Protocol of the Session on May 4, 2000

Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat wurde bereits angekündigt, daß in bezug auf den Tagesordnungspunkt 20 ein Problem auftreten könnte. Ich habe mit allen Fraktionen gesprochen. Es liegt das Einverständnis vor, daß wir den Tagesordnungspunkt 20 jetzt behandeln, weil Herr Professor Böhmer, der den Antrag der CDU-Fraktion einbringt, danach nicht mehr anwesend sein kann. Es gab keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Erste Beratung

Leistungsanreiz bei Förderung

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3062

Der Antrag wird von Herrn Professor Böhmer eingebracht. Ich bitte Sie, das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorgelegten Antrag geht es uns nicht um eine schlichte haushaltsrechtliche Verwaltungsformalie, sondern es geht uns darum, mit den Mitteln der Förderpolitik, die in fast allen Bereichen des Landes bedeutsam ist, zu erreichen, daß die Förderung des Landes zu einer Hilfe zur Selbsthilfe werden kann. Das ist in den meisten Problemfeldern aufgrund des Haushaltsrechts gegenwärtig nicht oder kaum möglich.

Bei allen vom Zuwendungsrecht vorgesehenen Finanzierungsarten, zum Beispiel der Anteilsfinanzierung, der Fehlbedarfsfinanzierung, der Festbetragsfinanzierung oder der Vollfinanzierung, müssen durch eigene Leistungen erbrachte Einnahmen gegengerecht werden. Selbst bei der im praktischen Vollzug günstigsten Förderform, der Festbetragsfinanzierung, ist ausdrücklich vorgesehen, daß diese dann nicht in Betracht kommt, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligung Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß mit späteren nicht bestimmbaren Finanzierungsbeiträgen Dritter oder mit Einsparungen zu rechnen ist.

Ich weiß, daß bereits jetzt Ausnahmen gemacht werden. Ich halte das auch für gerechtfertigt. Ich bitte die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales, sich an die letzte Sitzung zu erinnern. In ihr trug Frau Ministerin Kuppe ausdrücklich vor, daß sie die Förderung in diesem Bereich auf eine Festbetragsfinanzierung umstellen möchte. Wir alle haben dem nicht widersprochen und waren der Meinung, daß das richtig ist und angestrebt werden sollte. Im Moment stehen dem aber noch das Haushaltsrecht und die Verwaltungs- vorschriften zu § 44 LHO entgegen.

Wenn wir aber das aus unserer Sicht Notwendige erreichen wollen, nämlich daß alle diejenigen, die Fördermittel des Landes benötigen, da sie mit den eigenen Einnahmen nicht leben können, dazu stimuliert und an

geregt werden sollen, einen immer größeren Teil der Einnahmen durch eigene Leistungen zu erarbeiten oder zu erwirtschaften, müssen wir Umstände und Rahmenbedingungen dafür schaffen, daß ihnen die Mehreinnahmen nicht sofort im laufenden oder im nächsten Haushaltsjahr gegengerechnet werden. Wegen des sofortigen Gegenrechnens der Mehreinnahmen gibt es keine Gründe, die dazu anreizen, selbst aktiver zu sein und mehr zu erwirtschaften.

Das bezieht sich nicht nur auf den Bereich der Theater, in dem es, wie Sie wissen, bereits jetzt Sonderregelungen gibt. Das bezieht sich auf alle Museen, die eigene Einnahmen haben, und auf alle Stiftungen, die einen geringen Teil eigener Einnahmen haben. Das bezieht sich sogar auf die Suchtberatungsstellen und andere Einrichtungen im sozialen Bereich, die, wenn auch geringe, eigene Einnahmen haben, die sie durch eigene Aktivitäten steigern könnten. Genau das wollen wir aber erreichen.

Wir haben bereits bei einer früheren Änderung der Haushaltsvorschriften über die Möglichkeiten der kaufmännischen Buchführung gesprochen. Wir werden auch über die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften sprechen müssen. Wir müssen auch die Rechtsgrundlage und die Rechtsvoraussetzungen dafür schaffen, daß Überschüsse und sogar Rücklagen gebildet werden können, und wir wollen dort, wo es sinn- voll ist, Abschreibungen bei geförderten Einrichtungen ermöglichen.

Ich darf daran erinnern, daß es auch in diesem Bereich bereits Anfänge gibt. Wer sich - das werden die wenigsten sein - an die Richtlinien über die Organisation der Wirtschaftsführung und das Rechnungswesen für die Förderung von Studentenwerken vom Januar 1994 erinnert, wird wissen, daß wir bei den eigenen Einnahmen durch Mietzinsen bereits die Möglichkeit geschaffen haben, Rücklagen zu bilden. In anderen Bundesländern ist diese Regelung großzügiger ausgebaut worden. Das Haushaltsrecht des Landes Mecklenburg-Vorpommern ermöglicht nicht nur die Bildung von Rücklagen, sondern auch die Bildung von Abschreibungen, um zukünftig eine größere Selbständigkeit der geförderten Einrichtungen zu ermöglichen.

Alles das muß diskutiert werden. Darüber müssen wir auch bei uns im Landtag sprechen. Alles das kann mit Sicherheit nicht im ersten Versuch, aber schrittweise ermöglicht und im Land Sachsen-Anhalt verwirklicht werden.

Deshalb haben wir beantragt, zunächst einmal die Verwaltungsvorschriften für die Festbetragsfinanzierung so zu verändern, daß diese auch dort ermöglicht wird, wo eigene, nicht immer genau dimensionierbare Einnahmen erwirtschaftet werden können.

Wir beantragen die Überweisung des Antrages in den Finanzausschuß. Ich sage ganz deutlich: Ich hoffe, daß er dort verändert werden wird, weil es notwendig ist, auch über andere Bereiche zu sprechen, in denen wir eine größere eigene Initiative der geförderten Einrichtungen erreichen wollen.

Ich bin autorisiert worden zu sagen, obwohl man das sonst nicht macht, daß der Finanzminister Herr Gerhards mich gestern nicht nur deshalb angerufen hat, um mir zu sagen, daß er heute nicht anwesend sein könne, sondern um Ihnen mitzuteilen, daß auch er ausdrücklich hoffe, daß der Antrag im Finanzausschuß diskutiert werden werde, weil er dasselbe Anliegen habe

und bereits entsprechende Gespräche geführt habe. Wir sollten gemeinsam mit dem Landesrechnungshof erreichen, mehr Beweglichkeit zur Stimulierung eigener Leistungen bei geförderten Einrichtungen zu schaffen.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zur Überweisung unseres Antrags in den Finanzausschuß und hoffe, daß er dort erweitert werden kann. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Herr Kollege, danke für die Einbringung. - Eine Debatte ist nicht vorgesehen. Wünscht trotzdem jemand das Wort? - Das sehe ich nicht.

Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/3062. Es ist verlangt worden, diesen Antrag in den Finanzausschuß zu überweisen. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Ebenfalls keine. Es ist einstimmig so beschlossen. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 20 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beratung

Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und neuartigen Lebensmittelzutaten

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/2865

Der Antrag wird durch die Abgeordnete Frau Wiechmann eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gentechnik ist seit ihrer ersten Anwendung heftig umstritten. Auf der einen Seite birgt sie Chancen wie die neuartige und saubere Entwicklung von Medikamenten, die Entschlüsselung und Behandlung von Erbkrankheiten, das Abhärten von Nutzpflanzen gegen Insekten und Krankheitserreger und nicht zuletzt als Zukunftstechnologie die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.

Auf der anderen Seite schürt die Gentechnik aber auch Ängste. Sie erlaubt als erste Technik, Artengrenzen zu überschreiten, indem zum Beispiel ein Protein aus einem Bakterium in eine Pflanze eingebracht wird. Die Diskussion um die Gentechnik ist schwierig und darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Besonders die Tatsache, daß eigentlich jedes gentechnische Projekt für sich allein unter wissenschaftlichen, technischen, ökologischen, gesundheitlichen und ethischen Gesichtspunkten bewertet werden muß, erschwert die Argumentation zur Gentechnik. Die Anwendungsmöglichkeiten und ihre Grenzen sind abzuwägen, und die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen ist zu prüfen.

(Unruhe)

Entschuldigung, Frau Kollegin. - Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Lärmpegel deutlich zu senken.

Danke sehr. - So zeigen Beispiele wie das klonierte Schaf Dolly, daß wissenschaftlicher Fortschritt in dem notwendigen Umfang einer breiten Öffentlichkeit zu

gänglich gemacht und bereits im Vorfeld diskutiert werden muß.

Weder die Folgen der Genmanipulation an Tieren noch die Übertragung tierischer Krankheitserreger auf den Menschen sind vorhersehbar und derzeit medizinisch beherrschbar. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Entstehung neuer Krankheitserreger, beispielsweise durch einen Wirtswechsel von Viren.

Die langfristigen Folgen für Mensch und Tier sowie für seine gesamte Umwelt über den unmittelbaren Erfolg oder Mißerfolg eines gentechnischen Experimentes oder Produktes hinaus sind nach wie vor kaum abschätzbar. Die Anlagen für medizinische Forschung und Produktion entlassen permanent genveränderte Organismen und Erbsubstanzen in die Umwelt, von denen schädliche Wirkungen ausgehen können.

Die Frage nach der grundsätzlichen Legitimität der Gentechnik wirft philosophische und ethisch-moralische Fragen bezüglich ihrer Verantwortbarkeit auf. Ein negatives Beispiel aus jüngster Zeit: Bei der Erteilung eines Patents auf gentechnisch veränderte Embryonen ist dem Europäischen Patentamt in München nach eigenen Angaben ein schwerer Fehler unterlaufen. Das Patent ist auch auf den Menschen übertragbar und ermöglicht theoretisch auch die Konstruktion sowie die Züchtung von Organen eines genetisch veränderten Menschen. Als Patentinhaber wird eine australische Firma angegeben. Erforscht wurde das Verfahren an der britischen Universität Edinburgh.

Das im Dezember 1999 durch drei Prüfer erteilte Patent EP 695 351 verstößt damit gegen deutsches Recht und gegen eine geltende europäische Patentrichtlinie. Dieses Patent hätte also niemals zugelassen werden dürfen, meine Damen und Herren. Nach § 5 des Embryonenschutzgesetzes stehen darauf hohe Strafen.

Aber das war nicht der erste Fehler des Europäischen Patentamtes in München. Schon einmal wurde ein Patent auf ein transgenes Tier erteilt. Dieses Patent war ebenfalls auf den Menschen übertragbar.

Ein gentechnischer Experte bei Greenpeace zu dem Vorfall - ich zitiere -: Er glaube nicht an einen versehentlichen Fehler bei der Erteilung des Patentes. Das Europäische Patentamt wolle offensichtlich die Patentierbarkeit von Organismen systematisch ausweiten.

Über die Frage, wem die systematische Ausweitung der Patentierbarkeit von Organismen nützt, kann man nur spekulieren.

Sind Kapital und Macht die einzigen und richtigen Auswahlkriterien für jene, die die Zukunft aller bestimmen können? Werden die Industriebosse in naher Zukunft ihre Arbeiter wunschgemäß mit viel oder wenig Hirn bzw. Muskeln, je nach Verwendung und angestrebtem Lebensalter, züchten können?

Riskieren oder opfern wir die Existenzberechtigung unserer genetisch nicht ganz einwandfreien Kinder, indem wir den Klonern in ihren Laboratorien völlige Forschungsfreiheit einräumen? Kann man tatsächlich glauben, daß alle Wissenschaftler an einem bestimmten Punkt aufhören können zu forschen oder dies wollen? Wenn dem so wäre, dann, meine Damen und Herren, wäre die Apokalypse nicht mehr fern. Hier muß also schnellstens ein Riegel vorgeschoben werden, um diesen Machenschaften der Genmanipulation oder auch Genkriminalität zu begegnen und entgegenzuwirken.

Es darf nicht gestattet werden, mit der Gentechnik die ökologischen Grundwerte einer Gesellschaft auf den Kopf zu stellen und damit die wirtschaftlichen Interessen einzelner zu fördern. Anwender der Gentechnologie, die informierte Öffentlichkeit, Gesetzgeber und Politik müssen dazu beitragen, den Menschen und die Umwelt vor den möglichen Risiken und Gefahren sowie dem Mißbrauch zu bewahren.

Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussionen von Verbraucher- und Umweltverbänden mit den Bürgerinnen und Bürgern stehen klare Forderungen zur Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Denn gentechnisch veränderte Lebensmittel sind für den Verbraucher grundsätzlich nur an ihrer Kennzeichnung zu erkennen.

Deshalb sollen künftig in der Europäischen Union die gentechnisch veränderten Lebensmittel bzw. die mit gentechnischen Verfahren hergestellten Zusatzstoffe und Aromen mit den Worten „gentechnisch verän- dert“ gekennzeichnet werden müssen. Bei verpackten Lebensmitteln erfolgt dies beispielsweise dann auch in der Zutatenliste. Genau dies sieht die Verordnung EG 50/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 zur Etikettierung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die genetisch veränderte oder aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellte Zusatzstoffe oder Aromen enthalten, vor.

Artikel 129 a des Maastrichter Vertrages sagt wörtlich aus, daß alle EU-Mitgliedstaaten zur Erreichung eines hohen Niveaus des Verbraucherschutzes verpflichtet sind. Für die Zulassung, gesundheitliche Bewertung und Kennzeichnung gelten innerhalb der EU-Mitgliedstaaten strenge Rechtsvorschriften. Lebensmittel, die nicht gentechnisch verändert wurden, dürfen dann aber auch mit dem Etikett „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet werden.

Weiterhin sieht die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vor, daß Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen, sofern sie sich durch Analysen nachweisbar von konventionellen Lebensmitteln unterscheiden.

Diesem Anspruch aus dieser Verordnung wird die Bundesrepublik Deutschland jedoch nur sehr begrenzt gerecht. Zwischen 80 % und 90 % gentechnisch manipulierter Lebensmittel fallen in Deutschland nicht unter diese Verordnung. Genau das kritisiert das ÖkoInstitut e. V. In deutschen Supermärkten liegen rund 30 000 gentechnisch veränderte Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten zum Verkauf bereit.

Des weiteren macht das Öko-Institut darauf aufmerksam, daß wesentliche gentechnische Einsatzbereiche in der Lebensmittelproduktion von der Kennzeichnungspflicht ausgespart werden. Eine Kennzeichnungspflicht entfalle, so daß Öko-Institut, auch für Vitamine, Aromen oder Enzyme, obwohl viele dieser Zusatzstoffe inzwischen mit Hilfe gentechnischer Methoden produziert werden.