Protocol of the Session on October 12, 2000

wo all diese Fragen vom Gemeinderat der größeren Nachbargemeinde mit entschieden werden und ich mich um einen Hundertmarkschein für die Feuerwehr streiten muss. Da steigt sogar der Einfluss, der durch die Reform jetzt möglich ist.

(Zustimmung von Herrn Metke, SPD)

Die im Vorschaltgesetz vorgesehene Ortschaftsverfassung ist ein Garant dafür. Einige Beispiele:

Die Gemeinde beschließt vor ihrer Auflösung über die Einführung der Ortschaftsverfassung. Der Ortschaftsrat ist zu wichtigen Angelegenheiten zu hören. Er hat das Recht, an nichtöffentlichen Sitzungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse teilzunehmen, natürlich nur, wenn es um seine Angelegenheiten geht.

(Frau Wernicke, CDU: Dann müssen sie den Mund dabei halten!)

Er kann eine Bürokraft zur Unterstützung behalten oder auch einstellen.

Ich gehe im Übrigen mit Ihnen, Herr Becker, gemeinsam davon aus, dass dies auf der kommunalen Ebene mit Weitsicht gemacht wird und dass sich die kommunalen Ebenen in dieser Hinsicht nicht selbst überfordern.

Es gibt ein erweitertes Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht. Es gibt ein Vetorecht, ein Zweitbeschlussrecht, ein Zweitberatungsrecht, das auch nur die Dinge der Ort

schaft betrifft und wo wir selbstverständlich auch im Einklang die Haushaltsdinge ausgenommen haben.

Eine konstruktive Opposition würde, statt hier rumzuzanken,

(Herr Becker, CDU: Oh!)

mit uns gemeinsam darüber wachen, dass die Funktionalreform das gleiche Gewicht hat wie die kommunale Gebietsreform.

(Herr Becker, CDU: Kommen Sie doch einmal zu dem Vorschaltgesetz!)

Mit dem Vorschaltgesetz heute wird jedenfalls die Möglichkeit eröffnet, dass sich die Gemeinden auch vor einer abschließenden Kreisneugliederung über Kreisgrenzen hinweg - das ist ein weiterer Punkt - zu Einheitsgemeinden und größeren Verwaltungsgemeinschaften zusammenschließen können. Es ist geregelt, welchem der Landkreise das neue Gebilde dann angehören soll.

Wir wissen sehr wohl, dass diese Regelung von den Landkreisen zum Teil mit Argwohn betrachtet wird, weil sie Sorgen haben, dass an den Rändern etwas passiert, was sie nicht oder zumindest jetzt noch nicht wollen.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU - Herr We- bel, CDU: Nach Magdeburg will keiner!)

Auch dort kann noch vieles in Bewegung kommen.

Meine Fraktion hat deshalb darauf hingewirkt, dass die Genehmigung solcher kreisübergreifenden Zusammenschlüsse nicht den beteiligten und betroffenen Landkreisen überlassen bleibt, sondern vielmehr der oberen Kommunalaufsicht zu übertragen ist. Nur so macht es Sinn.

Mir sind von einigen Kollegen auch Beispiele bekannt, unter anderem aus der Nordharzregion, wo Gemeinden aus drei Verwaltungsgemeinschaften, die bislang den Kreisen Wernigerode und Halberstadt angehört haben, kreisübergreifend eine starke Verwaltungsgemeinschaft bilden wollen.

Die beteiligten Kreisverwalter sind natürlich davon nicht begeistert; aber warum soll eine solche Verwaltungsgemeinschaft nicht bereits jetzt zustande kommen und genehmigt werden können, wenn sich klar abzeichnet, dass die Kreisgrenzen, so wie sie jetzt sind, zumindest nicht Bestand haben werden. Vielleicht können solche kreisübergreifenden Fusionsbestrebungen sogar dazu beitragen, dass sich auch die Landkreise in der freiwilligen Phase etwas mehr bewegen, als es bislang zu erkennen ist.

Herr Becker, Sie sind als eine Quelle nicht hoch genug einzuschätzen. Sie haben in der Presse angekündigt, dass die CDU, falls sie im Jahr 2002 das Sagen hat, das jetzt beschlossene Vorschaltgesetz wieder aufheben will. Ich glaube nicht, dass das Ihr Ernst ist. Es könnte sein, dass Sie von den Realitäten eingeholt werden und dass Sie dann auch den vielen Kommunalpolitikern aus Ihrer Partei zuhören müssen sowie den Bürgerinnen und Bürgern, die sehr wohl Interesse daran haben, dass sich die Gemeindestrukturen und die Gebietsstrukturen verändern.

Herr Becker, ich habe auch noch eine andere Äußerung von Ihnen im Ohr, die Sie vor einiger Zeit, wenn ich mich nicht täusche, sogar schon vor der Einbringung des Leitbildes getan haben, nämlich die richtige Feststellung, dass die Gebietsreform von 1994 „zu kurz gesprungen“ gewesen ist. Also, wie von meinem Minister noch einmal

an Sie der Appell: Helfen Sie mit, machen Sie sich bei einem solchen großen Vorhaben, das im Grunde von allen demokratischen Parteien zusammen gehebelt werden muss, nicht selbst zum Außenseiter.

Ganz zum Schluss, weil meine Redezeit zu Ende ist - sonst würde ich noch auf ein paar Details eingehen wollen -, noch einmal ein Zitat von Ihnen, Herr Becker, und zwar aus der „MZ“ vom 1. Juni 1993:

„Möglicherweise wird es in der Zukunft“

- das sind Sie im Originalton -

„auch noch Korrekturen geben, aber in diesem Jahrhundert wird es keine neue Gebietsreform geben.“

Man mag sich ja streiten, ob das neue Jahrtausend mit dem Jahr 2000 oder mit dem Jahr 2001 beginnt, aber das neue Jahrhundert hat ganz sicher schon begonnen. In dem Sinne haben Sie im Jahr 1993 schon gesagt, dass Sie im Jahr 2000 ff. bereit sein werden, mit uns gemeinsam und mit allen anderen die Gebietsreform und die Verwaltungsreform zu gestalten. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Kollegin Budde, würden Sie noch zwei Fragen beantworten? - Herr Dr. Daehre, Sie hatten sich zu einer Frage gemeldet. Dann noch Herr Kollege Becker.

Frau Kollegin, finden Sie es nicht etwas merkwürdig, dass Sie immer dann, wenn andere Positionen in diesem Landtag erwähnt werden, mit Ihrer Diskussion kommen: Also, das ist wohl nicht in Ordnung, wir müssten doch alle an einem Strang ziehen.

Jetzt frage ich Sie konkret: Haben Sie Ihre Reden während der ersten Legislaturperiode einmal gelesen? Da waren Sie im Prinzip gegen alles. Egal was in diesem Landtag passiert ist, Sie waren gegen alles. Das müssen Sie sich doch langsam hinter die Ohren schreiben. Deshalb die Frage: Wollen wir hier noch Meinungsstreit oder sollen wir im Prinzip dem, was Sie sagen, nur noch zustimmen?

(Zustimmung bei der CDU - Herr Becker, CDU: Und Herr Püchel hat immer gerufen: Innenminis- ter zurücktreten!)

Wir haben ja einen neuen Innenminister, der Gott sei Dank auch sehr beständig in seinem Amt ist.

Herr Daehre, ich finde das nicht merkwürdig, nein. Wenn Sie in den Ausschüssen gewesen wären, dann hätten Sie gewusst, dass wir durchaus auch konstruktiv und inhaltlich darüber gestritten haben

(Lachen bei der CDU)

und dass es sogar einige Details gab, die wir gemeinsam verabschiedet haben. Sie können als Abgeordneter jederzeit in die Ausschusssitzungen kommen. Dann brauchen Sie hier keine Platitüden vorzutragen, sondern dann können Sie das Ganze auch inhaltlich nachvoll- ziehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Kollege Becker, Sie wollten auch noch etwas fragen? - Erledigt. Herr Dr. Bergner wollte noch eine Frage stellen, wenn Sie es erlauben. Bitte.

Ich erlaube mir die Bemerkung, dass das, was ich in dem zeitweiligen Ausschuss erlebt habe, die Mitarbeit der CDU betreffend, die Klassifizierung „Gezänk“ nun überhaupt nicht verdient.

Aber meine Frage ist eine andere. Sie haben den Gründungsbeschluss der Landesregierung vom November 1990 zu den Bezirksregierungen erwähnt. Das ist nun lange her, und es ist zu einem Zeitpunkt geschehen, als wir gerade einmal die Hauptstadtfrage entschie- den hatten. Insofern will ich Fehleinschätzungen, die Gegenstand dieses Beschlusses sind, nicht zu hoch bewerten.

Nur, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass wir seit November 1990 für die Mittelinstanz in Sachsen-Anhalt bis- her keine andere verwaltungsorganisatorische Grundlage haben als eben diesen Beschluss, und das vor dem Hintergrund, dass wir nach unserer Landesverfassung den Auftrag haben, den Aufbau der Landesbehörden durch Gesetze zu regeln? Muss es Ihnen nicht zu denken geben, dass vor diesem ungeregelten Sachverhalt, der noch für vieles andere mitspricht, die Reform der Staatsverwaltung nun längst überfällig ist, dass Sie sich aber mit dem Fummeln an kommunalen Strukturen im Grunde genommen vor dieser Aufgabe drücken wollen?

(Zustimmung bei der CDU)

Dann haben Sie die Diskussion im Lande in den letzten Wochen überhaupt nicht verfolgt oder wollen sie bewusst ignorieren.

Zu dem Zweiten: Eigentlich war ich ganz froh, dass Sie im Jahr 1990 schon so fortschrittlich und wegweisend waren und von der Zweistufigkeit und auch davon geredet haben, dass es natürlich dem Umstand geschuldet sei, dass sich gerade eine kommunale Ebene neu gebildet habe, dass dort noch nicht der ganz große Wurf möglich sei, aber dann, wenn größere Gemeinden, größere Landkreise da sein würden und dann auch die Größe dafür erreicht worden sei, eine Zweistufigkeit im Land einzuführen, sei das Ganze auch richtig.

Ich fand das an sich ganz in Ordnung, dass Sie schon damals im Voraus gesehen haben, wie das Land in Zukunft einmal aussehen soll. Sie brauchen sich jetzt dahinter gar nicht zu verstecken.

(Herr Sachse, SPD: Auf dem Weg sind wir jetzt!)

Ich freue mich, Herr Dr. Bergner, dass Sie mir Gelegenheit geben, dazu, worüber die CDU im Ausschuss diskutiert hat, noch ein paar Sätze mehr zu sagen. Das konnte ich wegen der Redezeit nicht. Ich will es jetzt gern in die Antwort packen. Sie haben unserem Gutachter, was das Erste Vorschaltgesetz angeht, so misstraut, dass wir noch einen zweiten Gutachter einschalten mussten, weil wir Sie darum gebeten hatten,

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

dass der Gutachter im Ausschuss für die Landesregierung vortragen kann. Das hat er dann auch.

Ich hatte bei Professor Dr. Oebbecke, der Gutachter Ihrer Fraktion war, insbesondere zu den Vorwürfen, die der GBD gegen das Erste Vorschaltgesetz vorgebracht hat, eher das Gefühl, dass er unser Gutachter sei - aber ich kann Ihnen versichern, wir hatten vorher nicht mit ihm geredet -, weil all das, was im Streit diskutiert worden ist, womit versucht worden ist, das Gesetz aufzuhalten, entkräftet worden ist.