Protocol of the Session on October 12, 2000

Das Problem besteht zurzeit, keine Frage. Auch aufgrund der Berichterstattung in der Öffentlichkeit tritt das auf. Es lässt sich aber nicht vermeiden. Wichtig ist auch in diesem Fall, dass es thematisiert wird und die Sensibilität der Bevölkerung steigt. Das wird auch dazu führen, dass ein Rückgang der Straftaten zu verzeichnen sein wird.

Zum Dritten, zum polizeilichen Handeln: Ich habe immer wieder klar gesagt, wie ich dazu stehe. Straftat bleibt Straftat und es gibt auch kein Tabu für mich dabei. Wenn es Probleme in der Polizei gibt, ist es kein Problem, wenn die entsprechenden Polizeibeamten zu mir kommen, wenn sie Zweifel haben, und mit mir diskutieren - konkret und nicht über die Bande.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen jetzt Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Europaschule in Oschersleben.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Debatte wird mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Gärtner für die PDS-Fraktion fortgesetzt. Bitte, Herr Gärtner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion liegen für relevante Bereiche der poli- zeilichen Arbeit, der Bekämpfung von Kriminalität und der Gewährleistung öffentlicher Sicherheit Auskünfte vor. Diese Überblicks- und Situationsaufnahmen können Grundlage für die notwendige Debatte über diese Bereiche sein, Bereiche, die in den letzten Monaten zu sehr auf die Ausdehnung polizeilicher Gesetzesbefugnisse reduziert worden sind.

Die PDS-Fraktion wird sich an dieser Debatte weiterhin mit eigenen Vorschlägen beteiligen. Ich erinnere daran, dass ein Antrag der PDS-Fraktion zur öffentlichen Sicherheit noch zur Beratung im Innenausschuss liegt. Der auch von uns angeregte Sicherheitsdialog muss sich selbstverständlich auch der notwendigen Ausstattung der Landespolizei zuwenden.

Zu der Frage der Umsetzung des Polizeipersonalkonzepts stimme ich der Einschätzung der Landesregierung zu, dass dieses der demografischen Entwicklung angepasst und fortentwickelt werden muss. Es geht aber hierbei nicht nur um Fragen der Relation von Vollzug und Verwaltung, nicht nur um die absolute Zahl notwendiger Polizeidichte, es geht auch um den effektiven Einsatz an Schwerpunkten von Kriminalität. Diese sind zu definieren und der Einsatz von Vollzugsbeamten ist auf diese Schwerpunkte auszurichten. Dies wäre auch ein Weg, den mit dem Flächenpräsenzprogramm ein- geschlagenen Weg fortzusetzen.

Einige Worte zur Sachausstattung der Landespolizei. Niemand in diesem Hause bestreitet, dass eine angemessene Sachausstattung eine Grundlage erfolgreicher Polizeiarbeit ist. Belege für die Qualitätssteigerung bei der Landespolizei zeigt auch die vorliegende Antwort der Landesregierung.

Aber, meine Damen und Herren, Verhältnismäßigkeit muss auch hier angemahnt werden, und nicht nur aus Haushaltszwängen. Wenn wir aus Gründen des Sparzwanges im Kultur- und Sozialbereich kürzen, wird das auch für die öffentliche und persönliche Sicherheit Auswirkungen haben, die mit einem noch so komfortabel ausgestatteten Fuhrpark der Landespolizei nicht auszugleichen sind.

(Zustimmung von Herrn Kühn, SPD)

In der Antwort der Landesregierung wird deutlich, dass in den letzten Jahren viel in die Sachausstattung der Landespolizei geflossen ist und es in einigen Bereichen künftig vor allem um Ersatzbeschaffungen geht. Die anhaltende Forderung nach immer mehr Haushaltsmitteln ist daher zumindest in einigen Bereichen unverhältnismäßig. Auf das Beispiel Einsatzfahrzeuge habe ich bereits hingewiesen.

Ebenso unverhältnismäßig ist die geplante Aufstockung von Mitteln im nächsten Jahr für den Verfassungsschutz

um immerhin ein Drittel. Die PDS-Fraktion wird sich notwendiger Sachausstattung nicht verschließen, Unverhältnismäßigkeit allerdings ist keine Grundlage seriöser Haushaltsplanung. Auch darüber wird in den anstehenden Verhandlungen zum Etatentwurf zu sprechen sein.

Zu sprechen sein wird aber auch über notwendige Investitionen, zum Beispiel zur Sanierung von Polizeirevieren. Auch dies ist, wie Sie wissen, Bestandteil des erwähnten Antrages der PDS-Fraktion.

Zu einer erfolgreichen Arbeit der Polizei - darauf habe ich bereits vor einigen Monaten hingewiesen - gehören vor allem Motivation und Anerkennung der Leistungen. In der dauerhaften Ungleichbehandlung ostdeutscher Polizeibeamter und Angestellter manifestiert sich allerdings diese Anerkennung nicht. Dies trägt zur Demotivation bei.

Die Antwort der Landesregierung zu der Angleichung der Bezüge kann uns deshalb nicht befriedigen. Ich stimme Ihnen zu, dass eine schrittweise Angleichung möglich ist, aber der ständige Verweis auf eine Folge von großen oder wahrscheinlich kleinen Schritten darf nicht genutzt werden, um sich um die Auskunft zu drücken, wann welche Schritte so weit gegangen werden, dass eine wirkliche Angleichung erfolgt sein wird.

(Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS - Unruhe)

Meine Damen und Herren, senken Sie bitte den Geräuschpegel!

Ausdrücklich unterstützen wir die Bemühungen polizeilicher und kommunaler Prävention, wie sie sich in der Bildung runder Tische und von Polizeibeiräten darstellt. Aus unserer Sicht ist die kommunale Präventionsarbeit dann sinnvoll und nachhaltig, wenn sie sich auf die Begrenzung von Tatgelegenheiten im öffentlichen Raum, auf kommunalpolitische Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit konzentriert.

Kommunale Prävention darf nicht als verlängerter Arm polizeilicher Prävention oder als Mittel verlängerter polizeilicher Ermittlungsarbeit im sozialen Raum angesehen werden. Eine enge Zusammenarbeit auf der Grund- lage jeweils eigener Aufgabendefinition scheint hier- bei Voraussetzung zu sein. Ich wiederhole an dieser Stelle unseren Vorschlag zu einem Erfahrungsaustausch der kommunalen Beiräte und runden Tische auf Landesebene.

Einen Satz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, weil dieses Thema in diesem Zusammenhang deutlich genannt worden ist. Auch ich halte es für immens wichtig, dass dieses Thema in der Sommerpause in dieser Form öffentlich geworden ist. Ich meine auch - das ist das Entscheidende -, jetzt darf dieses Thema nicht im Sommerloch bleiben, sondern wir müssen es weiterhin aktiv in der Öffentlichkeit behalten.

(Zustimmung bei der PDS und von Herrn Metke, SPD)

Unter anderem ist die Bekämpfung des Rechtsextremismus eine Frage der Polizeiarbeit, aber in allererster Linie ist die Bekämpfung von Rechtsextremismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dieser sollten wir alle uns gemeinsam stellen.

(Zustimmung bei der PDS)

Ich möchte die Chance nutzen, dem Innenminister etwas zu der Frage des NPD-Verbots mitzugeben. Ich bitte Sie, prüfen Sie lieber dreimal, als dass wir einmal vor dem Verfassungsgericht baden gehen. Das wäre ein ganz fatales Zeichen, das wir aussenden würden.

(Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Meine Damen und Herren von der CDU, es wird Sie nicht verwundern, wenn ich zu einigen Ihrer Fragen oder den dahinter zu sehenden politischen Intentionen andere Auffassungen habe. Das betrifft private Sicherheitsdienste, Europol-Kompetenzen, Wege der Drogenpolitik oder anderes, zum Beispiel die Frage, ob die Tätigkeit des Vereins „Miteinander“ in einer Großen Anfrage zur Polizei in Sachsen-Anhalt nicht fehlplatziert ist.

Ich will an dieser Stelle aber auf eine polemische Auseinandersetzung über diese Differenzen verzichten. Die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und die Arbeit der Landespolizei brauchen die dialogische Auseinandersetzung und nicht den polemischen Streit.

(Zustimmung von Frau Stolfa, PDS, und von Herrn Becker, CDU)

Dies sind wir den Polizistinnen und Polizisten wie allen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land schuldig. Das in der Antwort der Landesregierung dargestellte Material kann Grundlage für diese Auseinandersetzung sein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Für die Fraktion der FDVP erteile ich der Abgeordneten Frau Helmecke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sonst nicht viel zu bieten hat, versteift man sich wie in der Vergangenheit in nichts sagenden Formulierungen. Die Vorbemerkungen der Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU gehen in diese Richtung. Sie sind ein politisches Glaubens- bekenntnis, die ein gestörtes Verhältnis der SPD-Fraktion sowie der PDS, speziell von Herrn Gärtner, zur Polizei offenkundig werden lassen.

Herr Minister, wie viele Polizeibehörden haben Sie eigentlich aufgesucht, bevor die Große Anfrage der CDU beantwortet worden ist? Wie viele Beamte des mittleren, gehobenen und höheren Dienstes haben Sie eigentlich gesprochen, um sich der Sorgen des Polizeivollzugsdienstes zu vergewissern? Wie viele Fahrten in Funkstreifenwagen haben Sie bisher in Ihrer Dienstzeit getätigt? Haben Sie überhaupt wahrgenommen, was Polizeivollzugsbeamte bei tödlichen Verkehrsunfällen, bei Mordtaten, bei Vergewaltigungen empfinden?

Sind nicht Sie es gewesen, der im Zusammenhang mit der Novellierung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Land Sachsen-Anhalt alles forderte und im Verbund mit den Kommunisten von diesen fast nichts erhielt? Da rühmt man sich, etwas für die Polizei getan zu haben, indem man die Beschaffung von Jeans für einige Polizeibeamte ermöglicht. Sie tun so, als wäre die Beschaffung von Jeans für die Polizeivollzugsbeamten lebensnotwendig. Das Gegenteil ist der Fall.

Welche Spezies von Polizeibeamten wollen Sie eigentlich? Diese Frage hätten wir schon gern beantwortet.

Schaffen Sie doch bitte erst die sächlichen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Arbeit der Polizei. Sorgen Sie dafür, dass der Personalbestand vor allem des mittleren Polizeivollzugsdienstes erhöht wird und dass letztlich die Polizeivollzugsbeamten auch finanziell ihren westdeutschen Kolleginnen und Kollegen gleichgestellt werden, und zwar bald, nicht irgendwann.

Die FDVP-Fraktion hat durchweg Folgendes festgestellt: Der höhere Polizeivollzugsdienst wird aufgebläht; denn er steht ja auf der Straße und regelt den Verkehr. Es ist darüber hinaus schon auffällig, wie viele Polizeivollzugsbeamte mit goldenen Sternchen auf den Schulterstücken zu „Verkehrsunfällen“ gerufen werden, bei Familienstreitigkeiten tätig werden, bei Demonstrationen in vorderster Reihe stehen oder einem entwichenen Strafgefangenen „hinterherlaufen“.

Reichten im Jahre 1994 noch 119 Beamte des höheren Vollzugsdienstes, um die Führungsgegebenheiten der Polizei wahrzunehmen, mussten es im Jahre 1999 bereits 147 sein. Dagegen vermittelte der Arbeitsbereich der Polizei, und zwar der mittlere Dienst, ein erschreckendes Bild. Ähnlich ist die Entwicklung in der Polizeiverwaltung.

Dagegen ist der Planstellenkegel im gehobenen Dienst rückläufig. Allerdings ist zu bemerken, dass im Gegensatz zum Polizeivollzugsdienst der Planstellenkegel im mittleren Dienst von 2 174 im Jahre 1994 auf 2 318 im Jahr 1999 angestiegen ist. Der Widerspruch zwischen dem vorgenommenen Planstellenabbau im mittleren Polizeivollzugsdienst und der Zunahme des Planstellenkegels für den mittleren Polizeiverwaltungsdienst ist damit offenkundig.

Es wird dort gestrichen, wo die Streichung nicht so auffällt. Es geht auch nicht um ein Personalkonzept „Polizei 2000“, sondern darum, dass eine Streichung von Planstellen des Arbeitsbereiches vorgenommen wurde, weil in Sachsen-Anhalt die Gerichtsvollzieher das Sagen haben.

So Not leidend, wie die Personalausstattung der Polizei in Sachsen-Anhalt ist, ist auch die Sachausstattung; denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, Funkstreifenwagen werden länger gefahren und sind damit nur noch bedingt einsatzbereit. Inspektionen bei den Dienstkrädern werden gestreckt. Moderne Funkgeräte sind ein Fremdwort. Für dienstliche Einsätze werden demnächst die Polizeivollzugsbeamten angewiesen, sich Handys auf eigene Kosten zu beschaffen und im Dienst einzusetzen.

Da reicht es nicht aus, dass die Landesregierung immerhin darauf hinweist, dass etwa 3 000 PCs bei der Polizei im weitesten Sinne bestandsmäßig erfasst sind. Der Bestand ist die eine Sache, die Verwendungsfähigkeit dagegen eine ganz andere. Interessanter wäre es zu erfahren, wie viele Polizeifachhandbücher in den Dienststellen erfasst, aktualisiert und zur Verwendung dem Einzeldienst zur Verfügung stehen.

Damit ergibt sich aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU für die FDVP folgende Bewertung: Die Personalausstattung und die sächliche Ausstattung der Polizei sind ungenügend. Die persönliche Ausstattung der Polizeivollzugsbeamten ist ebenfalls ungenügend. Der bauliche Zustand lässt oft zu

wünschen übrig, und zwar so sehr, dass manchmal nur noch Vögel in diese Gebäude fliegen können, weil sie sonst einstürzen würden.

Meine Damen und Herren! Die Fürsorgepflicht ist verletzt. Damit hat die Landesregierung kaum noch schwach ungenügende Leistungen erbracht. Der Innenminister nimmt notenmäßig eine Spitzenposition ein. Das verwundert nicht. Wer Kettenhemden als Rückkehr zur Ritterromantik betrachtet, muss bei den Ritterspielen in Gommern vom Pferd gefallen sein oder zu viel Rotwein getrunken haben.

(Beifall bei der FDVP)

Sie reden viel, veranlassen gar nichts, weil Sie es nicht können; denn Sie stecken im Würgegriff der PDS. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDVP - Frau Stolfa, PDS: Ach du lieber Himmel!)