Protocol of the Session on March 9, 2000

Der Gesetzentwurf der PDS-Landtagsfraktion wurde vom Landtag in der 12. Sitzung am 11. Dezember 1998 in die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales, für Inneres und für Finanzen sowie zur federführenden Beratung in den Ausschuß für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport überwiesen.

In ihrer Begründung zu dem Gesetzentwurf im Plenum führte die PDS-Fraktion als Zielstellung an, das alte, seit 1991 gültige Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz als reines organisatorisch-techni-sches Gesetz zu ersetzen, um gleichzeitig eine nähere Ausgestaltung der vielen Landesrechtsvorbehalte des Kinderund Jugendhilfegesetzes vorzunehmen und darüber hinaus Aussagen zu Leistungen und Grundsätzen der Kinder- und Jugendhilfe im Land SachsenAnhalt zu treffen.

Von seiten der SPD-Fraktion wurde eine Novellierung des bestehenden Gesetzes in der eingebrachten Form als durchaus sinnvoll angesehen, auch wenn eine Reihe von Fragen offen wären.

Die CDU-Fraktion lehnte den Gesetzentwurf ab, da ihrer Meinung nach dieser ein Konkurrenzgesetz zum bestehenden Kinder- und Jugendhilfegesetz sei, zu finanziellen Fragen keine Aussagen treffe und man es sich außerdem nicht leisten könne. Auch die Landesregierung sah in der Erarbeitung eines kinder- und jugendpolitischen Programms eher ein Instrument auf dem Gebiet der Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe.

Der Ausschuß für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport hat in seiner Beratung am 29. Januar 1999 beschlossen, am 26. Februar eine Anhörung zum Gesetzentwurf durchzuführen. Dazu wurden auch die mitberatenden Ausschüsse eingeladen.

In der Anhörung kam eine Vielzahl eingeladener Gäste zu Wort, wie beispielsweise die kommunalen Spitzenverbände, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege, Vereine, Verbände, Vertreter der Fachhochschule Magdeburg, die Kinderbeauftragte, die Landesbeauftragte für Frauenpolitik, Jugendliche und kommunale Vertreter.

Grundtenor der Beiträge war die Zustimmung zum Grundanliegen, nämlich das bestehende Landesausführungsgesetz abzulösen. Kritikpunkte gab es insbesondere von seiten der kommunalen Spitzenverbände zu finanziellen Auswirkungen der im Gesetzentwurf festgeschriebenen Übertragung von Leistungen und Aufgaben auf die kommunale Ebene und damit verbunden die Aufforderung an den Gesetzgeber, eine Gesetzesfolgenabschätzung vorzunehmen.

Darüber hinaus gab es von allen Gästen zu einzelnen Paragraphen und Abschnitten Hinweise und Vorschläge zu Änderungen, Neuaufnahmen oder anderen, konkreteren Formulierungen.

In der 19. Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport am 24. September 1999 verständigten sich die Mitglieder darauf, über Verfahrensfragen bei der Behandlung des Gesetzentwurfes am 15. Oktober 1999 zu beraten.

In dieser Sitzung brachten die Vertreterinnen und Vertreter der PDS-Fraktion einen Änderungsantrag zum Herauslösen des Abschnittes 4, eines Teils des Ab

schnittes 5 und der Abschnitte 6 bis 10 aus dem Gesetzentwurf ein. In ihrer Begründung führten die Vertreterinnen und Vertreter der PDS-Fraktion aus, daß man nach intensiven Diskussionen, insbesondere mit kommunalen und freien Trägern der Jugendhilfe, zu dem Entschluß gekommen sei, diese Abschnitte einer Gesetzesfolgenabschätzung zu unterziehen und dafür im Landeshaushalt Mittel zu beantragen. Dieser Änderungsantrag wurde mit 9 : 1 : 1 Stimmen mehrheitlich angenommen.

Als Termin für die Einzelberatung des Gesetzes und die damit verbundene Erarbeitung einer vorläufigen Beschlußempfehlung wurde der 19. November 1999 festgelegt.

Dem Ausschuß lagen zu Beginn der Beratung mehrere Änderungsanträge der Fraktionen der PDS und der SPD vor. Diese betrafen unter anderem folgende inhaltliche Aspekte: stimmberechtigte und beratende Mitglieder des Jugendhilfeausschusses und des Landesjugendhilfeausschusses sowie die Erweiterung des Wohnortprinzips für die Mitgliedschaft, die Tätigkeit beider Ausschüsse, den Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung, die Erweiterung der Hilfen zur Erziehung auf Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und Hilfen für junge Volljährige, Vormundschafts- und Beistandsvereine.

Am Ende dieser Beratung lag dem Ausschuß der Gesetzentwurf in der nach der Abstimmung zu den einzelnen Paragraphen geänderten Fassung vor, die als vorläufige Beschlußempfehlung an die mitberatenden Ausschüsse mehrheitlich angenommen wurde.

Zur Beratung des Ausschusses für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport am 24. Februar 2000 lagen die Ergebnisse der Abstimmung aus den mitberatenden Ausschüssen vor, die ich nennen möchte: Der Ausschuß für Finanzen stimmte mit 8 : 3 : 1 Stimmen, der Ausschuß für Inneres stimmte mit 9 : 3 : 1 Stimmen und der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stimmte mit 7 : 4 : 0 Stimmen der vorläufigen Beschlußempfehlung zu.

In der abschließenden Beratung des federführenden Ausschusses formulierten die Vertreterinnen und Vertreter der CDU-Fraktion noch einmal ihre Ablehnung zum gesamten Gesetzentwurf, der aus ihrer Sicht nicht nötig wäre, da das bestehende Landesausführungsgesetz als ausreichend angesehen werde.

Dieser Meinung konnten die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der SPD und der PDS nicht folgen. Erneut wurden von beiden Fraktionen einige Änderungsanträge eingebracht, die insbesondere auf Hinweisen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes beruhten, dem an dieser Stelle ein besonderer Dank gesagt werden soll.

Nach der Abstimmung über diese Anträge wurde über den Gesetzentwurf in der nunmehr erneut geänderten Fassung abgestimmt und diese mit 6 : 4 : 0 Stimmen angenommen. Diese Beschlußempfehlung des Ausschusses liegt Ihnen nunmehr vor. Ich stelle sie hiermit Ihrer Beratung anheim. - Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Danke für die Berichterstattung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je

Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge: DVU-FL, SPD, CDU, FDVP und PDS. Zuvor erteile ich Ministerin Frau Dr. Kuppe für die Landesregierung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Wir haben heute über die Beschlußempfehlung zum Entwurf eines Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zu befinden, die in wesentlichen Bereichen gegenüber dem von der PDS-Fraktion eingebrachten Entwurf modifiziert wurde. Für die konstruktive und sachgerechte Diskussion in den Ausschüssen bedanke ich mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten sehr herzlich.

Ein wesentlicher Punkt der Beratung war die Frage der Kostenrelevanz hinsichtlich der Umsetzung des Gesetzentwurfes. Im Ergebnis der Beratungen wurden deshalb konsequenterweise die Bestimmungen zur inhaltlichen Ausgestaltung der allgemeinen Grundsätze der Jugendhilfe und der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, des Kinder- und Jugendschutzes und der allgemeinen Förderung der Erziehung, die in zahlreichen Details die Vermutung der besonderen Kostenintensität nahelegten, in der Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses gestrichen. Diese sollen nach dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der PDS Gegenstand einer von der Landesregierung durchzuführenden Gesetzesfolgenabschätzung sein.

Der Entschließungsantrag selbst weist dabei bereits auf zahlreiche Vorschriften hin, für welche auch ich eine besondere Betrachtung der Gesetzesfolgen, insbesondere der Kostenfolgen, für notwendig erachte. Darauf habe ich schon anläßlich der Einbringung des Gesetzentwurfes in der Landtagssitzung im Dezember 1998 hingewiesen.

Ich teile die Auffassung der Antragsteller, die Abschätzung der Gesetzesfolgen nicht allein auf die Kostenfrage zu konzentrieren, sondern auch Fragen insbesondere der Zweckeignung und der Praktikabilität der vorgeschlagenen Regelungen in die Betrachtung mit einzubeziehen.

Gerade im Hinblick auf solche Vorschriften, mit denen man eine Qualitätssteigerung in der Jugendhilfe über eine ausführliche Zielbeschreibung zu erreichen versucht, bedarf es einer genauen Untersuchung, ob und auf welche Weise die Jugendhilfeträger von der ihnen durch diese Regelungstechnik überlassenen Weite des Handlungsspielraumes auch Gebrauch machen. Erst eine nähere Untersuchung wird Aussagen dazu erlauben, ob das mit den vorgeschlagenen Regelungen angestrebte Ziel tatsächlich erreicht werden kann.

Insbesondere die Regelungen zur Einflußnahme der Jugendhilfe auf andere Politik- und Verwaltungsbereiche oder zur außerschulischen Jugendbildung sollten einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden. Indem für dieses und das kommende Jahr die entsprechenden Haushaltsmittel zugewiesen wurden, sind wir als Ministerium in die Lage versetzt worden, die Folgenabschätzung durchzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die in der Beschlußempfehlung enthaltenen Neuregelungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz sind eine qualitative Verbesserung, die ich an einigen Stellen besonders hervorheben möchte.

Erstens. Für die örtlichen Ausschüsse ebenso wie für den Landesjugendhilfeausschuß ist die stimmberechtigte Mitgliedschaft junger Menschen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, vorgesehen.

Diese Regelung ist nach meiner Einschätzung geeignet, die Glaubwürdigkeit der Forderung der Jugendhilfe nach verstärkter Einbeziehung junger Menschen in die sie betreffenden Entscheidungen zu bestätigen. Das ist wiederum für die Entwicklung gesellschaftlicher Kompetenz einschließlich des Vertrauens in demokratische Strukturen von enormer Bedeutung.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Bedenken hinsichtlich der möglichen Konsequenzen, die auch geäußert worden sind, daß nämlich mit der Änderung das Erfordernis der nötigen Fachlichkeit in einem Jugendhilfeausschuß nicht mehr gegeben sein könnte, teile ich nicht. Über die Eigeninteressen der entsendenden Träger der freien Jugendhilfe und die Notwendigkeit eines Nachweises der jungen Menschen über ihre Erfahrungen wird diesem Erfordernis bei der Auswahl der Mitglieder hinreichend Rechnung getragen werden.

Zweitens. Die Arbeit der örtlichen Ausschüsse wird gestärkt durch Normierung einer ausnahmslosen Pflicht der Vertretungskörperschaft zur Anhörung des Ausschusses zu Fragen der Jugendhilfe und durch klar-stellende Regelungen zu den Auskunftsrechten dieses Ausschusses.

Zudem wird auch der Bedeutung der Jugendarbeit bei der Besetzung der örtlichen Ausschüsse nun in angemessener Weise Rechnung getragen werden. Nach meiner Einschätzung wäre es wünschenswert gewesen, auch andere Aufgabenbereiche der Jugendhilfe, zum Beispiel die Familienarbeit, bei der Regelung der Besetzung der örtlichen Ausschüsse zu berücksichtigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch im Hinblick auf die Besetzung und die Arbeit des Landesjugendhilfeausschusses enthält der vorgelegte Gesetzesentwurf zahlreiche Neuregelungen. Ich meine, daß die nunmehr modifizierten Vorschriften über die Tätigkeit des Landesjugendhilfeausschusses und die Stellung seiner Mitglieder geeignet sind, durch eine Verbesserung der Rechtssicherheit auch die Qualität der Ausschußarbeit zu gewährleisten oder sogar zu verbessern.

Ähnlich den Vorschriften zu den örtlichen Ausschüssen sind auch für den Landesjugendhilfeausschuß Anhörungsrechte gegenüber der obersten Landesjugendbehörde in grundsätzlichen Angelegenheiten der Jugendhilfe, insbesondere zur Vorbereitung des Landeshaushalts, vorgesehen. Weiterhin hat der Landesjugendhilfeausschuß die Möglichkeit, die für seine Arbeit erforderlichen Informationen sowohl bei der obersten Landesjugendbehörde als auch bei der Verwaltung des Landesjugendamtes einzuholen. Ich denke, dadurch wird eine Verbesserung in der Qualität der Arbeit erreicht werden, von der insbesondere die jungen Menschen profitieren können.

Die Fachlichkeit für die eigenen Entscheidungen und Maßnahmen nutzbar zu machen, betrachte ich als ein selbstverständliches Anliegen der obersten Landesjugendbehörden. Ich habe auch in diesem Feld keine Bedenken, aus Gründen der Klarstellung eine entsprechende gesetzliche Regelung in die Novelle zum Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz aufzunehmen.

Besonders positiv, meine sehr geehrten Damen und Herren, bewerte ich die Regelungen zur Gestaltung der Hilfe zur Erziehung, insbesondere zur Gestaltung eines Hilfeplanes.

Schließlich halte ich es für ein wichtiges Signal, daß in der Beschlußempfehlung eine gesetzliche Klarstellung enthalten ist, durch die die Möglichkeit einer gemeinsamen Pflegeerlaubnis für gleichgeschlechtliche Paare eröffnet wird. Hier ist ein weiterer Schritt zum Abbau der Benachteiligung dieser Personengruppe erreicht worden.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Ich empfehle die Annahme der beiden vorliegenden Anträge.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Frau Hel- mecke, FDVP: Nein!)

Danke, Frau Ministerin. - Die Fraktion der DVU-FL hat auf einen Redebeitrag verzichtet. - Das hat sich nicht geändert. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Steckel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, ich kann wesentlich zur Verkürzung der Debatte beitragen. Die Ministerin Frau Kuppe hat wirklich alle Kernpunkte ausführlich dargestellt. Die SPDFraktion schließt sich diesen Ausführungen nahtlos an. Ich würde darum bitten, meine Rede zu Protokoll geben zu dürfen.

(Zu Protokoll:)

Mit der Verabschiedung des Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegenden Entwurfes eines Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt sowie des gemeinsamen Entschließungsantrages der Fraktionen der SPD und der PDS wird eine lange Diskussion beendet, die unter anderem darum kreiste, ob und wie man das im Jahr 1991 von der damaligen CDU-FDPRegierung verabschiedete und gegenwärtig noch geltende Ausführungsgesetz zum bundesweit gültigen Kinder- und Jugendhilfegesetz verändert.

Der inhaltliche Teil des Gesetzentwurfes, der unter anderem allgemeine Aufgaben und Grundsätze sowie fachliche Anforderungen der Jugendhilfe festlegt, wird aus dem Entwurf herausgenommen. Dieser Teil soll - so sieht es der bereits von mir erwähnte Entschließungsantrag vor - einer Gesetzesfolgenabschätzung unterzogen werden. Dies war und ist insbesondere die Forderung der kommunalen Spitzenverbände sowie der Kommunalund Finanzpolitiker meiner Fraktion.

Der Verbesserung der Qualität der im PDS-Entwurf gemachten inhaltlichen Aussagen dient die Durchführung eines Gesetzestestes in besonderer Weise. Durch die probeweise Handhabung einer fiktiv in Kraft gesetzten Regelung sind zuverlässigere Aussagen über folgende Punkte möglich: erstens die verwaltungsmäßige Eignung, zweitens die Adressateneignung, drittens die Zielrichtung und die Zweckeignung und viertens die Effektivität und Effizienz sowie die Umsetzbarkeit.

Mit der Gesetzesfolgenabschätzung treten wir in einen Diskurs ein, welcher die gesellschaftlichen Implikationen einer beginnenden neoliberalen Orientierung der Jugendhilfe - die von einer betriebswirtschaftlich-ökonomischen Rationalität geprägt sein wird - nicht weiter verdeckt, sondern in ihren möglichen Konsequenzen deutlich werden läßt.

Ziel muß aber sein, über einen rein betriebswirtschaftlich-ökonomischen Ansatz hinaus die Eckpunkte einer an Qualität orientierten Jugendhilfe zu formulieren.

Der Gesetzentwurf, der Ihnen heue zur Beschlußfassung vorliegt, verfolgt unter anderem folgende Zielstellungen: