Protocol of the Session on October 12, 2000

Der Landtag hat dieses Personalentwicklungskonzept „Polizei 2000“ bereits im Jahr 1995 im Zusammenhang mit dem Haushaltsplan beschlossen. Durch die Festlegung einer Polizeidichte von 1 : 340 wurden 8 237 Planstellen festgeschrieben.

Dass die Polizeidichte mit dem Verhältnis 1 : 340 ein guter Wert ist, weiß jeder, der sich einmal mit den Vergleichszahlen der anderen Flächenländer beschäftigt hat. Wer es nicht glaubt - Augenblick, ich muss warten, bis Herr Dr. Bergner fertig ist, damit Herr Becker zuhören kann -, dem sei ein Blick in die Antwort auf die Große Anfrage zur Polizei aus dem Jahre 1993 empfohlen, an die Sie sich bestimmt noch erinnern können, Herr Becker. Die von Ihrer Partei getragene Landes-regierung konnte darin lediglich auf eine Polizeistärke von 1 : 355, also auf einen deutlich schlechteren Wert verweisen, und Herr Perschau hat in seiner Rede damals von einem guten Mittelwert gesprochen.

Wir liegen zurzeit etwa bei einem Verhältnis von 1 : 310. Im Personalentwicklungskonzept haben wir als Ziel ein Verhältnis von 1 : 340 vorgesehen. Wir sind also schon weiter als der gute Mittelwert von damals.

(Herr Becker, CDU: Das wird doch gar nicht bestritten! Darum geht es doch gar nicht, Herr Minister!)

Aber wir müssen dieses im Gesamtkomplex betrachten und können nicht eine Fassette dabei herausgreifen.

Die ohnehin gute Polizeidichte ist in den vergangenen Jahren zugunsten eines Einstellungskorridors mit jährlichen Neueinstellungen - das sagte ich bereits -, deren

Anzahl über einen Ausgleich der Personalabgänge weit hinausging, noch übertroffen worden.

Dieser Korridor sieht ab 2001 80 bis 90 Neueinstellungen pro Jahr vor. Für den Zeitraum von 2007 bis 2011 sind nach unserer mittelfristigen Planung wieder 110 und bis zum Ende des Zeitraumes 170 Neueinstellungen pro Jahr vorgesehen.

Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass eine stärkere Verjüngung der Polizei in den vergangenen Jahren sicher wünschenswert, aber aufgrund der bestehenden Altersstruktur nicht finanzierbar gewesen wäre, dass die Landesregierung, gestützt auf ein langfristiges Personalentwicklungskonzept, dafür sorgte, dass zugunsten der Altersstruktur zum Teil über Bedarf eingestellt wurde, und dass in den kommenden Jahren zum Ausgleich der dann einsetzenden Altersabgänge wieder verstärkt Einstellungen bei der Polizei vorgenommen werden. Die demografische Entwicklung im Land wird zu berücksichtigen sein.

Herr Kollege Becker, Sie sprachen von Opa-Polizei oder so etwas. Ihr Bild - -

(Herr Dr. Bergner, CDU: Es droht!)

- Es droht, ja. - Er hat ja vor einigen Wochen schon einmal ein Bild gezeichnet, und zwar das Bild von der Gefahrenabwehr mit dem Krückstock. Dieses hätte sich vielleicht für eine nette Karikatur in der „Volksstimme“ geeignet, es wird jedoch der Situation nicht gerecht, zumal auch der Schluss, eine effektive Aufgabenwahrnehmung sei nur mit jungen Beamtinnen und Beamten möglich, zu kurz greift. Dies gilt ansatzweise nur für einen geringen Teil der vielfältigen polizeilichen Aufgaben, die besondere körperliche Anstrengungen und Anforderungen stellen. Insbesondere betrifft das die Bereitschaftspolizei, das MEK, das SEK, wie Sie es bereits gesagt haben. Dieses ist mittelfristig auch gesichert.

Was Ihre Sorge um die Bewerberzahlen für die Polizei in den geburtenschwachen Jahrgängen betrifft, verweise ich auf die aktuellen Bewerberzahlen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ja, aber was haben wir denn jetzt für Geburtenjahrgänge? Das ist doch gar nicht vergleichbar!)

- Malen Sie doch nicht schon wieder so schwarz! Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass wir einmal so viele Bewerber haben würden wie jetzt, und so weit werden die Bewerberzahlen auch nicht heruntergehen, dass wir nicht mehr aussuchen können. Wir lehnen zurzeit Bewerber ab, die in anderen Bundesländern sofort eingestellt werden.

Für das laufende Studienjahr lagen über 2 700 Bewerbungen vor.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das bezweifelt niemand!)

Der Polizeiberuf ist bei den Berufsanfängern überaus populär, sodass man sich auch künftig keine Sorgen um die Nachwuchsgewinnung machen muss. Alles andere ist Schwarzmalerei. Darüber reden wir in ein paar Jahren noch einmal.

Zum vorzeitigen Ruhestand. Sie wissen doch selbst ganz genau, dass das nicht so einfach geht. Wir haben es versucht. Wir haben mit den Beamtinnen und Beamten gesprochen. Es ist doch klar, dass sie das Angebot nicht annehmen. In den paar Jahren, in denen sie jetzt

Beamte sind, haben sie extrem wenig an Pension erdient. Das ist nicht lukrativ.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Da müssen Förderun- gen möglich sein!)

Ich habe schon auf Bundesebene diese Fragen diskutiert. Es wird keine Sonderregelung für den Osten geben. Und Förderung, wie soll das funktionieren? Wir haben schon eine Regelung für die 60- bis 65-Jährigen gefunden. Diese Beamten hätten sehr wenig Geld bekommen, da die alte DDR-Rente erst mit 65 Jahren einsetzt. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der § 14 a eingeführt bzw. geändert wurde, damit diese Lücke geschlossen wird.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Wir auch!)

- Wir alle. Otto: Keine Frage, „vier alle“.

(Heiterkeit bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS)

Zum Stellenhebungsprogramm. Herr Gies, seines Zeichens erster Ministerpräsident, hat in seiner ersten Regierungserklärung Vollbeschäftigung versprochen. Das war nicht einhaltbar. Es sind auch blühende Landschaften versprochen worden.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Wir wollten die zweigeteilte Laufbahn einführen. Wir haben es nicht geschafft. Was wir aber ab dem Jahr 2001 beginnen, ist ein Stellenhebungsprogramm, mit dem wir die Relation von mittlerem und gehobenem Dienst kippen wollen, sodass wir zum Schluss dieses Programms mehr Beschäftigte im gehobenen als im mittleren Dienst haben.

Meine Damen und Herren! Der Vorwurf fehlender oder schlechter technischer Ausstattung der Polizei wird auch durch mehrmaliges, zigfaches Wiederholen nicht richtiger. Unsere Polizei verfügt im Gegenteil über eine technische Ausstattung, die den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht mehr zu scheuen braucht.

So sind die Polizeidienststellen unseres Landes mit einer ausreichenden Zahl von Fahrzeugen ausgestattet. Herr Becker hat die Zahl genannt. Entgegen oft propagierter Auffassungen verfügt die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt keineswegs über einen veralteten Fuhrpark. Im Rahmen der ständigen Ersatzbeschaffungen werden die unwirtschaftlich gewordenen Fahrzeuge durch neue ersetzt. Bis zum heutigen Tage - das habe ich schon vor einigen Tagen mit Ihnen diskutiert - wurde keine Ersatzbeschaffung an Polizeidienstfahrzeugen wegen haushaltstechnischer Zwänge abgelehnt.

Zur Kritik wegen nicht abgeflossener Haushaltsmittel für Investitionen im Haushalt der Polizei nur so viel: Sie haben vorhin einfach 20 Millionen DM gesagt. Sie haben aber nicht gesagt, dass Sie die 20 Millionen DM über die Jahre hinweg aufaddiert haben. Das ist nicht sachgerecht. Die Gründe für den fehlenden Mittelabfluss, der nicht nur in den letzten sechs, sondern in allen vergangenen Haushaltsjahren starken Schwankungen unterlag, sind bekannt: Lieferverzögerungen bei Beschaffungen, verspätete Rechnungslegungen der Lieferpartner sowie Einsparungen bei Ausschreibungen.

Entscheidend ist die Erkenntnis, dass die Möglichkeiten der starren kameralistischen Haushaltsbewirtschaftung in der Vergangenheit nicht ausgereicht haben, um in den investitionsintensiven Bereichen der Landespolizei die Haushaltsmittel entsprechend dem tatsächlichen Bedarf

abfließen zu lassen. Daher ist die Einführung der Budgetierung mit der Möglichkeit der überjährigen Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln der einzig praktikable - warten Sie bitte, Herr Becker - und richtige Weg, den die Landesregierung mit dem Haushaltsjahr 1999 beschritten hat. Wir konnten vom letzten Jahr in dieses Jahr 16,6 Millionen DM übertragen, die wir bei der Budgetierung gespart haben und die uns in diesem Jahr zur Verfügung stehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Noch nicht überall zufriedenstellend ist der bauliche Zustand der Polizeiliegenschaften. Hier ist jedoch an den immensen Umfang des Sanierungs- und Baubedarfes zu denken.

Die Landespolizei verfügt über insgesamt 250 Liegenschaften, die bei der Gründung des Landes in überwiegend schlechtem und wenig funktionsgerechtem Zustand waren. Für die Sanierung dieser Liegenschaften wurden in der zurückliegenden Zeit 13 Millionen DM pro Jahr ausgegeben. Damit hat sich die Unterbringung der Landespolizei in den vergangenen Jahren in wesentlichen Bereichen spürbar verbessert.

Von den Polizeibehörden und -einrichtungen sind bis heute über 50 % vollständig saniert worden. In meiner Amtszeit sind allein 14 Polizeireviere, drei Polizeidirektionen und der Labortrakt des LKA in neu entstandenen Räumen untergebracht worden. Aktuell kann ich die Reviere Zeitz, Köthen und Gardelegen nennen.

Aufgrund der großen Zahl an Liegenschaften und des bestehenden Sanierungsbedarfs nimmt die Verbesserung der baulichen Situation naturgemäß mehr Zeit in Anspruch, als mir lieb ist. Andererseits verfügt unsere Polizei überall dort, wo die Gebäude saniert wurden, über einen sehr hohen Standard, um den uns teilweise schon die alten Bundesländer beneiden.

Meine Damen und Herren! Ein großer Teil der Großen Anfrage ist auf besondere Kriminalitätsbereiche gerichtet. Die Gesamtzahlen der Kriminalitätsstatistik haben sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt, nicht nur ein bisschen, sondern sehr positiv - dazu komme ich nachher noch einmal kurz -, und zwar - jetzt hatte ich eigentlich auf Ihren Zwischenruf gewartet, Herr Bergner - nicht nur wegen des Einbaus von Wegfahrsperren. Aber Sie haben gelernt. Sie wiederholen es wahrscheinlich nicht mehr.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Da muss ich nicht mehr zwischenrufen!)

- Sie haben gelernt und deswegen rufen Sie nicht mehr dazwischen.

(Zuruf von der CDU)

- Nein, ich wusste, was kommen sollte. Er lässt es aber jetzt sein, zum Glück.

Der Rückgang der Kriminalitätszahlen ist vielmehr auf die kontinuierliche Verbesserung der Arbeit unserer Polizei zurückzuführen. Ungeachtet dessen ist die Kriminalitätsbelastung jedoch zweifellos zu hoch und es gibt Problemfelder. Sorgen bereitet auch mir, wie dem Kollegen Becker, insbesondere die Jugendkriminalität.

Um kein falsches Bild von unserer Jugend zu vermitteln, sei an dieser Stelle vorweg betont, dass über 90 % der Jugendlichen nicht straffällig werden. Dennoch lag der Anteil der unter 21-Jährigen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen in Sachsen-Anhalt im Jahr 1999 bei

34,9 %. Damit hat unser Land zwar nach Sachsen den zweitniedrigsten Anteil bei Tatverdächtigen unter 21 Jahren in den neuen Ländern. Das ändert jedoch nichts an meiner Sorge über die hohe Jugendkriminalität. Gerade in diesem Bereich gilt, dass Polizei und Justiz am Ende einer Ursachenkette stehen und präventiven Ansätzen besondere Bedeutung zukommen muss.

Die Darstellung der polizeilichen Kriminalprävention nimmt in der Antwort entsprechend breiten Raum ein. Was die Jugendkriminalität und Prävention betrifft, verweise ich nur auf die Jugendkommissariate, die als Modellversuch von Herrn Perschau damals in Magdeburg initiiert wurden. Mittlerweile sind während meiner Amtszeit in den beiden anderen Großstädten Jugendkommissariate

(Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

- das war in der Übergangszeit; es ist kein Problem, das zu sagen - und zwischenzeitlich sogar flächendeckend Jugendkommissariate mit Jugendberaterstellen im ganzen Land eingerichtet worden. Das ist eine sehr gute Entwicklung und genau der richtige Ansatzpunkt.

Zur Frage der gesamtgesellschaftlichen Kriminalprävention kann ich auf die mit der Beantwortung vorgelegten Informationen zum Landespräventionsrat verweisen. Das will ich jetzt nicht weiter ausführen. Ich möchte Sie alle einladen, am 19. Oktober zum ersten Landespräventionstag zu kommen.

Meine Damen und Herren! Prävention ist auch ein entscheidendes Mittel zur Bekämpfung der Kriminalität auf zwei weiteren Feldern, die ich kurz anspreche. Herr Becker hat diese ebenfalls angesprochen. Es sind dies die extremistischen Gewalttaten und die Drogenkriminalität.