Protocol of the Session on April 6, 2000

(Beifall bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Nur die Aufgeschlossenheit für Veränderungen und die kreative Mitarbeit geben diesem Land die Chance, den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts gewachsen zu sein. Ich rechne damit, daß sich die kommunale Ebene an diesem Dialog, der einsetzen muß, konstruktiv beteiligt.

Vermutlich wird es das beste sein, die Liste der zu kommunalisierenden Aufgaben so bald wie möglich als Paket zu diskutieren. Die Arbeiten hierzu sind im Innenministerium weit fortgeschritten. Dabei sind auch die Beispiele aus anderen Ländern zu Rate gezogen worden. Ich hoffe auf eine konstruktive Mitarbeit der Landkreise; denn es geht nicht nur um die formale Übertragung von Aufgaben, sondern es geht um den effizienten Einsatz sowohl von Fachpersonal als auch von Finanzmitteln.

Unter dem Strich muß diese Sache nicht nur effektiver, sondern sie muß für die öffentliche Hand insgesamt auch kostengünstiger sein. Schon durch unsere Verfassung sind wir gehalten, die Kostenfragen im Zusam

menhang mit der Übertragung von Aufgaben zu regeln. Zusätzliches Geld wird dafür niemand in die Hand nehmen wollen. Solche Fragen lassen sich nur in einem vernünftigen Miteinander lösen. Gewinnen müssen bei dieser Modernisierung der Verwaltung alle Seiten, vor allem aber die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Meine Damen und Herren! Ich komme zurück zum Bild der Rekonstruktion des reichlich verwinkelt gebauten Hauses. Die Bauplaner müssen sich öfter solche Fragen, wie zum Beispiel die, warum man das nicht einfacher mache, gefallen lassen. Manchmal verweisen die Bauplaner auf Bauvorschriften, die höheren Orts erlassen worden sind. Das geht uns nicht anders. Gelegentlich stehen unseren Modernisierungsvorstellungen, die wir entwickelt haben, Bundesgesetze entgegen. Manchmal sind es auch EU-Richtlinien. Das darf man nicht vergessen.

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

So begrenzt derzeit die Grundbuchordnung den Gestaltungsspielraum der Landesregierung bei der Neuordnung des elektronischen Grundbuches und des Liegenschaftskatasters zu einem modernen Grundstücksinformationssystem. Wir haben recht genaue Vorstellungen, wie man das effektiv gestalten kann, und reiben uns dabei an diesem Gesetz. Unsere bisherigen Versuche, wenigstens eine Öffnungsklausel in den Bundesgesetzen zu verankern, sind gescheitert. Wir bleiben aber weiter am Ball;

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

denn wir wollen und müssen die modernen Anwendungsmöglichkeiten der neuen elektronischen Medien zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger nutzen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das ist doch selbstver- ständlich!)

Ich bin fest davon überzeugt, es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Länder begreifen, daß man das machen muß. Es bewegt sich nämlich einiges, Gott sei Dank. Ich weiß von Vorstößen der Hessen, die in eine ähnliche Richtung denken und das groß verkauft haben, woran wir schon seit längerer Zeit arbeiten.

Ich kann noch weitere Argumente anführen. Der Europäische Rat von Lissabon hat im März die Mitgliedstaaten ersucht, bis zum Jahr 2003 einen allgemeinen elektronischen Zugang zu den wichtigsten, grundlegenden öffentlichen Diensten sicherzustellen. Daß dazu auch die Informationen über Grundstücke und ihre Belastungen gehören, müßte unstrittig sein. Schließlich gehen wir auf eine Gesellschaft zu, in der die Dienstleistung per Mausklick so selbstverständlich werden wird wie heute das Telefonieren.

Wem das zu abstrakt erscheint, der braucht sich bloß zu vergegenwärtigen, was derzeit im Bankgewerbe passiert. Ich meine damit nicht die gescheiterte Fusion. Solche Geschichten überlassen wir lieber denjenigen, die mehr Geld als wir verdienen.

(Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Warum sollte eine solche Dienstleistung per Mausklick an den öffentlichen Verwaltungen vorbeigehen? Wir haben uns mit den kürzlich abgeschlossenen Verträgen mit Microsoft bereits auf den Weg begeben; denn wir wollen diesen Weg nicht nur mitgehen, sondern wir wollen ihn in diesem Land mitbestimmen. Es geht uns um die Bürgerfreundlichkeit unserer öffentlichen Verwaltung. Sie ist oberstes Leitmotiv unseres Handelns.

Natürlich ist auch der Zwang zur Konsolidierung unserer öffentlichen Haushalte ein Motor für die Verwaltungsmodernisierung. Damit stehen sofort die Personalkosten auf dem Plan. Ihre Reduzierung ist ohne Personalabbau nicht zu schaffen, im übrigen auch nicht die schrittweise Angleichung der Gehälter im öffentlichen Dienst an die Westgehälter. Die nötigen Strukturveränderungen sind nicht so eng mit der Personalreduzierung verknüpft, wie manche meinen. Diese Personalreduzierung ist unabhängig von einzelnen strukturellen Reformschritten erforderlich.

Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahr 2005 auf den bundesweiten Durchschnitt von 24 Beschäftigten im öffentlichen Dienst pro 1 000 Einwohner zu kom- men. Wir haben seit 1994 bereits über 10 000 Stellen im Landesdienst abgebaut. Die Zielvorgabe, die ich eben genannt habe, erfordert einen weiteren Abbau von 13 000 Stellen. Das erzwingt eine besonders konsequente Aufgabenkritik. Das erfordert neue Methoden des Personalmanagements, die wir eingeführt haben.

Uns liegt daran, daß dieser Personalabbau so sozialverträglich wie irgend möglich gestaltet wird. Kündigungen sind nicht das von uns angestrebte Ziel. Im Gegenteil, wir wollen Kündigungen möglichst vermeiden, zumal das öffentliche Dienstrecht ohnehin enge Spielräume setzt.

Das erfordert aber auch eine große Beweglichkeit bei den Beschäftigten selbst. Dabei denke ich an Qualifizierung, an Teilzeitangebote und an Abfindungsregelungen. Ich weiß, für viele ist das eine erneute Zumutung, nachdem sie in den letzten Jahren schon so viele Veränderungen und Verunsicherungen ertragen mußten.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Es gibt aber

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

keinen anderen Weg als den der partnerschaftlichen Zusammenarbeit, auch bei diesen Problemen. Wir dürfen dabei das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren, nämlich unser Land für die neuen Herausforderungen fit zu machen. Davor können wir die Augen nicht verschließen.

Meine Damen und Herren! Immer wieder sind wir gefragt worden, warum wir denn zu diesem gesamten Problemkreis nicht vorab ein umfassendes Gesetz vorlegen, mit dem sich der Landtag zu beschäftigen hätte. Ich wiederhole hier unsere Auffassung, daß ein nach der Verfassung vorgeschriebenes Landesorganisationsgesetz erst vorgelegt werden kann, wenn der Umstrukturierungs- prozeß im wesentlichen abgeschlossen ist.

Soweit für die einzelnen Schritte der Verwaltungsreform, der Verwaltungsmodernisierung gesetzliche Änderungen erforderlich sind, werden wir es halten wie bei dem Vorschaltgesetz für die Gebietsreform. Wir werden die notwendigen gesetzlichen Änderungen als Gesetzesvorlage in den Landtag bringen.

Ich verweise allerdings auch darauf, daß es bei der Verwaltungsmodernisierung auch um ein Stück Entbürokratisierung geht. Das ist der vorrangige Wunsch der Bürger. Sie verbinden damit immer auch das Stich- wort der Entbürokratisierung. Es wäre geradezu ein Symbolfehler, wenn wir dazu ein Gesetz erlassen würden, das wir gar nicht brauchen, oder Gesetze, die uns möglicherweise daran hindern, auf dem Weg erwor

bene neue Erkenntnisse zügig umzusetzen. Warum sollten wir uns diese Gestaltungsspielräume selbst einschränken?

Sie erinnern sich vielleicht daran, daß die Wirtschaft, die in diesem Zusammenhang immer gern als Vorbild für die öffentliche Verwaltung hingestellt wird, ständig und auch zu Recht Deregulierung verlangt. Wir sollten uns das Kopfschütteln darüber ersparen, daß wir Gesetze machen, die nicht nötig sind.

Gerade im Zusammenhang mit der Abschaffung der drei Regierungspräsidien und der damit verbundenen regionalen Gliederung unseres Landes ist immer wieder zu hören, daß damit die Bürgernähe aufgegeben würde. Einen ähnlichen Vorwurf hört man übrigens auch, wenn es um die Bildung größerer Landkreise geht. Wer diesen Vorwurf erhebt, hat noch nicht begriffen, wie grundlegend sich unsere Welt in ihren Kommunikationsstrukturen verändert.

(Herr Dr. Daehre, CDU, zur SPD gewandt: Nun können Sie aber klatschen!)

Richtig ist, daß sich Bürgernähe in einem ortsnahen Angebot von sachkompetenten Dienstleistungen zeigt.

(Beifall bei der SPD - Ah! bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Endlich mal Beifall!)

Das ist die Grundlage. Dies ist aber durch eine sachgerechte Vernetzung der verschiedenen Dienststellen und durch das Angebot der Dienstleistungen in Bürgerbüros mit kundenorientiertem Personal besser zu gewährleisten als durch kleinteilige Strukturen, die schon aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, die Fachkompetenz durch Personen vor Ort wahrzunehmen.

Das heißt mit anderen Worten: Wir müssen an dieser Stelle auf die neuen Möglichkeiten der Technik setzen. Das wird nicht zu einer Zentralisierung, sondern zu einer Dezentralisierung der Leistungsangebote für die Bürgerinnen und Bürger führen.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Freilich entsteht in diesem Zusammenhang eine neue Aufgabe, die wir von Anfang an in unsere Überlegungen einbeziehen müssen: Es wird in der Zukunft erforderlich sein, die verschiedenen Verwaltungsebenen miteinander zu vernetzen. Das Bürgerbüro muß in der Stadt bzw. in der Gemeinde sein. Das ist richtig, nah beim Bürger. Aber die dort erbrachten Dienstleistungen sollen sich nicht auf das beschränken, was in der Zuständigkeit der Gemeinde bzw. der Stadt liegt. Vielmehr muß es Verbindungen und Zugriffsmöglichkeiten auch zu anderen Verwaltungsebenen geben.

Beispielsweise kann man den Auszug aus dem Liegenschaftskataster - Aufgabe des Landes, staatliche Aufgabe - in der Gemeinde selbst, in dem Bürgerbüro erhalten, sofern das Bürgerbüro darauf eingestellt ist. Es gibt Bürgerbüros, in denen man das heute schon tun kann. Dann braucht man nicht mehr zum Katasteramt zu gehen. Das ist nur ein Beispiel. Vieles mehr in dieser Richtung sollte bald Wirklichkeit werden.

Wir haben für den Einsatz der Informationstechnologien in der Verwaltung eigens eine hochrangige Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit dem Thema beschäftigt, wie wir das, auch im Zuge der Verwaltungsmodernisierung, umsetzen können.

Ich bin mir sicher, daß die neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien die öffentliche Verwaltung in den nächsten Jahren noch einmal von einer ganz anderen Seite her revolutionieren werden. Die uns in dieser Hinsicht bevorstehenden Veränderungen sind auch ein Grund dafür, daß die Verwaltungsmodernisierung nie ein ganz abgeschlossener Prozeß sein wird. Vielmehr stellt sich die Frage: Wie kann man die Aufgaben effektiv mit den modernsten Möglichkeiten bewältigen? Diese Frage bleibt eine dauernde Aufgabe.

Sie braucht aber klare Zielsetzungen. Die öffentliche Verwaltung muß sich noch viel stärker als bisher als Dienstleister begreifen. Auch die Menschen in der Verwaltung werden sich darauf einstellen müssen. Die Verwaltung hat ihre Arbeit nämlich nicht vornehmlich nach ihren eigenen Bedürfnissen zu organisieren, sondern sie hat sich nach den Bedürfnissen und Wünschen der Bürgerinnen und Bürger zu richten.

(Zustimmung bei der SPD, bei der PDS und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt noch einmal die von uns geplanten Reformschritte zusammenfassen:

erstens Abschaffung der Regierungspräsidien bis zum Jahr 2005,

(Frau Schnirch, CDU: Drei!)

zweitens parallel dazu die Schaffung eines ab 2005 funktionsfähigen Landesverwaltungsamtes,

(Zuruf von der CDU: Drei!)

drittens Halbierung der Zahl der Landesämter im nachgeordneten Bereich der Ministerien,

viertens Verringerung der staatlichen Ämter der Orts- ebene um ein Drittel,

fünftens Aufgabenverlagerung vom Land auf die Kommunen soweit wie möglich,

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ohne Geld! - Weitere Zu- rufe von der CDU)