Protocol of the Session on April 6, 2000

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Aufbau und zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft in Sachsen-Anhalt (Mittelstands- förderungsgesetz - MFG)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 3/2922

Der Gesetzentwurf wird durch den Abgeordneten Herrn Gürth eingebracht. Bitte schön, Herr Gürth.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Drittel aller Beschäftigten in Sachsen-Anhalt arbeiten in mittelständischen Betrieben. Wir wissen alle, daß gerade die mittelständische Wirtschaft einen Großteil des Arbeitsplatzabbaues in den ehemaligen Kombinaten in unserem Land aufgefangen hat.

Wir haben nach der Definition der EU 54 000 mittelständische Unternehmen, also Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten, in Sachsen-Anhalt. Sie beschäftigen 600 000 Menschen, davon 210 000 allein im Bereich des Handwerks. Ganze 70 % aller Unternehmenssteuern sowie 85 % aller betrieblichen Ausbildungsplätze kommen aus dem Mittelstand.

Angesichts dieser Zahlen und der uns seit Jahren bekannten und andauernden Rekordarbeitslosigkeit in diesem Land ist es besonders wichtig, aber auch effizient,

die Wettbewerbschancen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen in Sachsen-Anhalt zu verbessern. Wenn jedes dieser mittelständischen Unternehmen nur einen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen könnte, hätten wir 54 000 Arbeitsplätze mehr in Sachsen-Anhalt.

Die CDU-Fraktion bringt nicht nur aus diesem Grund den vorliegenden Gesetzentwurf zur Modernisierung des geltenden Mittelstandsförderungsgesetzes ein. Dieser Gesetzentwurf ist - das ist das Besondere - in einem Aktionsbündnis der mittelständischen Wirtschaft in Sachsen-Anhalt entstanden. Dort haben sich Verbände aus der mittelständischen Wirtschaft dazu durchgerungen, die Konkurrenz untereinander zu überwinden, um im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen, der Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen, aber auch der Sicherheit der Arbeitsplätze in diesen Unternehmen zusammenzuarbeiten.

Dieses Aktionsbündnis repräsentiert immerhin mehr als 23 300 Unternehmen und freie Berufe, die in ihren Unternehmen und in ihren Büros mehr als 187 000 Mitarbeiter beschäftigen und fast 14 000 Auszubildende haben.

Ich nenne diese Zahlen vorweg, um noch einmal besonders deutlich zu machen, warum ich es für ein Gebot für den Landtag halte, daß wir eine solche Initiative, die von außen kommt, die nicht nur kritisiert oder ständig mehr Geld fordert, sondern konstruktive Vorschläge unterbreitet, ernst nehmen.

Der vorliegende Gesetzentwurf stellt eine Modernisierung des geltenden Rechts dar. Er paßt das im Jahr 1991 verabschiedete Mittelstandsförderungsgesetz an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an.

Der Gesetzentwurf ist keine teure Wunschliste für zusätzliche Subventionen. Im Gegenteil, in dem vorliegenden Gesetzentwurf werden überflüssige Subventionen und Förderprogramme sogar gestrichen. Regelungen für die Aus- und Weiterbildung werden konzentriert und modernisiert. Administrative Aufgaben der Verwaltung werden reduziert.

So soll unter anderem der gesetzlich vorgeschriebene, alle zwei Jahre vorzulegende große Mittelstandsbericht aus dem Gesetzeswerk gestrichen werden. Dies spart Zeit und Geld für die öffentliche Verwaltung. Das so eingesparte Geld sollte in Existenzgründungsinitiativen oder andere sinnvolle Programme investiert werden.

Ich gehe davon aus, daß der Wirtschaftsminister Herr Gabriel seine Kritik vom gestrigen Tag noch einmal überschlafen hat. Herr Minister, Sie haben gestern gesagt, wir bräuchten dieses neue Mittelstandsförderungsgesetz unter anderem deswegen nicht, weil die Abschaffung der gesetzlichen Vorschrift, alle zwei Jahre einen Mittelstandsbericht vorzulegen, angeblich ein Schlag ins Gesicht der mittelständischen Wirtschaft sei.

(Herr Becker, CDU: Hört, hört!)

Herr Minister, das ist wirklich kein Argument.

Erstens. Diese gesetzliche Vorschrift ist in all Ihren Amtsjahren regelmäßig verletzt worden. Die Pflicht nach § 21, den Bericht rechtzeitig vor den Haushaltsberatungen vorzulegen, haben Sie in keinem Ihrer Amtsjahre erfüllt.

Zweitens. Sie brauchen keine gesetzliche Vorschrift. Sie können Gutachten, Berichte und Analysen ohne Gesetzeszwang jederzeit erstellen lassen.

Drittens. Sie wissen natürlich auch, daß Sie sich jetzt selbst der Gefahr ausgesetzt haben, den Eindruck entstehen zu lassen, Sie wüßten nicht, was für die mittelständische Wirtschaft wirklich wichtig ist. Die mittelständische Wirtschaft braucht keine Berichte, an die sich ohnehin keiner hält. Sie braucht Aufträge und weniger Bürokratie.

Deswegen gehe ich im Interesse dieses Gesetzentwurfs, aber auch der Arbeitsplätze in der mittelständischen Wirtschaft davon aus, daß Sie selbst zu der Erkenntnis gekommen sind, daß diese Kritik kein Argument ist, das ernst zu nehmen wäre.

Der Gesetzentwurf hat neben der Abschaffung dieser überflüssigen Berichtspflicht vor allem überholte Fördertatbestände korrigiert und außerdem weitere wesentliche Ziele gesetzt, die ich Ihnen kurz vorstellen möchte.

Erstens. Ein Kernpunkt ist die Regelung für die öffentliche Auftragsvergabe zugunsten mittelständischer Unternehmen. Wir haben dazu eine sehr weitgehende Regelung seit 1991 in Kraft. Das Problem ist, es hält sich niemand daran. Deswegen kommt der Vorschlag aus der Wirtschaft und aus der CDU-Fraktion, diese Regelungen nun verbindlicher zur formulieren. Es ist ganz besonders wichtig, daß hierbei das Land mit Vorbildwirkung vorangeht. Wenn es gewünscht ist, könnte ich an dieser Stelle Beispiele aus der Vergangenheit nennen, in denen das Land als Auftraggeber gegen die Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen hat.

Zweitens. Die Mittelstandsförderung soll jahresübergreifend und längerfristig kalkulierbar gestaltet werden. Es sind im Gesetzentwurf zwei stabile Säulen enthalten, der mittelständische Darlehens- und der Technologiefonds. Es ließe sich über die Ausgestaltung sicherlich reden. Ich bitte auch darum, daß es hierzu eine konstruktive Beratung in den Ausschüssen gibt.

Es ist jedoch wichtig, daß wir von der jetzigen Praxis abgehen. Wir verabschieden im Dezember einen Haushalt, warten dann bis März, bis ein Haushaltsführungserlaß kommt. Dann können die Ministerien die Mittel bewirtschaften, und dann haben wir im Mai/Juni schon mit der ersten Haushaltssperre zu rechnen. Im September wird dann wieder freigegeben, und wir wissen dann am Jahresende, daß wir von den zwölf Monaten im Jahr eigentlich nur während weniger Monate einen kleinen Korridor haben, in dem die Mittel wirklich kontinuierlich den Antragstellern zugute kommen.

Hinzu kommt, daß die Förderrichtlinien sich jedes oder fast jedes Jahr ändern. Hier muß mehr Kontinuität, Berechenbarkeit und Kalkulierbarkeit hineinkommen. Die Vorschläge zum Mittelstandsfördergesetz sind ein probates Mittel dazu.

Außerdem ist in den Gesetzentwurf eine sogenannte Mittelstandsklausel neu aufgenommen worden. Hiermit wird eine alte Forderung der CDU, aber auch aus der Wirtschaft zur Gesetzesfolgenabschätzung aufgegriffen. Wir wollen mit dieser Mittelstandsklausel erreichen, daß die Fachleute, die Experten in den Ministerien bei der Erarbeitung neuer Gesetze und neuer untergesetzlicher Vorschriften sich darüber Gedanken machen, welche Auswirkungen ein neues Gesetz, eine neue Vorschrift im täglichen Handeln auf die Handwerksmeister vor Ort, auf die mittelständischen Unternehmen hat.

Dies kostet nicht viel Geld, sorgt aber dafür, daß auch die Experten zum Beispiel im Umwelt- oder im Sozialministerium sich stärker als bisher damit vertraut ma

chen, wie der Mittelständler vor Ort unmittelbar mit einer neuen Regelung auskommen kann.

Daß dies ein richtiger Weg ist, zeigt auch, daß Umweltministerin Frau Häußler eine ähnliche Regelung in einer Vereinbarung mit der Wirtschaft in bezug auf das Umweltrecht bereits unterschrieben hat.

Insofern dürfte dies kein Streitpunkt sein. Weil die Regelung auch keine negativen Auswirkungen auf den Haushalt hat, hoffe ich auf die kollektive Unterstützung aller Fraktionen in diesem Haus.

Darüber hinaus gibt es eine Vereinfachung bei den Förderverfahren. Im § 7 wird jetzt ermöglicht, daß wir von dem bisherigen zweistufigen Verfahren bei der Fördermittelausreichung bei Bedarf auf ein einstufiges Verfahren übergehen können.

Wir haben jetzt zwei Stufen bei Antragstellung und Fördermittelbewilligung. Es gibt in der ersten Stufe den öffentlich-rechtlichen Bewilligungsbescheid und in der zweiten Stufe in vielen Programmen eine privatrechtliche Darlehens- oder Beteiligungsregelung in Form eines Vertrages. Mit dem neuen § 7 ist die Möglichkeit des Systems, wie wir es zum Beispiel bei KfW- und DtAProgrammen haben, eingeräumt.

In § 8 ist eine völlig überflüssige, überholte Regelung verändert worden. Es ist unter Umständen aus dem Jahr 1991 noch darin, daß sogar die Erarbeitung von Beratungsunterlagen durch die Unternehmensberater gefördert wird. Das ist im Jahr 2000 nicht nur nicht mehr erforderlich, wir haben außerdem auch noch einen Schutz für kleine und mittlere Unternehmen darin, nämlich eine wichtige Qualitätseinschätzung für die Berater, weil so mancher Berater alles andere als gut beraten hat. Das ist besonders wichtig für einen effizienten Fördermitteleinsatz. Wir wollen jetzt den Nachweis der Sachkunde.

In § 18 sind die Fonds geregelt und in § 17 die öffentliche Auftragsvergabe. Verbindlicher und wichtig ist auch, daß sich die Regeln zur öffentlichen Auftragsvergabe auch auf die öffentlichen Körperschaften erstrecken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich lade Sie alle ein zu einer zügigen, konstruktiven Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs, insbesondere die Fraktionen, die in der Vergangenheit immer wieder Appelle in bezug auf mehr Bürgerbeteiligung und mehr direkte Demokratie in diesem Raum geäußert haben.

(Zustimmung von Frau Stange, CDU)

Hier können Sie zeigen, wie Sie mit Gesetzentwürfen aus der Mitte unserer Gesellschaft umgehen. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung und auf Ihren konstruktiven Beitrag in den Ausschüssen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden in der Reihenfolge SPD, DVU-FL, PDS, FDVP und CDU. Als erstem erteile ich jedoch für die Landesregierung Herrn Minister Gabriel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst sind mir zwei Dinge aufgefallen. Anscheinend haben Sie, Herr Gürth, unser Programm inzwischen gelesen. Im September haben Sie unser Mittelstandspaket noch als Mogelpackung bezeichnet. Das, was Sie jetzt vorstellen, ist im Grunde genommen das, worüber wir in den letzten Monaten mit den Kammern, Verbänden und Unternehmen gesprochen haben und was wir einvernehmlich abgestimmt haben. Der gesetzliche Rahmen, der uns zur Verfügung steht, reicht vollkommen aus.

Sie haben jetzt richtigerweise auf einen ganz wichtigen Kernpunkt noch einmal hingewiesen, der jahrelang, übrigens auch zu Ihrer Zeit, zu Diskussionen geführt hat. Es gibt inzwischen einen Umweltpakt, wo mit der Wirtschaft einvernehmlich die Hauptkonfliktfelder besprochen worden sind. Das sind die Umweltthemen, die bei Investitionen in aller Regel auch ernst genommen werden müssen.

Aber genau in dem Bereich, der den Kernpunkt darstellt, haben wir inzwischen eine Regelung. Das heißt, das praktische Handeln hat die Erfordernisse, neue gesetz- liche Regelungen zu entwickeln, überholt.

Uns hilft nicht irgendein Herumfilibustern an neuen gesetzlichen Regelungen. Wir müssen das positive Handeln schlicht fortsetzen.

Übrigens: Wenn Sie den Mittelstandsbericht abschaffen wollen, so liegt darin ein Sparpotential, ganz sicher,

(Zustimmung bei der SPD)

aber nicht in einem Umfang - da überschätzen Sie den Aufwand, den die Verwaltung damit betreibt, doch gewaltig -, daß man damit im Land flächendeckend Existenzgründungen unterstützen könnte. Da ist bei Ihnen die Relation, die wertmäßig hinter bestimmten Dingen steht, durcheinander geraten. Aber so etwas kann ja einmal passieren.

Ich würde mir wünschen - dafür werde ich sorgen -, daß der Mittelstandsbericht noch ein bißchen knapper ausfällt, damit man nicht so viel Papier lesen muß, damit er in der Handhabung einfacher wird. Aber um die systematische Mittelstandsförderung fortsetzen zu können, brauchen wir ein griffiges analytisches Material. Auf welcher Grundlage wollen wir denn sonst unsere Förderpraxis von Jahr zu Jahr anpassen? Das muß man in den dynamischen Zeiten, die wir heutzutage haben, tun.

Ich möchte einige Fakten aufzählen. Die Mittelstandsinitiative, die wir abgestimmt haben, wird für die Jahre bis 2004 genau das beherzigen, was Sie sich auch wünschen, nämlich Stabilität, Berechenbarkeit, Vereinfachung.

Wir werden 350 Millionen DM unter anderem durch einen revolvierenden Fonds zur Verfügung stellen. Man darf nicht vergessen, daß auch im Bereich der GA ungefähr 500 Millionen DM jährlich an Strukturhilfen unmittelbar für den Mittelstand zur Verfügung stehen. Ich möchte auch noch einmal an die aufgestockte Technologieförderung erinnern.

Stellen Sie sich das noch einmal schlaglichtartig vor: Wir bezuschussen die Unternehmen, wenn es um die Ausstellung der Produkte auf Messen geht, wir unterstützen die Unternehmen, wenn sie zeitweise Liquidi

tätsprobleme haben, wir unterstützten sie, wenn es um andere Beratungsfragen geht. Darauf können sie nicht verzichten, weil die Managementfragen in aller Regel nicht so clever gelöst sind, gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen, die sich oft erfreulicherweise in einer Wachstumsphase befinden, daß sie auf diese Beratungen verzichten könnten.