Einbringerin des Antrages ist die Abgeordnete Frau Krause. Nach ihr wird für die Landesregierung Ministerin Frau Dr. Kuppe sprechen. Es folgt dann eine Fünfminutendebatte in der Reihenfolge CDU, FDVP, SPD und PDS. Die Fraktion der DVU-FL hat auf einen Redebeitrag verzichtet. - Bitte, Frau Krause, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Am 1. Juli treten die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen zur häuslichen Krankenpflege in Kraft. Erstmals wird mit den Richtlinien bundesweit einheitlich geregelt, was ein Pflegedienst in der häuslichen Pflege tun darf. Des weiteren werden mit den Richtlinien auch Leistungen, die die Pflegeversicherung bezahlt, besser von solchen abgegrenzt, für die die Krankenkassen die Kosten zu tragen haben. Diese Klarstellungen, so meinen wir, sind wichtig und richtig. Auch an dem Prinzip, daß der Hausarzt die häuslichen Pflegemaßnahmen verordnet, wird sich nichts ändern.
Dennoch werden sich die Voraussetzungen für die häusliche Krankenpflege teilweise verändern. Auch wird sich für viele, die zu Hause von einem ambulanten Pflegedienst versorgt werden, der Umfang der von den Krankenkassen zu bezahlenden Leistungen verändern. Die Gefahr von Einschnitten und Einschränkungen bei Vorsorgebehandlungen besteht möglicherweise, da einige Leistungen - so die Kritik von Pflegediensten und Sozialverbänden - nun nicht mehr vom Arzt verordnet und damit von den ambulanten Pflegediensten nicht mehr erbracht werden können.
Ich möchte nur ein Beispiel nennen. So können vorbeugende Maßnahmen gegen Druckgeschwüre nicht mehr wie bisher als einzelne Leistungen verordnet werden. Auch einige Vorsorgemaßnahmen wie Bewegungsübungen zur Vermeidung von Gelenkversteifungen dürfen Pflegedienste nicht mehr erbringen.
Doch nicht nur die zu pflegenden Patienten könnten betroffen sein; auch auf die Arbeit der Ärzte wird die Richtlinie möglicherweise belastende Auswirkungen haben. Nicht genug mit dem jetzt schon recht beträchtlichen bürokratischen Aufwand für Abrechnungs-, Kontroll-, Begründungs- und Rechtfertigungsaufgaben für niedergelassene Ärzte - künftig müssen diese Ärzte, bezogen auf die genannte Richtlinie, eine verordnete Maßnahme den Krankenkassen gegenüber ausführlich begründen, wenn es sich um eine zugelassene Ausnahme handelt. Auch Verlängerungen von Verordnungen müssen umfänglich beantragt und begründet werden.
Es wird für mich zunehmend nachvollziehbar, daß niedergelassene Ärzte - so wurde es in zwei Gesprächen mir gegenüber auch deutlich gemacht -, insbesondere die Hausärzte, massiv kritisieren, daß ein immer größerer Teil ihrer Zeit für Schreibtischarbeit aufgewendet werden muß, also für bürokratische Arbeit statt für die medizinische Betreuung der Patienten. Aus dieser Situation könnte sich ergeben, daß Ärzte aufgrund des bürokratischen Aufwandes Möglichkeiten des Leistungskatalogs dieser Richtlinie nicht unbedingt zugunsten der Patienten ausreizen.
Verbände und Pflegedienste haben zu dieser zum 1. Juli in Kraft tretenden Richtlinie eine sehr differenzierte Sicht und Wertung sowohl in bezug auf mögliche Auswirkungen für Patienten als auch auf ihren eigenen Bestand.
Teilweise wird in Frage gestellt, ob diese Richtlinien in ihrer Wirkung im Interesse der Pflegebedürftigen, im Interesse von deren Angehörigen und der Beitragszahler zweckmäßig und wirtschaftlich sind.
Eine Antwort auf die Frage nach möglicherweise auftretenden Problemen und nach deren Auswirkungen, auf die Frage danach, ob sie wirklich so gravierend sind, auf die Bedenken, daß die Richtlinie in ihrer Wirksamkeit hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit angezweifelt wird, kann zum gegebenen Zeitpunkt niemand geben. Ich möchte auch nicht versuchen, für unsere Fraktion bereits eine Antwort auf diese Fragen zu geben.
Uns ist deshalb daran gelegen, auf möglicherweise auftretende Probleme und Auswirkungen bei der Umsetzung der Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege für Betroffene und Pflegedienste frühzeitig reagieren zu können, wenn dies notwendig sein sollte. Aus dieser Sicht stellen wir den Antrag auf eine Berichterstattung der Landesregierung zu ersten Ergebnissen, Problemen und Auswirkungen bei der Umsetzung dieser Richtlinie.
Wir werden den Änderungsantrag der CDU-Fraktion aufgreifen, der zwei Veränderungen vornimmt. Dies betrifft einmal den Zeitpunkt für die Berichterstattung, der in das erste Quartal 2001 verschoben werden soll. Es fiel uns nicht schwer, uns dem anzuschließen, weil wir uns mit der CDU-Fraktion abgestimmt haben und weil es sachgerechte Begründungen dafür gab, daß der von uns beantragte Zeitraum für die Berichterstattung etwas zu kurz ist.
Für die qualifizierte Ergänzung unseres Antrages in Punkt 2 möchte ich der CDU-Fraktion und der zuständigen Abgeordneten danken.
Wir übernehmen diesen Änderungsantrag und bitten darum, dem entsprechend geänderten Antrag zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordneten! Ich stelle, bevor ich auf den Antrag der PDS-Fraktion eingehe, einige grundsätzliche Bemerkungen voran.
Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses ist den Organisationen der betroffenen Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Stellungnahmen sind dann in die Entscheidung einzubeziehen.
Die vom Bundesausschuß, also der Selbstverwaltung beschlossenen Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Dieses hat die Möglichkeit, eine Beanstandung vorzunehmen. Die Länder haben keine Möglichkeit der Beteiligung oder der Einflußnahme auf diese Richtlinien.
Die Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege ist zum 15. Mai 2000 in Kraft getreten und gilt nunmehr bundesweit. Grundlage der bisherigen Regelung im Bereich der häuslichen Krankenpflege ist bis zum Inkrafttreten der Richtlinie allein die gesetzlichen Regelung in § 71 des Sozialgesetzbuches V gewesen. Darin war grundsätzlich festgelegt, daß Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung in ihrem Haushalt oder in ihrer Familie neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege in Form von Behandlungspflege durch geeignete Pflegekräfte erhalten, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird bzw. die Behandlungspflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken oder die Kranke nicht in dem erforderlichen Umfang pflegen oder versorgen kann. Die gesetzliche Regelung geht also davon aus, daß die Mitglieder einer häuslichen Gemeinschaft bei den notwendigen Behandlungsmaßnahmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten mithelfen. Die im Haushalt lebende Person kann pflegen und versorgen, wenn sie dazu geeignet und die Pflege zumutbar ist. Es handelt sich um eine selbstverantwortliche Eigenleistung der Familie; die Leistung der Krankenkasse ist somit nachrangig.
Diese Festlegung berücksichtigt unter anderem, daß die Krankenversicherung als Familienversicherung Ehepartnerinnen und -partner und Kinder einbezieht, soweit sie nicht selbst erwerbstätig sind. Da dies ohne zusätzliche Beitragspflichten geschieht, entspricht es dem Solidargedanken, die Belastung der Krankenkassen zumindest zu mindern, indem Kapazitäten familiärer Hilfeleistungen genutzt werden. In den Fällen, in denen beide Ehepartner erwerbstätig sind und jeweils für die eigene Person Versicherungsbeiträge leisten, ist oft keine Möglichkeit zur Hilfe für erkrankte Familienangehörigen gegeben. Dann kann sich die Notwendigkeit für entsprechende Krankenkassenleistungen ergeben. Die Krankenkasse hat dies im Einzelfall festzustellen.
Nach der neuen Richtlinie bedürfen die vom Versicherten durch Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung beantragten Leistungen der Genehmigung durch die Krankenkasse. Die Krankenkassen können im Rahmen des Genehmigungsverfahrens den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Prüfung der verordneten Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege beauftragen. - Soweit zum Grundsätzlichen.
Mit der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege wird die Abgrenzung der Kostenübernahme dieser Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung vereinheitlicht, sie wird erleichtert, und sie wird transparenter gemacht.
Leistungseinschränkungen aufgrund dieser Richtlinie kann ich insoweit nicht erkennen. Es erfolgt lediglich eine Konkretisierung, und zwar sowohl hinsichtlich der Verordnungsdauer und -häufigkeit der Leistungen als auch der Erbringung von Leistungen durch Patientinnen und Patienten selbst und der Einbeziehung der im Haushalt lebenden Personen bei der Überprüfung, ob die Voraussetzungen im Sinne der gesetzlichen Vorgaben vorliegen.
Allerdings können intravenöse Injektionen jetzt nicht mehr von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pflegedienstes gesetzt werden. Unter Qualitätsgesichtspunk
ten obliegt dies nunmehr allein der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt. Für Patientinnen und Patienten ergibt sich daraus aber keine Leistungseinschränkung, sondern eine qualitativ hochwertig erbrachte Leistung.
Leistungserbringer der häuslichen Krankenpflege - so habe ich auch vernommen - befürchten insbesondere Einnahmeeinbußen bei sich. Das ist möglicherweise der Fall. Es sind Klageverfahren angedroht; diese sind nicht zu verhindern.
Für mich bestehen aber für eine negative Prognose künftiger Auswirkungen der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege, so wie es einzelne Pflegedienste und einzelne Leistungserbringer prognostizieren und wie es auch dem Antrag der PDSFraktion zu entnehmen ist, derzeit praktisch keine Anhaltspunkte.
Deswegen ist es richtig - das wollen wir als Ministerium auch tun -, die Umsetzung der Richtlinie konsequent zu verfolgen, zu beobachten und zu prüfen. Sie gilt seit dem 15. Mai 2000 - ich sagte es schon -, und ich halte wenigstens einen halbjährigen Geltungszeitraum für unbedingt notwendig, um überhaupt einigermaßen gesicherte Aussagen machen zu können. Deswegen meine ich, daß es vernünftig ist, dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion stattzugeben und ihm zuzustimmen.
Frau Ministerin, ich setze voraus, daß Sie meine Einbringungsrede sehr aufmerksam verfolgt haben. Es ist Ihnen sicher aufgefallen oder stimmen Sie mir darin zu, daß ich diese Einbringungsrede in allen Fragen im Konjunktiv formuliert habe, daß wir also genau aus diesem Grund, daß im Augenblick niemand richtig sagen kann, ob oder ob nicht, diesen Antrag gestellt haben und daß wir damit eigentlich noch keine negative Bewertung dieser Richtlinie vornehmen. Vielmehr möchten wir einfach eine Situation vermeiden, wie wir sie schon mehrfach hatten, wenn ich zum Beispiel an die Auswirkungen des Psychotherapeutengesetzes denke, das uns dann kurzfristig und massiv auf die Füße fiel.
Ich habe gefragt, ob die Frau Ministerin mitbekommen hat, daß ich meine Einbringungsrede im Konjunktiv formuliert habe.
Ich habe den Konjunktiv, weil ich ihn auch sehr liebe - an den Stellen, wo er hinpaßt -, sehr wohl vernommen, Frau Krause. Ich habe Ihrem Antrag die tiefe Sorge entnommen, daß es vielleicht doch in Richtung einer negativen Prognose gehen könnte. Diese tiefe Sorge wird durch die Medienbeiträge der Leistungserbringer durchaus untermauert.
Deswegen finde ich es auch richtig, daß wir uns der Frage stellen und die Umsetzung der Richtlinie sehr wachsam verfolgen. Ich finde auch die Berichterstattung im Ausschuß gerechtfertigt, und wir sollten dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion folgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Einbringung zu diesem Antrag einschließlich der Ausführungen der Ministerin ist ausführlich dargestellt worden, worum es in den Richtlinien für die häusliche Krankenpflege geht. Daher muß ich dies nicht wiederholen.
Hierbei geht es nicht darum, daß wir uns mit Angelegenheiten, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen, befassen wollen. Es geht vielmehr darum, welche Auswirkungen sich bei der Umsetzung dieser Richtlinien auf Landesebene ergeben, und es stellt sich die Frage, ob es Regelungslücken gibt.
Dabei ist gleichzeitig zu prüfen, ob die Richtlinien Anlaß dafür sind, daß es zu einer veränderten Versorgungssituation für Patienten bei häuslicher Krankenpflege im Land Sachsen-Anhalt kommt und inwieweit das angestrebte Ziel, die Vermeidung und Verkürzung von Krankenhausaufenthalten durch häusliche Krankenpflege, mit den in den Richtlinien festgeschriebenen Vorgaben erreicht werden kann oder unterlaufen wird. Es stellt sich ebenso die Frage, inwieweit sich für die Pflegebedürftigen die Pflegeleistungen verbessern oder verschlechtern.
Wir haben gehört, daß die Richtlinien seit fünf Wochen in Kraft sind. Erst ab 1. Juli wird mit neuen Verordnungsscheinen gearbeitet. Dies ist den Ärzten seit dem Monat Mai bekannt. Infolge der mangelnden Aufklärung der Ärzte seitens der Kassenärztlichen Vereinigung - das muß man leider feststellen - ist nicht davon auszugehen, daß der zusätzliche Verwaltungsaufwand, der aufgrund dieser Richtlinien entsteht, ab dem 1. Juli reibungslos funktionieren wird. Hierbei haben die Kassen aber hilfreiche Unterstützung zugesagt.
Allerdings haben Gespräche der Kostenträger mit den Leistungserbringern gezeigt, daß die Richtlinien sehr unterschiedlich beurteilt werden und daß ebenso Kritik geübt wird bzw. Probleme bei der Umsetzung gesehen werden, wozu man jetzt eigentlich noch gar keine Aussage treffen kann.