Protocol of the Session on March 9, 2000

Herr Dr. Bergner, es sind Fragen angemeldet worden. Sie beantworten die Fragen. - Bitte sehr, Frau Budde.

Wir haben ja von dem neuen Werbeslogan gehört, Herr Dr. Bergner. Wenn Sie sich hier gegen Diffamierung wenden, dann würde ich gern Ihre persönliche Auffassung dazu hören, was Sie von dem Werbespruch „Kinder statt Inder“ halten. Ich möchte wissen, ob das eine Diffamierung ist oder ob Sie es als Diffamierung empfinden, wenn wir diesen Werbespruch kritisieren.

(Zuruf: Welchen Werbespruch?)

Frau Budde, ich habe zunächst einmal festzuhalten, daß ich gestern abend im Fernsehen erstmals in Form

eines Zitates von einem Spruch, den der nordrheinwestfälische Landesverband verwenden soll, gehört habe. Ich kann jetzt nur sehr beschränkt dazu Stellung nehmen. Aber eines ist klar:

(Frau Budde, SPD: Man braucht nur fünf Minuten, um darüber nachzudenken!)

Ich habe die Äußerung des Bundeskanzlers Schröder,

(Frau Budde, SPD: Das ist doch kein Vergleich!)

daß wir zigtausende ausländische Arbeitnehmer über Greencards hierher holen müssen, die ja in den jeweiligen Ländern - Sie haben von Indien gesprochen -,

(Frau Budde, SPD: Ich habe nicht davon gespro- chen!)

- ja, gut, aber wenn das Stichwort Inder gefallen ist, dann wollen wir bei dem Beispiel bleiben - in den Schwellenländern und Entwicklungsländern für die wirtschaftliche Entwicklung dringend gebraucht werden, zur Kenntnis genommen. Daß diese Leute jetzt nach Deutschland geholt werden sollen, muß doch wenigstens als Offenbarungseid unserer gesellschaftlichen und bildungspolitischen Entwicklung benannt werden dürfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP - Unruhe bei der SPD - Frau Budde, SPD: Das ist doch nicht wahr! - Zurufe von Herrn Bischoff, SPD, und von Herrn Sachse, SPD)

Meine Damen und Herren! Der Fraktionsvorsitzende -

(Starke Unruhe)

- Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD - Zurufe von der CDU und von der FDVP)

- Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Halten Sie sich etwas zurück! - Der Vorsitzende der SPD-Fraktion hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte, Herr Dr. Fikentscher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dazu muß ich doch noch ein paar Worte sagen.

Zunächst einmal, Herr Kollege Bergner: Selbstverständlich ist es Ihr Recht als Opposition, eine Aktuelle Debatte zu beantragen.

(Lachen bei und Zurufe von der CDU)

Und selbstverständlich ist es, wenn Sie so ein Thema vortragen, unser Recht, unsere Meinung dagegenzusetzen. Das ist doch wohl unbenommen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn unsere Meinung nun einmal so ist, dann müssen wir sie hier auch vortragen.

(Frau Stange, CDU: Aber wie!)

Schlimm ist es dann doch, wenn in dem, was ich heute früh mit „Kinder statt Inder“ gelesen habe, Ihrerseits eine Linie steckt, so daß man nicht nur an einen Ausrutscher glaubt. Darüber werden wir uns hier wohl noch streiten dürfen. Ich glaube nicht, daß Sie das mit dem

Vorwurf der Diffamierung aus der Welt schaffen kön-nen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Streiten ja, aber nicht diffamieren! - Zuruf von Frau Stange, CDU)

- An welcher Stelle sind Sie denn diffamiert worden?

(Frau Budde, SPD: Sie haben das doch gesagt!)

Das sind doch alles Tatsachen und Fakten, die sich in eine bestimmte Reihe einsortieren lassen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das Protokoll gucken wir uns genau an! - Frau Budde, SPD: Das machen Sie mal! Vielleicht lernen Sie was daraus! - Zurufe von der CDU)

- Ich weiß, was ich sage.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion erteile ich nunmehr der Abgeordneten Frau Ferchland das Wort. Bitte, Frau Ferchland.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz sind keine selbstverständlichen Werte, sondern wurden gerade in den neuen Bundesländern nach Erfahrungen eingeklagt und durchgesetzt. Doch Demokratie, tätige Toleranz und gelebte Weltoffenheit treten nicht per Akklamation in Kraft. Sie müssen eine lebensweltliche Verankerung bei den Menschen haben: der ausländische Nachbar, die binationale Familie als Selbstverständlichkeit, die bunte Jugendkultur als Ausdruck der Vielfalt von Lebensentwürfen und Kreativität junger Menschen. All dies sollte in allen Lebensbereichen greifbar und erfahrbar werden.

(Beifall bei der PDS)

Doch gerade in den neuen Bundesländern fehlt hier so mancher Farbtupfer. In den 90er Jahren mußten wir einen bis dahin nicht bekannten Aufschwung rechtsextremistischer Ideologien erleben. Da wurden Ausländerinnen und Ausländer gejagt,

(Zuruf von Herrn Miksch, fraktionslos)

Jugendklubs überfallen und couragierte Bürgerinnen und Bürger eingeschüchtert.

Soziologen sprechen davon, daß Rechtsextremismus ein kulturelles Phänomen ist, das aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Beleg dafür sind rassistische Sprüche auf Straßen und auf Wahlplakaten, Vorurteile gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und schlichte Unwissenheit und Desinteresse.

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung ein Konzept vorgestellt, welches das Bewußtsein für Beteiligungsdemokratie stärken, Bürgerengagement unterstützen und den Horizont für andere Kulturen öffnen soll.

(Zustimmung von Frau Krause, PDS)

Ziel des Handlungskonzeptes ist es, auf diese Weise das Wachsen einer Zivilgesellschaft zu befördern.

Genau das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich der Verein „Miteinander“ auf seine Fahnen geschrieben.

(Frau Stange, CDU: Aber andere auch!)

Er will vor Ort in den Schulen, bei Bildungsträgern, mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sowie mit Bürgerinitiativen tätig werden und mit ihnen gemeinsam - und nicht in Konkurrenz zu ihnen - nach Wegen für mehr Bürgerengagement suchen.

In konkreten Kooperationsprojekten bearbeitet der Verein „Miteinander“ gemeinsam lokale und regionale Probleme im Umgang mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Dabei kommt es gerade auf die regionale Verankerung der Projekte an.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins gehen davon aus, daß es für die Lösung regionaler Probleme keine vorgefertigten Konzepte geben kann; sie gehen vielmehr von in der Analyse bekannten Fragestellungen aus und suchen gemeinsam mit kommunalen Multiplikatoren nach Antworten.

So wird es Beratungsangebote für Jugendliche geben, aber auch Fortbildungsseminare für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer sowie Angebote der Moderation bei Konflikten mit rechtsorientierten Jugendlichen.

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

Im Mittelpunkt der Arbeit des Vereins steht nicht in erster Linie eine spektakuläre Aktion,