sie nur die Regierung aufzulösen. Dann können wir das Problem lösen.

Wie wollen Sie das duale Ausbildungssystem - einst der deutsche Exportschlager - fit machen? Die Berufsbilder ändern sich schneller, als das BIB sie überhaupt anpassen kann.

Ein Stichwort ist die Internetkriminalität. Wie wollen Sie dieser begegnen? Urheberrechtsprobleme - die Rechte der Besitzer gegenüber den Rechten der Nutzer - führen zu einer Auseinandersetzung, die insbesondere im Wettbewerb deutlich wird und die vor allem für unsere Industrie wichtig ist.

Telearbeit und Telelearning verändern die Arbeitswelt so, dass die herkömmlichen Tarifstrukturen und das Arbeitsrecht immer mehr an Aktualität verlieren. Was wollen Sie denn diesbezüglich konkret unternehmen? Dazu ist gesetzgeberisches Handeln erforderlich.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Ja, was denn?)

Wir wollen dazu einmal Ihre Position im Bundesrat hören.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Machen Sie doch mal!)

Sie reden von Start-ups und geben Millionen für eine Existenzgründeraktion aus. Zuvor erklären Sie aber Tausende zu Scheinselbständigen. Ist das ein Konzept?

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDVP)

Wir haben als nächstes Thema das Betriebsverfassungsgesetz auf Bundesebene. Wollen Sie dem mit dem neuen Betriebsverfassungsgesetz, so wie es jetzt diskutiert wird, noch einen draufsetzen? Das ist nicht ermutigend für Leute, die sich selbständig machen wollen.

(Zuruf von Herrn Bischoff, SPD)

Viele Jungunternehmer würden gern ausbilden, dürfen aber nicht. Wo ist Ihre Antwort auf diese wichtige Frage? Es gibt noch viele andere konkrete Fragestellungen, auf

die wir heute von der Landesregierung eine Antwort erwartet, aber nicht bekommen haben.

(Zuruf von Frau Budde, SPD - Herr Bischoff, SPD: Aber Sie könnten das!)