Protocol of the Session on May 4, 2000

(Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist richtig!)

Ein landesweiter Aufschrei wäre die Folge. Doch bei der Berufsbildung nimmt die Landesregierung dies alles mit bedauerndem Schulterzucken zur Kenntnis. Das ist zu wenig. Das ist geradezu skandalös. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Das Schlußwort in der Aussprache zur Großen Anfrage hat jetzt die Abgeordnete Frau Ferchland. Bitte, Frau Ferchland.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur bei Erwachsenen, nein, auch bei Jugendlichen ist die Bundesanstalt für Arbeit der wichtigste Träger von finanziellen Ausbildungsanstrengungen. Also ist die Firma Jagoda in Ostdeutschland das größte Ausbildungsunternehmen. Die Zahlen zeigen es deutlich, auch die des neuen Berufsbildungsberichtes, der uns seit gestern vorliegt.

Im Auftrag der Bundesanstalt sind allein in Ostdeutschland ca. 480 Träger bzw. Einrichtungen im Bereich der beruflichen Erstausbildung tätig. Hinzu kommen noch die berufsvorbereitenden Maßnahmen, die Behindertenarbeit und schließlich die Beschäftigung von jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren.

In den 90er Jahren ist insbesondere das Engagement im Bereich der beruflichen Erstausbildung, finanziert durch die Bundesanstalt, in erheblichem Maße gewachsen.

Im November 1999 waren in Sachsen-Anhalt fast 5 400 Jugendliche in Maßnahmen der Benachteiligtenförderung nach § 241 SGB III untergebracht. Ich frage Sie: Sind das alles benachteiligte Jugendliche, die dorthin vermittelt werden; oder ist jeder Jugendliche, der keinen Ausbildungsplatz im dualen System bekommen hat, für uns automatisch benachteiligt?

Fazit: Die derzeitige Form der beruflichen Erstausbildung ist weder ein ordnungspolitisch taugliches, noch ein für die Jugendlichen attraktives Modell; denn die durch das durchgängige Problemlösungsmuster bedingte Ausgliederung von Jugendlichen aufgrund der in den letzten Jahren angewachsenen Zahl von Sonderprogrammen und -maßnahmen ist auch ein finanziell und qualitativ äußerst bedenklicher Umstand.

Einem großen Teil der Jugendlichen wird so eine qualifizierte berufliche Erstausbildung vollständig vorenthalten. Für die Öffentlichkeit wird diese Art der beruflichen Erstausbildung unklar und der Weg zu einer Ausbildung nicht mehr transparent.

Ich habe bereits auf die 27 verschiedenen Ausbildungsprogramme hingewiesen. Die Unterschiedlichkeit der Programme und Maßnahmen ist Jugendlichen nicht mehr zu vermitteln. Entsprechend hoch ist die Zahl der Abbrecher und Verweigerer. Motivationsverlust, Gewalt an Berufsschulen und Desinteresse am gesellschaftlichen Leben sind die Folge. Hier sind dringend Reformen und keine Reförmchen notwendig.

Lieber Kollege Siegert, ich habe selten jemanden erlebt, der so um eine Antwort herumlaviert hat.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Ich hätte mir von einem SPD-Politiker schon eine klare Antwort gewünscht.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Kriterien für eine Umlagefinanzierung könnten zum Beispiel der Umsatz sein, die Entwicklung in der Beschäftigung

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das wird spannend!)

und nicht zuletzt das Anwerben von Fachkräften, die durch die öffentliche Hand ausgebildet worden sind.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Damit verjagt ihr den letzten Mittelständler aus Sachsen-Anhalt! - Frau Budde, SPD: Ach, überziehen Sie es doch nicht immer so!)

- Herr Dr. Bergner, Sie sollten es wirklich nicht immer überziehen.

Wir wissen genau, wer in Sachsen-Anhalt ausbildet und wer nicht.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Den Umsatz zum Krite- rium zu machen!)

Wir wissen, daß die kleinen Betriebe über ihren Bedarf hinaus ausbilden.

(Frau Budde, SPD: Es sind die großen Betriebe, die nicht ausbilden! Die mittelständischen bilden doch alle aus!)

Wir wissen, daß auch die wenigen großen Betriebe, die wir haben, sich weigern auszubilden und lieber ausgebildete Fachkräfte anwerben.

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Siegert zu beantworten?

Aber sicher doch, Herr Kollege Siegert.

Bitte sehr.

Frau Ferchland, als mögliches Kriterium für eine Ausbildungsumlage haben Sie den Umsatz eines Unternehmens genannt. Ihnen ist sicherlich bekannt, daß beispielsweise die Großhandelsbereiche Tabakwaren, Spirituosen, Brennstoffe sehr hoch mit Steuern belastet sind. Das hat zur Folge, daß die Umsätze enorm hoch sind. Halten Sie das wirklich für ein angemessenes Kriterium für die Bemessung der Ausbildungsumlage?

(Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Da hat er recht!)

Das halte ich nach wie vor für ein angemessenes Kriterium. Auch Banken machen sehr große Gewinne; Großbetriebe wie BASF und Bayer machen große Umsätze. Die bilden zum Beispiel in sehr geringem Umfang aus.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zur Großen Anfrage abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt 3 beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 4:

Beratung

Berufliche Erstausbildung in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/3010

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3077

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Eckel. Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Die Beiträge erfolgen in der Reihenfolge CDU, DVU-FL, PDS, FDVP und SPD.

Zuvor wird allerdings die Landesregierung dazu Stellung nehmen. Bitte, Herr Eckel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt dank der Tagesordnung wird heute mehr als sonst und öfter als gewohnt über die berufliche Ausbildung im Land gesprochen. Es ist möglich und schon erkennbar, daß es dabei zu Wiederholungen kommt. Manches bei diesem Thema darf getrost wiederholt werden, anderes wiederum bedarf wohl der Wiederholung, damit es richtig und nachhaltig verstanden wird.

Müßte ich eine Überschrift für meinen Beitrag finden, würde ich die Überschrift „Die Stunde der Politik“ für angemessen halten.

In diesem Jahr werden sich schätzungsweise 40 450 Bewerberinnen und Bewerber in Sachsen-Anhalt um eine Ausbildungsstelle bemühen, also etwa 0,4 % mehr als im Vorjahr. Wir wissen nunmehr, daß im vergangenen Jahr ein Anteil von 98,5 % der Bewerberinnen und Bewerber in eine der unterschiedlichen Formen beruflicher Ausbildung vermittelt werden konnte. Das ist ein nicht wegzudiskutierender Erfolg in Anbetracht der Gesamtlage und erst recht im Vergleich der Bundesländer.

Bevor ich dazu etwas differenziertere Betrachtungen anstelle, drängt es mich jedoch zu einer Bemerkung. Die eben genannte Vermittlungsquote ist ganz sicher das Verdienst dreier Ebenen, deren Bemühungen der Landtag - wie unter Punkt 1 unseres Antrages genannt - durchaus unterstützen sollte.

Zuerst will ich die Unternehmen in Sachsen-Anhalt mit Ausbildungsberechtigung nennen, von denen etwa zwei Drittel trotz schwieriger äußerer Umstände ausbilden, zumeist deutlich über den eigenen Bedarf hinaus. Wie wohl jeder von Ihnen aus dem eigenen Wahlkreis weiß, sorgen diese Unternehmen für eine erhebliche Entspannung. Das muß der Landtag angemessen würdigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Minister- präsident Herrn Dr. Höppner)

Außer Frage stehen dürften - jedenfalls für meine Fraktion - sowohl die Notwendigkeit der Bündnisse für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit auf der Bundes- und der Landesebene als auch der Erfolg der Maßnahmen, die im Hinblick auf die berufliche Ausbildung und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit durchgeführt wurden, und der Grundsätze, die für die künftige Arbeit verabredet worden sind. Nicht zuletzt gehört dazu die eben genannte Vermittlungsquote in Sachsen-Anhalt in Höhe von 98,5 %.

Doch zurück zu den 40 450 Bewerberinnen und Bewerbern im Jahre 2000. Ihre Ansprüche an die berufliche Ausbildung werden sich aller Voraussicht nach in diesem Jahr ähnlich darstellen wie in den Vorjahren. Also wird der Run auf eine berufliche Ausbildung im dualen System auch in diesem Jahr anhalten. Dabei stehen bei den Bewerberinnen und Bewerbern nach wie vor die betrieblichen Ausbildungsplätze hoch im Kurs. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren nicht wesentlich etwas ändern.

Lediglich - aber immerhin - demographische Gründe werden etwa in der Mitte dieses Jahrzehnts die absolute Zahl der Nachfrager verringern. Von einer Entwarnung darf meines Erachtens jedoch nicht gesprochen werden.

Ein Blick zurück macht deutlich, daß zwar das Angebot an Berufsausbildungsstellen von 1992 bis 1999 insgesamt in einem Umfang von 6,5 % erweitert werden konnte, daß aber gleichzeitig die Zahl der Bewerber um nahezu 70 % zugenommen hat. Im gleichen Zeitraum ist - von vereinzelten Sprüngen abgesehen - ein kontinuierlicher Rückgang des Anteils betrieblicher Ausbildungsplätze am Gesamtlehrstellenangebot festzustellen, und zwar von etwa 82 % im Jahr 1992 auf 63,4 % im letzten Jahr.

Auf eine betriebliche Ausbildungsstelle bewarben sich im Jahr 1999 rein statistisch sage und schreibe 2,73 Bewerberinnen und Bewerber, meine Damen und Herren. Zum Vergleich: Im Jahr 1992 waren es noch 1,54 Bewerberinnen und Bewerber auf eine Stelle.